Handbuch Medizinrecht

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3. Amtshaftung

48

Mittels Verweis auf § 35a Abs. 1 S. 3 und 4, Abs. 2, Abs. 5 S. 1, Abs. 7, § 42 Abs. 1–3 SGB IV in § 79 Abs. 6 S. 1 SGB V werden die Organe einer KV hinsichtlich ihrer Verantwortung und internen Haftung gegenüber der Körperschaft den Krankenkassenvorständen gleichgestellt. Die Außenhaftung bei Verletzung von Amtspflichten gegenüber Dritten richtet sich nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Nach § 42 Abs. 2 SGB IV erfolgt der Rückgriff auf das Organmitglied bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung. Ein vorheriger Haftungsverzicht ist nach § 42 Abs. 3 SGB IV unzulässig. Die Haftung der KV für fiskalische Tätigkeiten ihrer Organmitglieder richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.[17]

49

Die KV haften auch für Amtspflichtverletzungen, die von den von ihnen bestellten Mitgliedern der Zulassungs- und Berufungsausschüsse begangen werden.[18] Dasselbe gilt für die Krankenkassen hinsichtlich der von ihnen entsandten Mitglieder. Mit den gleichen Erwägungen wird man auch eine Haftung dieser Körperschaften hinsichtlich Amtspflichtverletzungen der von ihnen in andere Selbstverwaltungsgremien, beispielsweise Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse, entsandten Mitglieder annehmen müssen. Anders dagegen beim Gemeinsamen Bundesausschuss (siehe Rn. 63 ff.), wo der Gesetzgeber in § 91 Abs. 3a SGB V eine Haftungszuweisung an den G-BA selbst vorgenommen hat, speziell, um die Entsendeorganisationen von den Folgen der Rechtsprechung des BGH zu entlasten.[19]

50

Eine besondere Form der Haftung für die Nichtumsetzung vom Gesetzgeber angeordneter Maßnahmen sehen § 84 Abs. 4a SGB V im Hinblick auf den Abschluss von Arznei- und Heilmittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 und 8 SGB V und §§ 106 Abs. 4 und 106d Abs. 7 SGB V hinsichtlich der Durchführung der Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen vor. Danach haftet der Vorstand für die ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben, in der Wirtschaftlichkeitsprüfung in erster Linie für die fristgemäße und vollständige Lieferung der Daten nach §§ 296, 297 SGB V. Es könnte sich nach dem Wortlaut der Vorschrift um eine verschuldensunabhängige Gewährleistungshaftung handeln, wobei vieles unklar ist.[20] Vor allem dürfte es in allen Haftungsvarianten kaum möglich sein, einen entsprechenden Nichtumsetzungsschaden zu errechnen.[21]

4. Korruptionsbekämpfungsstellen

51

Das GMG hat mit § 81a SGB V den KV einschließlich der KBV ein weiteres obrigkeitliches Überwachungsinstrument beschert.[22] Danach mussten, als verselbstständigte organisatorische Einheiten,[23] sogenannte Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingerichtet werden. Diese haben die Aufgabe, entsprechenden Hinweisen auf Fälle und Sachverhalte, die auf Unregelmäßigkeiten, rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der jeweiligen KV hindeuten, nachzugehen.[24] Zu diesem Zweck sieht § 81a Abs. 2 SGB V ein anonymes Denunziationsrecht für jedermann vor. Der Vorstand der KV hat der Vertreterversammlung nach § 81a Abs. 5 SGB V alle zwei Jahre einen Bericht über die Arbeit und Ergebnisse der organisatorischen Einheiten vorzulegen. Gem. § 81a Abs. 6 SGB V hat die KBV in „Bestimmungen“ die geforderten organisatorischen Vorgaben festzulegen.[25] Diese Bestimmungen gehen inhaltlich kaum über die Regelungen des § 81a Abs. 1 bis 5 SGB V hinaus, was die Frage nach deren Sinn aufwirft.

52

Ein Fremdkörper im Gesetz ist die in § 81a Abs. 4 SGB V angeordnete Pflicht, die Staatsanwaltschaft unverzüglich vom Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung zu unterrichten.[26] Kommen die KV dieser Aufgabe nicht nach, droht laut Gesetzesbegründung eine Verurteilung wegen Strafvereitelung nach § 258 StGB.[27] Der Tatbestand der Vorschrift besteht überwiegend aus unbestimmten Rechtsbegriffen, was zu zahlreichen ungelösten Rechtsfragen führt.[28] In der Regel sind die Korruptionsbekämpfungsstellen nicht in der Lage, einen Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung zu prüfen. Dazu fehlt in der Praxis neben dem Ermittlungsinstrumentarium auch die Erfahrung im Umgang mit dem Strafrecht. Der Gesetzgeber hat aus gutem Grunde die Prüfung eines Anfangsverdachts auf strafbare Handlungen in § 160 StPO grundsätzlich den Staatsanwaltschaften zugewiesen, wo diese Zuständigkeit auch bleiben muss.

53

Die rechtspolitisch fragwürdige Vorschrift beinhaltet die Gefahr der Kriminalisierung eines ganzen Berufsstandes und birgt für die Praxis erhebliche Unwägbarkeiten.[29] Zunächst bedürfen die Tatbestandsmerkmale der Unverzüglichkeit und der nicht nur geringfügigen Bedeutung für die GKV einer Auslegung, welche aus rechtsstaatlichen Gründen eigentlich einschränkend restriktiv sein müsste, aber wegen der Gefahr des Vorwurfs einer Strafvereitelung tatsächlich extensiv sein wird.[30]

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Praxishinweis

Bei strafrechtlicher Relevanz des Verhaltens eines Vertragsarztes ist mit einer Strafanzeige zu rechnen. Die Akten der „§ 81a-Stelle“ werden gewöhnlich außerhalb der Akten der sonstigen Verwaltungsverfahren geführt. Die Einsicht der Akten z.B. der Prüfabteilung nach § 106d SGB V, lässt daher nicht unbedingt erkennen, ob diese Stelle eingeschaltet ist. Zusätzlich ist auch mit Strafanzeigen seitens der Krankenkassen zu rechnen. Ein Indiz ist die Durchführung einer Patientenbefragung durch eine Krankenkasse, die meist im Praxisbetrieb auffällt. Jede weitere Einlassung des Arztes im laufenden Verwaltungsverfahren wird Eingang in das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren finden. Das muss hinsichtlich einer möglichen Verteidigungsstrategie bedacht werden. Ein Recht zum Schweigen besteht im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Verwaltungsverfahren bestehen Mitwirkungspflichten. Daher ist Schweigen regelmäßig ein Nachteil.

5. Aufgaben der KV

55

Die Aufgaben der KV und der KBV sind in den materiellen Regelungen des Vertragsarztrechtes niedergelegt und ausführlich beschrieben. Als wichtigste Aufgabe ist die in § 75 Abs. 1 SGB V angeordnete Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu nennen, wozu nach § 99 SGB V die Aufstellung eines Bedarfsplanes im Einvernehmen mit den KK gehört.[31] Auch die Organisation des Notdienstes in sprechstundenfreien Zeiten gehört nach § 75 Abs. 1b SGB V zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung.[32] Die KV haben ferner nach §§ 82 ff. SGB V die Kollektivverträge über Inhalt und Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung abzuschließen und nach § 87b Abs. 1 SGB V die Honorarverteilung unter ihren vertragsärztlichen Mitgliedern zu besorgen.[33] Nach § 135b Abs. 1 SGB V[34] haben die KV Maßnahmen zur Förderung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführen und zu dokumentieren, ebenso die erbrachten Leistungen auf Qualität (Abs. 2) und die Abrechnungen der Vertragsärzte auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität zu prüfen (§ 106d SGB V). Gemeinsam mit den KK haben sie nach §§ 106 ff. SGB V die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu überwachen.

56

Das GKV-VSG übertrug den KV in § 75 Abs. 1a SGB V die Einrichtung von Terminservicestellen. Deren Aufgabe ist es, den Versicherten mit einer Überweisung zum Facharzt binnen einer Woche einen Termin zu verschaffen. Nach dem TSVG müssen diese Terminservicestellen seit dem 1.1.2020 unter einer bundesweit einheitlichen Telefonnummer 24 Stunden erreichbar sein.

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Die KV haben nach § 75 Abs. 2 S. 1 SGB V die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Dazu gehört auch im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung die Interessenvertretung in der Politik, gegenüber dem Gesetzgeber und den Berufsverbänden.[35] Ein über ihren hoheitlichen Aufgabenbereich hinausgehendes gesundheitspolitisches Mandat der Vertragsärzte haben die KV jedoch nicht.[36]

58

Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Zwangsmitglieder öffentlich-rechtlicher Körperschaften vor einer Überschreitung ihrer gesetzlich eingeräumten Befugnisse und gewährt infolgedessen einen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch gegen unzulässige Betätigungen, ohne dass es darauf ankommt, ob das Mitglied dadurch einen spürbaren Nachteil erleidet.[37]

6. Dienstleistungsgesellschaften

59

Der durch das GKV-WSG neu eingeführte § 77a SGB V erlaubt den KV und der Kassen(zahn-)ärztlichen Bundesvereinigung Dienstleistungsgesellschaften zu gründen, die die vertragsärztlichen Leistungserbringer beim Abschluss von Versorgungsverträgen, namentlich Direktverträgen nach §§ 73a bis c SGB V und besonderen Versorgungsverträgen nach §§ 140a ff. SGB V inklusive der damit auftretenden Fragen der Datenverarbeitung beraten dürfen. Die Dienstleistungsgesellschaften dürfen die Vertragsärzte ferner in allgemeinen wirtschaftlichen Fragen beraten und Verwaltungsaufgaben für Praxisnetze übernehmen. Damit kam der Gesetzgeber einem Wunsch der KV nach, die sich an einer solchen privatwirtschaftlichen Betätigung als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit gesetzlich begrenztem Aufgabenbereich gehindert sahen.[38]

 

60

Es versteht sich von selbst, dass die KV die von den Krankenkassen erhaltenen Gesamtvergütungen zweckgebunden für die Honorierung der ärztlichen Leistungen einzusetzen haben, wie auch die von den Ärzten aufgebrachten Verwaltungskostenbeiträge der Finanzierung derselben dienen. § 77a Abs. 3 SGB V verbietet folglich eine Finanzierung dieser Gesellschaften aus Mitteln der KV.[39]

61

Die Dienstleistungsgesellschaften müssen sich selbst aus Einnahmen finanzieren. Der Gesetzeswortlaut ist eindeutig und bezieht sich sowohl auf Fremdfinanzierungen durch Kredit als auch auf Finanzierungen durch Bereitstellung von Eigenkapital.[40] Nach Auffassung der Bundesregierung ergibt sich aus der Befugnis zur Gründung derartiger Gesellschaften auch die Befugnis zur Bereitstellung der Gründungsmittel.[41] Diese Auffassung entgegen dem Wortlaut von § 77a Abs. 3 S. 2 SGB V ist zu kurz gegriffen. Eine Gründung von Gesellschaften ist ohne Beteiligung am Kapital mit wenigstens 1 % nicht möglich. Bei einer Beteiligung an Personengesellschaften kann die persönliche Haftung des Gesellschafters zum unbegrenzten Rückgriff auf das Vermögen der beteiligten KV führen, was zweifellos nicht mit dem Finanzierungsverbot vereinbar ist. Die Gründung von Kapitalgesellschaften erfordert die Aufbringung des vorgeschriebenen Stammkapitals (vgl. § 2 AktG, §§ 5 und 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG). Auch wenn der Gründungsbeitrag zunächst auf die Zahlung der Einlage beschränkt ist, bestehen für Gesellschafter und Aktionäre einer Kapitalgesellschaft weitere Kapitalaufbringungspflichten, von der die beteiligte KV in der Satzung zur Gänze befreit werden muss.

62

Der durch das SelbstverwaltungsstärkungsG geschaffene § 77b SGB V enthält zusätzliche Anforderungen an die von der KBV eingerichteten Arbeitsgemeinschaften und gegründeten Dienstleistungsgesellschaften. Der Vorstand wird verpflichtet, der Vertreterversammlung jährlich umfassend Bericht zu erstatten.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › C. Die Beteiligten im Vertragsarztrecht › III. Die Gemeinsame Selbstverwaltung und ihre Gremien

III. Die Gemeinsame Selbstverwaltung und ihre Gremien

1. Der Gemeinsame Bundesausschuss

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Nach § 91 Abs. 1 SGB V bilden die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

a) Rechtsstatus

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Der G-BA ist die maßgebliche Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung, der nach dem GMG zum 1.1.2004 die bis dahin bestehenden Bundesausschüsse der Ärzte bzw. der Zahnärzte und Krankenkassen, den Ausschuss Krankenhaus und den Koordinierungsausschuss abgelöst hat.[42] Trägerorganisationen des G-BA sind gem. § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund.

65

Der G-BA ist nach § 91 Abs. 1 S. 2 SGB V rechtsfähig. Eine Regelung zur Rechtsqualität des G-BA als Träger öffentlicher Aufgaben fehlt. Nach Auffassung des BSG handelte es sich bei den früheren Bundesausschüssen um Anstalten des öffentlichen Rechts.[43] Nach anderer Auffassung ist der G-BA eine rechtsfähige Einrichtung sui generis.[44] Er hat in jedem Fall Behördeneigenschaft i.S.v. § 1 Abs. 2 SGB X.[45]

66

Der G-BA besteht aus einem Plenum (Beschlussgremium) und aus Unterausschüssen, welche die Entscheidungen des Beschlussgremiums vorbereiten.[46] Beschlüsse werden mit Mehrheit gefasst. Die Vertreter der Patientenorganisationen nach § 140f SGB V haben ein Mitberatungsrecht ohne Stimmrecht.[47] Die Verfahren bis zur Beschlussfassung sind in der Geschäftsordnung[48] und in der Verfahrensordnung[49] geregelt, die nach § 91 Abs. 4 SGB V mit Genehmigung des BMG beschlossen wurden. Die Sitzungen des G-BA sind in der Regel öffentlich. Der G-BA wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten, § 91 Abs. 1 S. 3 SGB V.

67

Die Rechtsaufsicht über den G-BA und dessen Finanzen führt das BMG nach §§ 91a Abs. 1 SGB V i.V.m den Aufsichts- und Haushaltsvorschriften des SGB IV. Das BMG kann aufsichtliche Verfügungen per Zwangsgeld durchsetzen. Dem BMG sind die beschlossenen Richtlinien zur Prüfung vorzulegen, das nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V ein Beanstandungsrecht bzw. nach S. 5 der Vorschrift für unterbliebene Beschlüsse ein Ersatzvornahmerecht hat. Das Beanstandungsrecht ist hinsichtlich erlassener Richtlinien auf die Kontrolle von Rechtsverstößen beschränkt.[50]

68

Für Klagen gegen Richtlinien und Entscheidungen des G-BA wie auch in Aufsichtsangelegenheiten ist erstinstanzlich nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG das LSG Berlin-Brandenburg ausschließlich zuständig.

b) Zusammensetzung

69

Das Beschlussgremium des G-BA besteht aus drei unparteiischen Mitgliedern, wovon einer den Vorsitz führt, und fünf Mitgliedern der „Bank“ der Leistungserbringer, davon ein Vertreter der KZVB und jeweils zwei Vertretern der KBV und der DKG und fünf Vertretern der „Bank“ der Krankenkassen. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre, § 91 Abs. 2 S. 17 SGB V. Nach § 140f Abs. 2 SGB V entsenden die Patientenorganisationen in den G-BA sachkundige Personen, deren Anzahl die Zahl der Vertreter des Spitzenverbandes Bund nicht übersteigen soll.

70

Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter dürfen im letzten Jahr vor ihrer Berufung nicht bei einer der Trägerorganisationen einschließlich deren Mitgliedern und Verbänden der Mitglieder oder einem Krankenhaus beschäftigt oder als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Psychotherapeut tätig gewesen sein. Über die Unparteiischen und deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Organisationen auf einen einheitlichen Vorschlag einigen, der dem BMG vorzulegen ist. Dieses übermittelt den Vorschlag an den Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, der den Vorschlag bestätigt oder ablehnt. Das BMG beruft die Mitglieder, wenn kein neuer Vorschlag erfolgt oder der Ausschuss auch den neuen Vorschlag ablehnt. Die Unparteiischen sollen hauptamtlich tätig sein. Falls sie ehrenamtlich tätig sein wollen, müssen sie dazu von ihren Arbeitgebern freigestellt werden. Die Stellvertreter der unparteiischen und die sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums bleiben ehrenamtlich.[51]

c) Aufgaben

71

Die Aufgaben des G-BA wurden in den letzten Jahren über die vertragsärztliche Versorgung hinaus auf alle Versorgungsbereiche innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erstreckt, sowohl was ambulante als auch stationäre Behandlungen betrifft, als auch Entscheidungen über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln. Nach § 92 Abs. 1 SGB V hat der G-BA unter Beachtung der in der Vorschrift genannten Kriterien die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu beschließen. § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V benennt 15 Themenkomplexe, die mittels Richtlinien zu regeln sind.

72

Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) dürfen in der GKV zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der G-BA auf Antrag eines seiner unparteiischen Mitglieder, der KBV, einer KV oder des Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 135 Abs. 1 SGB V in den NUB-Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung abgegeben hat.[52] Solange die Empfehlung nicht positiv abgegeben ist, ist die Leistung nicht Bestandteil der GKV. § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V stellt somit ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar und bewirkt damit die eigentliche Konkretisierung des Rahmenrechts des Versicherten in § 27 SGB V auf umfassende Krankenbehandlung innerhalb des bereits durch die Richtlinien eröffneten Rahmenkorridors.[53] Zu Details siehe auch Grinblat Kap. 7 Rn. 37 ff. Ein darüber hinausgehender Behandlungsanspruch besteht nach § 13 Abs. 3 SGB V unter den vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen,[54] entweder bei Systemversagen, bei einer singulären Erkrankung oder einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung.

73

Im stationären Bereich darf der G-BA u.a. nach § 137c Abs. 1 S. 3 SGB V von Krankenhäusern angewandte Methoden auf Antrag von der Anwendung zulasten der Krankenkassen ausschließen, wenn ihr Nutzen nicht hinreichend belegt werden kann. Die Methodenbewertung kann nach § 137e Abs. 7 SGB V auch durch einen Antrag eines Herstellers eines Medizinprodukts oder eines Anbieters einer neuen Methode veranlasst werden.

74

Weitere Aufgaben des G-BA sind u.a. die Nutzenbewertung neu zugelassener Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V und die Bewertung von Methoden, bei denen ein Medizinprodukt mit hoher Risikoklasse zum Einsatz kommt (§ 137h SGB V). Ergänzend zur ASV-Richtlinie definiert der G-BA nach § 116b Abs. 5 SGB V den Katalog der seltenen Erkrankungen und Erkrankungszustände und der hochspezialisierten Leistungen nach § 116b Abs. 1 S. 2 SGB V um weitere Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungszuständen mit entsprechend geringen Fallzahlen sowie hochspezialisierten Leistungen. Nach § 137f SGB V wählt der G-BA diejenigen geeigneten chronischen Krankheiten aus, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden können, die den Behandlungsablauf und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Auf deren Basis kann das Bundesversicherungsamt auf Antrag der Krankenkassen sog. Disease-Management-Programme (DMP), in die sich die betroffenen Versicherten freiwillig einschreiben können, zulassen.[55]

75

Hinweis

Ein eigener, in den letzten Jahren stark ausgebauter Aufgabenbereich ist die Schaffung der rechtlichen Grundlagen der Qualitätssicherung. § 135a SGB V verpflichtet alle Leistungserbringer zur Qualitätssicherung. Die Grundlagen für die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser bestimmt der G-BA in mehreren Richtlinien nach §§ 136 ff. SGB V.

76

Die methodischen Anforderungen an die wissenschaftliche, sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sind in der Verfahrensordnung geregelt. Diese enthält auch Regelungen über die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung. Die für die Pharmaindustrie eminent bedeutsame Nutzenbewertung von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, richtet sich nach §§ 35a und 35b SGB V.[56]

77

§ 92 Abs. 1 S. 2 SGB V listet derzeit 15 durch Richtlinien zu regelnde Themenkomplexe auf, die alle Bereiche der ärztlichen/zahnärztlichen Behandlung einschließlich deren Qualitätssicherung, die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bis hin zur Bedarfsplanung umfassen.

78

Die Vorschriften in § 92 Abs. 1a–7d SGB V sehen hinsichtlich der einzelnen Richtlinienthematiken differenzierte Beteiligungsverfahren verschiedener sachverständiger Gremien auf Seiten der betroffenen Leistungserbringer vor. Bei Beschlüssen zur Bedarfsplanung und zur Qualitätssicherung wurde das bestehende Mitberatungsrecht der Länder um ein Antragsrecht erweitert. Weitere Details der Beteiligungsverfahren enthält die Verfahrensordnung, die z.B. die mündliche Anhörung ins Ermessen des Beschlussgremiums stellt.[57] Zu Inhalt, Bedeutung und Rechtsqualität der beschlossenen Richtlinien siehe unten (Rn. 187 ff.).

 

79

Die Aufgaben des G-BA wurden im Laufe der Jahre zunehmend ausgebaut. Durch das GMG bekam der G-BA in § 137f SGB V den Auftrag, in Richtlinien geeignete chronische Krankheiten festzulegen, für die strukturierte Behandlungsprogramme[58] entwickelt werden können.[59] Die Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogrammes auf Basis der Richtlinie des G-BA erfolgt dann nach § 137f SGB V auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen durch das Bundesversicherungsamt.[60] Mit dem GKV-WSG wurde § 137 SGB V neu gefasst. Danach hat der G-BA die Aufgabe bekommen, sowohl für die vertragsärztliche Versorgung als auch für die Krankenhäuser sektorenübergreifende Richtlinien über verpflichtende Maßnahmen der Qualitätssicherung und Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen festzulegen.[61]

80

Mit der kompletten Neuformulierung des § 116b SGB V durch das GKV-VStG bekam der G-BA in dessen Abs. 4 die Aufgabe, zum 31.12.2012 in Richtlinien das Nähere zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) zu regeln. Er sollte insbesondere die im Katalog des Abs. 1 S. 2 genannten, seltenen Erkrankungen konkretisieren, den Behandlungsumfang bestimmen, die sächlichen und personellen Anforderungen sowie die Anforderungen an die Qualitätssicherung regeln. Der G-BA ist diesem umfangreichen Auftrag mit Verspätung nachgekommen.[62] Die Konkretisierungen von 13 schweren Erkrankungen sind in den Anlagen zur Richtlinie zu finden. Die Richtlinie zur alten Rechtslage[63] gilt nach § 116b Abs. 8 SGB V für die daraufhin erfolgten Bestimmungen ambulanter Behandlungen im Krankenhaus fort, soweit sie nicht durch die neuen Katalogtatbestände der ASV verdrängt werden, – längstens für drei Jahre ab Inkrafttreten der entsprechenden ASV Richtlinie.

81

Im § 92a SGB V hat der G-BA die Aufgabe bekommen, neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen, und Versorgungsforschung, die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung ausgerichtet ist, zu fördern. Hierfür wurden für die Jahre 2016–2019 Fördersummen von jeweils 300 Mio. € aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sowie von den Krankenkassen aufgebracht, die vom BVA in einem Innovationsfonds verwaltet werden. Die Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel trifft nach § 92b SGB V ein vom G-BA eingerichteter Innovationsausschuss. Dem Ausschuss gehören neben dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA drei Vertreter des Spitzenverband Bund, je ein Vertreter von KBV, KZBV, DKG und des Bundesforschungsministeriums, sowie zwei Vertreter des BMG und zwei Patientenvertreter an.