Handbuch Medizinrecht

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b) Grundsätze für die Krankenhausbehandlung

46

In der Krankenhausbehandlung ist die Rechtslage demgegenüber umgekehrt. Hier gilt auch hinsichtlich der Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden die generelle Erlaubnis unter Vorbehalt der Überprüfung durch den G-BA.[49] Dies folgt aus § 137c SGB V.[50] Ausnahmen greifen nur dann ein, wenn diese ausdrücklich im Gesetz zugelassen sind, § 31 SGB I. Eine solche Ausnahmeregelung enthält beispielsweise § 137c Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SGB V, der gestattet, dass die Krankenkassen jedenfalls die notwendige stationäre Versorgung derjenigen Patienten vergüten, die in eine klinische Studie zu einer an sich aus dem Leistungskatalog ausgeschlossenen Methode einbezogen sind. Strukturell ist das Krankenhaus also für die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden geöffnet, ohne dass damit auch die Forschung und die Entwicklung derartiger Methoden Finanzierungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung wäre. Die Anwendung im Krankenhaus setzt also lediglich ihre allgemeine Anerkennung voraus. Die Rechtsprechung erteilt aber einer Verlagerung nicht anerkannter ambulanter Methoden in die stationäre Behandlung eine Absage.[51] Behandlungen im Rahmen von Forschungsvorhaben folgen anderen rechtlichen Zulassungskriterien des Krankenversicherungsrechtes bzw. des Arzneimittel- und Medizinprodukterechts. Eine entsprechende Regelung fehlt für den Rehabilitationsbereich. Für diese öffnet § 137d SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkasse und den Verbänden der Leistungserbringer ein erweitertes Gestaltungsfeld.

c) Arzneimittel

47

Die Zulassung neuer Arzneimittel richtet sich nach dem Arzneimittelgesetz. Grundsätzlich[52] können nur zugelassene Fertigarzneimittel im Rahmen der §§ 31, 34 SGB V, der hierauf aufbauenden Arzneimittelverordnungen und im Rahmen der Arzneimittelrichtlinien des G-BA eingesetzt werden.[53] Unter dem Vorbehalt dieser Normen können neue Arzneimittel unbegrenzt eingesetzt werden.

d) Sonstige Leistungsbereiche

48

Neue Heilmittel nach § 32 SGB V können von Vertragsärzten nur nach Anerkennung durch den gemeinsamen Bundesausschuss verordnet werden. Dies folgt aus § 138 i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V. Bspw. hat der G-BA beschlossen, die Heilmittel-Richtlinie mit Wirkung ab 1.1.2018 um den Bereich Ernährungstherapie zu erweitern. Somit ist die Ernährungstherapie für Patienten mit Mukoviszidose oder einer seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankung ein verordnungsfähiges Heilmittel[54].

49

Bei langfristigem Heilmittelbedarf, beispielsweise in der Physiotherapie sieht § 32 Abs. 1a SGB V nunmehr eine Genehmigungsmöglichkeit durch die Krankenkassen und damit eine Entlastung von Vertragsärzten vor Regressrisiken vor.

50

Die Aufnahme neuer Hilfsmittel nach § 33 SGB V erfolgt im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen nach dem durch das GKV-WSG[55] neu gefassten § 139 SGB V. Das Hilfsmittelverzeichnis ist keine Rechtsnorm, es hat lediglich deklaratorische Charakter im Sinne der Feststellung des Vorhandenseins entsprechender Wirkung.[56] Erforderlich für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ist der Nachweis der Funktionstüchtigkeit, der Sicherheit, der Qualität und des therapeutischen Nutzens nach § 139 Abs. 4 SGB V. Eine Übersicht über die Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses sind abrufbar unter https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/hmvAnzeigen_input.action.

51

Praxishinweis

Der § 139 SGB V ist durch das HHVG mit Wirkung zum 11.4.2017[57] materiell-rechtlich erweitert worden. Insbesondere wurden neben den Regelung für Hilfsmittel, die untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darstellen, die Kongruenz mit dem MPG (CE-Kennzeichnung) hergestellt, eine Fortschreibungs-, Aktualisierungs- und Bereinigungsverpflichtung und die Involvierung maßgeblicher Spitzenorganisationen der Hersteller und Leistungserbringer implementier, sowie darüber hinaus der SpiBuKK verpflichtet, eine umfassende Verfahrungsordnung einzuführen.[58] Hersteller und Leistungserbringer sollten sich mit den Regelungen betreffend des Hilfsmittelverzeichnisses auseinandersetzen, denn obwohl sie keine Positivliste darstellt, richten sich Kostenträger bei ihrer Leistungsentscheidung im Sinne einer wichtigen Orientierungshilfe an diesem Verzeichnis aus.

52

Einen neuen Leistungsbereich stellen seit dem 19.12.2019 Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) dar. Hierbei handelt es sich, wie bei den überwiegenden Hilfsmitteln, um Medizinprodukte weshalb sie systematisch neben diesen normiert werden. Die Aufnahme von DiGA nach § 33a SGB V erfolgt im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendung nach dem durch das DVG[59] neu gefassten § 139e SGB V. Zuständig für die Aufnahme, Aktualisierung und Streichung im Verzeichnis ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die notwendigen, durch den Hersteller beizubringenden Nachweise regelt § 139e Abs. 2 SGB V. Neben Anforderungen an (Daten-)Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität und Datenschutz sind es vor allem positive Versorgungseffekte, die nachgewiesen werden müssen.[60] Details zum Verfahren regelt eine ergänzende Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), die Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV).[61] Nach Aufnahme in das Verzeichnis können DiGA durch den behandelnden Arzt bzw. Physchotherapeuten oder mit Genehmigung der Krankenkasse zulasten der GKV verordnet werden.

53

Tipp

Mehr Information, insbesondere zur Aufnahme in das Verzeichnis, sog. Fast-Track-Verfahren für DiGA, finden sie unter https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/DVG/_node.html sowie dem hih – health innovation hub des Bundesministeriums für Gesundheit, https://hih-2025.de.

4. Das Gebot der Wirksamkeit und Qualität

54

In § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V wird die Wirksamkeit und die Qualität von Leistungen hervorgehoben. Unter Wirksamkeit versteht man die indikationsbezogene Eignung. Die Qualität der Leistungen muss dem Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem medizinischen Fortschritt entsprechen. Nur wirksame und qualitätsvolle Leistung kann in diesem Sinne auch wirtschaftlich sein.

55

Mit der Pflicht, dem Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen, ist das Gebot der Wirksamkeit und Qualität verknüpft. Dieses Gebot fand nach seiner allgemeinen Erwähnung in § 2 Abs. 1 S. 3 und § 70 SGB V immer größere gesetzgeberische Beachtung. Die Qualitätssicherung war gesetzgeberischer Schwerpunkt des GRG und wurde in allen folgenden Änderungsgesetzen aufrechterhalten. Die Qualitätssicherung ist weiter gestärkt worden.[62] Auf Qualitätssicherung gerichtet sind die Richtlinien nach § 92 SGB V und die qualitätssichernden Normen der §§ 135a bis 137 sowie der §§ 139 ff. SGB V. Das durch § 139a SGB V geschaffene Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist durch das GKV-WSG gestärkt worden. Es hat Nutzen- und Kostenuntersuchungen durchzuführen, hat eine eigenständige unabhängige Begutachtungsfunktion und Informationspflicht übertragen erhalten.

56

Soweit Qualitätsanforderungen gestellt werden, wird das Niveau der Leistungen angehoben und die Inanspruchnahme nicht qualitätsgesicherter Methoden begrenzt. Die hiermit verbundenen Kostenfolgen werden in Kauf genommen. Die Forderung nach bestmöglicher Qualität und Wirksamkeit bestimmt die Leistungsansprüche der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich.

7. Kapitel Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung › B. Grundprinzipien des Leistungsrechts › II. Prinzipien der Eingrenzung der Versorgung

II. Prinzipien der Eingrenzung der Versorgung

57

Der Leistungsanspruch des Versicherten und die Erbringung von Leistungen ist begrenzt. Filterfunktion haben dabei die Prinzipien der Eigenverantwortung, Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Das Gebot der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V ist zu beachten. Mit diesen Filterfunktionen soll eine Beschränkung des Leistungsgeschehens auf von der Solidargemeinschaft tragbare Kosten des Gesundheitssystems bei gleichzeitiger Sicherstellung der generellen Effizienz bewirkt werden.

1. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit

58

Dieser Grundsatz des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V ist aus § 1 SGB V abgeleitet. Er benennt die Verantwortung des Einzelnen für die eigene Gesundheit als Ausfluss des Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung.

59

Trotz des umfassenden Sicherstellungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben die Versicherten nicht von Einschränkungen verschont. Unter dem Begriff der Eigenverantwortung werden Leistungen aber nicht nur eingeschränkt, sondern wird auch gesteuert. Diese Steuerung soll den Umfang der Inanspruchnahme von Leistungen betreffen und damit Einfluss auf die Beitragshöhe der Krankenkassen haben. Dabei erfolgt z.B. ein Rückgriff auf Eigenmittel des Versicherten ebenso wie das Überborden von Kostenfolgen aus nicht gesundheitsbewusster Lebensführung. Die gesetzliche Krankenversicherung nimmt den Versicherten vielfältig durch Leistungsausgrenzungen, Begrenzungen oder Zuzahlungen in die Pflicht.

 

60

Maßgebliche Bedeutung haben dabei begrenzte Kostenübernahmen (z.B. für künstliche Befruchtung nach § 27a Abs. 3 SGB V,[63] Festbeträge für Hilfsmittel, § 36 SGB V). Im Einzelnen werden im 3. bis 10. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB V vielfältige Begrenzungen genannt. Dort ist auch geregelt, dass Versicherte Zuzahlungen zu leisten haben. Derartige Zuzahlungen betreffen bspw. Leistungen für die Rehabilitationsbehandlung nach § 39 Abs. 4 SGB V oder die Krankenhausbehandlung nach § 40 Abs. 2 und Abs. 6 SGB V. Mit den Leistungsbegrenzungen wegen nicht gesundheitsbewussten Verhaltens korrespondiert die Ausgrenzung ganzer Leistungsbereiche beispielsweise des Zahnersatzes nach § 55 SGB V.[64] Nach dieser Norm erhalten die Versicherten lediglich Festzuschüsse, deren Höhe vom nachweisbaren Umfang der vorangegangenen regelmäßigen Zahnpflege abhängig ist.[65] § 52 Abs. 1 SGB V führt zu einem Leistungsausschluss bzw. einer Leistungsbegrenzung bei vorsätzlicher Herbeiführung der Erkrankung oder wenn die Behandlungsnotwendigkeit auf strafbarem Verhalten beruht. Nach § 52 SGB V i.F.d. GKV-WSG haben Versicherte die durch Piercing, Tätowierung oder ästhetische Operationen verursachten Kosten in angemessenem Umfang ganz oder teilweise selbst zu tragen. Erfahrungen liegen offensichtlich noch nicht vor.[66]

61

Die Belastungsgrenzen für Zuzahlungen wurden durch das GKV-WSG durch die Verknüpfung von § 62 mit § 25 SGB V in der Höhe für die Fälle beschränkt, in denen gesetzlich Krankenversicherte dokumentierte Vorsorgeleistungen in Anspruch genommen hatten. Neben Begrenzungen sieht die gesetzliche Krankenversicherung in § 65a SGB V Möglichkeiten vor, bei besonders gesundheitsbewusstem Verhalten Boni zu gewähren.

2. Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit

62

Nur notwendige Leistungen für den prognostisch angestrebten medizinischen Behandlungserfolg können von der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden. Notwendig sind dabei alle Leistungen, die unvermeidlich und unentbehrlich einzusetzen sind. Diese Leistungen sind gleichzeitig auch ausreichend, wenn sie ihrem Zweck genügen, d.h. Mindesterfordernissen entsprechen. Sie dürfen die untere Grenze der Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit nicht unterschreiten. Über das Ausreichende hinausgehende Leistungen wären weder geschuldet noch wirtschaftlich. Gleiches gilt für die nicht zweckmäßigen Leistungen. Hier zeigt sich die Verknüpfung der leistungsgewährenden und der leistungsbegrenzenden Elemente der Grundprinzipien. Die leistungsgewährenden Elemente der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit werden über die Beschränkung auf das Ausreichende zu einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Leistung geführt.

63

Auch die Voraussetzung der Wirksamkeit i.S.v. § 2 Abs. 4 SGB V ist Element der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Mitteleinsatzes und damit auch Voraussetzung der wirtschaftlichen Leistungserbringung. Wirksamkeit wiederum ist im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeit zu sehen. Die Zweckmäßigkeit der Prognose hängt von der Eignung zur Erreichung des therapeutischen Erfolgs ab. Die Leistung ist zweckmäßig, wenn andere medizinische Leistungen aus medizinischen Gründen ausgeschlossen sind.[67] Zwar wirksame, aber belastende Mittel und Behandlungen nach § 70 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sind nur aus humanitären Gründen ausgeschlossen, wenn verträglichere Mittel zur Verfügung stehen. Die Erörterung der Begriffe der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zeigt das im Ergebnis unauflösliche Zusammenwirken der Grundprinzipien.

3. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit

64

Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des SGB trägt das gesamte soziale Versicherungssystem. Die wiederholte Aufnahme des Grundsatzes in § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGB V und die besondere Normierung in § 12 SGB V unterstreichen die Bedeutung dieses Gebotes. In § 12 Abs. 1 SGB V ist geregelt:

Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, sie dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

65

Das Wirtschaftlichkeitsgebot prägt gleichermaßen das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (bzw. in § 72 Abs. 2 SGB V für die vertragsärztliche Versorgung oder § 109 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB V für Versorgungsverträge mit Krankenhäusern). Auf die Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V sei verwiesen. Da das Gebot sich nicht nur an die Krankenkassen und die Leistungserbringer richtet, sondern nach § 2 Abs. 4 SGB V auch den Versicherten selbst auf die Inanspruchnahme von Leistungen nur im notwendigen Umfang beschränkt, stehen Leistungsansprüche des Versicherten unmittelbar unter der Einschränkung, nur beansprucht werden zu können, wenn sie zur Erreichung des Behandlungserfolges auch wirtschaftlich sind. Der Versicherte ist auf notwendige, zweckmäßige und ausreichende Alternativen ggf. zu verweisen.[68]

66

Als Oberbegriff umfasst das Gebot der Wirtschaftlichkeit das Gesamtgeschehen der medizinischen Leistungserbringung.[69] Es ist dementsprechend nicht ohne die Beurteilung der Frage zu fassen, ob Leistungen generell und im Einzelfall notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind. Ohne Rückgriff auf den Stand der medizinischen Erkenntnisse und den medizinischen Fortschritt und ohne Aussage zur Wirksamkeit und Qualität der Leistungserbringung kann keine substanzielle Feststellung zur Wirtschaftlichkeit der geforderten medizinischen Leistung getroffen werden. Wenn medizinische Leistungen aber nur wirtschaftlich sind, wenn das angestrebte (zulässige und rechtmäßige) Ziel mit dem Einsatz möglichst geringer Dienst- und Sachmittel erreicht werden kann, so wird deutlich, dass keine rein wirtschaftliche Betrachtung erfolgen kann. Es hat eine Entscheidungsfindung innerhalb einer Mittel-Zweck-Relation unter Anwendung der oben entwickelten Entscheidungskriterien zu erfolgen. Dabei ist eine Auswahl zwischen vorhandenen Alternativen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten vorzunehmen. Es erfolgt keine schlichte betriebswirtschaftliche Betrachtung.[70]

67

Der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist im Vorausgehenden eher einzelbehandlungsbezogen definiert worden. Feststellungen zur Wirtschaftlichkeit sind dabei auf das Behandlungsziel unter Beachtung des Rahmenrechts und der Leitlinien zu beziehen. Auf in diesem Sinne wirtschaftliche Leistungen hat der Krankenversicherte dann Anspruch, aber nur auf diese. Der Leistungserbringer schuldet diese Leistungen aufgrund eigener berufs-, straf- sowie zivilrechtlicher Pflichten und Haftung. Der Strukturkonflikt zwischen Rationalisierung durch das Leistungserbringungsrecht durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit dem individuellen Behandlungsanspruch des gesetzlich Krankenversicherten kann an dieser Stelle nicht vertieft werden.[71] Auf die besonderen Kapitel dieses Handbuchs wird verwiesen.

68

Leistungsbegrenzung findet regelmäßig unter dem Begriff der Rationalisierung statt. Rationierung von Leistungen gibt es offiziell nicht. Rationierung wäre nämlich erst festzustellen, wenn sie sich konkret im individuellen Leistungsanspruch des Versicherten niederschlägt.[72]

4. Hierarchie der Leistungsarten

69

Das grundlegende Gebot der Wirtschaftlichkeit drückt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung in gestuften Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Leistungen, sogenannten Leistungshierarchien aus. Bei abstrakt-genereller Betrachtung ist davon auszugehen, dass Leistungsarten gegenüber anderen unterschiedliche Kostenfolgen bewirken. So stehen die Ansprüche unter der Voraussetzung, dass effektive Leistungen nicht auch auf minder kostenintensiven Ebenen erbracht werden können.


Die häusliche Krankenpflege dominiert nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB V, wenn damit Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werden kann.
Die ambulante Behandlung geht nach § 39 Abs. 1 SGB V der teilstationären oder stationären Behandlung vor.
Bei Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 2 SGB V besteht Vorrang der ambulanten Rehabilitation gegenüber der stationären Rehabilitation.
Die teilstationäre Behandlungsmöglichkeit schließt nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V die Übernahme des Patienten in die stationäre Behandlung aus.

70

Zu beachten ist, dass die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen in §§ 2 Abs. 2 und 7 Abs. 2 BPflV eine abschließende Vergütungsregelung erfahren hat, die – mit Ausnahme der Kosten für Dialysen – die Kosten interkurierender parallel auftretender Krankenbehandlungen und Verordnungen auch außerhalb des Krankenhauses umfassen. Die vollstationäre Behandlung schließt eine vertragsärztliche Parallelbehandlung in der Regel aus.[73]

Anmerkungen

[1]

BVerfGE 77, 170, 214 st. Rspr.; allgemein Quaas/Zuck/Clemens § 2 Rn. 24, 25.

[2]

Zuletzt BVerfG Beschl. v. 19.3.2009 – 1 BvR 316/09, Fn. 10.

[3]

Franke GesR 2003, 97 sowie Wenner zu Rationierung, Priorisierung und Budgetierung, GesR 2009, 169 ff.

[4]

BSG Urt. v. 7.10.2010 – B 3 KR 13/09 R.

[5]

Wenner GesR 2009, 170, 174 i.V.m. der Arzneimittelrichtlinie des G-BA, Stand: 17.12.2009, Bundesanzeiger Nr. 68 v. 5.5.2010, 1610.

[6]

BSG Urt. v. 5.5.2009 – B 1 KA 15/18 R, GesR 2009, 594.

[7]

LSG Stuttgart Urt. v. 18.11.2009 – L 5 KR 867,07; SG Aachen Urt. v. 3.8.2010 – S 13 KR 128/09 trotz des Hinweises des BSG Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R, wonach sich der Anspruch unter anderen durch Festbetragsregelungen begrenzen lässt.

[8]

Beispielsweise Ausschluss von Life Style-Arzneimitteln nach § 34 Abs. 1 S. 7–9 SGB V.

[9]

Die vorsorgliche Kyrokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie die dazugehörigen Therapien vor einer Chemo- und Strahlentherapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist gem. § 27a Abs. 4 SGB V seit dem 11.5.2019 erstattungsfähig. Zuvor die Erstattungsfähigkeit ablehnend BSG Urt. v. 28.9.2010 – B 1 KR 26/09 R.

[10]

Behandlungsrichtlinie Zahnärzte des G-BA vom 3.12.2003, Stand: 1.3.2006, BAnz Nr. 111 vom 17.6.2006, 4466; zum Ausschluss der Implantologie s. LSG Sachsen Urt. v. 29.4.2009 – L 10 KR 30/07.

 

[11]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 13, 15.

[12]

S. § 70 SGB V der auch auf Qualität und Humanität abstellt.

[13]

S. hierzu Wenner GesR 2009 174.

[14]

§ 2 Abs. 1 S. 1 und 3 i.V.m. § 70 Abs. 1 SGB V.

[15]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 62; Die Vertretbarkeit ist ein Begriff, der den Leistungsumfang in der privaten Krankenversicherung umschreibt, s. OLG Stuttgart VersR 2010, 523 ff. und BGH VersR 1996, 1224 ff.

[16]

St. Rspr. BSGE 76, 194 – Remedacen; BSGE 115, 95 – allogene Stammzelltransplantation; BSGE 113, 167 – autologe peripherer Blutstammzellen. Zuletzt LSG Baden-Württemberg Urt. v. 15.11.2016 – L 11 KR 1180/15.

[17]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 64.

[18]

BSGE 93, 1 – Immucothel. Allerdings können sich die Anforderungen an das Evidenzniveau vermindern, soweit die praktischen Möglichkeiten erzielbarer Evidenz des Nutzens einer Behandlungsmethode eingeschränkt sind. Hierzu st. Rspr. BSGE 125, 76 – Implantation von endobronchialen Nitinolspiralen. Abweichend LSG Baden-Württemberg Urt. v. 11.12.2018 – L 11 KR 206/18, bzw. entgegen SG Berlin Urt. v. 7.2.2019 – S 72 KR 2402/13.

[19]

Hart MedR 2002, 321. Dabei reicht die Systematik von S1 Leitlinien (Handlungsempfehlungen von Expertengruppen) über S2k (konsensbasierte Leitlinien) und S2e (evidenzbasierte Leitlinien) bis zum höchsten Grad, den S3 Leitlinien, die sowohl evidenz- als auch konsensbasiert sind.

[20]

Hart MedR 1998, 8; Laufs/Kern/Rehborn/Laufs § 5 Rn. 22 m.w.N. Aus ökonomischer Perspektive Busse/Schreyögg/Stargardt Management im Gesundheitswesen, 20 ff.

[21]

DÄ 1997, A-2154 ff.

[22]

BT-Drucks. 15/1525, 106. Durch Art. 6 Nr. 18 Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) v. 10.12.2015 (BGBl. I 2015, 2229) wurde in § 137e Abs. 2 S. 3 SGB V die Möglichkeit des G-BA, Qualitätsanforderungen zu regeln, zum 1.1.2016 an die Neustrukturierung der Qualitätssicherungsregelungen angepasst.

[23]

Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung, G-BA v. 17.11.2006, Stand: 21.12.2019, BAnz. AT v. 14.6.2019, B1; s. auch www.g-ba.de.

[24]

LSG Sachsen Urt. v. 16.1.2014 – L 1 KR 229/10, Rn 48 ff., ebenso LSG Baden-Württemberg Urt. v. 1.3.2013 – L 4 KR 3517/11, Rn. 32, die eine Liposuktion – Fettabsaugung – als nicht evidenzbasierte Methode verwarfen, dem gegenüber LSG Hessen Urt. v. 5.2.2013 – L 1 KR 391/12, Rn. 18 ff.

[25]

Anlage II der Richtlinie – Methoden vertragsärztliche Versorgung – ausgeschlossene Behandlungsmethoden, 58 oder Psychotherapierichtlinie Anlage, Abschnitt II zum Ausschluss psychotherapeutischer Behandlungsverfahren in der vertragsärztlichen Versorgung, Stand 18.10.2018, BAnz. AT v. 20.12.2018, B2; für den Ausschluss der Gesprächspsychotherapie s. bestätigende Entscheidung BSGE 105, 26.

[26]

Die nach wie vor laufende Diskussion über den Ausschluss der homöopathischen Behandlung (die Arzneimittel sind verordnungsfrei und damit nicht Gegenstand der Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung) zeigt die Konkurrenz zwischen alternativen Therapiemethoden und der auch von der Pharmaindustrie gestützten „Schulmedizin“.

[27]

§ 92 Abs. 2 S. 5 und 6 SGB V zur Sonderstellung bei besonderer Therapierichtung bei der Erstellung von Richtlinien zu Arzneimittelverordnung. Die schulmedizinische Sichtweise ist nicht alleiniger Bewertungsmaßstab für krankenversicherungsrechtliche Leistungspflichten, s. LSG NRW Urt. v. 11.11.2009 – L 11 KA 101/06 und SG Speyer Urt. v. 11.6.2007 – S 7 KR 283/06.

[28]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 52 m.w.N; BSGE 108, 183.

[29]

BSG Urt. v. 19.2.2002 – B 1 KR 16/00 R, NZS 2003, 206 – Colon-Hydro-Therapie.

[30]

SG Dresden Urt. v. 29.6.2006 – S 18 KR 534/05, RID 2006/04, 143 – Mistelpräparat, Revision anhängig: B 1 KR 31/06R.

[31]

BGBl. I 2011, 2983.

[32]

Diese Aufzählung der Satzungsleistungen ist abschließend und begrenzt so das Tarifmanagement der Krankenkassen. LSG NRW Urt. v.14.7 2018 – L 16 KR 251/14. Bestätigt durch BSG Urt. v. 30.7.2019 – B 1 KR 34/18 R.

[33]

Seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) v. 16.7.2015 bestimmt § 140a Abs. 2 S. 4 SGB V, dass die Wirtschaftlichkeit der besonderen Versorgung spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrundeliegenden Verträge nachweisbar sein muss. Nach § 88 Abs. 2 SGB IV haben die Versicherungsträger der Aufsichtsbehörde hierzu entsprechende Unterlagen vorzulegen.

[34]

Zum Begriff der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und zum Verfahren des G-BA siehe bspw. BSGE 81, 54; BSGE 81, 73, BSGE 82, 233, zuletzt LSG Hessen Beschl. v 1.2 2019 – L 8 KR 182/17. Fastabend-Schneider 100 ff.; zur Rechtsprechung des BSG zu noch nicht anerkannten Behandlungsmethoden siehe von Wulffen GesR 2006, 385 ff.

[35]

Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (VerfO G-BA), Stand: 15.3.2019, BAnz AT v. 5.3.2019, B2, s. auch www.g-ba.de.

[36]

BVerfG Urt. v. 6.12.2005 – 1 BvR 347/98, MedR 2006, 164 f., Nikolaus-Beschluss.

[37]

Beschluss über Änderung der Richtlinien, Methoden der Krankenhausbehandlung und Methoden der vertragsärztlichen Versorgung sowie der Verfahrensordnung vom 20.01.2011, www.g-ba.de/informationen/beschluesse.

[38]

S. zuletzt BVerfG Beschl. v. 26.3.2014, Fn. 13 und Hauck Medizinische Innovationen im Krankenhaus, GesR 2014, 257 ff.

[39]

BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 11.4.2017 – 1 BvR 452/17.

[40]

BSGE 81, 54; 82, 233; 86, 54.

[41]

§ 2 Abs. 1 Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung.

[42]

Für die zahnärztliche Versorgung BSGE 117, 1; LSG Essen 1. Senat Beschl. v 24.5.2017 – L 1 KR 660/15. Zu den Ausnahmen u.a. BSG Urt. v. 11.5.2017 – B 3 KR 17/16 R – Schädelasymmetrie m.w.N; BSG Urt. v. 8.7.2015 – B 3 KR 5/14 R – Continuous Glucosemonitoring. Zuletzt LSG Hessen Beschl. v. 11.2.2019 – L 8 KR 182/17 – visuellen Restitutionstherapie (VRT).

[43]

BSGE 97, 190, Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Anforderungen vgl. BVerfG Beschl. v. 23.3.2017 – 1 BvR 2861/16.

[44]

Diese Norm gilt sowohl für den ambulanten, wie auch den stationären Bereich. Hierzu Felix/Deister NZS 2013, 83.

[45]

Ärzte Zeitung v. 3.8.2016. In diesem Zusammenhang weist die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) auf die anwachsende Bürokratie seitens der entscheidenden Institutionen. Der Mehraufwand, welcher den Leistungserbringern durch ihre Beteiligung an der Erprobung entsteht wird in § 137e Abs. 4 SGB V nicht geregelt. KassKomm/Roters 85. Erg.-Lfg. 2015, § 137e SGB V Rn. 11.

[46]

2. Kap. § 27 Abs. 2 S. 5 VerfO-GBA. KassKomm/Roters 85. Erg.-Lfg. 2015, § 137e SGB V Rn. 22; Krüger-Brand DÄ 2013, A-1024/B-894/C-890, Felix/Deister NZS 2013, 86.

[47]

Terminservice- und Versorgungsgesetz v. 6.5.2019, BGBl. I 2019, 646; BT-Drucks. 19/8351.

[48]

Stand: September 2020.

[49]

BSGE 103, 106; BT-Drucks. 15/1525, 106. Felix/Deister Innovative Medizin im Krankenhaus, NZS 2013, 81 ff.

[50]

Kritisch Felix MedR 2016, 93 ff.

[51]

LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 18.3.2010 – L 9 KR 280/08 – Cyclophosphamid-Therapie; SG Aachen Urt. v. 13.7.2010 – S. 13 KR 62/10 – ambulante Fettabsaugung. Zum Thema Qualitätssicherung bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vgl. Clemens 101 ff.

[52]

Zur ausnahmsweisen zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln und deren Voraussetzungen s. § 35c SGB V.

[53]

BVerfG Urt. v. 30.6.2008 – 1 BvR 1664/07, GesR 2009, 104 ff.

[54]

BSG Urt. v. 28.6.2000 – B 6 KA 26/99 R.

[55]

BGBl. I 2007, 378.

[56]

BSG Urt. v. 28.9.2006 – B 3 KR 28/05 R.

[57]

BGBl. I 2007, 778.

[58]

BT-Drucks. 18/10186.

[59]

BGBl. I 2019, 2562.

[60]

Bis August 2020 lagen dem BfArM 18 Anträge vor. Vgl. aerzeblatt.de v. 31.7.2020.

[61]

BGBl. I 2020, 768.

[62]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 18.

[63]

Leistungsausschluss für weibliche Versicherte unter 25 Jahren und nach Vollendung des 40. Lebensjahrs sowie männlich Versicherte bei Vollendung des 50. Lebensjahrs.

[64]

Die Zahnersatzversorgung ist auf das medizinisch Notwendige begrenzt, dies wird durch Festkostenzuschüsse gewährleistet, s. LSG NRW Urt. v. 25.2.2010 – L 16 KR 188/09.

[65]

Behandlungsrichtlinie G-BA, Fn. 23.

[66]

Wenner GesR 2009, 174; die Gewährung von Boni für Nichtraucher wurde aber bereits von der Rechtsprechung anerkannt, LSG Hessen Beschl. v. 8.2.2010 – L 8 KR 294/09 ER.

[67]

BSGE 64, 255, 257 f.

[68]

Hauck/Noftz/Noftz § 2 Rn. 34 ff.