Handbuch Medizinrecht

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IV. Sonstige Beteiligte am Zulassungsverfahren

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In der klassischen Systematik des Vertragsarztrechtes waren bisher lediglich die KV einerseits und die Krankenkassen andererseits unmittelbar beteiligte Institutionen. Dies hat seinen Sinn darin, dass die KV gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V den Sicherstellungsauftrag hat und die Krankenkassen die ärztliche Tätigkeit für die Versorgung der GKV-Versicherten finanzieren müssen. Durch das Patientenrechtegesetz wurde dann weiter der Patientenvertreter nach § 140f SGB V geschaffen; auf Grundlage des TSVG haben nunmehr auch die Länder Einflussmöglichkeiten im Zulassungsrecht, ohne sich jedoch an den Kosten innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beteiligen zu müssen.

1. Patientenvertreter

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Die Beteiligung von Interessenvertretern der Patientinnen und Patienten findet ihre Grundlage in § 140f SGB V. Nach § 140f Abs. 3 SGB V sind auf Landesebene folgende Mitberatungsrechte geregelt:


im Landesausschuss nach § 90 SGB V sowie dem erweiterten Landesausschuss nach § 116b Abs. 3 SGB V (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB V),
in den Zulassungsausschüssen und Berufungsausschüssen, soweit Entscheidungen über eine ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze (Sonderbedarf) zur Entscheidung anstehen (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Buchst. a SGB V), eine befristete Zulassung erteilt werden soll (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Buchst. b SGB V) oder bei Ermächtigungen von Ärzten und Einrichtungen (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Buchst. c SGB V).
Die Mitberatungsrechte sind beschränkt nur auf den Zulassungsausschuss, soweit die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a SGB V oder die Ablehnung einer Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 S. 9 SGB V geplant ist (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB V).

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Ferner haben sie noch ein Mitberatungsrecht im Landesausschuss sowie erweiterten Landesausschuss. Das Mitberatungsrecht beinhaltet auch das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung.

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Funktion dieser Patientenbeteiligung ist es, die Patientensouveränität zu stärken und den Erfahrungsschatz der sie vertretenden Organisationen zu nutzen.[6] Damit ist es erforderlich, dass die Patientenvertreter nach § 36 Ärzte-ZV zu den Sitzungen zu laden sind, soweit sie ein Mitwirkungsrecht haben. Sie haben auch ein Akteneinsichtsrecht in den Verfahren, an denen sie beteiligt sind.[7] Umstritten in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie damit zu verfahren ist, wenn der Patientenvertreter nicht zur Sitzung des Zulassungsausschusses/Berufungsausschusses geladen wurde. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Patientenvertreter ist kein Mitglied des Ausschusses, sondern ein weiterer Beteiligter ist. Unzutreffend ist jedoch die Auffassung von Ladurner[8], wonach dies ein unbeachtlicher Verfahrensfehler sei. Durch die Einbindung der Patientenvertreter sollen auch deren Tatsachenkenntnisse mit einfließen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie gem. § 140f Abs. 3 S. 2 SGB V bei der Beschlussfassung mit anwesend sein dürfen. Daher liegt ein – heilbarer – Verfahrensfehler vor.[9]

2. Beteiligungsrechte der Länder

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Auch die Länder können Einfluss auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nehmen. Zunächst steht ihnen gem. § 13 Abs. 2 Ärzte-ZV das Recht zu, dass ihre Anregungen in die Aufstellungen des Bedarfsplanes mit einbezogen werden. Ferner besteht nach § 13 Abs. 3 Ärzte-ZV die Möglichkeit, dass die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden nach zwingender Vorlage des angepassten Bedarfsplanes innerhalb einer Frist von 2 Monaten diesen beanstanden können.

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Ein weiterer Tätigkeitsbereich ist in § 103 Abs. 2 S. 4–8 SGB V geregelt. Letztlich können auf Grundlage dieser Regelung trotz Überversorgung Bereiche des lokalen Sonderbedarfs ausdrücklich ausgewiesen werden. In der Konsequenz wird dann bestimmt, wie viele Sitze besetzt werden können. Dabei sind diese besonderen Sitze innerhalb des Bedarfsplans nach § 99 SGB V auszuweisen.

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Auch bei Zulassungsverfahren haben nunmehr die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden ein Mitberatungsrecht, das – entgegen der Tätigkeit der Patientenvertreter – nicht auch für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gilt, sondern nur für das Verfahren vor dem Zulassungsausschuss (§ 96 Abs. 2a SGB V):


Sonderbedarfszulassung wegen lokalem Sonderbedarf;
bei der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens, sowie bei der Ablehnung der Nachbesetzung nach § 103 SGB V;
Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze auf Grundlage der Entscheidung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden nach § 103 Abs. 2 S. 4 SGB V,
bei der Ermächtigung von Ärzten und Einrichtungen;
bei der Befristung einer Zulassung nach § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV;
bei der Verlegung eines Vertragsarztsitzes oder einer genehmigten Anstellung nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV.

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Das Mitberatungsrecht beinhaltet eine frühzeitige Information über den Verfahrensgegenstand, die Teilnahme an den Sitzungen einschließlich des Rechts zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung sowie das Recht zur Stellung verfahrensleitender Anträge. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zum Patientenvertreter bei fehlender Ladung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden entsprechend. Die zusätzliche Möglichkeit der Stellung verfahrensleitender Anträge nach § 96 Abs. 2a S. 2 SGB V ermöglicht den Landesbehörden lediglich, in das Verfahren vor dem Zulassungsausschuss mit Anträgen einzugreifen. Dabei sind rein verfahrensrechtliche Gesichtspunkte wie auch die zur Sachverhaltsermittlung beachtlich. Inhaltliche Anträge, also materiell-rechtliche Fragen, unterliegen diesem Antragsrecht nicht.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › V. Bedarfsplanung, §§ 99 ff. SGB V

V. Bedarfsplanung, §§ 99 ff. SGB V

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Ursprünglich sollte die Niederlassung von Ärzten dahingehend gesteuert werden, dass diese sich nicht ausschließlich in interessanteren Ballungsgebieten und Großstädten niederließen, sondern sich vermehrt in den bislang unterversorgten ländlichen Gebieten und Randlagen der Großstädte ansiedelten. Hierzu bestand und besteht auch heute die Möglichkeit, zugunsten von unterversorgten Gebieten in mit Ärzten gut abgedeckten Gebieten die Zulassung von Ärzten zu beschränken. Nach heutigem Verständnis dient die Bedarfsplanung[10] im Wesentlichen dazu, die Finanzierbarkeit der GKV durch die Begrenzung der Ärzte wegen der angebotsinduzierten Nachfrage durch den Patienten sicher zu stellen. Wegen des in ländlichen Gebieten wieder beginnenden und sich in der Zukunft verstärkenden Ärztemangels erlangt die ursprüngliche Steuerungsfunktion wieder zunehmend Wichtigkeit. Die Reaktion des Gesetzgebers auf diese Entwicklung führte im Jahr 2011 zu einer abermaligen Änderung des Vertragsarztrechts durch das GKV-VStG. Auf Grund der neuen Vorgaben für die Bedarfsplanung wurde die Bedarfsplanungs-Richtlinie vollkommen neu gefasst und die Bedarfsplanung wesentlich kleingliedriger vorgenommen.

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Das grundlegende Instrument der Bedarfsplanung ist die Begrenzung der Neuzulassung von Ärzten, sofern in dem fraglichen Gebiet eine festgelegte Relation der Arztzahl im Verhältnis zu der Bevölkerungszahl überschritten wird.

1. Grundstrukturen

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Die Bedarfsplanung ist im Ergebnis die Prüfung, ob das statistisch „richtige“ Mengenverhältnis zwischen der Anzahl der Ärzte und der vorhandenen Bevölkerung vorliegt. Ziel ist eine „optimale“ Versorgung (im Regelfall als 100 % Versorgungsgrad angegeben). Hierzu sehen die §§ 9 ff. Bedarfsplanungs-Richtlinie für die unterschiedlichen Planungsbereiche gesonderte Verhältniszahlen vor. Organ der Bedarfsplanung ist der Landesausschuss, § 90 SGB V. Er überprüft die Abdeckung der Planungs-/Zulassungsbezirke mit Ärzten. Der Landesausschuss stellt im verwaltungsrechtlichen Innenverhältnis zu den Zulassungsgremien verbindlich fest, ob eine Über- oder Unterversorgung vorliegt und trifft ggf. verbindliche Maßnahmen.[11]

2. Bedarfsplan, § 99 SGB V

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Gemäß § 99 SGB V i.V.m. §§ 12–14 Ärzte-ZV ist durch die KV im Einvernehmen – also mit Zustimmung[12] – mit den Landesverbänden der Krankenkassen, der Verbände der Ersatzkassen und im Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden nach Maßgabe der Bedarfsplanungsrichtlinien ein Bedarfsplan aufzustellen. Dieser Bedarfsplan stellt aber nicht die Grundlage für den Ausspruch von Zulassungsbeschränkungen dar, diese werden vielmehr gesondert durch den Landesausschuss beschlossen. Bei der Aufstellung des Bedarfsplans ist auch die Krankenhausplanung zu beachten, um eine gewisse Harmonisierung der ambulanten und stationären Versorgung zu gewährleisten.[13]

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Dieser Bedarfsplan stellt primär eine Bedarfsanalyse auf Basis der erhobenen Daten[14] wie z.B. Arztdichte und Bevölkerungszahl dar, nach der ein vorhandener Bedarf an zusätzlichen Ärzten unterteilt nach Fachgruppen ausgewiesen wird. Der Bedarfsplan hat eher einen informatorischen Charakter ohne normative Wirkung,[15] da er keinerlei Außenwirkung hat. Er ist weder Verwaltungsakt, noch Rechtsnorm. Durch seinen „orientierenden“ Charakter ist die praktische Bedeutung des Bedarfsplanes nach § 99 SGB V eher gering. Der einzelne Arzt ist bei einer gerichtlichen Überprüfung darauf beschränkt, erst gegen eine ihn beschwerende Entscheidung des Zulassungsausschusses unter Hinweis auf einen gesetzeswidrigen Inhalt des Bedarfsplanes vorzugehen.[16]

3. Bedarfsplanungs-Richtlinie

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Wesentlich relevanter für die Feststellung, ob ein Arzt im Einzelfall eine Zulassung begehren kann, ist die Bedarfsplanungs-Richtlinie. Gem. § 101 Abs. 1 SGB V beschließt der G-BA Richtlinien für die Bedarfsplanung, in denen die grundlegenden Faktoren der Bedarfsplanung festgelegt werden. Wichtigster Faktor dürften hierbei die Verhältniszahlen sein, die die optimale Anzahl der Ärzte auf eine festgelegte Anzahl der Bevölkerung definieren. § 101 Abs. 2 SGB V gibt hinsichtlich der in den Bedarfsplanungsrichtlinien bestimmten Verhältniszahlen zur Bestimmung des Versorgungsgrades vor, dass diese bei Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen sind. Die Bedarfsplanungs-Richtlinie stellt die verbindliche Rechtsgrundlage für die vom Landesausschuss vorzunehmende Bedarfsprüfung dar. Ferner enthält die Bedarfsplanungs-Richtlinie die Vorgaben für eine Vielzahl von Sonderformen der ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit, insbesondere für die Frage der Sonderbedarfszulassung und des Job-Sharings.

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Die grundsätzliche Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsplanungs-Richtlinien als untergesetzliche Normen ist mittlerweile auch vom BSG[17] und durch das BVerfG[18] ausdrücklich bestätigt worden.

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Durch die Änderungen von § 100 SGB V innerhalb des GKV-WSG sind für den zahnärztlichen Bereich die Zulassungsbeschränkungen mit Wirkung zum 1.4.2007 aufgehoben worden.[19] Daher entfällt für diesen Bereich auch die Frage eines gesonderten Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 SGB V. Es besteht lediglich noch die Möglichkeit, wegen Unterversorgung in einzelnen Planungsbereichen Zulassungssperren in anderen

4. Über-/Unterversorgung, §§ 100, 101 SGB V

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Die Prüfung, ob eine Unter- oder Überversorgung vorliegt, obliegt dem Landesausschuss nach § 90 SGB V, die er unter Anwendung der Bedarfsplanungs-Richtlinie vornimmt.

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Während vor dem GKV-VStG für alle Fachgruppen einheitlich Planungsbereich der Landkreis war, wurde dieses unter Berücksichtigung der in § 101 Abs. 1 S. 6 SGB V vorgenommenen Überarbeitung der Bedarfsplanungs-Richtlinie grundlegend geändert.[20] Es wurde eine Differenzierung zwischen der hausärztlichen, der allgemeinen fachärztlichen, der spezialisierten fachärztlichen und der gesonderten fachärztlichen Versorgung vorgenommen. Weiter besteht unter Beachtung der Regelungen in § 99 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 12 Ärzte-ZV für den Landesausschuss in begründeten Fällen die Möglichkeit, von den Vorgaben der G-BA abzuweichen. Ferner fließt in die Bedarfsplanung auch der Demografiefaktor nach § 9 Bedarfsplanungs-Richtlinie ein. Dieser Demografiefaktor ist allgemein gehalten, es wird lediglich zwischen dem Altersfaktor unter 65 Lebensjahren und dem Altersfaktor 65 Lebensjahre und älter differenziert. Eine weitere Differenzierung des Demografiefaktors – wie wir ihn beispielsweise in der Richtgrößenprüfung kennen – wird nicht vorgenommen. Dieser Demografiefaktor ist bei der Berechnung der Verhältniszahlen eine rechnerische Größe. Ferner ist die Arztgruppe nicht zwingend identisch mit dem Facharztgebiet im Sinne der landesrechtlichen Weiterbildungsordnung.[21] Im Rahmen der Generalisierung, Schematisierung und Typisierung im Bereich von berufsrechtlichen Regelungen sind daher Zusammenfassungen ausdrücklich als zulässig angesehen worden.[22] Andererseits ist es nicht zulässig in der Bedarfsplanungs-Richtlinie zu regeln, dass bestimmte Arztgruppen nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen dürfen.[23]

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Selbst wenn in der Bedarfsplanung eine weitere Facharztbezeichnung in einer Arztgruppe mit einbezogen wird, bedeutet dies nicht zwingend, dass die Bedarfszahlen zur Feststellung der Unter- bzw. Überversorgung angepasst werden müssten, wenn die neu erfasste Arztgruppe relativ klein ist.[24]

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Innerhalb der hausärztlichen Versorgung werden nach § 11 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie zusammengefasst: die Fachärzte für Allgemeinmedizin, praktischen Ärzte sowie Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, sofern keine Genehmigung zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung vorliegt, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und ohne weiteres Fachgebiet, welche die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben sowie die Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin. Der Planungsbereich ist nicht mehr der Landkreis, sondern der Mittelbereich in der Abgrenzung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Damit ist in der praktischen Betrachtung des Planungsbereichs die Anlage 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie zu beachten, in der die jeweiligen Gemeinden zusammengefasst werden. Der Landesausschuss kann nach § 11 Bedarfsplanungs-Richtlinie auch andere Raumgliederungen vornehmen, um eine homogene und stabile Versorgung zu gewährleisten.

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Die allgemeine fachärztliche Versorgung umfasst folgende Arztgruppen: Augenärzte, Chirurgen und Orthopäden, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Psychotherapeuten, Urologen sowie Kinder- und Jugendärzte (§ 12 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Planungsbereich für diese Arztgruppen ist die kreisfreie Stadt, der Landkreis oder die Kreisregion (§ 12 Abs. 3 S. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Dabei stellen die Kreisregionen Kreiszusammenfassungen dar, dies unter Berücksichtigung der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Da gerade bei diesen Ärzten auf Grundlage der berufsrechtlichen Weiterentwicklung diverse Facharztbezeichnungen existieren, werden über § 12 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie noch einzelne Facharztbezeichnungen der jeweiligen Arztgruppen zugeordnet. Die Zusammenfassung von Arztgruppen hat gleichzeitig auch Konsequenzen für eine ausgewogene Versorgung unter Berücksichtigung der Entwicklung von einzelnen Facharztbezeichnungen. Dies wird anhand von § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V für die Nervenärzte deutlich. In die Gruppe der Nervenärzte fallen die Nervenärzte selbst, die Neurologen die Psychiater sowie die Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Da es zu einem unausgewogenen Verhältnis zwischen diesen Gruppen gekommen ist, sieht nunmehr § 12 Abs. 5 Bedarfsplanungs-Richtlinie vor, dass bestimmte Verhältniszahlen zwischen Nervenärzten, Neurologen und Psychiatern sowie Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie eingehalten werden müssen. Diese Regelung hat erhebliche Bedeutung für das Nachbesetzungsverfahren und die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung.

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Speziell für die Psychotherapeuten sieht § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bedarfsplanungs-Richtlinie vor, dass in dieser Gruppe ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte, Fachärzte für psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie, psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder-Jugendlichen Psychotherapeuten zusammengefasst werden. Ferner werden die Ärzte, die überwiegend psychotherapeutisch tätig sind, in dieser Planungsgruppe mit erfasst; daher ist es als zulässig anzusehen, wenn ein Arzt ohne Wechsel der Planungsgruppe die Facharztbezeichnung ändert (hier: praktischer Arzt, der bisher in der Gruppe der überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärzte zur Gruppe der ärztlichen Psychotherapeuten wechselte).[25] Sofern ein Hausarzt dieser Gruppe zugeordnet wurde, bleibt er dennoch Mitglied innerhalb der hausärztlichen Versorgung, soweit er sich nicht zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung entschieden hat.

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Die spezialisierte fachärztliche Versorgung umfasst die Anästhesisten, die fachärztlich tätigen Internisten, die Kinder- und Jugendpsychiater sowie die Radiologen (§ 13 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Auch hier wird über § 13 Abs. 2 eine genauere Definition für die Arztgruppen vorgenommen, wobei unterschiedliche Fachärzte in eine bedarfsplanerische Arztgruppe zusammengefasst werden. Eine Differenzierung gerade bei den fachärztlich tätigen Internisten wurde nur eingeschränkt vorgenommen, obwohl dies auf Grund der jeweiligen Spezialisierung sachgerechter gewesen wäre. Auf Grundlage von § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V wurde eine Differenzierung unter Beibehaltung der für die fachärztlichen Internisten geltenden allgemeinen Verhältniszahl in § 13 Abs. 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie vorgenommen; dort wird nunmehr zwischen den Fachinternisten aus den Bereichen Rheumatologie, Kardiologie, Gastroenterologie, Pneumologie und Nephrologie unterschieden. Hier ist vorgesehen, dass bei den Rheumatologen eine Mindestprozentzahl erreicht wird, während für die übrigen aufgeführten Subspezialisierungen innerhalb der Inneren Medizin Maximalgrenzen vorgesehen sind. Diese Differenzierung hat im Zusammenhang mit der Frage von Sonderbedarfszulassungen oder für ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V Bedeutung. Der Planungsbereich für die spezialisierte fachärztliche Versorgung ist die Raumordnungsregion in der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Er erstreckt sich nicht über die Grenzen einer Kassenärztlichen Vereinigung hinaus, es können jedoch zum Zwecke einer homogenen und stabilen Versorgung Änderungen durch den Landesausschuss vorgenommen werden.

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In der gesonderten fachärztlichen Versorgung werden nach § 14 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie kleine Fachgruppen zusammengefasst, die regelmäßig einen überregionalen Einzugsbereich haben. Es handelt sich hierbei um Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner. In § 14 Abs. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie wird für diese Fachgruppen als Planungsbereich der Bereich der KV zugrunde gelegt. Weil dies frühzeitig unter den Ärzten bekannt war, trat eine Zulassungswelle auf, die dazu führte, dass der G-BA einen „Vorratsbeschluss/Moratorium“ mit dem Inhalt erlassen hatte, weitergehende Zulassungen für die neu aufgenommenen Fachgruppen – Labormedizin, Neurochirurgen, Pathologen, Strahlentherapie, Nuklearmediziner und Ärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin – seien unzulässig. Dies wurde von der Rechtsprechung als rechtmäßig angesehen.[26]

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Nach § 29 Bedarfsplanungs-Richtlinie ist eine Unterversorgung zu vermuten, wenn der ausgewiesene Bedarf um 25 % bei der hausärztlichen Versorgung und um 50 % bei der fachärztlichen Versorgung unterschritten wird. Stellt der Landesausschuss entsprechendes fest, hat er die zuständige KV zu informieren, die dann alle zulässigen Mittel zu ergreifen hat, um die Unterversorgung abzuwenden. Hierzu gehört die Ausschreibung von freien Vertragsarztsitzen bis hin zur finanziellen Förderung zulassungswilliger Ärzte.[27] Über § 105 SGB V besteht noch zusätzlich die Möglichkeit der Förderung der vertragsärztlichen Versorgung durch Betreiben von Eigeneinrichtungen der KV oder durch Zahlung von Sicherstellungszuschlägen.

 

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Soweit eine der KV durch den Landesausschuss gesetzte angemessene Frist fruchtlos ausläuft, hat letzterer gem. § 100 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 3 Ärzte-ZV Zulassungsbeschränkungen in anderen, nicht unterversorgten Plangebieten anzuordnen; eine gleich lautende Regelung für den zahnärztlichen Bereich existiert nicht. Für die einzelnen Zulassungsausschüsse ist solch ein Beschluss verbindlich. Es besteht jedoch die Möglichkeit, trotz Anordnung einer Zulassungssperre Ausnahmen zuzulassen, wenn die Ablehnung des Arztes eine unbillige Härte darstellen würde.[28]

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Größere Bedeutung hat in der Praxis § 101 Abs. 1 S. 2 SGB V. Hiernach liegt eine Überversorgung vor, wenn anhand der Berechnungen gemäß den Richtlinien eine mehr als Versorgung von 110 % festgestellt wird, also der bedarfsgerechte Versorgungsbedarf für eine Arztgruppe um 10 % überschritten ist. Ein zugelassener Vertragsarzt wird mit dem Faktor 1, ein Vertragsarzt mit einem Versorgungsauftrag von ¾ mit dem Faktor 0,75 und mit einem hälftigen Versorgungsauftrag mit dem Faktor 0,5 in die Bedarfsplanung eingerechnet. Sofern Angestellte nur teilzeitbeschäftigt werden, so werden diese in der Bedarfsplanung entsprechend ihrer Arbeitszeit berücksichtigt (§ 21 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Bei ermächtigten Ärzten, ermächtigten Einrichtungen bzw. Krankenhäusern findet seit dem GKV-VSG nicht mehr statt.[29]

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Gem. § 103 SGB V i.V.m. § 16b Ärzte-ZV hat der Landesausschuss nach Feststellung der Überversorgung eine Zulassungssperre für den betroffenen Planungsbereich für die entsprechende Arztgruppe auszusprechen. Eine solche Zulassungssperre ist für die Zulassungsausschüsse bindend, ein Antrag auf Zulassung in einem gesperrten Planungsbezirk ist zwingend abzuweisen. Der Zeitpunkt der Bindungswirkung ist die Beschlussfassung des Landesausschusses, auf die Veröffentlichung nach § 16b Abs. 4 Ärzte-ZV kommt es nicht an.[30] Der sonst bestehende Rechtsanspruch des Arztes auf Zulassung ist damit gesetzlich ausgeschlossen. Die Entscheidung des Landesausschusses ist nicht isoliert anfechtbar, es findet jedoch aufgrund eines Rechtsbehelfs bei einer negativen Entscheidung der Zulassungsgremien eine Inzidentkontrolle statt.[31] Gleiches gilt bei einer Klage der KV gegen eine positive Zulassungsentscheidung, nachdem eine partielle Öffnung ausgesprochen wurde.[32] Der Schutz von § 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV greift nicht ein, weil der Bewerber lediglich einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Auswahlentscheidung nach § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie hat. Gegen diese Regelung der Bedarfsplanung konnten bisher verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 12 GG nicht durchgreifen. Ob sich aufgrund der Öffnung der Krankenhäuser über § 116b SGB V etwas anderes ergibt, bleibt abzuwarten.[33] Im Ergebnis ist jedoch davon auszugehen, dass auch in der weiteren Entwicklung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung die strenge Trennung der ambulanten von der stationären Versorgung aufgegeben wird. Daher darf auch in der Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass hier weitere verfassungsrechtliche Bedenken durchgreifen werden.

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Entsprechend § 103 SGB V i.V.m. § 16b Abs. 3 Ärzte-ZV hat der Landesausschuss eine ausgesprochene Zulassungssperre alle sechs Monate bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen von Amts wegen zu überprüfen. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, ist eine Zulassungssperre aufzuheben.

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Wenn sich die Verhältniszahlen ändern oder sich die Arztzahlen reduzieren, kann als Konsequenz ein Versorgungsgrad entstehen, der eine Zulassungssperre nicht mehr rechtfertigt. Nach § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie kann die Zulassungsbeschränkung partiell in der Weise geöffnet werden, dass Zulassungen nur in einem Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe eine Überversorgung eingetreten ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass vor der Erteilung einer Neuzulassung zunächst die Beschränkungen für Job-Sharing oder für Sonderbedarfszulassungen aufzuheben sind, wobei das Verhältnis des Vorrangs von letztgenannten Zulassungsformen untereinander nicht abschließend geregelt ist. Im Ergebnis wird man davon ausgehen müssen, dass zuerst die beschränkte Zulassung in eine „Vollzulassung“ umgewandelt wird, die am ältesten ist.[34]

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Nach einer partiellen Öffnung ist bei mehreren Bewerbern um eine Zulassung ein Auswahlverfahren nach den Grundsätzen von § 103 Abs. 4 SGB V durchzuführen. Fand die partielle Öffnung aufgrund des Demografiefaktors statt, ist es zulässig, den Versorgungsbedarf älterer Menschen besonders zu berücksichtigen.[35] In der Rechtsprechung[36] wird es im Rahmen des Auswahlverfahrens als zulässig angesehen, wenn eine Bewerbungsfrist von 6 bis 8 Wochen gesetzt wird, die mit der Bekanntmachung der Entscheidung des Landesausschusses beginnt.[37] Unter Berufung auf § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie wird hier eine Ausschlussfrist[38] angenommen, so dass auch bei Versäumung dieser Frist eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommen könnte. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen, weil kein Bedarf für diese Ausschlussfrist besteht, wobei hierbei insbesondere Art. 12 GG zugunsten des Arztes zu berücksichtigen ist. Wenn man tatsächlich eine Ausschlussfrist annehmen wollen würde, wäre hierfür unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes erforderlich, dass diese Ausschlussfrist förmlich im Gesetz regelt ist. § 26 Bedarfsplanungs-Richtlinie ist hierfür nicht ausreichend. Soweit vollständige Unterlagen vorliegen, sind diese noch bis zum Sitzungstermin des Zulassungsausschusses zu beachten. Hierbei sind die Kriterien für die Auswahlentscheidung die gleichen wie bei § 103 Abs. 4 SGB V.

501

Unter Beachtung der Liberalisierung des Vertragsarztrechts durch überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften und Zweigpraxen, die auch über die KV-Grenzen hinweg gegründet werden können (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV), wird die gesamte Bedarfsplanung nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie nicht unerheblich verwässert.[39] Auch nach der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie hat sich hieran nichts geändert; wenn sie beseitigt werden soll, bedarf es einer Entscheidung durch den Gesetzgeber.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › VI. Zulassung Ärzte/Zahnärzte