Handbuch Medizinrecht

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4. Die Delegation ärztlicher Leistungen

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Die grundsätzliche Verpflichtung des Vertragsarztes zur persönlichen Leistungserbringung schließt nicht aus, dass Hilfsleistungen an Personal delegiert werden dürfen.[69] Das ergibt sich bereits aus einer sachgemäßen Auslegung des Behandlungsvertrages, der den Einsatz des üblicherweise in einer Arztpraxis beschäftigten Personals nicht ausschließt, weil man nicht annehmen kann, dass der Arzt eine strikte Selbstbindung eingehen will (§ 157 BGB).[70] Auch wird der Patient nicht erwarten dürfen, dass der ihm vertraglich verpflichtete Arzt alle im Rahmen der Therapie erforderlichen Verrichtungen persönlich ausübt. Folglich schließt § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V die vom Arzt angeordnete Hilfeleistung anderer Personen in die Behandlung ein. Sie müssen aber nach § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V von ihm angeordnet und verantwortet werden. Zu differenzieren ist dabei, ob nur untergeordnete Verrichtungen dem Personal überlassen werden (Assistenz) oder ob ärztliche Leistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, weil sie Heilkundequalität[71] haben, delegiert werden.[72] Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein.[73]

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Der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag ist dahingehend auszulegen, dass der Patient diejenigen Leistungen, die eine ärztliche Qualifikation voraussetzen, auch von einem Arzt erbracht haben möchte. Das schließt die Delegation der wesentlichen ärztlichen Leistungsbestandteile, wie zum Beispiel Diagnose und Therapieauswahl, die medizinische Beratung oder den operativen Eingriff, grundsätzlich aus.

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Soweit die Übertragung von Leistungen auf nachgeordnetes Personal, im Rahmen des jeweiligen Behandlungsverhältnisses jedoch zulässig und möglich ist, unterliegt sie besonderen Anforderungen. Grundsätzlich müssen Hilfsleistungen nichtärztlicher Mitarbeiter, die Heilkundequalität haben, vom Arzt angeordnet und verantwortet werden.[74] Diese sowohl aus dem Behandlungsvertrag nach § 278 BGB, wie auch aus dem Arztvorbehalt für heilkundliche Leistungen abzuleitende Voraussetzung, ist in § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V ausdrücklich für das Vertragsarztrecht normiert. § 15 Abs. 1 S. 5 BMV-Ä geht über diese allgemeine Verpflichtung hinaus und verlangt zusätzlich die fachliche Überwachung der nichtärztlichen Mitarbeiter und deren spezielle Qualifikation für die entsprechenden Tätigkeiten.[75]

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Anordnung, Überwachung und Verantwortung der delegierten Leistungen erfordern nicht die zeitgleiche Anwesenheit des leistungsverpflichteten Arztes während der Tätigkeit des betrauten Mitarbeiters. Unter welchen Umständen die Voraussetzungen einer Delegation erfüllt sind, vorausgesetzt, die Anwesenheit des Arztes ist für die jeweilige Situation nicht im EBM oder BMV-Ä explizit vorgeschrieben, ist eine Frage des Einzelfalles und hängt maßgeblich von der Schwierigkeit der Behandlung und vom „Können“ des betrauten Mitarbeiters ab. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Ansichten vertreten.[76] Zweifellos wird es nicht zu beanstanden sein, wenn eine ausgebildete Arzthelferin in Abwesenheit des Praxisinhabers einen Verbandwechsel vornimmt oder Blut entnimmt für spätere Untersuchungen, wenn vorher abgeklärt wurde, dass keine Risiken zu erwarten sind. Selbstverständlich muss die jederzeitige Erreichbarkeit des Arztes wie auch dessen Möglichkeit in angemessener Zeit in der Praxis zu erscheinen, sichergestellt sein. Besteht ein Komplikationsrisiko, müssen auch Vorkehrungen für den Notfall getroffen werden. Möglicherweise darf der Arzt dann nicht delegieren. Das unterliegt seiner Risikoeinschätzung. Eine längere Urlaubsabwesenheit schließt die Delegation von Leistungen während der Abwesenheit grundsätzlich aus, auch wenn es sich um üblicherweise von qualifizierten Mitarbeitern erbrachte Laborleistungen handelt und ständige telefonische Erreichbarkeit besteht.[77]

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Grundsätzlich muss das Hilfspersonal für die jeweilige Verrichtung ausreichend qualifiziert sein. Die zulässige inhaltliche Reichweite der Delegierbarkeit einzelner ärztlicher Maßnahmen ist sachlich und personell zu bestimmen. Sachlich können einfache Hilfstätigkeiten und Zuarbeiten für den Arzt relativ unproblematisch abgegeben werden. Je spezieller die Tätigkeit ist und je selbstständiger das Personal dabei arbeiten soll, umso mehr kommt es auf die dafür geeignete Qualifikation des Mitarbeiters an. Dabei ist zu unterscheiden zwischen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen mit klar geregeltem Berufsbild[78] und Ausbildungsberufen wie medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte, denen man die Aufgaben übertragen darf, für die sie ausgebildet wurden. Bei den immer häufiger werdenden ungelernten Kräften und beruflichen „Quereinsteinsteigern“ kommt es darauf an, deren verlässlich vorhandene Kenntnisse zu ermitteln. Dazu wird dem Arzt eine höhere Überwachungsintensität abzuverlangen sein, als bei Mitarbeitern mit nachgewiesener Ausbildung. Auf die durch Berufsanerkennungen, Zeugnisse und Ausbildungsbescheinigungen manifestierten Qualifikationen darf vertraut werden. Ansonsten muss sich der Vertragsarzt persönlich von den Kenntnissen und Fertigkeiten seiner Mitarbeiter überzeugen. Unter diesen Voraussetzungen sind die delegierten Leistungen persönliche Leistungen des Vertragsarztes mit der Folge, dass sie auch als solche abgerechnet werden dürfen.[79]

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Mittels dem durch das GKV-VStG eingeführten § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V wurde den Bundesmantelvertragspartnern aufgegeben beispielhaft festzulegen, welche Tätigkeiten delegiert und welche Anforderungen an die Mitarbeiter zu stellen sind. Ergebnis dieses Auftrages ist die Anlage 24 zum BMV-Ä.[80] Danach sind Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Diagnosestellung, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidungen über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe nicht delegationsfähig. Einzelne delegierbare Leistungen sind fachgebietsbezogen den medizinischen Assistenzberufen zugeordnet. Da es sich ausdrücklich nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt, können bei Einhaltung der dargestellten Grundsätze auch weitere Leistungen delegiert werden. Voraussetzung jeglicher Delegation ist nach § 3, dass gegenüber dem Mitarbeiter in einer schriftlichen Vereinbarung die Weisungsbefugnis des Arztes sichergestellt wird. Das wird leicht übersehen, wenn kein Arbeitsverhältnis gegeben ist und sich die Weisungsbefugnis nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag ergibt.

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Hausärzte, die in den letzten vier Quartalen durchschnittlich mindestens 700 Patienten oder mindestens 120 Patienten, die älter als 75 Jahre alt waren, behandelt haben, dürfen nach Anlage 8 BMV-Ä einen „nichtärztlichen Praxisassistenten (näP)“ beschäftigen. Dafür erhalten die Hausärzte einen Strukturzuschlag und eine besondere Vergütung für die Haus- und Heimbesuche des Praxisassistenten. Die Vergütungszuschläge sind in Präambel 3.1.11 und in Kap. 3.2.1.2 EBM (2020) derartig detailreich geregelt, dass die praktische Anwendung kaum fehlerfrei möglich sein dürfte.

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Die Qualifikationsanforderungen für dieses einheitlich als „Nichtärztlicher Praxisassistent (NäPa)“ bezeichnete nicht-ärztliches Hilfspersonal sind in der Delegations-Vereinbarung (Anlage 8 BMV-Ä) geregelt. Der Einsatz von Praxisassistenten muss mindestens 20 Std./Woche umfassen und ist genehmigungspflichtig. Der Unterschied zur Delegation an anderes nicht-ärztliches Personal liegt in der Befugnis der Praxisassistenten, in Abwesenheit des Vertragsarztes auf dessen Anordnung hin, Routineleistungen bei Hausbesuchen und in Alten-, und Pflegeheimen übernehmen zu dürfen.

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Für alle Arztgruppen wurde im EBM ein entsprechendes Kapitel 38.3 geschaffen, das die Vergütung für den Einsatz von Praxisassistenten bei Besuchsleistungen und bei der Heimbetreuung festlegt.

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Die Delegation ärztlicher Leistungen durch ermächtigte Krankenhausärzte auf nachgeordnete Krankenhausärzte, ist grundsätzlich unzulässig. Auch wird die Ermächtigung häufig aufgrund besonderer Qualifikation des Krankenhausarztes erteilt, die bei den nachgeordneten Krankenhausärzten unter Umständen nicht gegeben ist und daher zusätzlich einer Delegation entgegensteht.[81] Für die Delegation auf nichtärztliches Krankenhauspersonal gelten die entsprechenden Anforderungen an deren Qualifikation und Überwachung wie bei Praxispersonal im niedergelassenen Bereich.

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Hinweis

Anders als im Krankenhausrecht, werden im Vertragsarztrecht die Delegationsmöglichkeiten im Zweifel eingeschränkt gesehen. Das hat seine Ursache in dem Bestreben aus monetären Gründen Leistungsausweitungen der Vertragsärzte zu verhindern. Praktische Probleme treten aufgrund eines vielerorts spürbaren Ärztemangels auf, speziell in den arztfernen Bereichen der häuslichen Pflege und in Pflegeheimen, wo die ambulante Behandlung auch von Vertragsärzten geleistet werden muss. Der dafür zur Unterstützung gedachte „Praxisassistent“ ist an so viele Voraussetzungen gebunden, dass er nicht oft zum Einsatz kommt. Verstöße gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung werden sowohl mit Honorarrückforderungen als auch mit Disziplinarverfahren und Zulassungsentziehungen sanktioniert und führen auch häufig zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrug, auch wenn dabei keinerlei Qualitätseinbußen bei der Leistungserbringung zu verzeichnen waren.[82]

 

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Genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen sind grundsätzlich nicht vom Genehmigungsinhaber auf angestellte Therapeuten delegierbar. Das ergibt sich aus dem Vertretungsverbot für diese Leistungen in § 14 Abs. 3 BMV-Ä, das mit dem auf besonderem Vertrauen aufgebauten individuellen Behandlungsverhältnis begründet wird.[83] Ggf. ist die Genehmigung der Leistungen für den Mitarbeiter zu beantragen, wenn dieser über die Voraussetzungen zur Leistungserbringung verfügt. Andere nicht dem Vertretungsverbot unterfallende Leistungen sind dagegen in Teilen delegierbar, soweit das Berufsrecht dies zulässt.[84]

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Für Zahnärzte und Kieferorthopäden enthält § 1 Abs. 5 ZHG eine enumerative Auflistung der an qualifiziertes Personal delegierbaren Leistungen. Diese, dem allgemeinen Berufsrecht zuzuordnende Regelung, gilt mangels inhaltlicher Modifizierung im SGB V unter den Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V auch uneingeschränkt im Vertragszahnarztrecht. Hinsichtlich der Delegation von Leistungen an angestellte Zahnärzte gibt es keine Besonderheiten. Bei Vorbereitungsassistenten nach § 3 Abs. 2 Buchst. b Zahnärzte-ZV ist zu berücksichtigen, dass diese anders als Ärzte in Weiterbildung für ein bestimmtes Fachgebiet bereits über eine abgeschlossene zahnmedizinische Ausbildung verfügen und lediglich auf die vertragszahnärztliche Tätigkeit vorbereitet werden sollen. Rechtlich darf daher zahnmedizinisches Können erwartet werden. Inwieweit der Vorbereitungsassistent wirklich eigenverantwortlich einsetzbar ist, obliegt allein der Einschätzung des Praxisinhabers.

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Im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 SGB V gilt die Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde, die eine noch weitergehende Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Alten- und Krankenpfleger erlaubt, wenn das Modellvorhaben dazu standardisierte Prozesse vorgibt.[85]

5. Gerätebezogene Leistungen

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Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung enthält § 15 Abs. 3 BMV-Ä für gerätebezogene Untersuchungsleistungen. Rechtsgrundlage ist § 105 Abs. 2 SGB V, wonach die wirtschaftliche Erbringung medizinisch-technischer Leistungen in Gemeinschaftseinrichtungen gefördert werden soll. § 1a Nr. 14 BMV-Ä definiert dies als Sonderfall der Leistungszuordnung im Rahmen der persönlichen Leistungserbringung.

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Hiernach können sich Vertragsärzte zur gemeinschaftlichen Leistungserbringung zusammenschließen (Leistungserbringergemeinschaft). Die teilnehmenden Vertragsärzte müssen nicht derselben Fachgruppe angehören, aber selbst zur Erbringung der in die Gemeinschaft einbezogenen Leistungen berechtigt sein. Daher scheiden psychologische Psychotherapeuten mangels technischer Leistungen in ihrem Leistungsspektrum aus. Ermächtigte Krankenhausärzte und ermächtigte Einrichtungen sind definitionsgemäß keine Vertragsärzte und daher nicht zur Teilnahme berechtigt. MVZ zählen dagegen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 Ärzte-ZV zu den „Vertragsärzten“, aber nur dann, wenn ein Mitglied über die erforderliche fachliche Befähigung verfügt.[86]

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In einer solchen Gemeinschaft können die Leistungen von einem der beteiligten Ärzte persönlich oder durch einen gemeinschaftlich angestellten Arzt nach § 32b Ärzte-ZV erbracht werden.[87] Voraussetzung ist eine fachliche Weisung durch einen der beteiligten Ärzte. Die angewiesenen Leistungen sind dann persönliche Leistungen des anweisenden Arztes. Ist für die Leistung eine besondere fachliche Qualifikation erforderlich, müssen alle beteiligten Ärzte über diese Qualifikation verfügen.[88] Bei Röntgenleistungen muss jeder Teilnehmer über die Fachkunde Röntgenleistungen innerhalb seines Fachgebietes verfügen. Andernfalls wäre er nicht in der Lage, die geforderten „fachlichen“ Weisungen zu erteilen.

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Gerätebezogene Untersuchungsleistungen sind solche, bei denen sich der Arzt zur Diagnose oder Therapie eines Gerätes bedient.[89] Sie erfordern einen, die ärztliche Untersuchungsleistung überwiegenden, technischen Anteil, wie das bei Röntgenleistungen, CTs oder MRTs der Fall ist. Durchleuchtungen z.B. Sonographie, Linksherzkatheder-Untersuchungen und Stress-Echokardiographien sind dagegen nicht gerätebezogen, weil die ärztliche Befundung parallel zum Durchleuchtungsvorgang vorgenommen werden muss und daher im Vordergrund steht.[90] Für gerätebezogene Laborleistungen ist die Eingehung einer Leistungserbringergemeinschaft nach § 15 Abs. 4 BMV-Ä seit dem 1.1.2009 ausgeschlossenen. Damals bestehende Gemeinschaften genießen Bestandsschutz.

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Die Leistungen dürfen in der Praxis eines der Teilnehmer oder in einer gemeinsamen Einrichtung erbracht werden. Der beauftragende Vertragsarzt muss dann einen ausgelagerten Praxisraum/ausgelagerte Praxisstätte nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV, § 1a Nr. 20 BMV-Ä anzeigen, wenn die Leistungen außerhalb seines Vertragsarztsitzes erbracht werden.

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Die Leistungserbringergemeinschaft ist keine Kooperationsform, sondern eine Rechtsfigur, die die Abrechnung von Leistungen ermöglicht, die nicht persönlich erbracht wurden. In den Bundesmantelverträgen der Zahnärzte gibt es keine vergleichbare Rechtsfigur. Der Zusammenschluss der beteiligten Vertragsärzte zur Leistungserbringergemeinschaft bedarf einer gesonderten gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung.

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Die Leistungserbringergemeinschaft ist von der Apparategemeinschaft zu unterscheiden. Letztere ist eine berufsrechtlich[91] als Organisationsgemeinschaft definierte Gesellschaft, deren Zweck die gemeinsame Anschaffung und/oder Nutzung von medizinisch-technischem Equipment ist.[92] Sie kann Geräte betreffen, mit denen auch eine Leistungserbringergemeinschaft hinsichtlich der damit zu erbringenden Untersuchungsleistungen vereinbart werden kann.

6. Laborleistungen

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Soweit Laboruntersuchungen dem Arztvorbehalt unterstehen, weil sie Heilkundequalität haben,[93] sind sie vom Vertragsarzt grundsätzlich persönlich zu erbringen.[94] Der eingeschränkte Bezug von Teilen laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen ist einheitlich mit allen anderen Voraussetzungen der laboratoriumsmedizinischen Befunderhebung abschließend in § 25 BMV-Ä geregelt. Nach Abs. 1 besteht die Befunderhebung aus 4 Teilschritten: ärztliche Untersuchungsentscheidung (1), Präanalytik (2), laboratoriumsmedizinische Analyse unter Bedingungen der Qualitätssicherung (3) und Ärztliche Beurteilung der Ergebnisse (4). Anders als im Privatbereich[95] spielt die Unterscheidung zwischen Basislabor und Speziallabor für den Bezug aus einer Laborgemeinschaft keine Rolle.

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Nach Abs. 2 Nr. 1 darf Teil 3 einschließlich der beim Arzt verbliebenen Anteile von Teil 2 bei den allgemeinen Laboratoriumsuntersuchungen nach Abschnitt 32.2 EBM unter den in Abs. 3 beschriebenen Voraussetzungen aus Laborgemeinschaften (§§ 1a Nr. 14a, 25 Abs. 3 BMV-Ä), deren Mitglied der Bezieher sein muss, bezogen werden.[96] Teile 1, 2 (teilweise) und 4 muss der Vertragsarzt selbst in seiner Praxis leisten. Die Abrechnung der bezogenen Leistungen hat für den beziehenden Vertragsarzt durch die Laborgemeinschaft unter Angabe des beziehenden Vertragsarztes und Nachweis der der Gemeinschaft entstandenen Kosten, maximal zu den Höchstpreisen nach Abschnitt 32.2. EBM zu erfolgen. Nach Abs. 4 ist der beziehende Arzt für die Qualität gem. den Richtlinien der Bundesärztekammer verantwortlich. Der beziehende Arzt darf die bezogenen Leistungen selbst nicht abrechnen.

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Das gilt auch dann, wenn er sie selbst in der Laborgemeinschaft erbracht hat, wobei eine Laborgemeinschaft schon dann gegeben ist, wenn mehrere Vertragsärzte dieselbe Laboreinrichtung als ausgelagertem Praxisraum nutzen.[97] Auf das Vorhandensein einer gesellschaftsvertraglichen Abrede kommt es nicht an. Im Hinblick auf die aus der Mitgliedschaft in einer Laborgemeinschaft resultierenden Haftungsrisiken ist der Bezug von Laborleistungen generell kritisch zu sehen.[98] Neben der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder für Honorarrückforderungen gegenüber der Laborgemeinschaft sind steuerliche Risiken wegen möglicher Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht wie auch strafrechtliche Risiken im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Korruptionsdelikte der §§ 299a ff. StGB zu bedenken.

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Die speziellen Untersuchungen nach Abschnitt 32.3 EBM dürfen hinsichtlich aller vier Teile der Befunderhebung generell nicht bezogen werden. Sie müssen nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 BMV-Ä von den Vertragsärzten persönlich durchgeführt und abgerechnet werden, wenn diese dazu qualifiziert sind. Andernfalls müssen diese Laborleistungen an einen Laborarzt überwiesen werden.

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Überweisungen von Laborleistungen dürfen nach Abs. § 25 Abs. 4a BMV-Ä nur an Fachärzte ausgestellt werden, bei denen diese Leistungen zum Kernbereich ihres Fachgebietes gehören. Bei welchen Fachärzten das der Fall sein soll, ist nach der Protokollnotiz 3 zu § 25 BMV-Ä v. 31.8.2019 mit Wirkung ab dem Jahr 2020 in der Qualitätssicherungsvereinbarung „Speziallabor“ nach § 135 Abs. 2 SGB V geregelt. Damit obliegt es dem Auftrag gebenden Arzt, gem. § 24 Abs. 5 S. 2 BMV-Ä, eine namentliche Überweisung an einen bestimmten Laborarzt auszustellen.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › E. Grundprinzipien des Vertragsarztrechts › IV. Das Wirtschaftlichkeitsgebot

IV. Das Wirtschaftlichkeitsgebot

1. Begriffsdefinition

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Nach § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V müssen die Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das notwendige Maß nicht überschreiten. Die Vorschrift beinhaltet mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, die ausgelegt werden müssen.[99] Was nach § 12 Abs. 1 SGB V als ausreichend und zweckmäßig angesehen werden kann, ist nach medizinischen Kriterien und nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Es geht darum, den maximal möglichen therapeutischen Nutzen mit dem geringstmöglichen Leistungsaufwand zu erreichen, also um das Erreichen des optimalen Wirkungsgrades der eingesetzten medizinischen Mittel.[100] Eine Leistung kann nur dann als ausreichend angesehen werden, wenn sie nach Umfang und Qualität eine hinreichende Chance für einen Heilerfolg bietet. Der für die konkrete Behandlung erforderliche medizinische Standard darf nicht unterschritten werden. Das ergibt sich aus dem Verweis auf den fachlich gebotenen Standard in § 70 Abs. 1 SGB V. Das ist bereits bei der Ausgestaltung der Leistungen und deren Bewertung im EBM zu berücksichtigen und vom Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 2 S. 2 SGB V auch laufend zu überprüfen.

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§ 2 Abs. 4 SGB V stellt die Wirksamkeit der Leistung gleichwertig neben deren Wirtschaftlichkeit. Unwirksame Leistungen sind immer auch unwirtschaftlich. Unwirksamkeit darf nicht mit Wirkungslosigkeit im Sinne eines erfolglosen Therapieversuches gleichgesetzt werden. War nämlich das eingesetzte Therapiemittel grundsätzlich als wirksam anerkannt und für den speziellen Fall auch indiziert, führt der Fehlschlag einer nach dem allgemein anerkannten medizinischen Standard geeigneten Maßnahme nicht zu deren Unwirtschaftlichkeit. Der Arzt schuldet seinem Patienten nur eine korrekte medizinische Vorgehensweise, nicht aber deren therapeutischen Erfolg im Sinne einer Heilung.[101] Nichts anderes gilt nach § 76 Abs. 4 SGB V für den Vertragsarzt.

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Außenseitermethoden und Neulandmedizin sind im Zweifel nicht zweckmäßig, jedenfalls dann nicht, wenn die Wirksamkeit der Methode nicht feststeht oder ausreichend gesicherte schulmedizinische Vorgehensweisen zur Verfügung stehen. Gleichwohl ist deren Anwendung nicht ausgeschlossen, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst indiziert sind.[102] Nur im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für deren Behandlung kein zuverlässiges Therapieverfahren zur Verfügung steht, kann eine über das Wirtschaftlichkeitsgebot hinausgehende Leistungsverpflichtung der Krankenkasse hinsichtlich nicht erprobter bzw. nur symptomatisch wirkender Behandlungsmittel gegeben sein.[103] Dieser von der Rechtsprechung herausgearbeitete Anspruch ist inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V normiert.

 

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Die Frage, ob eine Leistung wirtschaftlich ist, kann nur über eine Gesamtbetrachtung aller Kriterien geklärt werden. Geringere Kosten alleine sind nicht ausschlaggebend, wenn andere Faktoren Auswirkungen auf den Heilerfolg haben können.[104] Steht überhaupt nur eine einzige medizinisch vertretbare Therapiemethode zur Verfügung, kommt es auf deren Kosten nicht an.[105] Details der Ausgestaltung wirtschaftlicher Behandlungsweisen darf der Gesetzgeber den Richtlinien des G-BA nach § 92 Abs. 1 SGB V überlassen (siehe Rn. 166 ff.). Die Richtlinien konkretisieren und interpretieren das Wirtschaftlichkeitsgebot.[106] Richtlinienkonformes Therapieverhalten spricht daher für dessen Wirtschaftlichkeit.