Handbuch Medizinrecht

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5. Die Schiedsinstitutionen

114

Auch die Schiedsämter sind Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung. Mit dem TSVG wurde das für unübersichtlich gehaltene tradierte Schiedswesen völlig neu geregelt und strukturiert. Nunmehr sind nach § 89 Abs. 1 SGB V jeweils für die vertragsärztliche und für die vertragszahnärztliche Versorgung Landesschiedsämter und nach § 89 Abs. 2 SGB V Bundeschiedsämter zu errichten, denen nach § 89 Abs. 3 SGB V die Aufgabe zukommt, den Inhalt der gesetzlich vorgeschriebenen Verträge über die vertragsärztliche Versorgung mit verbindlicher Wirkung festzusetzen, wenn sich die Vertragsparteien nicht einigen können (ausführlich dazu siehe Rn. 260 ff.).

115

Die Schiedsämter sind nach § 89 Abs. 5 SGB V paritätisch mit je vier Vertretern der Vertragsärzte und der Krankenkassen sowie drei unparteiischen Vertretern, wovon einer der Vorsitzende ist, besetzt.

116

Weitere Schiedsämter werden nach § 89 Abs. 13 SGB V auf Landesebene und nach § 89 Abs. 12 SGB V auf Bundesebene durch den Verband Deutscher Zahntechnikerinnungen und dem Spitzenverband Bund bzw. den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in entsprechender Weise gebildet.

117

Neu eingeführt wurden in § 89a SGB V sektorenübergreifende Schiedsgremien auf Bundes- und auf Landesebene mit Mitgliedern der KV, der Krankenkassenverbände und der Krankenhausgesellschaften, die für die sektorenübergreifenden Verträge zuständig sind. Die drei Parteien sind jeweils mit zwei Vertretern, die durch einen unparteiischen Vorsitzenden und einem weiteren unparteiischen Mitglied ergänzt sind, im Schiedsgremium vertreten. Damit wird anders als in den früheren ständigen Schiedsämtern mit aufgestockten Mitgliedern der Dreiseitigkeit der sektorenübergreifenden Verträge durch die dreiseitige Besetzung des Schiedsgremiums Rechnung getragen.

118

In allen Schiedsgremien sind die Mitglieder ehrenamtlich und weisungsfrei tätig. Ihre Amtsdauer beträgt vier Jahre. Für jedes Mitglied sind zwei Stellvertreter zu bestellen. Die Mitglieder und die Stellvertreter werden jeweils durch die Entsendeorganisationen bestellt. Über die unparteiischen Mitglieder sollen sich die Entsendeorganisationen einigen. Kommt keine Einigung zustande, werden diese durch die Aufsichtsbehörde bestellt.

119

Um die Beschlussfähigkeit der Schiedsgremien herzustellen, sind die Mitglieder verpflichtet an den Sitzungen teilzunehmen oder bei Verhinderung Stellvertreter zu schicken. Das Schiedsgremium ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Stimmenthaltungen sind unzulässig. Bei fehlender Beschlussfähigkeit ist binnen 14 Kalendertagen eine erneute Sitzung einzuberufen bei der dann Beschlussfähigkeit besteht, wenn die unparteiischen Mitglieder oder deren Stellvertreter und mehr als die Hälfte der weiteren Mitglieder anwesend sind. Ist auch dann wieder keine Beschlussfähigkeit gegeben, setzen die unparteiischen Mitglieder des Schiedsgremiums den Vertragsinhalt fest. Der Gesetzgeber wollte damit Blockaden bestimmter Verträge durch beteiligte Entsendeorganisationen unmöglich machen.

120

Die Bestellung, Amtsdauer, Amtsführung, Auslagenerstattung und Entschädigungen für den Zeitaufwand der Mitglieder und der Stellvertreter, die Geschäftsführung, das Verfahren und die Gebührenerhebung sowie die Kostenverteilung der einzelnen Schiedsgremien werden durch Rechtsverordnung des BMG mit Zustimmung des Bundesrates geregelt.

6. Prüfungs- und Beschwerdeausschuss

121

Nach § 106 Abs. 1 SGB V überwachen die Krankenkassen und die KV gemeinsam die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung. Zuständig für die Durchführung der Prüfungen ist nach § 106 Abs. 2 S. 1 SGB V die Prüfungsstelle nach § 106c SGB V. Danach werden nach § 106c Abs. 1 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und den KV für jeden Bezirk eine gemeinsame Prüfungsstelle und ein gemeinsamer Beschwerdeausschuss gebildet, der aus einer paritätischen Anzahl von Vertretern der KV und der Krankenkassen und einem unparteiischen Vorsitzenden besteht. Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss nehmen nach § 106c Abs. 2 SGB V ihre Aufgaben eigenständig wahr, wobei die Prüfungsstelle den Beschwerdeausschuss organisatorisch unterstützt. Die Besetzung des Beschwerdeausschusses und die Geschäftsführung der Prüfungsstelle sind in der WiPrüfVO geregelt.[83]

122

Die Prüfungsstelle wird in der Regel bei der KV errichtet, kann aber auch bei den Landesverbänden der Krankenkassen errichtet werden. Diese müssen sich auf die finanzielle und sächliche Ausstattung und auf einen Leiter einigen, der die Verwaltungsgeschäfte führt und die Organisation gestaltet. Kommt die Einigung nicht zustande, entscheidet die Aufsichtsbehörde. Die Prüfungsstelle ist Behörde i.S.v. § 1 Abs. 2 SGB X.[84]

123

Die Prüfungsstelle hat die für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen relevanten Daten und Unterlagen aufzubereiten und entscheidet nach § 106 Abs. 3 S. 1 SGB V über die zu treffenden Maßnahmen gegenüber Vertragsärzten, die ihrer Ansicht nach gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben. Über Widersprüche gegen Entscheidungen der Prüfungsstelle entscheidet eigenständig der Beschwerdeausschuss, gegen den dann auch die Klage zu richten ist (zu den weiteren Einzelheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung siehe Rn. 1071 ff.).

8. Kapitel Vertragsarztrecht › C. Die Beteiligten im Vertragsarztrecht › IV. Die Leistungserbringer

IV. Die Leistungserbringer

124

Unter dem Begriff Leistungserbringer werden diejenigen Personengruppen verstanden, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen selbstständig oder unselbstständig erbringen (dürfen). Das SGB V erwähnt den Begriff in der Überschrift zum Vierten Kapitel und in den §§ 2 Abs. 4, 69, 70 und 71 Abs. 1 SGB V.

125

Aus der Gliederung des Vierten Kapitels des SGB V wird deutlich, dass der Begriff „Leistungserbringer“ der Sammelbegriff für die in den Unterabschnitten des Kapitels genannten Berufsgruppen darstellt. Das sind die im Zweiten Abschnitt genannten Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die im Dritten Abschnitt genannten Krankenhäuser und andere Einrichtungen, speziell die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (§ 107 Abs. 2 SGB V), die Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen, die Hochschulambulanzen nach § 117 SGB V, die psychiatrischen Institutsambulanzen nach § 118 SGB V, die geriatrischen Institutsambulanzen nach § 118a SGB V, die sozialpädiatrischen Zentren nach § 119 SGB V, die Einrichtungen der Behindertenhilfe nach § 119a SGB V, die stationären Pflegeeinrichtungen nach § 119b SGB V und die Medizinischen Behandlungszentren nach § 119c SGB V, die im Fünften Abschnitt genannten Dienstleister, die Heilmittel abgeben (Physiotherapeuten, Sprachtherapeuten, Ergotherapeuten usw.), die im Sechsten Abschnitt genannten Hilfsmittelversorger, die im Siebten Abschnitt genannten Apotheker und pharmazeutischen Unternehmer und die im Achten Abschnitt unter dem Begriff „Sonstige Leistungserbringer“ zusammengefassten Haushaltshilfen (§ 132 SGB V), ambulanten Pflegedienste (§ 132a SGB V), die Soziotherapeuten (§ 132b SGB V), die Einrichtungen für sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen (§ 132c SGB V), die palliativen Versorgungseinrichtungen (§ 132d SGB V), die Kurzzeitpflegedienste nach § 132h SGB V, die Hämophiliezentren nach § 132i SGB V, die Rettungsdienste (§ 133 SGB V) und die Hebammen (§ 134a SGB V). Alle Erbringer von Leistungen nach dem SGB V erhalten nach § 293 SGB V ein Institutskennzeichen, mit dem sie in den jeweiligen Leistungserbringerverzeichnissen der verschiedenen Versorgungssektoren gelistet sind.

126

Die Ärzte fühlen sich durch die Bezeichnung „Leistungserbringer“ abgewertet. Im 113. Deutschen Ärztetag 2010 wurde daher folgender Antrag eingebracht und angenommen: „Der Deutsche Ärztetag möge erneut beschließen, dass die Ärzteschaft die Vokabel „Leistungserbringer“ nicht mehr verwendet. Der Begriff ist mit der Würde der ärztlichen Heilkunst von Ärzten und Ärztinnen in Klinik und Praxis nicht vereinbar. Die Vokabel wird von interessierter Seite benutzt, um die Deprofessionalisierung des Arztberufes voranzutreiben“.[85]

127

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Begriff „Leistungserbringer“ nur auf einen Teil des Arztberufes bezieht, nämlich auf die vertragsärztliche Tätigkeit. Die hierfür verwendete Bezeichnung Vertragsarzt (entsprechend auch Vertragszahnarzt) umfasst nicht den gesamten Beruf, sondern ist nur eine Ausübungsform des frei praktizierenden Arztes. Dennoch kann der Ausschluss von der vertragsärztlichen Tätigkeit die Berufsausübung als Ganzes und damit die Berufswahlfreiheit i.S.d. Art. 12 GG beeinträchtigen, wenn die Betätigungsmöglichkeiten außerhalb des GKV-Systems nur noch gering sind.[86]

128

Dem in diesem Kapital dargestellten Regelungskontext des Vertragsarztrechts nach §§ 72 ff. SGB V unterliegen nur zugelassene Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden medizinischen Versorgungszentren einschließlich ihren genehmigten angestellten Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten. Hinsichtlich der übrigen aufgezählten Leistungserbringer gelten abweichende Regeln anderer Kapitel des SGB V.

 

129

Nach § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V gelten die Vorschriften des gesamten Vierten Kapitels des SGB V gleichermaßen für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, auch wenn in den einzelnen Bestimmungen nur die Vertragsärzte erwähnt werden. Sollen abweichende Regelungen für die drei genannten Berufsgruppen getroffen werden, wird dies in den einzelnen Vorschriften ausdrücklich erwähnt. Der Einfachheit halber wird in der folgenden Darstellung diese Terminologie beibehalten, d.h., die folgenden Ausführungen gelten in der Regel für alle drei genannten Berufsgruppen, auch wenn ausdrücklich nur die Vertragsärzte erwähnt werden. Wo es notwendig ist, werden in der Darstellung die Besonderheiten für die Vertragspsychotherapeuten und für die Vertragszahnärzte erwähnt bzw. in eigenen Abschnitten dargestellt.

130

Auch wird entsprechend der im SGB V verwendeten Terminologie nur die männliche Form der Berufsbezeichnung erwähnt, was aber weder die weiblichen Mitglieder der Berufsgruppen diskriminieren soll, noch besagt, dass die dargestellten Vorschriften für diese nicht gelten.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › C. Die Beteiligten im Vertragsarztrecht › V. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)

V. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)

131

Im Zuge des Ausbaus sektorenübergreifender Zusammenarbeit gewinnt die Vertretung der Krankenhäuser auch in der vertragsärztlichen Versorgung an Bedeutung. Die DKG ist als privatrechtlicher Verein mit Sitz in Berlin der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland. Ihr gehören 16 Landesverbände der öffentlichen Krankenhausträger aller Bundesländer und 12 Spitzenverbände privater, öffentlicher und gemeinnütziger Organisationen, die Krankenhäuser betreiben, an. Satzungsgemäße Organe der DKG sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand, das Präsidium und der Hauptgeschäftsführer. Die DKG ist Teil der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen und stellt im G-BA und in den sektorenübergreifenden Schiedsgremien die Vertreter der Krankenhausseite. In den Bereichen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 136a SGB V), der Notfallversorgung (§ 75 Abs. 1b S. 2 SGB V), der vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a SGB V) und der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (§ 116b SGB V) gibt es starke Überschneidungen zur vertragsärztlichen Versorgung, die nur gemeinsam mit der Vertretung der Krankenhäuser sinnvoll gestaltet werden können.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › C. Die Beteiligten im Vertragsarztrecht › VI. Der Staat

VI. Der Staat

132

Zum wichtigsten „Player“ im System der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich in den letzten Jahren das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgeschwungen, nicht nur, aber auch aufgrund einer immer dichter werdende Fülle regulatorischer Vorgaben für die verschiedenen anderen Beteiligten. Das BMG ist Aufsichtsbehörde der KBV (§ 78 Abs. 1 SGB V), des G-BA (§ 91a Abs. 1 SGB V) und des Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 217d Abs. 1 SGB V). Über die Aufsicht dieser Körperschaften führt das BMG indirekt auch die Aufsicht über den BewA, an dessen Sitzungen es teilnehmen darf und dessen Beschlüsse vorzulegen sind. § 87 Abs. 6 SGB V ermöglicht dem BMG eine Vielzahl von Einwirkungsmöglichkeiten auf Entscheidungen des BewA von der Beschlussbeanstandung, der Fristsetzung, der Beauftragung von Datenerhebungen bis hin zur Ersatzvornahme.

133

Das BMG führt auch die Aufsicht in seinem Geschäftsbereich über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), zu dem auch die für die Betäubungsmittelverordnungen der Ärzte zuständige Bundesopiumstelle gehört. Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Informationen (DIMDI), das ebenfalls dem BMG unterstellt war, wurde im Frühjahr 2020 organisatorisch dem BfArM eingegliedert. Ebenfalls der Aufsicht des BMG zusammen mit dem BMAS untersteht das Bundesamt für soziale Sicherung (BAS), das bis 31.12.2019 Bundesversicherungsamt (BVA) genannt wurde, dem nach § 271 SGB V die wichtige Verwaltung des Gesundheitsfonds obliegt. Sowohl BfArM als auch BAS sind selbstständige Bundesoberbehörden mit weitreichenden Befugnissen.

134

Das BMG schlägt der Bundesregierung den Beauftragten für Drogenfragen und die Patientenbeauftragten und Pflegebevollmächtigten vor und akkreditiert die im G-BA vertretenen Patientenverbände. Ferner ist das BMG Träger des Robert-Koch-Instituts (RKI), des Paul-Ehrlich-Instituts und der Bundeszentrale für Gesundheitspolitische Aufklärung (BZgA). Auch wenn die Bezeichnungen es anders vermuten lassen, handelt es sich um staatliche Behörden, die, zwar mit wissenschaftlichem Hintergrund, aber weisungsgebunden vielfältige Aufgaben im Gesundheitswesen wahrnehmen und dem BMG das für schwierige Entscheidungen, z.B. bei der Pandemiebekämpfung, notwendige Expertenwissen erschließen sollen.

135

Schließlich hat sich das BMG durch § 291b Abs. 2 SGB V, der durch das TSVG eingefügt worden ist, 51 % der Gesellschaftsanteile an der gematik GmbH gesichert, wodurch es die Stimmrechtsmehrheit bei Entscheidungen hat. Von den übrigen Gesellschaftsanteilen hält der Spitzenverband Bund 22,05 %, der über seine Mitgliedsbeiträge die Arbeit zu 100% finanzieren muss. Die übrigen Gesellschaftsanteile verteilen sich auf die Spitzenverbände der Leistungserbringer. Die gematik hat nach § 291b SGB V den Auftrag, die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen zu etablieren. Das BMG kann durch seine Stimmrechtsmehrheit das Projekt nach seinem Gutdünken steuern.

136

Die Kritik am unzureichenden Funktionieren der ärztlichen wie auch gemeinsamen Selbstverwaltung, sei es durch Nichteinhaltung gesetzlicher Umsetzungsfristen, z.B. wegen Nichteinigung der Interessenparteien, als auch durch überlange Verfahrenszeiten speziell beim G-BA, wird in vielen vom BMG verfassten Begründungen zu den zahlreichen Reformgesetzen aufgegriffen. Konsequenz war eine stetige Ausweitung der Aufsichtsbefugnisse bis hin zu weit über die üblichen Aufsichtsmittel (§§ 87–89 SGB IV) hinaus gehende spezielle Eingriffsbefugnisse. Maßgeblich sind in erster Linie das GKV-WSG, das GKV-OrgWG und das gezielt die Strukturen der obersten Selbstverwaltungskörperschaften verändernde GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz aus dem Jahre 2017.

137

Nach § 78a SGB V kann das BMG Beschlüsse der Vertreterversammlung der KBV beanstanden und letztlich sogar die Rückgängigmachung von Vollzugshandlungen verlangen. Zur Vollstreckung von Aufsichtsverfügungen darf das BMG über die Grenze von § 11 VwVG hinaus Zwangsgelder bis zu 10 Mio. € zugunsten des Gesundheitsfonds verhängen. Mittels § 78 Abs. 4 und 5 SGB V wurden spezielle Vorgaben für Haushalt und Rechnungswesen eingeführt, die über die allgemeinen für Sozialversicherungsbehörden geltenden Vorgaben des SGB IV hinausgehen. § 78b SGB V erlaubt der Aufsichtsbehörde eine Person zur KBV zu entsenden, mit deren Aufgaben zu betrauen und ihr die hierfür erforderlichen Befugnisse zu übertragen, wenn die dort ordnungsgemäße Verwaltung gefährdet ist. Eine Reihe von Gefährdungstatbeständen die auf konkreten Gegebenheiten beruhen, werden tatbestandlich aufgeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass damit Maßnahmen zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands unterhalb der Eingriffsschwelle für die Einsetzung eines Staatsbeauftragten und ohne Entmachtung der Organe im Außenverhältnis ergriffen werden können.[87] Derartige Befugnisse haben die Landesgesundheitsministerien bei den regionalen KV nicht. Ihnen bleibt nur oberhalb der vom BMG für sich reklamierten Eingriffsschwelle die Einsetzung eines Staatskommissars nach § 79b SGB V.

138

Entsprechende Befugnisse wurden in §§ 217d Abs. 2, 3 und 217g–i SGB V gegenüber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen geschaffen.

139

Die §§ 78 Abs. 4, 5 und 217d Abs. 2, 3 SGB V sind auch die Blaupause für § 91a SGB V, mit denen die verschärften Vorgaben für Haushalt und Rechnungswesen und die Zwangsgeldfestsetzung bis zu 10 Mio. € zur Vollstreckung von Aufsichtsverfügungen gegenüber dem G-BA eingeführt wurden. Weitergehende von politischer Seite gewünschte fachaufsichtliche Eingriffsbefugnisse in die Arbeit des G-BA,[88] wie sie z.B. der im EIRD[89] versteckte Entwurf eines Abs. 1a zu § 94 SGB V bei der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V ermöglichen hätte sollen, haben noch keine parlamentarische Mehrheit gefunden.[90] Allerdings bekommt das BMG in einem neuen § 91b SGB V die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung den Ablauf des Verfahrens, die Anforderungen an die Unterlagen und Nachweise zur Bewertung der NUB[91] und die Anforderungen an die Ausgestaltung der tragenden Gründe der Beschlüsse des G-BA näher zu regeln.

140

Die Mitwirkungsrechte der Bundesländer in den Landesausschüssen nach § 90 Abs. 4 SGB V und im G-BA nach § 92 Abs. 7e und 7f SGB V wurden mit dem TSVG um Antragsrechte erweitert. Damit soll den Ländern ermöglicht werden, versorgungsrelevante Erkenntnisse besser zur Geltung zu bringen, indem sie Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen lassen können.[92]

Anmerkungen

[1]

Im Entwurf eines Gesetzes für eine faire Kassenwahl in der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Neufassung der §§ 143–173 SGB V geplant (Kabinettsentwurf der Bundesregierung v. 9.10.2019, siehe www.bundesgesundheitsministerium.de/fairer-kassenwettbewerb-gesetz.html.

[2]

BVerfG Beschl. v. 9.6.2004 – 2 BvR 1248/03 und 1249/03, SozR 4-2500 § 266 Nr. 7.

[3]

Ausführlich dazu Wille/Koch Rn. 731 ff.

[4]

Gem. § 77 Abs. 1 S. 2 SGB V i.d.F.d. GMG mussten kleinere KV bzw. KZV mit weniger als 10.000 Mitgliedern in einem Bundesland bis Ende 2006 vereinigt werden. Betroffen waren Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Nur in NRW verblieben noch je zwei KV bzw. KZV. Die Vorschrift wurde durch das GKV-VStG zur „Kann“-Vorschrift geändert.

[5]

Nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB V differenziert das Gesetz nicht zwischen KV und KZV, wenn von Kassenärztlicher Vereinigung die Rede ist. Daher sind im Folgenden mit KV auch die KZV gemeint.

[6]

BVerfG Beschl. v. 20.9.1995 – 1 BvR 597/95, NZS 1996, 237.

[7]

BVerfG Nichtannahmebeschl. v. 27.9.2000 – 2 BvR 687/00.

[8]

juris PK-SGB V/Steinmann-Munzinger § 78 Rn. 11.

[9]

Zu den Befugnissen der Aufsichtsbehörden nach altem Recht siehe BSG Urt. v. 20.6.1990 – 1 RR 4/89, SozR 3-2400 § 89 Nr. 1; Urt. v. 28.6.2000 – B 6 KA 64/98 R, MedR 2001, 95.

[10]

LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 10.5.2016 – L 7 KA 44/15 B ER.

[11]

 

BSG Urt. v. 11.2.2015 – B 6 KA 4/14 R, SozR 4-2500 § 80 Nr. 1 und Urt. v. 15.5.2019 – B 6 KA 57/17 R, NZS 2019, 709.

[12]

§ 79 Abs. 3a SGB V i.d.F. d. GKV-VSG, BR-Drucks. 641/14, Nr. 32.

[13]

Zur Eskalation des Streits der beiden Lager siehe z.B. Bahners Hausärzteverband will Spaltung von Haus-/Fachärzten in KV in Medical Tribune v. 25.5.2014 und Mihm Schwere Vertrauenskrise, Hausärzte und Fachärzte stürzen sich ins Chaos in FAZ v. 12.11.2013.

[14]

Diese gesetzlich vorgegebene Vertretungskompetenz kann nicht durch Satzung beschränkt werden: BSG Urt. v. 30.10.2013– B 6 KA 48/12 R, GesR 2014, 236.

[15]

Zur Angemessenheit der Vergütungen: BSG Urt. v. 28.6.2000 – B 6 KA 64/98 R, SozR 3-2500 § 80 Nr. 4.

[16]

Die Vorschrift war die Reaktion auf „Blockadebeschlüsse“ einiger KZV bei Einführung des GSG 1993. Zur Einsetzung eines Staatsbeauftragten, wenn der Ausstieg aus dem Naturalleistungssystem betrieben wird, siehe BSG Urt. v. 27.6.2001 – B 6 KA 7/00 R, SozR 3-2500 § 79a Nr. 1. Gegenüber der KBV wurden die Befugnisse durch das GKV-SelbstverwaltungsstärkungsG in neuen Abs. 1a und 1b ausgeweitet.

[17]

juris PK-SGB V/Steinmann-Munzinger § 79 Rn. 31.

[18]

BGH Urt. v. 10.2.2011 – III ZR 37/10, GesR 2012, 24; Urt. v. 12.4.2006 – III ZR 35/05, MedR 2006, 535 m.w.N.; zur Haftung der KV im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen: BGH Urt. v. 21.1.2005 – III ZR 333/04, MedR 2006, 212; zur Haftung der KBV für die in den Bewertungsausschuss entsandten Vertreter: BGH Urt. v. 14.3.2002 – III ZR 302/00, MedR 2002, 466.

[19]

Zweites Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 17/10156, 94.

[20]

Hauck/Noftz/Engelhard § 106 Rn. 522.

[21]

juris PK-SGB V/Freudenberg § 84 Rn. 58; Hauck/Noftz/Engelhard § 106 Rn. 523.

[22]

Für die KK gilt wortgleich § 197a SGB V, auf den auch § 47a SGB XI für die Pflegeversicherung verweist.

[23]

Hauk/Noftz/Becker § 81a Rn. 7.

[24]

Weder Gesetz noch Begründung enthalten eine nähere Erläuterung, was unter „Unregelmäßigkeiten“ zu verstehen ist, vgl. BT-Drucks. 15/1525, 99.

[25]

Zum Download erhältlich unter https://www.kbv.de/html/26179.php.

[26]

Die Zuständigkeit liegt beim Vorstand, die 81a-Stelle kann nur eine Empfehlung abgeben: Liebold/Hofmann/Zalewski C 81a-8.

[27]

BT-Drucks. 15/1525, 99.

[28]

Steinhilper ZMGR 2010, 152, m.w.N.

[29]

Zur Kritik siehe FS ARGE Medizinrecht/Müller S. 893 ff., m.w.N.

[30]

Zum Meinungsstand: Liebold/Hofmann/Zalewski C 81a-9.

[31]

§ 73b Abs. 4 S. 6 SGB V nimmt die in die hausarztzentrierte Versorgung eingeschriebenen Patienten vom Sicherstellungsauftrag der KV aus.

[32]

Der Rettungsdienst wird von den Ländern organisiert und ist insoweit nicht in den Notdienst der KV integriert, siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Rettungsdienstrecht.

[33]

Für die Honorarverteilung der „Zahnärzte“ gilt § 85 Abs. 4 SGB V, der bis zur Änderung des § 87b Abs. 1 SGB V durch das GKV-VStG allgemeine Gültigkeit hatte.

[34]

§ 135b SGB V wurde durch das KHSG neu eingeführt, entspricht aber wortgleich dem bis dahin geltenden § 136 Abs. 1 SGB V a.F.

[35]

BSG Urt. v. 2.10.1996 – 6 BKa 54/95, SozR 3-2500 § 75 Nr. 8; Steinhilper/Schiller MedR 2003, 661.

[36]

LSG S-H Urt. v. 26.6.2000 – L 6 B 61/00, SGb 2001, 995; LSG BW 24.7.2001 – L 5 KA 5097/00 ER-B, MedR 2002, 212; VG Stuttgart Urt. v. 27.8.2004 – 4 K 5035/03, MedR 2005, 177.

[37]

LSG BW Urt. v. 24.7.2001 – L 5 KA 5097/00 ER-B, MedR 2002, 212 m.w.N.

[38]

Zur Frage der Zulässigkeit einer Beteiligung einer KV an einem Ärzteverbund: LSG S-H Urt. v. 26.6.2000 – L 6 B 61/00 KA ER, SGb 2001, 995; LSG BW Urt. v. 24.7.2001 – L 5 KA 5097/00 ER-B, MedR 2002, 212.

[39]

Die Finanzmittel der KV setzen sich zusammen aus den Gesamtvergütungsbestandteilen, die als Honorare an die Mitglieder weitergeführt werden müssen (§ 85 Abs. 1 und 4 SGB V), aus Verwaltungsbeiträgen und Gebühren der Mitglieder.

[40]

Hauck/Noftz/Vahldiek § 77a Rn. 13; juris PK-SGB V/Engelmann § 77a Rn. 18.

[41]

BT-Drucks. 16/4020 zu Nr. 30 Art. 1 Nr. 49.

[42]

Durch die Zusammenfassung der nebeneinander bestehenden Bundesausschüsse in einem G-BA sollte die Entscheidungsfindung effizienter werden, vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 15/1525, 106.

[43]

BSG Urt. v. 20.3.1996 – 6 RKa 62/94, SozR 3-2500 § 92 Nr. 6. Der G-BA bezeichnet sich selbst in § 1 Abs. 2 Geschäftsordnung als juristische Personen des öffentlichen Rechts.

[44]

Zimmermann S. 74; Hauck/Noftz/Hannes § 91 Rn. 19 m.w.N.

[45]

KassKomm/Roters § 91 Rn. 4.

[46]

Flintrop/Gerst DÄ 2010, A-169.

[47]

Siehe dazu auch die PatientenbeteiligungsVO v. 19.3.2003, BGBl. I, 2753.

[48]

V. 17.7.2008, 2008, 3256, i.d.F. v. 5.9.2019, BAnz AT v. 19.9.2019, B 4.

[49]

V. 18.12.2008, BAnz 2009, 2050, i.d.F. v. 18.7.2019, BAnz AT v. 29.10.2019, B 3.

[50]

BSG Urt. v. 6.5.2009 – B 6 A 1/08 R, GesR 2009, 581.

[51]

Für die Abberufung der Mitglieder, die Amtsniederlegung des Vorsitzenden und die Auslagenerstattung gilt die AusschussmitgliederVO v. 10.11.1956 i.d.F. v. 22.12.2011, BGBl. I 2983.

[52]

Zur Zulässigkeit einer Konkurrentenklage gegen Entscheidungen des G-BA nach § 135 Abs. 1 SGB V: BSG Urt. v. 14.5.2014 – B 6 KA 28/13 R.

[53]

Die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist verbindlich, da die RL untergesetzliche Rechtsnormen sind: BSG Urt. v. 16.9.1997 – 1 RK 32/95, SozR 3-2500 § 92 Nr. 7; zum Ausschluss von Arzneimitteln von der Leistungspflicht. BSG Urt. v. 15.12.2015 – B 1 KR 30/15 R, SozR 4-2500 § 34 Nr. 18.

[54]

BVerfG Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 347/9 (Nikolausbeschluss). Die hierauf beruhende Rechtsprechung stellt das Institut für Sozial- und Gesundheitsrecht der Ruhr-Universität Bochum auf ihrer Webseite http://www.ruhr-uni-bochum.de/ifs/Forschungsprojekte4.htmlhttps://www.nikolaus-beschluss.de/zur Verfügung.

[55]

DMP gibt es für ff. chronische Krankheiten: Asthma bronchiale, Brustkrebs, Chronische Herzinsuffizienz, Chronischer Rückenschmerz, COPD, Depressionen, Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, Koronare Herzkrankheit.

[56]

Die Vorschriften ermöglichten bis Ende 2010 die Festsetzung von Festbeträgen durch Rechtsverordnung des BMG. Das AMNOG hat stattdessen den G-BA mit der Nutzenbewertung für jedes neu eingeführte Arzneimittel beauftragt. Zur Klagebefugnis betroffener Pharmahersteller: BSG Urt. v. 14.5.2014 – B 6 KA 21/13 R.

[57]

§ 12 Abs. 1 VO; zur früheren Rechtslage BSG Urt. v. 23.7.1998 – B 1 KR 3/97 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 17.

[58]

In der Regel als DMP (Disease-Management-Program) bezeichnet.

[59]

DMP-Richtlinie v. 16.2.2012, BAnz AT v. 18.7.2012, B 3.

[60]

Seit vielen Jahren gibt es Programme für Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, Brustkrebs, Koronare Herzkrankheit (KHK), Asthma bronchiale, Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). In jüngerer Zeit kamen hinzu „Chronische Herzinsuffizienz“, „Chronischer Rückenschmerz“ und „Depression“.

[61]

Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung v. 18.10.2005, BAnz Nr. 248 v. 31.12.2005, 17329; Qualitätsmanagement-Richtlinie Krankenhäuser v. 21.6.2005, BAnz Nr. 242 v. 22.12.2005, 16896.

[62]

Richtlinie ambulante spezialfachärztliche Versorgung § 116b SGB V – ASV-RL v. 21.3.2013 (BAnz AT v. 19.7.2013, B 1) i.d.F. v. 22.3.2019 (BAnz v. 23.8.2019, B 3).

[63]

Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus v. 18.10.2005, BAnz 2006 Nr. 7 v. 11.1.2006, 88.

[64]

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

[65]

KassKomm/Hess § 139b Rn. 16; juris PK-SGB V/Engelmann § 139b Rn. 14; Hauck/Noftz/Hohnholz § 139b Rn. 10.

[66]

BSG Urt. v. 1.3.2011 – B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr. 5.

[67]

Der G-BA hat am 21.8.2014 die Errichtung der Stiftung beschlossen.

[68]

BSG Urt. v. 1.3.2011 – B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urt. v. 18.12.2012 – B 1 KR 34/12 R, SozR 4-2500 § 137 Nr. 2.

[69]

BSG Urt. v. 11.9.2002 – B 6 KA 34/01 R, SozR 3-2500 § 87 Nr. 35 m.w.N.

[70]

Dennoch sind weder der BewA noch die Bundesmantelvertragspartner im Rechtsstreit um die Gültigkeit des EBM notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen: BSG Urt. v. 17.2.2016 – B 6 KA 47/14 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 32 m.w.N.

[71]

BSG Beschl. v. 10.12.2008 – B 6 KA 37/08 B.

[72]

KassKomm/Hess § 87 Rn. 48; juris PK-SGB V/Freudenberg § 87 Rn. 256.