Handbuch Medizinrecht

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III.Verwaltungsverfahren1397 – 1426

1.Ausgeschlossene Personen/Besorgnis der Befangenheit1400, 1401

2.Zusicherung1402 – 1404

3.Aufhebung von Verwaltungsakten1405 – 1408

4.Drittwiderspruch/Klagebefugnis Dritter1409 – 1421

5.Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren1422 – 1426

IV.Gerichtliches Verfahren1427 – 1451

1.Örtliche Zuständigkeit1428, 1429

2.Besetzung des Gerichts1430, 1431

3.Einbeziehung weiterer Bescheide1432 – 1436

4.Feststellungsklage1437 – 1439

5.Bescheidungsurteil1440 – 1442

6.Einstweiliger Rechtsschutz1443 – 1451

a)Wegfall der aufschiebenden Wirkung auf Grund gesetzlicher Anordnung1445 – 1447

b)Anordnung der sofortigen Vollziehung1448 – 1451

Literatur:

Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht (Hrsg.) Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008 (zit.: FS ARGE 10 Jahre/Bearbeiter); Schneider Handbuch des Kassenarztrechts, 1994.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › A. Einführung

Hartmannsgruber

A. Einführung

Literatur zur Einführung:

Katzenmeier/Bergdolt Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, 2009; Kingreen Die Entwicklung des Gesundheitsrechts, NJW 2014, 3345; Lippert Der Honorar-(Vertretungs-)Arzt – ein etwas anderer Freiberufler, GesR 2010, 665; Maaß/Maaß Die Entwicklung des Vertragsarztrechts in den Jahren 2015 und 2016 – Teil 1, NZS 2017, 41; dies. Die Entwicklung des Vertragsarztrechts in den Jahren 2015 und 2016 – Teil 2, NZS 2017, 88; dies. Die Entwicklung des Vertragsarztrechts in den Jahren 2016 und 2017 – Teil 1, NZS 2018, 41; dies. Die Entwicklung des Vertragsarztrechts in den Jahren 2016 und 2017 – Teil 2, NZS 2018, 86; dies. NZS-Jahresrevue 2017/2018: Vertragsarztrecht (Teil 1 und 2), NZS 2019, 46 und 88; dies. NZS-Jahresrevue 2018/2019: Vertragsarztrecht (Teil 1 und 2), NZS 2020, 50 und 90; Palsherm Das Vertragsarztrecht – die elementaren Grundzüge, zfs 2006, 38; Preis Der Arzt zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Regulierung – Analyse und rechtspolitische Perspektiven, MedR 2010, 139; Scholz Die Entwicklung des Berufs- und Vertragsarztrechts 2018/2019, medstra 2019, 331; Simon Das Gesundheitssystem in Deutschland, 6. Auflage 2017; Weiß Der Vertragsarzt zwischen Freiheit und Bindung, NZS 2005, 67; Wenner Vertragsarzt: Hauptberuf oder Nebenjob?, GesR 2004, 353; ders. Neue Rollenanforderungen an den Vertragsarzt – Freiberuflicher Unternehmer, Funktionsträger, Resteverwalter oder Vollzugsakteur staatlicher Gesundheitspolitik?, GesR 2009, 505; Zeiß Die ärztliche Praxis aus berufs- und vertragsarztrechtlicher Sicht, Möglichkeiten und Einschränkungen für Ärzte und Nichtärzte, Diss. 2010.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › A. Einführung › I. Rahmenbedingungen

I. Rahmenbedingungen

1

Die medizinische Versorgung ist Teil der staatlichen Daseinsvorsorge mit dem herausragendem Ziel der Förderung und Bewahrung der Gesundheit der Bevölkerung. Die staatliche Organisation dieses Ziels folgt den grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, die dem Bund die gesamte Zuständigkeit für die Sozialversicherung, insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung, zuweist (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG).

2

Die gesetzliche Krankenversicherung beschränkt sich nicht auf die Versicherung der Kosten notwendiger Behandlungsleistungen in Form beitragsfinanzierter Kostenerstattungsleistungen ähnlich der privaten Krankenversicherung, sondern sie gewährt dem Versicherten auf solidarischer Basis einen Anspruch auf unmittelbaren Bezug der Krankenbehandlung in Form von Sach- und Dienstleistung, vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V. Zunehmend erfolgt eine Verzahnung mit anderen Bereichen der Sozialversicherung, vornehmlich dem im SGB IX geregelten Rehabilitations- und Behindertenrecht und der im SGB XI geregelten gesetzlichen Pflegeversicherung.[1]

3

Infolgedessen organisiert die gesetzliche Krankenversicherung neben dem Bezug von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auch die Erbringung der Leistungen durch qualifizierte Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und von Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen und deren Bezahlung aus den Beitragsmitteln. Das Vertragsarztrecht regelt innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung die Rechte und Pflichten der ärztlichen Leistungserbringer in der ambulanten Versorgung außerhalb von Krankenhäusern.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › A. Einführung › II. Begriffsdefinition

II. Begriffsdefinition

4

Das Vertragsarztrecht entspricht dem früher als Kassenarztrecht bezeichneten Rechtsgebiet.[2] Noch bis zum 31.12.1992 wurde in dem mit dem GRG[3] zum 1.1.1989 geschaffenen SGB V zwischen der kassenärztlichen Versorgung im Bereich der Regionalkassen und der vertragsärztlichen Versorgung im Ersatzkassenbereich unterschieden. Mit dem GSG[4] wurde zum 1.1.1993 der Begriff des Vertragsarztes im SGB V vereinheitlicht, wodurch sich das Kassenarztrecht zum Vertragsarztrecht wandelte. In gleicher Weise wurde aus dem Kassenzahnarztrecht das Vertragszahnarztrecht, das strukturell und in vielen Details mit dem Vertragsarztrecht identisch ist, aber eben auch in wesentlichen Punkten abweicht. Mit dem Psychotherapeutengesetz[5] wurde die Psychotherapie in das System der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen und damit den Regelungen des Vertragsarztrechts unterworfen. Neben der vertragsärztlichen Versorgung gibt es noch das System der knappschaftlichen Versicherung, in dem nach § 75 Abs. 5 SGB V das Vertragsarztrecht analog gilt, soweit die ärztliche Versorgung nicht durch spezielle Knappschaftsärzte[6] erbracht wird.

5

Nach der Legaldefinition des für die interne Spruchkammerzuweisung der Sozialgerichte maßgeblichen § 10 Abs. 2 S. 1 SGG gehören zum Vertragsarztrecht die Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände. Das Rechtsgebiet „Vertragsarztrecht“ befasst sich damit nicht nur mit den speziellen beruflichen Rechtsfragen der mehr als 230.000 Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die im System der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind, sondern auch mit deren Verhältnissen untereinander einschließlich deren Verbände und deren Verhältnis zu den Krankenkassen.[7]

Anmerkungen

[1]

Vgl. Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung v. 25.8.2008, BGBl. I, 874 und Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) v. 23.10.2012, BGBl. I, 2246.

[2]

Zum Begriff: Schneider Rn. 9; zur Historie: Liebold A1 ff.

[3]

Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen v. 20.12.1998, BGBl. I, 2477.

[4]

Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung v. 21.12.1992, BGBl. I, 2266.

 

[5]

Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten v. 16.6.1998, BGBl. I, 1311.

[6]

Zum Begriff und zur knappschaftsärztlichen Versorgung: HK-AKM/Dahm Knappschaftsarzt bzw. Bundesknappschaft.

[7]

Rechtsfragen, die die ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser auf Grundlage der §§ 115a, 115b und 116b SGB V betreffen, gehören nicht zum Vertragsarztrecht: BSG Urt. v. 4.3.2014 – B 1 KR 16/13 R.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › B. Historische Entwicklung

Hartmannsgruber

B. Historische Entwicklung

Literatur zur historischen Entwicklung:

Algermissen Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung – Bedeutung und Umsetzungsstand, NZS 2014, 921; Axer Finanzierung und Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GesR 2007, 193; Bäune/Dahm/Flasbarth Vertragsärztliche Versorgung unter dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG, MedR 2012, 77; Becker Das Wettbewerbsstärkungsgesetz – Eine verfassungsrechtliche Bewertung, ZMGR 2007, 101; Bitter Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) im Überblick, GesR 2007, 152; Braun Die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen nach den Regelungen des Digitale-Versorgung-Gesetzes, GesR 2019, 757; ders. Die Förderung der Entwicklung digitaler Innovationen durch Krankenkassen nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz, NZS 2019, 894; Butzer Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum GKV-Modernisierungsgesetz 2004 (GMG), MedR 2004, 177; Filges Das Terminservice- und Versorgungsgesetz – besser, schneller, digitaler?, NZS 2020, 201; Halbe/Orlowski/Preusker/Schiller/Wasem Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis; Hammes Das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, MedR 2017, 611; Hiddemann/Muckel Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, NJW 2004, 7; Höftmann Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, 2013; Jörg Das neue Kassenarztrecht, 1993; Kühling/Schildbach Die Reform der Datentransparenzvorschriften im SGB V, NZS 2020, 41; Leber Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Konzept zur Neuordnung des Kassenwettbewerbs, 1991; Orlowski Ziele des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG), MedR 2004, 202; Orlowski/Wasem Gesundheitsreform 2004, GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), 2003; dies. Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG), 2007; Pestalozza Kompetenzielle Fragen des Entwurfs eines Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes, GesR 2006, 389; Pitschas Die Gesundheitsreform 2007 – Verfassungskonformer Einstieg in den Systemwechsel der GKV, GesR 2008, 64; Rolfs/Witschen Reformoptionen zur Modernisierung der vertragsärztlichen Versorgung, NZS 2020, 121; Schirmer Das Kassenarztrecht im 2. GKV-Neuordnungsgesetz, MedR 1997, 431; Sodan Gesundheitsreform 2006/2007 – Systemwechsel mit Zukunft oder Flickschusterei?, NJW 2006, 3617; Wenner Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008; Wille/Koch Gesundheitsreform 2007, Grundriss, 2007.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › B. Historische Entwicklung › I. Das Kassenarztrecht vor der RVO

I. Das Kassenarztrecht vor der RVO

6

Die Entstehung des Kassenarztrechts geht auf das von Bismarck geschaffene deutsche Sozialversicherungssystem zurück, welches er am 17.11.1881 in der „kaiserlichen Botschaft“ erstmals vorstellte. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter von 1883,[1] 1892 neu bekannt gemacht als Krankenversicherungsgesetz,[2] schaffte die erste gesetzliche Grundlage des heute noch bestehenden solidarischen Pflichtversicherungssystems.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › B. Historische Entwicklung › II. Die Zeit der RVO

II. Die Zeit der RVO

7

Von entscheidender Bedeutung war die Schaffung der Reichsversicherungsordnung (RVO),[3] mit der das gesamte Sozialversicherungsrecht erstmals kodifiziert wurde. Die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten wurde allerdings dem bestehenden Einzelvertragssystem überlassen. Unter dem Regime der RVO entstanden in den folgenden Jahren als Gegenpol der Krankenkassen und auf Druck der Ärzteschaft[4] die ersten Strukturen einer gemeinsamen Selbstverwaltung, aus der auf Seiten der Ärzte regionale kassenärztliche Vereinigungen hervorgingen, die während des Dritten Reiches „gleichgeschaltet“ wurden.[5]

8

Unter dem Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde durch das GKAR[6] zeitgleich mit dem „Gesetz über Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen“[7] das Kassenarztrecht und das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung grundlegend im Sinne der heute noch vorhandenen Ausprägungen neu strukturiert. Die im Dritten Reich zentralisierten Kassenärztlichen Vereinigungen wurden wieder föderalistisch ausgerichtet. Des Weiteren wurden die Selbstverwaltungskompetenzen der Beteiligten angelegt und das Vergütungssystem der kollektivvertraglichen Ausgestaltung überantwortet. Für die bisherigen Kassenärzte und Kassenzahnärzte wurde das Zulassungswesen einschließlich einer Bedarfsplanung eingeführt. Es folgten eine Reihe von gesetzlichen Änderungen, die vor allem in den 70er und 80er Jahren in erster Linie Kostendämpfungsmaßnahmen vorsahen.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › B. Historische Entwicklung › III. Das SGB V und die Gesundheitsreformen

III. Das SGB V und die Gesundheitsreformen

9

Die heutige Struktur des Vertragsarztrechtes wurde durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20.12.1988,[8] mit dem die gesetzliche Krankenversicherung aus der RVO ausgegliedert und das SGB V geschaffen wurde, angelegt. Mit diesem Gesetz wurde inhaltlich der „Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Versorgung“ in allen Bereichen in den Vordergrund gestellt.

10

Es folgte das Gesundheitsstrukturgesetz,[9] mit dem die Ersatzkassen vollständig in das System eingegliedert und den Regionalkassen gleichgestellt wurden. Der „Kassenarzt“ wurde durch den „Vertragsarzt“ ersetzt.[10] Die Versicherten erhielten erstmals die Möglichkeit, ihre Krankenkasse selbst auszuwählen. Das machte es notwendig, dadurch eintretende Wettbewerbsverzerrungen durch einen Risikostrukturausgleich abzumildern. Ferner wurden die Grundlagen einer Budgetierung der Ausgaben geschaffen.

11

Mit dem Psychotherapeutengesetz (PTG)[11] wurde zum 1.1.1999 das Berufsrecht der Psychotherapeuten kodifiziert. Approbierte Psychotherapeuten konnten erstmals die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beantragen.

12

Nach verschiedentlichen Versuchen, die Finanzierungsgrundlagen der GKV dauerhaft zu stabilisieren und einen Anstieg der Versicherungsbeiträge zu verhindern, sollte zum Jahr 2000 das GKV-Reformgesetz (GRG)[12] die Probleme durch eine umfassende Reform lösen.

13

Das GRG brachte einige dauerhafte Neuerungen. Für die kollektivvertraglich zu vereinbarenden Gesamtvergütungen wurde eine jährlich festzustellende Veränderungsrate als Obergrenze eingeführt. Die hausärztliche Versorgung wurde ausgebaut und von der fachärztlichen Versorgung getrennt. Die Vorgaben für die Qualitätssicherung wurden ausgedehnt und das Instrument der integrierten Versorgung (§§ 140a ff. SGB V) erstmals eingeführt.

14

Auf diese Reform folgten 2001 die Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA)[13] und das Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips im Einzugsbereich der GKV.[14] Im Krankenhausbereich wurden die diagnose-orientierten Fallpauschalen eingeführt.[15]

15

Strukturelle Änderungen enthielt dann wieder das GMG,[16] welches zum 1.1.2004 in Kraft trat. Die derzeit geltende Rechtslage beruht noch in vielen Bereichen maßgeblich auf dem GMG. Das GMG hat erstmals eine Patientenbeteiligung in verschiedenen Selbstverwaltungsgremien im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zur Pflicht gemacht. Die gesamte Organisation der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen wurde einer Neuordnung unterzogen. Die Patienten mussten eine Praxisgebühr bei erstmaliger Inanspruchnahme eines Arztes zahlen. Die Versorgungsstrukturen wurden durch die Weiterentwicklung der integrierten Versorgung und Einführung einer hausarztzentrierten Versorgung reformiert. Ergänzend dazu wurde das Medizinische Versorgungszentrum als neuer Zulassungsstatus geschaffen. Im Bereich des Vergütungsrechts wurden die Aufgaben des Bewertungsausschusses ausgeweitet, um einheitliche Vorgaben für die Gesamtvergütungsvereinbarungen und die Honorarverteilung zu schaffen. Neben Neuordnungen bei der Arznei- und Hilfsmittelversorgung wurden im Zahnersatzbereich Festzuschüsse nach §§ 55 ff. SGB V eingeführt.

16

Verschiedene Gesetze hatten in erster Linie eine Dämpfung der Arzneimittelausgaben zum Ziel, so z.B. das AABG.[17] Mit dem AABG[18] wurde § 84 SGB V grundlegend umgestaltet. Es folgte das AVWG,[19] mit dem die Festbeträge für Arzneimittel abgesenkt wurden. Für die Vertragsärzteschaft wurde eine Bonus-Malus-Regelung hinsichtlich der verordneten Arzneimittel eingeführt (§ 84 Abs. 7a SGB V), mit der die Ärzte zur Verordnung preisgünstiger Arzneimittel veranlasst werden sollten.

17

In Folge der Einführung der neuen Versorgungsformen und insbesondere des Medizinischen Versorgungszentrums durch das GMG zeigte sich die Notwendigkeit, das ärztliche Berufsrecht durch Liberalisierung wettbewerbsfähig zu machen und an die geänderten Strukturen des Vertragsarztrechts anzupassen.[20] Der 107. Deutsche Ärztetag in Bremen ist dem im Jahre 2004 gefolgt und hat eine erheblich überarbeitete Musterberufsordnung verabschiedet. Der Gesetzgeber folgte diesen Tendenzen durch das VÄndG,[21] mit dem mit Wirkung zum 1.1.2007 einige, durch die Einführung der Medizinischen Versorgungszentren aufgetretene Fragen gesetzlich klargestellt wurden. Ferner wurden die zulassungsrechtlichen Möglichkeiten um die Gründung örtlicher und überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaften einschließlich der Errichtung von Teil- und Zweigpraxen erweitert. Es wurde Vertragsärzten erstmals erlaubt, Ärzte anzustellen. Die Altersgrenze für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bis zum 55. Lebensjahr wurde, neben anderen Maßnahmen zur Behebung möglicher Unterversorgung, abgeschafft.

18

Parallel zu dem im Laufe des Jahres 2006 entworfenen VÄndG[22] wurde eine neuerliche große Gesundheitsreform vorbereitet, die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG[23] in tiefgreifender Weise umgesetzt wurde.

19

Das GKV-WSG brachte eine umfassende Umgestaltung der Finanzierungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung, die Ausweitung des Versicherungsschutzes auf alle Einwohner unter Einbeziehung der privaten Krankenversicherung und eine Intensivierung des Wettbewerbs auf Seiten der Leistungserbringer durch Direktverträge mit den Krankenkassen. Neben der Schaffung eines umfassenden Gesundheitsfonds auf der Einnahmenseite der gesetzlichen Krankenkassen wurde auf der Ausgabenseite das ambulante ärztliche Vergütungssystem erheblich verändert. Auch erfolgte eine Straffung der Strukturen der Krankenkassenverbände sowie eine Reformierung des Gemeinsamen Bundesausschusses und des Bewertungsausschusses. Für Zahnärzte wurden die Zulassungssperren abgeschafft.[24]

 

20

Reformkorrekturen und weitere Veränderungen der Organisationsstrukturen der Krankenkassen, insbesondere deren Insolvenzfähigkeit, wurden mit dem GKV-OrgWG[25] ab dem 1.1.2009 in Kraft gesetzt.[26] Von Bedeutung für die Vertragsärzte war die Aufhebung der zulassungsrechtlichen 68-Jahre-Grenze. Wichtige Änderungen im Vertragsarztrecht enthielten noch das PflegeWEG,[27] das KHRG[28] und zuletzt das AMRuaÄndG.[29] Hierauf folgte dann das AMNOG.[30] Dieses sah erhebliche Änderungen im Arzneimittelrecht vor, indem der G-BA[31] seither verpflichtet ist eine Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen und eine Kosten-Nutzen-Bewertung für Bestandsarzneimittel in der GKV vorzunehmen. Für Vertragsärzte fielen die Bonus-Malus-Regelungen wieder weg. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Arzneimittelverordnungen wurden um die Möglichkeit der Prüfung der Wirkstoffauswahl erweitert. Parallel dazu beschloss der Bundestag mit dem GKV-FinG ein weiteres Ausgabenbegrenzungsgesetz für alle Leistungssektoren.[32]

21

Ein Jahr später glaubte der Gesetzgeber auf die demographische Entwicklung der Bevölkerung[33] reagieren zu müssen und ordnete mit dem GKV-VStG[34] mit Wirkung zum 1.1.2012 die Neuordnung der Bedarfsplanung an. Dies führte auch zur Notwendigkeit praktisch bedeutsamer Änderungen des Zulassungsrechts. Unabhängig davon wurde auch die, mit dem GKV-WSG vorgenommene Honorarreform in weiten Teilen wieder zurückgenommen. Zusätzlich wurde der dritte Versuch unternommen, mittels § 116b SGB V eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung zu etablieren.

22

Weitere Änderungen des SGB V mit Auswirkungen auf das Vertragsarztrecht enthalten u.a. das PNG[35], das „Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“[36] (Klarstellung des Grundsatzes „Beratung vor Regress“ in § 106 Abs. 5e SGB V), das PsychEntG[37], das „Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetz“[38] und das PatientenrechteG[39]. Das KFRG[40] verpflichtet Krankenkassen gem. § 25a SGB V zum Angebot organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme und den G-BA, binnen drei Jahren Durchführungs-RL auszuarbeiten. Die Bundesländer werden durch § 65c SGB V verpflichtet, klinische Krebsregister einzurichten, in denen die Daten über onkologische Erkrankungen, deren Verlauf und Therapie zentral zusammengefasst werden sollen.

23

Zum 1.4.2014 trat das 14. SGB V-ÄndG[41] in Kraft, das eine Verlängerung der Arzneimittelfestbetragsregelungen anordnet, die Arzneimittel des Bestandsmarktes wieder aus der obligatorischen Nutzenbewertung durch den G-BA befreit und die, für die Verträge der hausarztzentrierten Versorgung als störend empfundene Koppelung der Honorarentwicklung an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aufhebt. Es wurde sogleich das GKV-FQWG nachgeschoben, das eine Veränderung der Finanzstruktur der GKV durch Änderung der paritätisch finanzierten Beitragssätze zum 1.1.2015 vorsieht, ferner den G-BA verpflichtet, ein weiteres wissenschaftliches Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen zu gründen.[42]

24

Im Jahr 2015 folgte das „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG)“[43], mit dem u.a. den Versicherten das Recht auf eine Zweitmeinung bei bestimmten Indikationen eingeräumt, die Wartezeiten bei Fachärzten verkürzt, fachgleiche MVZ zugelassen, innovative Versorgungsformen gefördert, ein Verfahren zur Bewertung neuer Methoden, bei denen Medizinprodukte angewandt werden sollen, eingeführt und die Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen regionalisiert wurden. Das zum 8.12.2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz (HPG)[44] führte Hospizleistungen und die Palliativversorgung als Ansprüche der Versicherten der GKV ein und definierte entsprechende vertragsärztliche Leistungen. Das am 1.1.2016 in Kraft getretene Krankenhausstrukturgesetz – KHSG[45] unterzog, auch mit Auswirkung für das Vertragsarztrecht, die in §§ 135 ff. SGB V geregelte Qualitätssicherung einer umfangreichen Revision.

25

Eine damals von vielen unterschätzte Bedeutung hatte das eHealth-Gesetz[46], weil damit die elektronische Gesundheitskarte und der elektronische Arztausweis als Voraussetzung der Übermittlung verschlüsselter Daten auf elektronischem Wege eingeführt wurden. Damit wurde der Grundstein für die elektronische Patientenakte einschließlich elektronischen Rezepten gelegt. Die damit einhergehenden Verpflichtungen aller Leistungserbringer zum Anschluss an die bis dahin aufzubauende Telematikinfrastruktur ab dem 1.7.2019 wurde von den Vertragsärzten erst spät wahrgenommen. Folgeregelungen für den weiteren Ausbau der Telematikinfrastruktur enthalten das „Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG“[47] und das „Digitale-Versorgung-Gesetz – DVD“.[48]

26

Eine Erweiterung der staatlichen Kontrollrechte mit Beschneidung der Rechte der Selbstverwaltungskörperschaften brachte das „mehr Transparenz einfordernde“ GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.[49]

27

Aus dem Jahre 2017 sind noch zu erwähnen das „Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG“[50], das den Bezug von Hilfsmitteln nur noch bei zertifizierten Herstellern mit weitgehenden Folgen für die Hilfsmittelversorgung erlaubt, ferner die Versorgung häuslicher Krankenpflege um den Bezug von Intensivpflege erweitert (§ 132a Abs. 2–4 SGB V) und das das „GKV-Arzneimittelversorgungstärkungsgesetz“ (AMVSG) mit tiefgreifenden Änderungen im 7. Abschnitt des 4. Kap. SGB V.[51] Das 2. Halbjahr 2017 und das Jahr 2018 verschonten das SGB V mit größeren Reformvorhaben, waren aber gekennzeichnet durch zahlreiche kleinere Eingriffe, meist im Zusammenhang mit Reformen und Änderungen anderer Sozialversicherungszweige.

28

Gleichzeitig begann die Diskussion um die Einführung des TSVG, das mit zahlreichen Modifizierungen am 11.5.2019 in Kraft trat. Damit wurden u.a. die Verpflichtungen der Vertragsärzte zur Abhaltung von Sprechstunden ausgeweitet, Terminservicestellen eingerichtet, zahlreiche Maßnahmen zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung in der Bedarfsplanung, durch Vergütungszuschläge und Strukturfonds eingeführt und die Beschränkungen bei der Gründung zahnärztlicher MVZ eingeführt. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz DVG[52] folgte dann der weitere Ausbau der Telematik. Sogenannte Gesundheits-Apps, legal als „digitale Gesundheitsanwendungen“ definiert, werden zu Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung, wenn das BfArM sie auf Antrag des Herstellers nach § 139e SGB V in das Verzeichnis der erstattungsfähigen Gesundheitsanwendungen aufnimmt.[53] Die KBV wird zum Erlass einer Richtlinie über die Anforderungen an die Gewährleistung der IT-Sicherheit verpflichtet. Eingeführt werden elektronische Arznei- und Heilmittelrezepte. Eine Verpflichtung von KBV und Spitzenverband Bund, die für die Verwendung elektronischer Rezepte notwendigen Regelungen in den Bundesmantelvertrag aufzunehmen, wurde neben anderen arzneimittelbezogenen Regelungen im GSAV[54] nachgeschoben. Ferner werden die Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen mit Hämophiliezentren verpflichtet (§ 132i SGB V).

29

Gleichzeitig mit dem DVG verabschiedete der Bundestag auch das MDK-Reformgesetz,[55] mit dem die Medizinischen Dienste der Krankenkassen zu unabhängigen Organisationen ausgestaltet werden. Auch wird das Abrechnungsverfahren zwischen Kliniken und Krankenkassen reformiert. Als sog. „Omnibusgesetz“ beinhaltet das MDK-Reformgesetz auch kleinere Änderungen im Vertragsarztrecht. Das am 10.2.2020 folgende Masernschutzgesetz baut die Versorgung mit Schutzimpfungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Dem folgte schon am 22.3.2020 das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz,[56] das durch Neustrukturierung des Risikostrukturausgleichs und Änderungen im Organisationsrecht der Krankenkassen Wettbewerbsverzerrungen der Kassen untereinander abstellen soll. Die durch die Fortschreitung der Digitalisierung im Gesundheitswesen aufgeworfenen Fragen in Bezug auf IT-Sicherheit, die elektronische Patientenakte, elektronische Rezepte und damit zusammenhängende Themen wurden mittels des „Patienten-Daten-Schutzgesetzes“ (PDSG) in einem neuen 11. Kapitel des SGB V geregelt, siehe dazu auch Garbe Kap. 24 Rn. 103.[57]