Handbuch Medizinrecht

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II. Das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl

1. Rechtsgrundlage

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Das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl ist Ausfluss des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1 und 2 GG und des daraus abzuleitenden Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Es findet seine Grundlage auch in der allgemeinen Vertragsfreiheit, wonach kein Patient verpflichtet ist, mit einem bestimmten Arzt zu kontrahieren. Entsprechend ist der Patient auch frei, den Arzt zu wechseln. Die Ärzte sind nach § 7 Abs. 2 S. 1 MBO verpflichtet, dieses Recht ihrer Patienten zu achten. Im Gegensatz dazu können auch die Ärzte nach § 7 Abs. 2 S. 2 MBO, § 627 BGB, abgesehen von Notfällen und eng begrenzten begründeten Ausnahmen, eine Behandlung ablehnen.[11]

2. Inhalt

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Im Vertragsarztrecht sind die geschilderten Rechte der Parteien eines Behandlungsverhältnisses erheblich eingeschränkt. Der Vertragsarzt ist aufgrund seiner Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Er muss gesetzlich versicherte Patienten, die ihn aufsuchen, behandeln.

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Im Gegenzug garantiert § 76 Abs. 1 SGB V zwar einerseits das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl, schränkt es aber in den folgenden Absätzen gleichzeitig erheblich ein. Grundsätzlich bezieht sich das Recht nur auf den in Abs. 1 S. 1 aufgezählten Kreis der zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung berechtigten Ärzte und ärztlichen Einrichtungen.[12] Ein Recht auf die Inanspruchnahme von Privatärzten besteht nur in Notfällen.[13] Das gilt auch, wenn der Vertragsarzt in zulässiger Weise in Anspruch genommen wurde und während der noch andauernden Behandlung auf seine Zulassung verzichtet.[14] Ambulante Behandlungen in Krankenhäusern dürfen abgesehen von Notfällen nach § 75 Abs. 1a S. 7 SGB V nur auf Vermittlung der Terminservicestelle in Anspruch genommen werden.

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Der Versicherte soll immer den nächst erreichbaren Arzt in Anspruch nehmen, andernfalls muss er die Mehrkosten tragen (§ 76 Abs. 2 SGB V). Auch soll der Arzt innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewechselt werden (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB V). Überweisungen nach § 15 BMV-Ä sind kein Arztwechsel.[15]

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Der Versicherte soll ferner einen Hausarzt wählen, der ihn über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten hat (§ 76 Abs. 3 S. 2 und 3 SGB V). Nach Auffassung des BSG ergibt sich hieraus eine Pflicht des Hausarztes, einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme anderer Ärzte entgegenzuwirken. Eine hausärztliche Praxisgemeinschaft, die im Innenverhältnis wie eine Gemeinschaftspraxis organisiert ist, kann wegen Gestaltungsmissbrauch zur Rückzahlung des Differenzhonorars verpflichtet werden.[16] Hat sich der Versicherte schriftlich zur Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung verpflichtet, darf er nach § 73b Abs. 3 S. 2 SGB V ambulante fachärztliche Leistungen nur noch auf Überweisung des gewählten Hausarztes in Anspruch nehmen. Dieser Hausarzt darf ebenfalls nur aus wichtigem Grund gewechselt werden. Die Wahl des Hausarztes ist für ein Jahr bindend.

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Die Bindung des Versicherten an einen Hausarzt ist im Hinblick auf § 73 Abs. 1b SGB V von Bedeutung, wonach die anderen Leistungserbringer verpflichtet sind, dem gewählten Hausarzt über die von ihnen durchgeführten Behandlungen zu informieren. Dadurch soll der Hausarzt in die Lage versetzt werden, den ihm in § 73 Abs. 1 S. 2 SGB V auferlegten umfangreichen Dokumentations- und Koordinierungspflichten nach zu kommen.

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Versicherte der Knappschaft dürfen nach § 76 Abs. 5 SGB V nur Knappschaftsärzte in Anspruch nehmen.[17] In selektive Vertragssysteme eingeschriebene Versicherte durften im Rahmen des vertraglichen Versorgungsauftrages nur noch die dort mitwirkenden Ärzte in Anspruch nehmen (§ 73c Abs. 2 S. 1 SGB V a.F.). Für Verträge der besonderen Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V ist diese Bindung der Einschreibung gesetzlich nicht vorgesehen. Beschränkungen des Rechts der freien Arztwahl können aber in die Teilnahmebedingungen aufgenommen werden.[18]

3. Überweisung

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Die Überweisung ist der rechtstechnische Begriff für die Veranlassung weiterer diagnostischer oder therapeutischer Leistungen durch andere Vertragsärzte seitens des behandelnden Arztes. Unterschieden wird zwischen Auftragsleistungen, Konsiliaruntersuchungen, Überweisungen zur Mitbehandlung oder Überweisungen zur Weiterbehandlung (§ 24 BMV-Ä). Ärztliche Absprachen bei Überweisungen insbesondere verbunden mit dem Angebot oder dem Fordern von Gegenleistungen fallen tatbestandsmäßig unter §§ 299a/299b StGB (Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen).

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Die freie Arztwahl soll nach § 24 Abs. 5 BMV-Ä dadurch gewährleistet werden, dass eine Überweisung nicht auf den Namen eines bestimmten Arztes ausgestellt werden darf, sondern gebietsbezogen. In den Fällen, in denen der Patient mit dem auftragnehmenden Arzt (z.B. Laborarzt; Pathologe) nicht unmittelbar in Kontakt tritt, soll der Behandlungsvertrag vom überweisenden Arzt als Stellvertreter des Patienten (§ 164 Abs. 1 BGB) geschlossen werden.[19] Die zivilrechtliche Bewertung des Vertragsschlusses als Stellvertretergeschäft zeigt, dass die Vorstellung von § 24 Abs. 5 BMV-Ä, der Patient könne sich seinen „Spezialisten“ selbst aussuchen, mindestens bei den Funktionsfächern Labormedizin, Pathologie, Radiologie, wo ein Patient den Arzt in der Regel nicht persönlich sehen muss, lebensfremd ist. Wenn dies so wäre, käme über das Institut der Stellvertretung kein Behandlungsvertrag zustande. Der Patient ist meist nicht in der Lage, direkt den Auftrag zu erteilen, wenn er solche Ärzte nicht kennt.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › E. Grundprinzipien des Vertragsarztrechts › III. Die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung

III. Die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung

1. Rechtsgrundlagen

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Die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art ist typisches Merkmal des freien Berufes.[20] Selbstständige Ärzte und Zahnärzte sind klassische Vertreter der freien Berufe.[21] Der Arzt wird aufgrund eines besonderen Vertrauens i.S.v. § 627 BGB beauftragt.[22] Die Berufsordnungen verpflichten die niedergelassenen Praxisinhaber deshalb zur persönlichen Berufsausübung.[23] Auf der anderen Seite steht die Erbringung heilkundlicher Leistungen nach § 1 HeilprG für alle Nichtärzte unter Erlaubnisvorbehalt, was dem Arzt einerseits die Exklusivität seines Berufes erhält, andererseits aber auch seine Möglichkeiten einschränkt, ärztliche Leistungen auf andere Personen zu delegieren.

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Das nach § 630b BGB auf (zahn-)ärztliche Behandlungsverträge anwendbare Dienstvertragsrecht verpflichtet den Schuldner im Zweifel in Person zu leisten (§ 613 BGB).[24] Das ärztliche und zahnärztliche Liquidationsrecht[25] übernimmt diese vertragliche Pflicht und gestattet deshalb nur die Berechnung selbst erbrachter Leistungen.[26] Das SGB V erwähnt die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung nicht, enthält aber Hinweise darauf. Nach § 15 Abs. 1 SGB V ist die (zahn-)ärztliche Behandlung ausdrücklich (Zahn-)Ärzten vorbehalten (Arztvorbehalt).[27] Dementsprechend können Anstellungsgenehmigungen ebenso wie vertragsärztliche Zulassungen auch nur personenbezogen erteilt werden.[28] Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen diese nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet oder von ihm verantwortet werden, § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V.[29] Durch die Anordnung und Verantwortung der Hilfsleistungen müssen diese dem Arzt als eigene Leistungen zugerechnet werden. Das setzt offenkundig voraus, dass der Vertragsarzt diese Leistungen selbst erbringen könnte und die unter dem Arztvorbehalt stehenden Leistungen im Übrigen vom Arzt persönlich erbracht werden. Andernfalls wäre die Notwendigkeit der Zurechnung der Hilfsleistungen nicht einsichtig.

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Das Gegenstück zum Arztvorbehalt findet sich im Leistungsrecht. Nach § 28 Abs. 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehören auch die Hilfeleistungen anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten sind.[30] Der Behandlungsanspruch des Versicherten richtet sich somit unmittelbar gegen den Arzt, der die Leistungen primär selbst und durch Hilfspersonen nur nach seiner Anordnung und in seiner Verantwortung zu erbringen hat. Demnach sind Tätigkeiten nicht erfasst, die ein anderes als medizinisches Fachwissen erfordern, z.B. handwerklich-technische Fertigkeiten[31] oder besondere Sprachkenntnisse.[32]

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Das Gebot, wonach der Vertragsarzt seine Leistungen persönlich erbringen muss und hierzu Hilfestellungen anderer Ärzte nicht in Anspruch genommen werden dürfen, ist in mehreren Rechtsvorschriften angesprochen. Abgeleitet wird es direkt aus dem Zulassungsrecht. Nach § 95 Abs. 1 SGB V nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene oder ermächtigte Ärzte teil.[33] Der zugelassene Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben, § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV. In diesem Zusammenhang wird auf § 19 Abs. 1 S. 1 MBO verwiesen, wonach Ärzte die Praxis persönlich ausüben müssen.[34] Dabei wird übersehen, dass die persönliche Ausübung der Praxis und die persönliche Erbringung vertragsärztlicher Tätigkeit qualitativ unterschiedliche Vorgaben sind, die, wenn inhaltlich dasselbe gemeint ist, auch wortgleich hätten formuliert werden können. Denn für die von der Berufsordnung verlangte „persönliche Ausübung der Praxis“ ist deren Leitung durch den niedergelassenen Arzt ausreichend.[35]

 

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Ein MVZ darf die vertragsärztlichen Leistungen nur durch ihre Angestellten und die im MVZ tätigen Vertragsärzte erbringen lassen, auf die sich die Anstellungsgenehmigungen und die Zulassungen als Vertragsarzt beziehen.[36] Die Eignung eines anzustellenden Arztes muss nach § 32b Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 21 Ärzte-ZV grundsätzlich derjenigen eines Vertragsarztes entsprechen.[37] Die damit angestrebte Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungen von demjenigen persönlich erbracht werden, der auf der Grundlage der Regelungen über die Anstellung von Leistungserbringern als befähigt angesehen worden ist, qualitätsgerechte Leistungen zu gewährleisten.[38]

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Nach § 20 Ärzte-ZV[39] steht der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere ehrenamtliche Tätigkeit entgegen, wenn diese verhindern, dass der Vertragsarzt entsprechend seinem Versorgungsauftrag den Versicherten nicht persönlich zur Verfügung stehen und die üblichen Sprechstundenzeiten anbieten kann. § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä wiederholt den sich aus dem Gesetz ergebenden Grundsatz und verpflichten den, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt, seine Tätigkeit persönlich auszuüben.[40] Ziff. 2.2. Allg. Bestimmungen EBM verweist auf diese Regelungen und macht die persönliche Leistungserbringung zur Voraussetzung der Berechnungsfähigkeit der Gebühren. In gleicher Weise muss der ermächtigte Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit persönlich ausüben, § 32a Ärzte-ZV. An dieser Stelle unterscheidet sich die vertragsärztliche ambulante Tätigkeit von der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus, wo weitergehende Delegationen an das nichtärztliche Personal üblich sind. Die Einschaltung von nachgeordneten Ärzten ist im Rahmen einer Ermächtigung grundsätzlich unzulässig. Dies wird von ermächtigten Krankenhausärzten häufig nicht erkannt. Es reicht auch nicht, wenn sich ein ermächtigter Pathologe die Befunde seiner Abteilungsärzte nachträglich zu eigen macht.[41]

2. Der Umfang der Verpflichtung

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Die Verpflichtung des Vertragsarztes zur persönlichen Leistungserbringung umfasst das gesamte dem Arztvorbehalt unterliegende Leistungsspektrum im Rahmen des durch die Zulassung bzw. Ermächtigung konkretisierten Versorgungsauftrages. Das ergibt sich aus der Zulassung oder Ermächtigung resultierenden Verpflichtung des Vertragsarztes zur persönlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in Verbindung mit dem erwähnten Behandlungsanspruch des Versicherten. Das Gebot gilt nicht nur für Behandlungsleistungen, sondern auch für die Verordnungstätigkeit des Arztes. Danach sind Verordnungen vom Vertragsarzt nicht nur persönlich zu entscheiden, sondern nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 AMVV auch eigenhändig zu unterzeichnen.[42] Als Ausnahmen vom Prinzip der persönlichen Leistungserbringung nennen die Zulassungsverordnungen die ärztliche Vertretung,[43] die Beschäftigungen von Assistenten[44] oder von angestellten Ärzten.[45]

3. Ärztliche Vertreter und Assistenten

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Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung ist nach § 32 Abs. 1 S. 2 und 3 ZV-Ä/ZV-ZÄ eine Vertretung eines Vertrags-(zahn)arztes innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten ohne Genehmigung zulässig; bei Ärztinnen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung bis zur Dauer von zwölf Monaten. Dasselbe gilt mit Ausnahme der Schwangerschaftsvertretung nach § 32a S. 2 Ärzte-ZV für ermächtigte Krankenhausärzte. § 32 Ärzte-ZV gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV auch für psychologische Psychotherapeuten. Die Vertretung bei genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen einschließlich der probatorischen Sitzungen ist aber nach § 14 Abs. 3 BMV-Ä unzulässig, womit Abwesenheitsvertretungen in der psychotherapeutischen Praxis letztlich nur beim psychotherapeutischen Einzelgespräch nach GOP 23220 EBM möglich sind. Rechtlich ist damit losgelöst vom Sinn eines solchen Vertretungsverbotes die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für eine Einschränkung des Zulassungsrechtes durch eine kollektivvertragliche Regelung zu stellen.[46]

310

Auch genehmigte angestellte Ärzte dürfen nach § 32b Abs. 6 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV aus den gleichen Gründen und im gleichen Umfang vertreten werden. Zusätzlich darf ein angestellter Arzt bis zu 6 Monate vertreten werden, wenn er freigestellt ist oder wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Wird die Abwesenheit des Arztes durch Mehrarbeit der anderen Ärzte der BAG oder des MZV ausgeglichen, sind die Vertretungsregelungen zwar nicht direkt anwendbar. Erlaubt ist aber die vorübergehende Überschreitung der zulassungsrechtlich genehmigten Arbeitszeit in dem Umfang, wie eine genehmigungsfreie Vertretung zulässig wäre.[47]

311

Die Vertretungsregelungen erlauben damit konkrete Ausnahmen von der ansonsten umfassenden Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung.[48] Der Vertreter wird anstelle des Vertragsarztes tätig.[49] Er erhält keinen eigenen Status. Vertretungen von länger als einer Woche am Stück müssen der KV nach § 32 Abs. 1 S. 4 Ärzte-ZV angezeigt werden. Das Unterlassen der gebotenen Anzeige einer Vertretung stellt eine wenigstens einfache Pflichtverletzung dar, die geahndet werden kann.[50] Wenn tatsächlich eine Vertretungssituation vorgelegen hat, dürfte das aber, anders als bei der genehmigungspflichtigen Vertretung, nicht zur Unzulässigkeit der Vertretung an sich führen.

312

Vertretungen über den Zeitraum von 3 Monaten im Jahr hinaus und aus anderen, als den in § 32 Abs. 1 SGB V genannten Gründen, sind nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV von der KV zu genehmigen. Im Betracht kommen Gründe der Sicherstellung, Kindererziehung bis zu 36 Monate und Pflege von Angehörigen bis zu 6 Monate. Die Dauer ist zu befristen, mit der Möglichkeit der Verlängerung. Auf die Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch.[51] Die Genehmigung darf einem Praxisinhaber/Antragsteller nur unter den konkret gegebenen Verhältnissen für eine bestimmte Person erteilt werden.[52]

313

Der Patient muss ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit einer Vertretung mit einer Behandlung durch den Vertreter einverstanden sein. Die Zustimmung ist anzunehmen, wenn der Patient in der Sprechstunde die Leistungen des Vertreters widerspruchslos in Anspruch nimmt. Bei operativen Leistungen oder Leistungen, bei denen der Patient vor Inanspruchnahme nicht mehr die Möglichkeit hat, sich für oder gegen die Inanspruchnahme eines ärztlichen Vertreters zu entscheiden, bedarf es einer Vereinbarung im Behandlungsvertrag, welche die Vertretung des verpflichteten Arztes erlaubt.

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Für den ärztlichen Vertreter gelten dieselben rechtlichen Anforderungen wie für den von ihm vertretenen Vertragsarzt. Ärzte dürfen sich nach § 20 Abs. 1 S. 2 MBO grundsätzlich nur durch Fachärzte desselben Fachgebietes vertreten lassen.[53] Verfügt der Vertreter über eine eigene Zulassung, muss er demselben Versorgungsbereich wie der Vertretene angehören.[54] Der Vertreter hat diejenigen Leistungen persönlich zu erbringen, die auch der vertretende Praxisinhaber im Falle seiner Anwesenheit persönlich erbringen müsste. Dazu braucht der Vertreter nach § 14 Abs. 1 BMV-Ä dieselbe fachliche Qualifikation wie der vertretene Vertragsarzt. Das kommt vor allem bei den Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nach § 135 Abs. 2 SGB V spezielle Qualifikationen voraussetzen, zum Tragen. Verantwortlich für die Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten durch den Praxisvertreter bleibt nach §§ 32 Abs. 4 ZV-Ä/ZV-ZÄ[55] der Praxisinhaber, der die Leistungen des Vertreters als eigene Leistungen abrechnen darf. Daher muss er sich versichern, dass der Vertreter alle Qualifikationsanforderungen erfüllt. Andernfalls darf er sich bei speziellen Leistungen nicht vertreten lassen.[56]

315

Vorstehende Ausführungen gelten auch bei Entlastungs- und Sicherstellungsassistenten entsprechend, weil § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV für die genehmigungspflichtigen Dauervertretungen und die sog. Entlastungs- bzw. Sicherstellungsassistenten die gleichen Voraussetzungen normiert. Ein formaler Unterschied liegt nur darin, dass eine Vertretungssituation die Abwesenheit des Vertretenen erfordert. Eine Entlastungs- und Sicherstellungssituation setzt dagegen ein eingeschränktes Leistungsvermögen des Vertragsarztes voraus, wo der Vertragsarzt aber genauso zeitweilig abwesend sein kann, wie in einer Vertretungssituation. Die Leistungen von Vertreter und Assistenten werden dem Vertragsarzt als eigene Leistungen zugerechnet, wenn die Voraussetzungen einer Vertretung vorgelegen haben oder der Assistent von der KV genehmigt ist. Dass der Vertreter an die Stelle des Vertretenen tritt, der Assistent dagegen unter „Aufsicht“ arbeitet,[57] ist in haftungsrechtlicher Hinsicht unerheblich, weil nach § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV beide zur Pflichterfüllung anzuleiten sind und der Praxisinhaber für beide nach § 14 Abs. 2 BMV-Ä gleichermaßen haftet.

316

Die unscharfe Unterscheidung von Vertretung und Sicherstellungsassistenz durch den Verordnungsgeber zeigt die mit dem GKV-VSG geschaffene Möglichkeit der „Vertretung“ von angestellten Ärzten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hier wird der vom Zulassungsausschuss genehmigte angestellte Arzt durch einen anderen Arzt ersetzt, obwohl statt einer Vertretungssituation de facto eine freie Stelle vorliegt.[58] Der „Vertreter“ ist hier in Wirklichkeit ein dem Praxisinhaber zur Ausfüllung der freien Stelle vorübergehend genehmigter Sicherstellungsassistent, der den angestellten Arzt ersetzt. Demgemäß müssen solche Assistenten in der Lage sein, eigenständig zu arbeiten, ohne dass damit die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung des Prinzipals verletzt wird. Das unterscheidet sie von Weiterbildungsassistenten, die ebenfalls nach § 32 Abs. 1 S. 1 (Allgemeinmediziner) und S. 2 Ziff. 1 Ärzte-ZV genehmigungspflichtig sind, aber aufgrund der noch nicht gegebenen Facharztqualifikation einer fachlich-ärztlichen Anleitung und Aufsicht bedürfen. Wie intensiv diese Überwachung sein muss, hängt von seinem Ausbildungsstand und dem Fachgebiet ab und erfordert nicht die permanente parallele Anwesenheit des ausbildenden Vertragsarztes.[59] Dagegen zeigen die genannten Entlastungs- und Sicherstellungsgründe, dass der deswegen genehmigte Assistent auch in Abwesenheit des Praxisinhabers wie ein Vertreter arbeiten können muss.[60]

317

Der Vertragsarzt muss seine Assistenten und Vertreter nach § 32 Abs. 4 Ärzte-ZV, ebenso nach § 32b Abs. 3 Ärzte-ZV seine angestellten Ärzte, zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anhalten. Nicht gemeint sind die Pflichten zur Anleitung und Kontrolle delegierbarer Leistungen bei nachgeordnetem Personal und zur fachlichen Anleitung bei Weiterbildungsassistenten, die erforderlich sind, um deren Leistungen dem Prinzipal als eigene Leistungen zurechnen zu können. Die Leistungen der Assistenten wie auch seiner angestellten Ärzte werden dem Vertragsarzt als persönliche Leistungen nur zugerechnet, sogar wenn sie in einer Nebenbetriebsstätte erbracht werden, wenn deren Anstellung genehmigt ist, § 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä.

318

Die Abrechnung der Leistungen von Assistenten und Vertretern erfolgt über die LANR des Vertragsarztes. Bei der Vergütung ist nicht zu differenzieren, wer die Leistungen erbracht hat.[61] Die Beschäftigung von Assistenten darf aber nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht zur Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen. Diese Regelung hatte ursprünglich den Sinn der Bewahrung der Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte, die durch eine Vervielfältigung des auf persönliches Tätigwerden des Praxisinhabers ausgerichteten Berufsrechts, gefährdet erschien.[62] Inzwischen geht es nur darum, honorarpolitisch unerwünschte Umsatzausweitungen durch Assistenten zu verhindern.[63] Das zeigt der durch das GKV-VSG in § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV eingeführte Verweis auf § 87b Abs. 2 S. 1 SGB V, wonach die Honorarverteilungsmaßstäbe Regelungen vorsehen müssen, die eine übermäßige Ausdehnung der Praxis verhindern. Eine wirksame Begrenzung ergibt sich auch aus den nach § 106d Abs. 2 S. 3 SGB V durchzuführenden Zeitprofilprüfungen, weil die Tages- und Quartalsprofile nach § 8 Abs. 2 Abrechnungsprüfungs-RL für jede LANR zu erstellen sind und die Leistungen der Assistenten danach Ursache der Überschreitung der Obergrenzen nach § 8 Abs. 4 Abrechnungsprüfungs-RL sein können, was zu einer Einleitung eines Prüfungsverfahrens führen würde. Zwar ist ein dadurch bedingtes erhöhtes Stundenaufkommen nach § 12 Abs. 3 Ziff. 1 Abrechnungsprüfungs-RL erklärbar, aber die Abrechnungsprüfung läuft in diesem Moment an und die Erklärung muss die geprüfte Praxis noch liefern, siehe dazu Rn. 1032 ff.

 

319

Von der Vertretung zu unterscheiden ist der Wechsel des Behandlers innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft. Begründet wird dies damit, dass eine BAG gegenüber der KV als Einheit auftritt und damit als „Behandler“ anzusehen ist. Die Rechte und Pflichten treffen somit die BAG als Ganzes.[64] Vertretungen i.S.v. § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV kommen nur in Betracht, wenn der Ausfall eines Mitglieds einer BAG nicht durch die anderen aufgefangen werden kann.[65] Innerhalb der BAG ist jedes Mitglied an sein Fachgebiet und seinen Versorgungsbereich gebunden, jeweils bestimmt durch den Zulassungsstatus. Außerhalb dessen liegende „weitere“ Fachgebiete bleiben in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich außer Betracht und berechtigen auch nicht zu einer „internen“ Vertretung innerhalb einer BAG, wenn kein Mitglied mit Zulassung für das Fachgebiet des abwesenden Partners anwesend ist.[66] Deshalb darf z.B. ein als Hausarzt zugelassener Internist seinen als Fachinternisten zugelassenen Partner innerhalb der BAG nicht vertreten.[67] Ebenso wenig darf ein Partner mit besonderen Qualifikationen durch einen anderen Partner in diesem Leistungsbereich vertreten werden, der diese Qualifikation nicht hat.[68]