Handbuch Medizinrecht

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3. Berufsausübung

319

Das PsychThG aus dem Jahr 1998[452] regelte nicht allein die Berufsausübung, es schützte auch die Berufsbezeichnung. Die mit den gesetzlichen Berufsausübungsregeln der beiden (neuen) Heilberufe verbundene Einschränkung der Berufsfreiheit hat das BVerfG gebilligt.[453] Ob im Hinblick auf die bis dato im Rahmen des Heilpraktiker-Gesetzes erlaubte Ausübung der Psychotherapie überhaupt der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt wird, hat das BVerfG in Zweifel gezogen, „da weder das Tätigkeitsspektrum von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern noch das Kostenerstattungsverfahren durch das Psychotherapeutengesetz verändert worden ist.“[454] Vielmehr blieben bestehende Zulassungen nach dem HeilPG bestehen. Dabei hat das BVerfG es nicht beanstandet, wenn der Gesetzgeber aus Gründen des Patientenschutzes „eine bisher nicht geschützte Berufsbezeichnung verwendet, um bestimmte Angehörige eines Berufs, die eine bestimmte Ausbildung aufweisen, klar zu kennzeichnen.“[455]

a) Musterberufsordnung

320

Die Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP)[456] hat zum Ziel, „das Vertrauen zwischen Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten und ihren Patientinnen oder Patienten zu fördern, den Schutz der Patientinnen und Patienten zu sichern, die Qualität der psychotherapeutischen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen, die freie Berufsausübung zu sichern, das Ansehen des Berufs zu wahren und zu fördern und auf berufswürdiges Verhalten hinzuwirken und berufsunwürdiges Verhalten zu verhindern.“ (Präambel). Die Formulierungen der allgemeinen Berufspflichten nehmen Prinzipien der Gesundheits- und Biomedizinethik, hier vor allem die von Beauchamp und Childress formulierten Anforderungen „respect for autonomy, nonmaleficence, beneficence, justice“ auf (§§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 2 S. 2 MBO-PP/KJP) und gewichten sie (Abs. 3 bis 6).[457]

aa) Regelungen im Einzelnen

321

§ 1 MBO-PP/KJP beschreibt den Psychotherapeuten als Heilkundler (Abs. 1) und Freiberufler (Abs. 3) und formuliert (nicht abschließend) eine Vielzahl von Tätigkeitsbereichen der Berufsträger (Abs. 2). Mit dem Hinweis auf die Beteiligung der Psychotherapeuten „an der Erhaltung der soziokulturellen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die psychische Gesundheit der Menschen“ (Abs. 2 S. 2) wird ein Bezugspunkt zum Gemeinwohl hergestellt, der in § 3 Abs. 8 MBO-PP/KJP im Hinblick auf die „psychosoziale Notfallversorgung“ der Bevölkerung konkretisiert wird.

322

In § 2 MBO-PP/KJP werden die gesetzlich geschützten Begriffe „Psychologischer Psychotherapeut“ oder „Psychologische Psychotherapeutin“, „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut“ oder „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin“ sowie „Psychotherapeutin“ oder „Psychotherapeut“ genannt. Nach § 1 Abs. 1 S. 4 PsychThG ist es anderen Personen als Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten untersagt, die Kurzbezeichnung Psychotherapeut zu führen. Zusatzbezeichnungen als Hinweise auf Verfahren, die Gegenstand vertiefter Ausbildung und Prüfung nach den für den Beruf einschlägigen Vorschriften waren, sind zulässig, Abs. 2. Gleiches gilt für Qualifikationen, etwa der sozialrechtliche Fachkundenachweis (§ 95c SGB V) und Tätigkeitsschwerpunkte, deren Voraussetzungen den Kammern „auf Verlangen“ nachzuweisen sind (Abs. 3 S. 1, 2). Im Übrigen nimmt die Formulierung Bezug auf die Grundsätze, die das BVerfG hierzu entwickelt hat. Sonstige Regelungen zur Führung von Zusatzbezeichnungen treffen die Länderkammern, Abs. 4.

323

Detaillierter als manch andere Berufsordnung beschreibt die MBO-PP/KJP in § 5 allgemeine Sorgfaltspflichten, die im Behandlungsverhältnis zu beachten sind. Dabei gehen die Pflichten über die zivilrechtlichen Bestimmungen (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB) hinaus und verlangen („sind sie gehalten“) von Psychotherapeuten beispielsweise die Beendigung eines Behandlungsverhältnisses, wenn kein Heilerfolg mehr zu erwarten ist, § 5 Abs. 4 S. 1 MBO-PP/KJP. Dem Patienten ist dies zu erläutern; das weitere Vorgehen muss mit ihm erörtert werden, § 5 Abs. 4 S. 2 MBO-PP/KJP.

324

Eine besondere Bestimmung enthält die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten zur Kontaktgestaltung mit Patienten und den Patienten nahe stehenden Personen, insbesondere Eltern und Sorgeberechtigte bei Kindern und Jugendlichen. So ist jeder sexuelle Kontakt unzulässig (Abstinenzgebot), § 6 Abs. 5, 6, 7 MBO-PP/KJP, und stellt sogar einen (haftungsbegründenden) Behandlungsfehler dar.

325

Z.T. abweichende Bestimmungen gegenüber anderen Berufsordnungen enthält § 11 Abs. 2 MBO-PP/KJP. So kann die Einsicht in Behandlungsunterlagen ganz oder teilweise verweigert werden, „wenn dies den Patienten gesundheitlich gefährden würde oder wenn Rechte Dritter betroffen sind“, S. 1. Gleiches gilt für die Einsichtnahme in „subjektive Daten“ des Therapeuten, wenn dies dem Patienten, dem Therapeuten selbst oder Dritten schaden würde, S. 2. Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 9.1.2006 offen gelassen, ob die Rechtsprechung des BGH,[458] die den Anspruch des Patienten auf Einsicht in die betreffenden Krankenunterlagen grundsätzlich auf sog. objektive Befunde beschränkt, noch verfassungsgemäß ist.[459] Die Verweigerung ist gegenüber dem Patienten zu begründen, S. 3. Damit folgt die MBO-PP/KJP der BGH-Rechtsprechung, wonach sich das Einsichtsrecht des Patienten nur auf naturwissenschaftlich konkretisierbare Befunde und Aufzeichnungen über Behandlungsmaßnahmen bezieht.[460] Allerdings wird für den Bereich der Psychotherapie in Frage gestellt, ob – zumindest am Beginn der Therapie – überhaupt „objektivierbare naturwissenschaftliche Befunde und Behandlungsfakten“ vorliegen können.

326

Auch in Bezug auf den Umgang mit minderjährigen Patienten (§ 12 MBO-PP/KJP) enthält die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten eine Sonderregelung, indem sie für die Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Patienten in eine psychotherapeutische Behandlung eine „behandlungsbezogene natürliche Einwilligungsfähigkeit“ voraussetzt, § 12 Abs. 2 S. 1 MBO-PP/KJP. Gemeint ist dabei die individuelle Fähigkeit eines Kindes zur Krankheitseinsicht, zur Entwicklung eines Wunsches nach Gesundung und zur Entwicklung des Vertrauens, dass dieses Ziel mit dem Therapeuten erreicht werden kann. Den Umgang mit eingeschränkt einwilligungsfähigen Patienten regelt § 13 MBO-PP/KJP.

327

Eine weitere Besonderheit enthält die Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 MBO-PP/KJP, wonach ein Psychotherapeut das Honorar seinen Patienten in begründeten Ausnahmefällen ganz oder teilweise erlassen kann. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass Patienten allein aus finanziellen Gründen psychotherapeutische Hilfe verweigert wird. Ansonsten gilt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Gebührenordnung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP) vom 8.6.2000,[461] die in § 1 Abs. 1 vorsieht, dass für die Abrechnung gegenüber Privatpatienten die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) gilt. Die Gebührensätze dürfen „nicht in unlauterer Weise“ unterschritten werden; unzulässig ist ebenso eine sittenwidrig überhöhte Honorarvereinbarung, § 14 Abs. 2 S. 1 MBO-PP/KJP. Die Angemessenheit seines Honorars hat der Psychotherapeut auf Anfrage der zuständigen Landespsychotherapeutenkammer zu begründen, § 14 Abs. 4 MBO-PP/KJP.

328

Bei der Beschreibung von Berufspflichten zur Kollegialität – auch gegenüber anderen Heilberufen (!) – enthält § 17 Abs. 3 S. 1 MBO-PP/KJP eine (beispielgebende) Regelung, wonach Psychotherapeuten „sich in kollegialer Weise auf Vorschriften der Berufsordnung aufmerksam machen“ können. Kein Verstoß gegen eine Berufspflicht liegt vor, wenn „nach Vorliegen eines begründeten Verdachts“ die Landespsychotherapeutenkammer auf einen möglichen Verstoß gegen die Berufsordnung hingewiesen wird, § 17 Abs. 3 S. 2 MBO-PP/KJP. Die Vorschrift soll das ungerechtfertigte „Anschwärzen“ von Kollegen vermeiden helfen, indem eine solche Vorgehensweise selbst in die Nähe berufsunwürdigen Verhaltens gerückt wird.

329

§ 18 MBO-PP/KJP lässt die Delegation diagnostischer Teilaufgaben und behandlungsbezogener Maßnahmen, z.B. die Verhaltensbeobachtung,[462] grundsätzlich zu, wobei die Gesamtverantwortung beim behandelnden Psychotherapeuten verbleibt, Abs. 2, der die Delegation standardisierter psychotherapeutischer Teilaufgaben und behandlungsergänzender Maßnahmen regelmäßig zu kontrollieren hat, Abs. 3.[463]

330

Bei den Formen der Berufsausübung geht die Musterberufsordnung grundsätzlich von der Bindung an einen (nicht zwingend eigenen) Praxissitz aus, § 20 Abs. 1 S. 1 MBO-PP/KJP. Bis zu zwei weiteren Zweigstellen sind zulässig, wobei Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten an jedem Ort der Tätigkeit zu treffen sind, Abs. 2. Ort und Zeitpunkt der Aufnahme psychotherapeutischer Tätigkeiten sind ebenso wie Veränderungen der Landeskammer „unverzüglich“ mitzuteilen, Abs. 3. Anforderungen an die Praxis, z.B. Präsenz und Erreichbarkeit, beschreibt § 22 MBO-PP/KJP. Bei Informationen über die Praxis und werbende Darstellungen gilt das Verbot berufswidriger Werbung, § 23 Abs. 3 MBO-PP/KJP. Andere Bezeichnungen als „Praxis“ bedürfen der Genehmigung durch die jeweilige Landespsychotherapeutenkammer, Abs. 2.

 

331

Psychotherapeuten dürfen sich mit Angehörigen ihrer Berufsgruppe oder „anderer Gesundheits- und Beratungsberufe zusammenschließen“, § 21 MBO-PP/KJP. Berufsrechtlich erlaubt ist auch die Beteiligung an Kooperationen, „deren Ziel ein anderer Versorgungsauftrag oder eine andere Form der Zusammenarbeit zur Patientenversorgung ist“, Abs. 3. Dabei muss stets die freie Wahl des Psychotherapeuten durch den Patienten gewährleistet und die eigenverantwortliche und selbstständige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung gewährleistet bleiben, Abs. 4. Ausdrücklich schließt Abs. 6 eine Beteiligung an privatrechtlichen Organisationen aus, „die missbräuchlich die eigenverantwortliche Berufsausübung einschränken, Überweisungen an Leistungserbringer außerhalb der Organisation ausschließen oder in anderer Weise die Beachtung der Berufspflichten . . . beschränken.“ Für alle Zusammenschlüsse besteht eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Landespsychotherapeutenkammer, der auf Verlangen die entsprechenden Kooperationsverträge vorzulegen sind, Abs. 7.

332

Auch beim angestellten oder beamteten Psychotherapeuten geht die Musterberufsordnung vom Leitbild des Freiberuflers aus, der allgemeine Weisungen nur befolgen darf, soweit diese mit der Berufsordnung vereinbar sind oder deren Befolgung er selbst verantworten kann, § 25 Abs. 1 MBO-PP/KJP. Fachliche Weisungen von Vorgesetzen dürfen nach Abs. 2 nur befolgt werden, „wenn diese über entsprechende psychotherapeutische Qualifikationen verfügen.“ Darüber hinaus enthält die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten eigene Bestimmungen für Lehrende, Ausbilder, Lehrtherapeuten und Supervisoren (§ 26 MBO-PP/KJP), sowie Gutachter (§ 27 MBO-PP/KJP) und Psychotherapeuten in der Forschung (§ 28 MBO-PP/KJP). Letztere haben die in der Deklaration von Helsinki 2013 niedergelegten ethischen Grundsätze bei Planung und Durchführung von Studien und „Forschungsobjekten“ zu beachten, Abs. 1.[464] Außerdem müssen sie bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen Auftraggeber und Geldgeber benennen, Abs. 4.

333

Schuldhafte Verstöße gegen die Berufsordnung können mit berufsrechtlichen Verfahren nach den Heilberufsgesetzen der Länder geahndet werden, § 30 Abs. 1 MBO-PP/KJP. Dies gilt nach Abs. 2 auch für ein außerhalb des Berufes liegendes Verhalten, „wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für die Ausübung oder das Ansehen dieses Berufes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.“

6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › D. Berufsrecht der Heilberufe › VII. Berufsrecht der Tierärzte

VII. Berufsrecht der Tierärzte

1. Geschichte

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Die Anerkennung als akademischer Heilberuf erreichte der Berufsstand der Tierärzte erst im 20. Jahrhundert.[465] Dazu beigetragen hatte die Gründung der Tierarzneischulen, die 1902 als Hochschulen – seit 1910 mit Promotionsrecht – anerkannt wurden. Mit dazu beigetragen hat auch ein differenziertes Tätigkeitsspektrum, so z.B. auf dem Gebiet der Tierseuchenbekämpfung und der Fleischbeschau. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts gründeten sich tierärztliche Vereinigungen in Württemberg, Baden, Bayern, Berlin und Hannover (1833).[466] 1874 erfolgte die Initiative zur Gründung eines Deutschen Veterinärrates, der sich auf bestehende Vereine und nicht auf Tierärzte als Einzelpersonen stützte.[467]

335

Die Gründung einer Standesvertretung der Tierärzte erfolgte in Preußen auf Erlass König Wilhelms II. vom 2.4.1911. Durch königliche allerhöchste Verordnung vom 11.2.1877 waren zuvor bereits die bestehenden tierärztlichen Kreisvereine in Bayern als Interessenvertretung des Berufsstandes im jeweiligen Regierungsbezirk anerkannt worden.[468] Schon im Jahr 1833 waren bei den Kreisregierungen ärztliche Ausschüsse eingerichtet worden, denen auch ein Tierarzt angehörte.

336

1927 trat das Bayerische Kammergesetz in Kraft, das fortan die Rechtsgrundlage für die Tierärztekammer bildet. Noch früher erfolgt die Gründung einer Tierärztekammer in Baden (1907). Die Rechte der Selbstverwaltung blieben jedoch beschränkt.[469] Noch während des 1. Weltkrieges erfolgte Anfang 1918 die Gründung des Reichsverbandes praktischer Tierärzte (RpT), in dem sich die Privattierärzte sammelten.[470] Daneben bestand seit 1911 der Reichsverband Deutscher Schlachthof- und Gemeindetierärzte (RDG), deren Tätigkeit durch das Reichsfleischbeschau-Gesetz aus dem Jahr 1900 ihre Rechtsgrundlage fand. Danach durfte die Fleischbeschau nur durch approbierte Tierärzte in Schlachthöfen ausgeführt werden. 1920 entstand aus den entsprechenden Landesverbänden der Reichsverband der deutschen Staatstierärzte (RDS).

337

1928 erhielt die Preußische Tierärztekammer die gesetzliche Grundlage für die Einführung einer Standesgerichtsbarkeit.[471] Mit Gesetz vom 28.7.1933 wurden die bestehenden Tierärztekammern in Preußen aufgelöst; 1936 erfolgte die Gründung der Reichstierärztekammer. Die bestehenden Verbände wurden in den Reichsverband deutscher Tierärzte (RDT) überführt. Zu den erwähnenswerten Entscheidungen jener Zeit zählt die Reichstierärzteordnung vom 1.4.1936, die als Ermächtigungsgrundlage der am 17.3.1937 erlassenen Berufsordnung der Deutschen Tierärzte diente.[472]

338

Nach dem Krieg entstand als Dachorganisation von Kammern und Berufsverbänden „Die Deutsche Tierärzteschaft“, daraus wiederum im Jahr 1994 als Arbeitsgemeinschaft die Bundestierärztekammer e.V., der heute ausschließlich die Länderkammern angehören, § 1 Abs. 1, 2 Satzung BTK.

2. Berufszugang

339

Für den Zugang zum Beruf des Tierarztes gelten die Tierärzte-Ordnung (BTO)[473] und die Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV).[474] Die Ausbildung umfasst einen wissenschaftlich-theoretischen Studienanteil von 3850 Stunden und einen praktischen Studienanteil von 1170 Stunden, die Regelstudienzeit demnach insgesamt fünf Jahre und sechs Monate, § 1 Abs. 2 S. 2 TAppV. Mit der Approbation wird dem Tierarzt auch die Befähigung zur Berufsausübung auf dem Fachgebiet der Schlachttier- und Fleischuntersuchung zugesprochen; die zuständige Behörde muss ihm jedoch die Durchführung der amtlichen Untersuchung übertragen. In diesem Fall führt er die Berufsbezeichnung „amtlicher Tierarzt“.

3. Berufsausübung

340

Tierärzte sind berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken, § 1 Abs. 1 BTO. Sie üben einen freien Beruf und kein Gewerbe aus, § 1 Abs. 2 BTO.

341

Die Musterberufsordnung (MBO-T)[475] richtet sich als Empfehlung an die Tierärztekammern und damit mittelbar an deren Mitglieder. Dies sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 MBO-T alle Personen, die nach §§ 2 und 3 Bundes-Tierärzteordnung berechtigt sind, die Berufsbezeichnung „Tierarzt“ oder „Tierärztin“ zu führen und in der Bundesrepublik Deutschland den tierärztlichen Beruf auszuüben, mithin also auch ausländische Tierärzte.

342

Ausübung des tierärztlichen Berufes ist nach § 1 Abs. 3 S. 2 MBO-T „jede Tätigkeit, bei der die während eines abgeschlossenen veterinärmedizinischen Studiums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten verwertet werden.“ Dabei muss es sich nicht zwingend um eine Erwerbstätigkeit als Tierarzt handeln. Nur wenn die Tätigkeit in keinerlei Zusammenhang mit der (tier)ärztlichen Ausbildung und den medizinischen Fachkenntnissen steht, handelt es sich um eine „berufsfremde“ Tätigkeit, die – soweit die Beitragsordnung der jeweiligen Tierärztekammer dies vorsieht – einen Anspruch auf Beitragsbefreiung gewährt.[476] Dies ist z.B. nicht der Fall bei einem Veterinärmediziner in der pharmazeutischen Industrie, der seine im Studium erworbenen Kenntnisse bei seiner Tätigkeit (mit)verwertet.[477] Noch weiter ging der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9.8.1996, der die Beitragspflicht auch für einen approbierten Tierarzt, der in einem humanpharmazentrischen Unternehmen tätig war, statuierte, soweit bei seiner Tätigkeit Grundkenntnisse zur Anwendung kommen, die in einem tierärztlichen Studium erworben wurden.[478]

343

§ 2 MBO-T formuliert eine besondere Verantwortung und Verpflichtung des Tierarztes gegenüber der Öffentlichkeit, verpflichtet zu einer gewissenhaften Berufsausübung und zur Kollegialität. Das Berufsrecht fordert Mitverantwortung für die menschliche Gesundheit und geht davon aus, dass Tierärzte „in besonderer Weise zum Schutz der Tiere berufen und verpflichtet“ sind (Abs. 1 S. 2).

344

§ 3 MBO-T formuliert allgemeine Berufspflichten, darunter auch „die berufsfördernden Bestrebungen und Einrichtungen der Kammern zu unterstützen“, Nr. 2, und regelt z.B. die Dokumentationspflichten innerhalb eines Zeitraumes von mindestens fünf Jahren, Nr. 5. § 3 Nr. 8 MBO-T formuliert eine grundsätzliche Schweigepflicht. § 5 MBO-T formuliert Grundsätze des kollegialen Verhaltens. Für tierärztliche Zeugnisse und Gutachten gilt, dass sie wahr, sachlich, sorgfältig, unparteiisch und formgerecht ausgestellt werden und als Formvoraussetzung den Zweck des Schriftstückes, den Empfänger und das Datum angeben, § 6 S. 1 MBO-T. Tierärztliche Gesundheitsbescheinigungen setzen eine vorherige Untersuchung nach den Regeln der tierärztlichen Wissenschaft und Erkenntnissen der tierärztlichen Praxis in angemessenem Umfang voraus (S. 2).

345

Die (zeitlich fixierte) Fortbildungspflicht als berufsethische Norm ergibt sich aus § 7 MBO-T, wobei ein Nachweis auf Anforderung der Kammer erfolgt. Eine erweiterte Fortbildungspflicht gilt für Tierärzte, welche Zusatz-, Gebiets- oder Teilgebietsbezeichnung führen (Abs. 2 Nr. 2, 3). Für die Qualitätssicherung gelten der Kodex „Gute veterinärmedizinische Praxis“ oder andere Methoden, die von der Tierärztekammer anerkannt sind (Abs. 5). Nach § 8 MBO-T (hat der Tierarzt bei der Bekämpfung von Missständen im Gesundheitswesen mitzuwirken. Verstöße gegen das Arzneimittelrecht sind der Tierärztekammer mitzuteilen, Abs. 1 S. 2. Bei der Tätigkeit bekannt gewordene Arzneimittelnebenwirkungen bzw. -mängel sind der Arzneimittelkommission der Bundestierärztekammer mitzuteilen, Abs. 2.

346

§ 5 MBO-T beschreibt die Kollegialitätspflichten des Tierarztes. Nach Abs. 3 S. 1 haben sich beamtete und angestellte Tierärzte von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie bei der Pharmaindustrie, bei Tiergesundheitsdiensten, Versicherungsgesellschaften, Zuchtverbänden oder ähnlichen Institutionen angestellte Tierärzte „auf die Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben zu beschränken.“

347

§ 10 MBO-T legt in Abs. 1 die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT)[479] für die Honorierung tierärztlicher Leistungen zugrunde. Gebühren unterhalb des Einfachsatzes des Gebührenverzeichnisses sind unzulässig, das Überschreiten des Dreifachsatzes ist im begründeten Einzelfall durch individuelle schriftliche Vereinbarung vor Erbringung der Leistung zulässig, § 10 Abs. 1 S. 2, 3 MBO-T. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars bleibt unzulässig.

348

§ 11 MBO-T verlangt für die Ausübung des tierärztlichen Berufes in eigener Praxis eine Niederlassung (Abs. 1 S. 1), i.e. die Begründung einer selbstständigen freiberuflichen tierärztlichen Tätigkeit an einem bestimmten Ort, der mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen ausgestattet ist (Praxissitz), Abs. 1 S. 2, und durch ein Praxisschild (ggf. mit einheitlichem Praxisemblem) zu kennzeichnen ist, Abs. 3. 1994 hatte das bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales der Bayerischen Tierärztekammer die Genehmigung ihrer Berufsordnung versagt, weil sie ein „standardisiertes Veterinärlogo“ am Praxiseingang erlaubte. Das Bayerische Verwaltungsgericht hob diese Entscheidung im Jahr 1996 als unzulässigen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht auf. Zudem mochte das Gericht keinen Gemeinwohlbelang erkennen, der durch den optischen Effekt eines Logos gefährdet sein könnte.[480] Ort und Zeitpunkt der Niederlassung oder Zweitpraxen sowie jede entsprechende Änderung sind der Tierärztekammer mitzuteilen, Abs. 3, 5.

 

349

§ 12 MBO-T (Ausübung der Praxis) beinhaltet neben § 1 Abs. 4 ein weiteres Bekenntnis zum Freien Beruf, Abs. 2 S. 1. Angestellte (nicht niedergelassene) Tierärzte, die bei einem Unternehmen, einer BGB-Gesellschaft, einem Verein oder einer ähnlichen privatrechtlichen Institution angestellt sind, dürfen nur solche Tiere behandeln, die sich in deren unmittelbaren Haltung befinden, § 13 Abs. 5 MBO-T. Deutsch sieht – bei restriktiver verfassungskonformer Auslegung – keine Bedenken gegen diese Berufsausübungs-Regelung, da diese im wohlverstandenen Interesse der Tierhalter wie des Tierschutzes liege und auch verhältnismäßig sei.[481]

350

§ 12 Abs. 4 MBO-T regelt, dass bei der Zusammenarbeit zwischen Tierärzten und Nichttierärzten eine klare Trennung zwischen der tierärztlichen Tätigkeit und dem Dienstleistungsangebot eines Nichttierarztes erkennbar sein muss. Berufsausübungsgemeinschaften mit anderen freien Berufen sieht die Musterberufsordnung nicht vor, siehe auch § 18 Abs. 1 S. 2 MBO-T.

351

§ 12 Abs. 8 verbietet, gegen Entgelt oder sonstige Vorteile Patienten anderen Kolleginnen und Kollegen zuzuweisen oder sich selbst zuweisen zu lassen. Außerdem geregelt wird die Überweisungspflicht, Abs. 9. Grundsätzlich unzulässig ist die Behandlung von Tieren ohne vorherige Untersuchung, § 12 Abs. 6 MBO-T.

352

Die Musterberufsordnung beinhaltet in § 16 Regelungen zur Gemeinschaftspraxis und in 17 Regelungen zur Gruppenpraxis/Praxisgemeinschaft. In der Gemeinschaftspraxis behält jeder „Partner“ die Stellung eines selbstständig niedergelassenen Tierarztes. In der Praxisgemeinschaft bleibt jeder „Praxisinhaber“ rechtlich und wirtschaftlich selbstständig.

353

Wird der tierärztliche Beruf in der Rechtsform einer juristischen Person ausgeübt, so muss die Gesellschaft verantwortlich von einem Berufsträger geführt werden, § 19 Abs. 3 S. 1. Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte müssen von Tierärzten gehalten werden, § 19 Abs. 3 S. 2 MBO-T.

(Zu § 20 MBO-T „Tierärztliche Klinik“ und siehe Rn. 207, 281).

354

Die Musterberufsordnung der Tierärzte beinhaltet auch die Vorgabe zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung, § 3 Abs. 1 Nr. 6 MBO-T.