Handbuch Medizinrecht

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h) Der Arzt in der Informationsgesellschaft

aa) Einführung in das Thema

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§§ 27 und 28 MBO (a.F.) bildeten auch nach den vom 103. Deutschen Ärztetag beschlossenen Änderungen – gemeinsam mit den Regelungen in Kap. D Nr. 1–5 – eines der Kernstücke der ärztlichen Berufsordnung. Historisch betrachtet zählte das ärztliche Werbeverbot bzw. das Verbot öffentlicher Anpreisung zu den ärztlichen Grundpflichten schlechthin.[173] Dies ist die Rückschau. Im Lichte der Wandlungen, die die Norm im Verlauf der Jahre bis hin zu den Änderungsbeschlüssen des 105. Deutschen Ärztetages 2002 in Rostock genommen hat und die neuere Rechtsprechung des BVerfG[174] muss alles das, was früher zum ärztlichen Werbeverbot geschrieben worden ist, einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dies gilt für Literatur wie Urteile gleichermaßen. Bei älteren Entscheidungen wird man daher immer überlegen müssen, ob sie im Lichte der neuen Rechtslage in gleicher Weise gefällt worden wären. Die Vorschriften in Kapitel D I Nr. 1 bis 5 wurden ersatzlos gestrichen. Das Verbot des anpreisenden Verhaltens bleibt. Insofern hat sich an der Zielsetzung der Vorschrift nichts geändert. Schließlich wurde § 28 MBO, der die Voraussetzungen zur Eintragung in Verzeichnisse regelte, durch den 114. Deutschen Ärztetag 2011 in Kiel ersatzlos gestrichen. Zum einen sah man den Regelungszweck durch § 27 MBO ausreichend gesichert; zum anderen trug man der gegenüber § 28 MBO (a.F.) zum Teil kritischen Rechtsprechung Rechnung.[175] Im Übrigen sollte man sich aber auch vor Überinterpretationen in Acht nehmen. Diejenigen, die bereits „vom Ende des Werbeverbots“ sprechen, übersehen, dass das BVerfG nie Zweifel befördert hat, verkammerte Berufe dürften derartigen Beschränkungen nicht unterliegen.[176] Entscheidend ist, und dies kommt in der neueren Rechtsprechung des BVerfG noch deutlicher als früher zum Vorschein, dass jedwede Einschränkung an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist und daher nur Bestand haben kann, wenn wichtige Gemeinwohlbelange geschützt werden sollen. Bloße berufsständische Zielvorstellungen, wie das Bild des Berufsangehörigen aussehen solle, rechtfertigen derartige Einschränkungen regelmäßig nicht.[177]

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Neben der arztzentrierten Sicht erfährt die Problematik durch die stärkere Gewichtung des Informationsanspruchs des (potentiellen) Patienten eine gegenüber früher offenere Wertung. Die Auswahl der „richtigen“ Praxis/des „richtigen“ Krankenhauses soll für den Patienten transparenter als früher sein. Mit anderen Worten ist die Frage der Werbefreiheit für Ärzte nicht nur eine Frage verbesserter Darstellungsmöglichkeiten im Wettbewerb, sondern auch eine Frage des Verbraucherschutzes im weiteren Sinne.

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Diese Grundüberlegung ist wichtig. Lässt man sie außer Acht, läuft man Gefahr, Werbung nur einseitig unter Selbstdarstellungsaspekten zu bewerten, während das, was eigentlich befördert werden soll, nämlich die zutreffende Information, an Gewicht verliert[178]. Dann würde aber genau das Gegenteil dessen erreicht, was man mit der Teilnahme des Arztes an der Informationsgesellschaft eigentlich bezwecken will. Denn der Arzt hat vor dem Patienten, jedenfalls normalerweise, einen enormen Informationsvorsprung. Nutzt er diesen Informationsanspruch in einer Art und Weise aus, dass er überzeichnend die eigene Person oder das eigene Handeln in den Augen des Patienten so positioniert, dass diesem jede vernünftige Abwägung abgeschnitten und er zu einer Entscheidung verleitet wird, die er bei vernünftiger Abwägung nicht getroffen hätte, ist die Grenze zur unerwünschten Anpreisung überschritten. Kleine-Cosack[179] ist allerdings zuzustimmen, dass es rechtlich nicht darauf ankommen kann, ob etwas „unerwünscht“ ist, sondern nur darauf, ob die Handlung erlaubt oder zu Recht (beruhend auf einer gesetzlichen Norm) untersagt ist. Ob man so weit gehen will, deshalb auch „anpreisendes“ Verhalten nur mehr an den Normen des HWG oder UWG zu messen, scheint hingegen zweifelhaft.

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Mag diese Grenze nämlich in manchen Wirtschaftsbereichen längst nicht mehr zu erkennen sein, spielt sie im Gesundheitswesen nach wie vor und zu Recht eine wichtige Rolle. Einschränkung in der Arzneimittelwerbung, Tabakwerbung und Vorschriften zum Jugendschutz etc. sind weitgehend konsentiert, ohne dass man ernsthaft mit Art. 12 oder 14 GG argumentieren würde. Der Patient ist eben nicht nur „Kunde“ und schon gar nicht „auf Augenhöhe“ mit der Anbieterseite, sondern in den allermeisten Fällen Ratsuchender, oftmals krank und hilfebedürftig und damit keineswegs immer „souveräner“ Entscheider. Längst sind Fehlentwicklungen aufgrund eines falsch verstandenen „Freiheitsbegriffs“ mit Händen zu greifen (Werbung für Schönheitsoperationen bis hin zu obskuren Heilmethoden). Der Gesetzgeber sah sich im Rahmen der 14. AMG-Novelle vom 29.8.2005 zur Handlung gezwungen[180]. Eines wird aber auch deutlich: Wenn in manchen Kreisen immer mehr werbliche Aktivitäten Raum greifen, kann ein Zwang für andere entstehen, ebenfalls zu werben. Längst machen daher Aufwendungen für Werbung in nicht wenigen Praxen einen nicht unerheblichen Kostenblock aus. Das ärztliche „Werbeverbot“ ist seit Jahren Geschichte. Das Abendland ist deshalb nicht untergegangen. Wer aber meint, es gebe jetzt geradezu eine Pflicht zur Werbung und dazu auch noch Bürgerrechte bemüht, hat etwas Grundlegendes missverstanden. Eine „freie“ Bürgergesellschaft lebt von Verantwortung. Jedwede „Beliebigkeit“ ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern führt nicht selten zu deren Erosion. Letztlich, wenn auch rechtlich natürlich nicht ausschlaggebend, bleibt es dabei: Ein Wesenszug der Freien Berufe ist ihre hohe Professionalität und ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Eine Förderung anpreisender Fehlvorstellungen auf dem Rücken der Patienten ist das letzte, was das Deutsche Gesundheitswesen benötigt. Dies nützt weder den Patienten und zumindest mittelfristig am wenigsten den Ärzten.

bb) Werbung, Information und Meinungsfreiheit

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Die Beschränkung anpreisenden Verhaltens gilt als Wesenszug Freier Berufe.[181] Im Laufe der Zeit sind die einzelnen Vorschriften immer weiter differenziert worden. Während § 27 MBO das Verbot berufswidriger Selbstdarstellung postuliert, enthielten § 28 MBO a.F. und die Regelungen in Kap. D I Nr. 1–5 Ausnahmeregelungen für Spezialbereiche. Das Verbot der Fremdwerbung (Werbung für Dritte) wird in den §§ 33, 34 und 35 MBO angesprochen.[182] Interkollegiale Werbeaspekte sind außerdem in § 31 MBO von Bedeutung. Damit sind z.B. Anreizsysteme zur „Überweiser- oder Zuweiserbindung“ gemeint (siehe oben Rn. 172). Weitere wichtige werbebeschränkende Vorschriften finden sich im Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (HWG). Dessen Vorschriften können sich weit einschneidender auf Ärzte auswirken. Wurde früher nämlich die Auffassung vertreten, ein durch ärztliches Berufsrecht gedecktes Verhalten könne per definitionem schon keinen Verstoß gegen das HWG beinhalten,[183] lässt sich dies angesichts der offenen Fassung von § 27 MBO n.F. nur noch schwer begründen.

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Gemäß § 1 Abs. 1 MBO dient der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe (siehe auch § 1 Abs. 2 BÄO). Diese Postulate wurden von der früher h.M. als Rechtfertigung für die Beschränkung ärztlicher Werbung angeführt. Vertreter dieser Auffassung beriefen sich darauf, Werbung schade dem Ansehen des Berufsstandes, Werbung sei immanent irreführend und schließlich sei Werbung der Gesundheit der Bevölkerung abträglich.[184] Nach anderer Auffassung[185] stellen standesrechtliche Werbeverbote ihrer Natur nach eine Marktzutrittsbarriere für neu zugelassene Ärzte dar. Das ärztliche Werbeverbot benachteilige den „Jung-Arzt“, da es ihm auferlege, sich in einer modernen Kommunikationsgesellschaft und allgemeiner Sättigung mit ärztlichen Dienstleistungen gegen bereits fest am Markt etablierte Konkurrenten behaupten zu müssen, ohne auf die Werkzeuge anderer Dienstleister im gewerblichen Bereich zurückgreifen zu können.

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Betrachtet man sich die Rechtsprechung zu § 1 UWG (a.F.), wird dieser Aspekt standesrechtlicher Werbeverbote überdeutlich. Durch die Richtlinie der EU,[186] nach der vergleichende Werbung – auch für Freiberufler – zulässig sein würde, Werbung lediglich nicht irreführend und herabsetzend sein oder Verwechslungen verursachen dürfe, hat sich für Deutschland nichts geändert. Durch Intervention der BRAK wurden die freien Berufe (sofern es in den Mitgliedstaaten entsprechende Regelungen gibt) vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Dieser Vorbehalt ist in Deutschland durch die einzelnen Länder-BO wirksam geworden. § 27 Abs. 1 MBO a.F.[187] untersagte dem Arzt jede Werbung für sich oder andere Ärzte. Der Begriff der Werbung ist vielschichtig. Die unterschiedlichen Bestimmungen der Berufsordnung lassen eine klare Definition vermissen. Vielmehr werden verschiedene Aspekte angesprochen, die jeder für sich Werbung sein können und im Einzelfall dennoch erlaubt sind. Berücksichtigt man ferner, dass Werbung als Wirtschaftswerbung, Reklame, Propaganda, Agitation und Vertrauenswerbung in Erscheinung tritt, wird deutlich, dass es gar nicht einfach ist, zwischen zulässiger Information (Werbung) einerseits und unzulässiger Reklame (Anpreisung) andererseits zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird nicht dadurch einfacher, dass das Bundesverfassungsgericht das generelle Werbeverbot dahingehend relativiert bzw. verfassungskonform ausgelegt hat, dass dem Arzt nur berufswidrige Werbung untersagt werde, nicht hingegen jede Art von werbender Tätigkeit.[188] Neben der arztzentrierten Sicht erfährt die Problematik durch die stärkere Gewichtung des Informationsanspruchs des (potentiellen) Patienten eine gegenüber früher offenere Wertung.[189]

 

cc) Differenzierung stationär/ambulant?

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Schon die „Sanatoriumsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts[190] hatte im Bereich der stationären Versorgung deutlich größere Freiheiten ermöglicht. Danach war eine differenzierende Betrachtungsweise zulässig.[191] Während dem normalen niedergelassenen Arzt jegliche berufswidrige Werbung untersagt ist, untersagte § 27 Abs. 2 S. 2 MBO a.F. dem für eine der dort genannte Einrichtung tätigen Arzt lediglich die anpreisende Herausstellung. Tritt die stationäre Einheit/Klinik in Konkurrenz zu anderen niedergelassenen Ärzten, indem sie typischerweise denselben Patientenkreis wie eine herkömmliche Praxis anspricht, wurde früher die Auffassung vertreten, der in dieser Einheit tätige (leitende) Arzt könne sich nicht auf diesen „Vorteil“ berufen. In diesem Fall sollten nicht die Grundsätze zur Unternehmenswerbung (Klinik- und Sanatoriumswerbung, § 27 Abs. 2 S. 2 MBO a.F.), sondern die strengen Regeln der Eigenwerbung (§ 27 Abs. 1 S. 1 MBO a.F.) gelten.[192] Diese frühere Differenzierung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung hat deutlich an Stellenwert verloren. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.7.2000[193] lässt sie sich nicht mehr uneingeschränkt aufrecht erhalten. Eine in der Rechtsform der GmbH eingetragene Zahnklinik hatte mit einem farbigen Faltblatt, das in der Klinik (nicht in der Praxis des Zahnarztes) auslag, für Implantat- und prothetische Behandlungen geworben. Dabei war offenkundig, dass die Mehrzahl der Behandlungen ambulant erfolgen sollte. In dem Faltblatt hieß es u.a.: „Ihre Gesundheit ist unser Anliegen; Der Natur ein Stück näher: Implantate-ein guter Weg; Zahn für Zahn mehr Lebensqualität.“ Der Name des Arztes wurde nicht genannt. Das BVerfG konnte nicht erkennen, welche Gemeinwohlbelange durch die genannten Äußerungen tangiert sein könnten. Wenn Kliniken durch zulässige Werbung wirtschaftlich erfolgreich sind, könne dies berufsrechtlich nicht den an der Klinik tätigen Belegärzten[194] angelastet werden. Mit dem Faltblatt würden nur solche Patienten konfrontiert, die sich ohnehin schon in der Klinik befinden. Im Übrigen wurde auch in dieser Entscheidung wieder das zu berücksichtigende Informationsinteresse der Patienten an neuen Verfahren betont.

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Ob das Gleiche auch dann gelten soll, wenn eine GmbH im ambulanten Bereich mit einer stationären Einrichtung konkurriert, hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Nach Auffassung des BGH[195] ist dies nicht der Fall, da die Ungleichbehandlung im Werbebereich durch höhere betriebswirtschaftliche Aufwendungen der stationären Einrichtung gerechtfertigt sei. Im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte dies nicht mehr ausreichend sein, zumal auch hochspezialisierte ambulante Einheiten einen erheblichen Investitionsaufwand betreiben. Rieger[196] hat im Übrigen völlig recht, dass der Sachverhalt auch Anlass zur Prüfung geboten hätte, ob die Klinik nicht nur zur Umgehung ärztlicher Werbebeschränkungen gegründet wurde („Zimmerklinik“).[197] Die Frage, ob eine Einrichtung, die sich als „Praxisklinik“ bezeichnet, Betten für eine stationäre Unterbringung vorhalten muss, ist strittig.[198]Außerdem gibt es im Bereich der mittelbaren Werbung (siehe Rn. 200) noch zahlreiche Varianten, die mit der Entscheidung des BVerfG zumindest nicht direkt erfasst werden. Es bleibt aber die Feststellung, dass die Unterscheidung „stationär/ambulant“ für den großen Bereich der Informationswerbung kein sachgerechtes Kriterium mehr ist und in § 27 MBO durch den 105. Deutschen Ärztetag daher zu Recht aufgegeben wurde.[199]

dd) „Anpreisen“

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Unter „Anpreisen“ wird eine besonders nachdrückliche Form der Werbung verstanden[200] (Blickfangwerbung, Verwendung von Superlativen, vergleichende Werbung, Eigenlob, Bezugnahme auf Empfehlungsschreiben und Danksagungen). Anpreisend ist eine Werbung auch dann, wenn die Form der Aufmachung nichts mehr mit der in der Werbung enthaltenen Sachinformation zu tun hat.[201] Weitere Fälle berufswidriger Werbung waren z.B. wenn ein Arzt über einen Empfang anlässlich seiner Niederlassung entsprechend in der Presse berichten lässt[202], in einer Zeitungsanzeige darauf hinweist, dass seine Praxis wegen Fortbildung geschlossen ist[203] oder Aufnahme in einen „Adviser“-Pool[204] gegen Entgelt. Allerdings sollte man sich vor einer allzu pauschalen Betrachtungsweise hüten. Neben einer Prüfung des kritisierten Tuns kommt es wesentlich auf den Adressatenkreis des werbenden Verhaltens an. Innerhalb der Fachkreise ist der Spielraum am weitesten; gegenüber dem eigenen Patientenstamm ist (jenseits der immer erlaubten Sachinformation) gerade auch im Hinblick auf das HWG größere Zurückhaltung geboten. Enger (auch wieder jenseits der zulässigen Sachinformation) können die Rahmenbedingungen bei Tätigkeiten sein, die sich an eine unbegrenzte Zahl Dritter (Öffentlichkeit) richten. Patienteninformationsschreiben stand die Rechtsprechung kritisch gegenüber[205]. Diese Zurückhaltung ist jedenfalls dann nicht einzusehen, wenn es sich um bisherige Patienten der Praxis handelt, die womöglich sogar in diese Art von Information ausdrücklich eingewilligt haben[206] oder das Informationsschreiben auf eine allgemeine Anfrage hin erfolgt. Im Übrigen ist auch in diesen Fragen immer das Datum der Entscheidungen zu berücksichtigen. Vieles, was früher kritisch gesehen wurde, nötigt heute nur noch ein „müdes Lächeln“ ab.[207]

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Inwieweit sich Ärzte des Sponsoring zur (Image-)Werbung bedienen dürfen, ist umstritten.[208] Während dies für Rechtsanwälte für zulässig gehalten wird[209], gehen die Meinungen für ärztliche Werbemaßnahmen auseinander.[210] Handelt es sich um ein konkretes – auch gesundheitspolitisch – förderungswürdiges Thema, sollte auch Ärzten entsprechende Möglichkeiten offen stehen.[211] Größere Zurückhaltung fand man aber noch bei bestimmten Werbeträgern, wie z.B. öffentlichen Verkehrsmittel oder Taxen. Die Bundesärztekammer hat hierzu am 12.8.2003 Hinweise und Erläuterungen verabschiedet und Abgrenzungskriterien genannt,[212] die heute aber nur noch mit großer Zurückhaltung als Maßstab zugrunde gelegt werden können. Gerade die Werbung im öffentlichen Raum, z.B. in U-Bahnstationen oder auch sonstigen Verkehrsmitteln ist kaum noch eingeschränkt, sofern sie nicht irreführend oder anpreisend ist.

Anpreisend ist eine gesteigerte Form der Werbung, insbesondere eine solche mit reißerischen und marktschreierischen Mitteln. Diese kann schon dann vorliegen, wenn die Informationen für den Patienten als Adressaten inhaltlich überhaupt nichts aussagen oder jedenfalls keinen objektiv nachprüfbaren Inhalt haben. Aber auch Informationen, deren Inhalt ganz oder teilweise objektiv nachprüfbar ist, können aufgrund ihrer reklamehaften Übertreibung anpreisend sein.

Grundsätzlich nicht anpreisend ist die publizistische Tätigkeit von Ärzten sowie die Mitwirkung des Arztes an aufklärenden Veröffentlichungen medizinischen Inhalts. Unbeschadet sachlicher Kritik sind Äußerungen in herabsetzender Form über Kollegen, ihre Tätigkeit und über medizinische Methoden zu unterlassen.

In diesem Sinne ist im Regelfall:


Erlaubt Verboten
z.B.Hinweise auf Ortstafeln, in kostenlos verteilten Stadtplänen und über Bürgerinformationsstellen,Wiedereinbestellungen auf Wunsch des Patienten,Tag der offenen Tür,Kultur-, Sport- und Sozialsponsoring,Geburtstagsglückwünsche an eigene Patienten ohne Hinweise auf das eigene Leistungsspektrum,Hinweis auf Zertifizierung der Praxis,nicht aufdringliches (Praxis-)Logosachliche Informationen in Medien

3.3.4 Sonstiges

Die Kategorien „anpreisend“, „irreführend“ und „vergleichend“ sind nicht abschließend. Außerhalb dieser Kategorien bleibt dem Arzt auch zukünftig verboten:


das Auslegen von Hinweisen auf die eigene Tätigkeit/Praxis bei anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen (z.B. in Apotheken, Fitness-/Wellnesseinrichtungen, Massagepraxen),
eigene Zeitungsbeilagen,
das Inverkehrbringen von auf die ärztliche Tätigkeit hinweisenden Gegenständen außerhalb der Praxis (z.B. Kugelschreiber, T-Shirt, Kalender, Telefonaufkleber),
produktbezogene Werbung durch/für Dritte im Wartezimmer,
das Bezeichnen seiner Praxis z.B. als
Institut,
Tagesklinik,
Partner des Olympiastützpunktes X o.ä.,
das Herausstellen einzelner Leistungen mit und ohne Preis außerhalb der Praxis.

Demgegenüber ist dem Arzt in seinen Räumen gestattet z.B.:

 

das Auslegen von
Flyern/Patienten-Informationsbroschüren (auch „Wartezimmerzeitungen“) mit organisatorischen Hinweisen und Hinweisen zum Leistungsspektrum sowie Angaben zu seiner Person (z.B. Zeitpunkt der Erteilung der Facharztanerkennung, besondere Sprachkenntnisse) (solche Hinweise dürfen wie bisher im Internet geführt werden)
Plastikhüllen für Chipkarten
Kugelschreibern und sonstigen Mitgaben von geringem Wert (z.B. Kalendern mit Namens-/Praxisaufdruck)
Serviceangebote,
Kunstausstellungen.

3.4 Zur Vermeidung von Umgehungen ist nicht nur die aktive berufswidrige Werbung untersagt, sondern in Satz 3 auch solche, die vom Arzt veranlasst oder geduldet wird. Aufgrund dieser Regelung ist der Arzt verpflichtet, gegen ihm bekannt gewordene berufswidrige Werbung einzuschreiten.

3.5 Satz 4 der Vorschrift stellt klar, dass neben den Vorschriften der Berufsordnung, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Heilmittelwerbegesetz zu beachten sind. [217]

Gänzlich verboten ist die Werbung für Verfahren und Behandlungen, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von:


nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen, durch Krankheitserreger verursachten Krankheiten,
Geschwulstkrankheiten,
Krankheiten des Stoffwechsels und der inneren Sekretion, ausgenommen Vitamin- und Mineralstoffmangel und alimentäre Fettsucht,
Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe, ausgenommen Eisenmangel-anämie,
organische Krankheiten des Nervensystems, der Augen und Ohren, des Herzens und der Gefäße (ausgenommen allgemeine Arteriosklerose, Varikose und Frostbeulen), der Leber und des Pankreas, der Harn- und Geschlechtsorgane,
Geschwüre des Magens und des Darms
Epilepsie,
Geisteskrankheiten,
Trunksucht,
krankhaften Komplikationen der Schwangerschaft, der Entbindung und des Wochenbetts

beziehen.

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Umstritten war und ist, in wie weit kostenlose Eingangsuntersuchungen erlaubte Nebenleistungen oder unzulässige Absatzförderungsmaßnahmen sind.[218]