Handbuch Medizinrecht

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g) Unabhängigkeit

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Ein Arzt hatte eine in einem Hotel-Sanatorium gelegene Arztpraxis gepachtet. In der Präambel zum Pachtvertrag hieß es u.a.: „Bei der Verordnung von Leistungen ist dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, dass der Gast bzw. Patient eine möglichst umfassende Therapie wünscht und die Angebote des Sanatoriums in möglichst großem Umfang in Anspruch nehmen möchte.“ Darüber hinaus sollten die kaufmännische Verwaltung der Praxis und die Einziehung der Honorarforderungen der GmbH als Betreiberin des Hotel-Sanatoriums obliegen. Die dem Hotel-Sanatorium zu zahlende Pacht war umsatzabhängig geregelt. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seinem Urteil vom 6.11.2000 als Revisionsinstanz die Klage des Arztes gegen den Übernehmer des Sanatoriums rechtskräftig abgewiesen, weshalb dem Arzt Sicherheiten von knapp 150.000 DM verloren gingen. Zwar seien umsatzabhängige Entgeltvereinbarungen für vertraglich geschuldete Sachleistungen grundsätzlich zulässig. Etwas anderes könne man aber dann annehmen, wenn der Arzt durch die Struktur der umsatzabhängigen Entgelte verleitet oder gar gedrängt würde, überhöhte Honorarforderungen zu stellen. Entscheidend war im vorliegenden Fall, dass die Praxis – in das Hotel-Sanatorium integriert – wie der Gewerbebetrieb selbst in der Absicht möglichst hoher Gewinnerzielung geführt werden sollte. Dadurch werde die Gefahr heraufbeschworen, dass der Arzt fachliche und ethische Erfordernisse, die ihm die Berufsordnung auferlegt, geschäftlichen Interessen, nämlich der Gewinnerzielungsabsicht des Hotels, unterordne. Diese Entscheidung belegt in eindrucksvoller Weise, dass die ärztliche Berufsordnung eben nicht nur hehre Grundsätze, sondern echte Verbotsnormen enthält, die im gesamten wirtschaftlichen Betätigungsfeld des Arztes, soweit es mit seiner Berufstätigkeit zusammenhängt, Geltung beanspruchen können. Wesensmerkmal der Niederlassung ist die eigenverantwortliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Wesentlich ist hierfür, den ärztlichen Auftrag nach eigenem freiem Ermessen gestalten zu können. Die Inanspruchnahme fremder Geräte und fremden Personals steht dem ebenso wenig entgegen wie die Rücksichtnahme auf Darlehensgeber im Rahmen von Praxisinvestitionen. Eine stille Beteiligung an der Praxis eines Arztes wird aber überwiegend für unzulässig gehalten.[130] Dies gilt auch für andere Formen der direkten oder indirekten Beteiligung an einer Arztpraxis.[131] Ähnliche Beschränkungen gibt es für unzulässige Beteiligungen an einem MVZ.[132]

aa) Vorteilsgewährung und Zuweisung gegen Entgelt, wirtschaftliche Einflussnahme

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Die Unabhängigkeit[133] ärztlicher Entscheidungen von merkantilen Gesichtspunkten ist ein zentraler Bestandteil jeder ärztlichen Berufsordnung. Zum Teil werden ganz unterschiedliche Normbereiche angesprochen (§ 3 Abs. 2 MBO Verkaufstätigkeit, § 17 MBO freiberufliche Tätigkeit, § 31 MBO Verbot der Vorteilsgewährung und -annahme für die Zuweisung von Patienten und/oder Untersuchungsmaterial). Gerade die letztgenannte Vorschrift kann rechtlich erhebliche Auswirkungen entfalten und schweren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Nicht gerechtfertigte merkantile Gesichtspunkte können nämlich Verbotsgesetzcharakter gemäß § 134 BGB haben.[134] Das bedeutet, dass dagegen verstoßende Verträge nichtig sind.[135] Jenseits berufsrechtlicher Sanktionen, die selten genug sind, gibt es einschneidende zivilrechtliche Konsequenzen. Ergänzend sind die §§ 32, 33 MBO zu beachten, deren praktische Bedeutung aus rein berufsrechtlicher Sicht – jedenfalls bis heute – eher gering ist. Werden einem Gesellschafter Gewinne verursachungsgerecht nach der Zahl der von ihm veranlassten Untersuchungen zugeteilt, verstößt dies gegen diese Vorschrift. Insoweit sind alle entsprechenden Bestimmungen in Gesellschaftsverträgen berufsrechtswidrig mit der weiteren Konsequenz der zivilrechtlichen Nichtigkeit gem. § 134 BGB.[136] Klärungsbedürftig sind dagegen Konstruktionen, die eine Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn nach der Höhe ihrer Einlage nach Abzug aller Kosten für die leistungserbringenden Gesellschafter inkl. angemessener Arzthonorare für diese vorsehen. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen der veranlassten Untersuchung und dem wirtschaftlichen Erfolg. Dieser ist jedoch ein Erfolg der Gesellschaft und kommt allen weiteren Erfolgsberechtigten zugute. Man stößt z.B. bei Betreiber-Modellen oder auch Großgerätekooperationen auf diese Problematik. Eine ausschließlich oder überwiegend nach Überweisungsfrequenzen vereinbarte Gewinnverteilung ist allerdings auch in derartigen Gesellschaften rechtswidrig. Entsprechende Gesellschaftsbeschlüsse können von benachteiligten Gesellschaftern gerichtlich angegriffen werden und im worst case die ganze Konstruktion zum Einsturz bringen. Z.T. von anwaltlicher Seite empfohlene „Umgehungsstrategien“ halten in der Regel einer näheren Überprüfung nicht stand. Es muss aber zulässig sein, die Grundidee der Apparategemeinschaft auch bei derartigen Gesellschaften zu berücksichtigen. Damit ist gemeint, dass auch in einer Apparategemeinschaft der Einzelne durch die bessere Auslastung der Geräte profitiert (niedrigere Stück- und Gemeinkosten). Solange eine Gewinnverteilung die bessere Geräteauslastung den Gesellschaftern ähnlich wie in einer Apparategemeinschaft zufließen lässt, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar. Bevor man entsprechende Investitionen tätigt, kann es sich empfehlen, das vollständige Konzept[137] mit der zuständigen Landesärztekammer abzusprechen, um später „den Rücken frei zu haben“. Steuerrechtlich muss darauf geachtet werden, dass solche Gesellschaften nach Möglichkeit umsatzsteuer- und gewerbesteuerprivilegiert konstruiert werden. Dies ist auch dann denkbar, wenn nicht alle Gesellschafter gleichberechtigt an der Leistungserbringung teilnehmen. Vielfach reicht als gemeinsamer Zweck im Sinne des Steuerrechts aus, dass der Gesellschafter Arzt ist, eine Möglichkeit der Leistungsbeteiligung unter Einschluss der Fachgebietszugehörigkeit und Qualität gegeben ist, Leistungen überhauptdurchgeführt werden oder sich die Zusammenarbeit wenigstens auf Konsile, Demonstrationen oder einen sonstigen fachlichen Austausch beschränken. Eine eingehende steuerrechtliche Abklärung ist bei diesen Modellen unabdingbar.

bb) Vorteilsgewährung für sonstige Tätigkeiten

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§ 31 MBO untersagt sog. „Koppelgeschäfte“,[138] die die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen bzw. überwiesenen Patienten abhängig macht.[139] Ein derartiges Verhalten kann gleichzeitig einen Verstoß gegen das Werbeverbot und gegen §§ 3, 5 UWG darstellen. Im Übrigen kann in derartigen Absprachen ein schwerwiegender vertragsärztlicher Verstoß liegen, der von den jeweiligen KVen disziplinarrechtlich geahndet werden kann (§ 73 Abs. 7 SGB V). Ebenso unzulässig ist die Einräumung des Liquidationsrechts für den Einsender im Privatkassenbereich als Gegenleistung für die Zusendung von „Kassenpräparaten“.

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Eine weitere Form der unzulässigen Vorteilsgewährung besteht in der Beteiligung des überweisenden Arztes am Liquidationserlös des die Leistung erbringenden Arztes. Die möglichen Beteiligungsformen sind vielfältig, der Einfallsreichtum der Beteiligten nahezu unbegrenzt. Zum Teil wird dem Einsender ein bestimmter Honoraranteil unter Bezugnahme auf angebliche Beratungsleistungen rückvergütet. Demgegenüber gibt es von der Rechtsprechung akzeptierte Honorarbeteiligungsmodelle, die jedoch insoweit eines gemein haben, dass der sachliche Grund in der Versorgung des Patienten und/oder dem besonderen Versorgungsauftrag liegt.[140]

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Erhebliches Missbrauchspotential eröffnet die Teilgemeinschaftspraxis (TGP), weil manche glauben, unter ihrem Deckmantel die verbotene Zuweisung gegen Entgelt kaschieren zu können (s.o. Rn. 150).[141] Neben der TGP werden zunehmend weitere gesellschaftsrechtliche Modelle zur Umgehung des § 31 erprobt.[142]

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Die am Markt anzutreffenden Strukturen sind z.T. phantasiereich. Man stößt auf GmbH & Co. KGs, deren Kommanditisten i.d.R. Ärzte sind oder deren Gesellschaftsanteile von Treuhändern gehalten werden, um die Anonymität der „Share Holders“ zu wahren. Man findet Aktiengesellschaften, die an Ärzte Vorzugsaktien ausgeben oder auch Ärzte-Fonds,[143] die Gewinne aus Gesundheitseinrichtungen und -betrieben verwalten. All diesen Konstruktionen ist gemein, dass sie dann angreifbar sind, wenn die „Rendite“ personenbezogen umsatzabhängig ist; mit anderen Worten dann, wenn der Arzt als Zuweiser oder Verordner direkt und unmittelbar den Wert seines Kapitalanteils steuert und damit sein Kapitalertrag einen Provisionscharakter erhält.[144] Eine Indizwirkung für eine unzulässige Beteiligung ist eine unangemessene Kapitalrendite.[145] Ein Kriterium für die Beurteilung der „Unangemessenheit“ könnte der Fremdvergleich sein; d.h. es wird geprüft, welchen Gewinn ein nichtärztlicher Gesellschafter in einem vergleichbaren Unternehmen ohne die Steuerung über die eigene Verordnung erzielen könnte.[146]

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Ärzte sind aber auch im Beschaffungswesen tätig, sei es, dass sie Sprechstundenbedarf verordnen oder sonstige Dienstleistungen z.B. Koordinierung weiterer Heilberufsmaßnahmen vermitteln. Neben den altbekannten Formen eher „primitiver“ Belohnungssysteme gibt es hier mittlerweile ausgeklügelte gesellschaftsrechtliche Konstruktionen, die den insoweit überwiegend anonym beteiligten Ärzten über Aktien die gewünschten Vorteile vermitteln. Unzulässig ist auch die mittelbare Beteiligung von Zahnärzten als stille Gesellschafter an einem Dentallabor, mit dem sie über einen Kooperationsvertrag verbunden sind.[147] Folgendes sollte stets die Aufmerksamkeit schärfen:

 

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Manche Anbieter gehen dazu über, für heikle Bestellvorgänge nachweisbar eine Vorteilsgewährung auszuschließen, um diese über die Hintertür via anderen Preisnachlässen im Sortiment oder der Aktienbewertung doch fließen zu lassen. Derartiges findet man z.B. bei einer großzügigen Rabattierung von Gerätelieferungen, wenn diese für die nachfolgende Materialapplikation notwendig sind (z.B. Kontrastmittel). Vorsicht ist immer dann geboten, wenn nur Ärzte einer bestimmten Fachrichtung Anteilsscheine erwerben dürfen; honi soit qui mal y pense. Was auf Seiten dieser Unternehmen ebenso wie vieler Vertragsärzte viel zu wenig gesehen und gewürdigt wird, ist der Umstand, dass seitens der Sozialgerichte schon lange von Vertragsärzten gefordert wird, dass diese – bei bestehender Möglichkeit – den „Bestpreis“ realisieren;[148] dass es einen Bestpreis tatsächlich gibt, lässt sich den Bewerbungen vieler Firmen insoweit entnehmen, als diese selbst davon ausgehen, dass vereinbarte Pauschalvergütungen erheblich unter den gegenwärtigen Verkaufspreisen liegen. Hergeleitet wird diese Verpflichtung von der Rechtsprechung daraus, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung in einem besonderen Treueverhältnis zur Krankenkasse steht, was den BGH dazu veranlasst hat, bei der Verletzung von Treuepflichten und der (vorsätzlichen) Veranlassung von Nachteilen für eine Krankenkasse (im entschiedenen Fall Verordnung von Arzneimitteln) den Untreuetatbestand (§ 266 StGB) als erfüllt anzusehen.

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Nicht erst seit der Neuregelung der integrierten Versorgung zum 1.1.2004 gemäß § 140a SGB V a.F. (heute abgelöst durch die besondere Versorgung gemäß § 140a SGB V n.F.) gab es vielfältige Bestrebungen, stationäre und ambulante Versorgung besser zu vernetzen. Rationalisierungs- aber auch Qualitätsverbesserungsziele stehen dabei im Vordergrund. Hiervon sind sog. „Ein- oder Zuweiserprämien“ zu unterscheiden, die Krankenhäuser unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung an einweisende Ärzte bezahlen, um sie an das Haus zu binden.[149] Die Grenzen des guten Geschmacks waren hier teilweise längst überschritten (siehe hierzu Kap. 22 mit weiteren Beispielen). Ein weiterer Aspekt finanzieller Anreizinstrumente im Rahmen der GKV findet sich in den Rabattvereinbarungen in § 130a Abs. 8 SGB V. Was hier teilweise euphemistisch mit der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven umschrieben und vom Gesetzgeber letztlich sozialversicherungsrechtlich „geadelt“ worden ist, wirkt in der Praxis teilweise wie die ansonsten unerwünschte Beeinflussung ärztlicher Entscheidung unter Hintanstellung der für den Patienten vorteilhafteren Alternative. Zwar scheint der Gesetzgeber die Zeichen der Zeit langsam zu erkennen,[150] ob der psychologische Flurschaden, den „Pseudo-IV-Modelle“ in den Köpfen vieler Beteiligter angerichtet haben, so schnell zu beseitigen sein wird, dürfte fraglich sein.[151] Die Bundesärztekammer sah sich deshalb im April 2007 veranlasst, einige Klarstellungen zu veröffentlichen.[152] Bezeichnender Weise nimmt § 32 Abs. 1 S. 2 MBO die sozialversicherungsrechtliche Vorteilsgewährung von dem generellen Verdikt der Vorteilsgewährung aus. Dies führt teilweise zu absurden Ergebnissen. Im EBM wird seit dem 1.9.2019 die erfolgreiche „Vermittlung“ eines dringenden Facharzttermins durch Empfehlung von Haus- und Kinderärzten mit einer extrabudgetären Gebühr i.H. von 10,00 € finanziell „belohnt“. Geschieht dasselbe außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, verstößt dies gegen § 31 MBO und ist nach den §§ 299a ff. StGB strafbar.

cc) Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten – Schnittstellenoptimierung oder Zuweisungsprovision?

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Die Begriffe „sektorübergreifende Versorgung“ oder „Schnittstellenoptimierung“ bzw. „Schnittstellenmanagement“ sind zu modernen Schlagwörtern im Gesundheitswesen geworden. Wer sie benutzt, signalisiert damit Lösungskompetenz. Vor dem Hintergrund eines harten Wettbewerbs zwischen den Krankenhäusern und einer zunehmenden Unterfinanzierung stationärer Einrichtungen nimmt es nicht wunder, dass nicht wenige Krankenhäuser versuchen, niedergelassene Ärzte als Zuweiser an sich zu binden.[153] Dafür scheint es schon lange nicht mehr auszureichen, einfach „gut“ zu sein und durch Service die Patientenzufriedenheit zu steigern. Da trifft es sich gut, dass man unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung oder auch der „Schnittstellenoptimierung“ mit niedergelassenen Ärzten (nicht immer nur aus der näheren Umgebung) Kooperationsvereinbarungen schließt, durch die diese Ärzte dem Krankenhaus vorgeblich im prä- und poststationären Bereich Arbeit abnehmen und dafür vom Krankenhaus vergütet werden.[154] Zum Teil wird auch noch die Qualitätssicherung bemüht. In der Praxis wird allerdings nicht immer sauber zwischen einer poststationären Behandlung i.S.v. § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V und einer poststationären Behandlung zur Abkürzung der Krankenhausverweildauer unterschieden, obwohl diese Unterscheidung erhebliche Konsequenzen hat[155]. Denn oft entlässt das Krankenhaus den Patienten, ohne dass ein Fall von § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorliegt, in Absprache mit einem oder mehreren zuständigen Vertragsärzten etwas früher nach Hause („blutige Entlassung“), z.B. weil der Patient dies wünscht und dies bei entsprechender externer ärztlicher Abdeckung medizinisch vertretbar ist. Für den dadurch bei den Vertragsärzten entstehenden Betreuungsmehraufwand erhalten diese vom Krankenhaus einen bestimmten Anteil der DRG als Honorar. Bei nicht wenigen dieser Modelle handelt es sich aber um bloße „Einweiser- oder auch Fangprämien“, die das ganze Konstrukt als „Zuweiserkartell“ erscheinen lassen ohne dass in Wahrheit eine sektorübergreifende Kooperation vorliegt, z.B. weil dem Vertragsarzt Pflichten zugewiesen werden, die ihm ohnehin bereits originär obliegen.[156] Besondere Vorsicht ist oft schon dann geboten, wenn in der Präambel zu derartigen Verträgen das „Patientenwohl“ besonders hervorgehoben wird, zumal sich der Patient manchmal wundert, warum er plötzlich in ein ihm bislang völlig unbekanntes Krankenhaus, womöglich noch in der Nachbarstadt eingewiesen wird. Die Zuweiserprovision ist für das Krankenhaus wettbewerbswidrig (Störer i.S.d. UWG)[157] und für den Arzt berufsordnungswidrig. Derartige Verträge sind wegen Verstoßes gegen § 134 BGB unheilbar nichtig (vgl. § 21 Rn. 20).[158] Durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG)[159] v. 22.12.2011, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist, wurden in mindestens drei Versorgungsbereichen die Koordinaten zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern neu bestimmt. Es sind dies die vor- und nachstationäre Behandlung (§ 115a SGB V), das ambulante Operieren im Krankenhaus (§ 115b SGB V) und die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b SGB V). Manche rechnen auch die Tätigkeit von Honorarärzten im Krankenhaus hierzu, was jedoch im Ergebnis unzutreffend ist. Diese Frage hat mit dem GKV-VStG nichts zu tun, wirft aber nicht zuletzt auch erhebliche sozialversicherungsrechtliche Fragen auf. und wird daher in anderem Zusammenhang zu behandeln sein.[160] Berufsrechtlich geht es im Hinblick auf § 31 weniger um die Sinnhaftigkeit derartiger Strukturänderungen, sondern vielmehr darum, ob unter dem Vorwand, diese Strukturen umzusetzen, Belohnungssysteme i.S.d. § 31 implementiert werden. Zurecht warnen einige, im Sog der Korruptionsdebatte derartige Kooperationsformen nicht unter Generalverdacht zu stellen, sondern einer Einzellfallprüfung zu unterziehen.[161] Ob nun freiberufliche Honorararztverträge oder Teilanstellungsverträge vorzuziehen sind, wurde viele Jahre ausgesprochen kontrovers diskutiert,[162] dürfte seit den Entscheidungen des BSG vom 12.7.2019 zugunsten der Teilanstellung des bis dato als Honorararzt tätigen Operateurs entschieden sein (siehe auch Kap. 18 Rn. 158 und Kap. 22).[163] Seine Stellung sollte als leitende Position ausgestattet sein (Teilzeit-Chefarzt). Dies kann u.U. zu Kompetenzstreitigkeiten mit anderen an einem Haus angestellten leitenden Ärzten führen, muss aber gelöst werden. Manche kritisieren bereits, wenn der Vertrag so gestaltet ist, dass der Teilzeit angestellte Arzt nur von ihm selbst eingewiesene Patienten operiert und hierfür ein Honorar erhält, das wesentlich über der Vergütung angestellter Oberärzte liegt. Zum ersten Teil der Fragestellung könnte man entgegnen, dass ja auch ein Belegarzt häufig nur die von ihm selbst eingewiesenen Patienten operiert, was in der Vergangenheit niemand beanstandet hat, wenn die Indikation stimmt und die Klinik für den geplanten Eingriff geeignet ist. Man wird also fragen müssen, ob er einen Patienten nur deshalb in ein bestimmtes Krankenhaus – und nicht in ein anderes mindestens ebenso, wenn nicht sogar besser geeignetes Krankenhaus einweist, nur weil ihm dort die Möglichkeit einer vielleicht attraktiven Vergütung eingeräumt wird. An dieser Stelle besteht die Gefahr, Elemente der Angemessenheitsprüfung mit der Frage, ob eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, zu vermischen.[164] Um diese Diskussion zu vermeiden, ist es letztlich vorzugswürdig, wenn der Arzt für alle Patienten seiner Abteilung zuständig ist, nicht nur für die von ihm selbst eingewiesenen Patienten.

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Die Zulässigkeit sog. Hol- und Bringedienste wurde von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.[165] Entscheidend dürfte weniger die tatsächliche Distanz, sondern vielmehr die Gefahr für das zu untersuchende Probengut durch die Dauer des Transports sein. Ist darüber hinaus ein guter Kontakt zwischen Diagnostiker und einsendender Einrichtung gewährleistet, sprechen auch Hol- und Bringedienste über eine längere Distanz nicht gegen eine unerlaubte Vorteilsgewährung, da bei derartigen Untersuchungsleistungen der Kontakt zwischen Arzt und Patient ohnehin nicht im Vordergrund steht und somit das Kriterium für eine örtliche Bezugsgröße entfällt.[166] Wegen § 11 ApoG ist allerdings ein Hol- und Bringedienst zwischen Apotheker und Arzt unzulässig.[167] Neue Versorgungsformen im Rahmen des DVG können hierzu allerdings andere Lösungsansätze anzeigen.

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Die Annahme von Zuwendungen, die sich ein Augenarzt von einem Optiker versprechen lässt, der in demselben Gebäude ein Geschäft führt, sind auch dann standeswidrig, wenn der Arzt sich zu keiner Gegenleistung verpflichtet. Die umsatzabhängige Verzinsung eines von dem Augenarzt dem Optiker gewährten Darlehens erweckt zusätzlich den Verdacht der Gewinnbeteiligung an ärztlichen Verordnungen.[168]

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Inwieweit Patientenvermittlungsagenturen unter § 31 MBO fallen, kann nicht einheitlich bewertet werden. Ist es Aufgabe der Agentur, z.B. im Ausland zahlungskräftige Patienten anzuwerben, dürfte dieses Verhalten eher an § 27 MBO zu messen sein. Werden (ausländischen) Einrichtungen oder Personen des Gesundheitswesens Provisionen für die Zuweisung von Patienten versprochen, kann der Schutzzweck von § 31 MBO verletzt sein. Generell muss beachtet werden, dass Patientenvermittlung eine gewerbliche Tätigkeit darstellen kann. Unzulässig dürften wohl aber solche Vermittlungs- oder Maklerverträge sein, in denen ein bestimmter Prozentsatz vom ärztlichen oder Krankenhaushonorar als Entgelt vereinbart wird.[169] Die verschiedenen Fallkonstellationen sind jedoch vielschichtig, weil auch die Angebotsstruktur sehr unterschiedlich sein kann. Unproblematisch ist in vielen Fällen, wenn der ausländische Patient die Agentur selbst bezahlt. Manche Agenturen organisieren auch die Reise und Dolmetscherdienste. Wenn das hierfür von der Klinik gezahlte Vermittlungshonorar keine Zuweiserprovisionsanteile enthält, mag dies u.U. zulässig sein. Sinnvoll ist jedenfalls, die Vertragsbeziehungen zwischen Klinik und Agentur gegenüber dem Patienten offen zu legen.[170]