Handbuch Medizinrecht

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa
2. Berufsausübung

a) Musterberufsordnung 2004

149

Der 107. Deutsche Ärztetag hatte im Mai 2004 in Bremen unter dem Eindruck des am 1.1.2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz – GMG[62] die Musterberufsordnung (MBO),[63] insbesondere im Hinblick auf die beruflichen Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit einschneidend geändert. Ziel dieser Änderung war einmal die Wettbewerbsfähigkeit freiberuflich tätiger Ärzte gegenüber anderen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen zu verbessern und zu stärken, dann aber auch den ärztlichen Berufsträgern die Möglichkeit zu erhalten, die vom Gesetzgeber im Rahmen des GMG geschaffenen, neuen institutionellen Möglichkeiten unter Wahrung der Freiheit ärztlicher Entscheidungen nutzen zu können.[64] Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Umsetzung in das Berufsrecht der jeweiligen Landesärztekammern.[65] Einige Änderungen konnten je nach Bundesland erst dann in Satzungsrecht der Landesärztekammern umgesetzt werden, nachdem der Landesgesetzgeber zuvor die Heilberufe-Kammergesetze geändert hatte.

150

Eine weitere Änderung betraf den Problembereich der Teilgemeinschaftspraxis. Im Zuge der Einführung der Teilgemeinschaftspraxis (TGP) im Jahre 2004 ist es nämlich in der Praxis vermehrt zu Kooperationsformen gekommen, deren Hintergrund weniger die ärztliche Zusammenarbeit, sondern vielmehr die Bemäntelung der unzulässigen Zuweisung gegen Entgelt als angeblicher Gesellschaftsgewinn gewesen ist.[66] Deshalb wurden diese Systeme vornehmlich in der Zusammenarbeit zwischen methodendefinierten Fächern (und hier in erster Linie Radiologen, aber auch Laborärzten[67]) und Zuweisern etabliert, also Geschäftsbeziehungen, die schon bislang von Hause aus für „Anfütterungspraktiken“ besonders anfällig waren und sind. Man findet sie aber auch innerhalb einer Arztgruppe, wenn es zwischen hochspezialisierten Angehörigen dieser Arztgruppe zu den sonstigen Ärzten ein starkes Einkommensgefälle gibt, wie etwa zwischen ophtalmologischen Kataraktoperateuren und ausschließlich konservativ tätigen Augenärzten. Die TGP dient dann dazu, Honoraranteile aus der operativen Tätigkeit an die vormaligen Überweiser als „Gesellschaftergewinn“ zu transferieren. Daneben gibt es dann noch eine Art „Publikums-TGP, in der eine Vielzahl von Praxen für eine geringe Eintrittsgebühr zusammengeschlossen werden, um wirtschaftlich ein Zuweiserkartell zu bilden.[68] Die Dreistigkeit, mit der diese Modelle am Markt platziert wurden, war erstaunlich. Langsam begannen die Kammern zu merken, was sich hier abspielte. Durch Beschluss[69] vom 24.11.2006 hatte der Vorstand der Bundesärztekammer § 18 Abs. 1 MBO entsprechend angepasst. Nach dem neuen Wortlaut in § 18 Abs. 1 kann sich der Zusammenschluss zur gemeinsamen Ausübung des Arztberufs zwar auch zum Erbringen einzelner Leistungen erfolgen, sofern er nicht lediglich einer Umgehung des § 31 MBO dient. Diese Regelung war im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn der BGH[70] den insoweit wortgleichen § 18 Abs. 1 S. 3 1. Alt. der baden-württembergischen BO wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG für nichtig erklärt hatte.

151

Im Mittelpunkt der Entscheidung des BGH stand aber nicht das Zuweisungsverbot gegen Entgelt gemäß § 31 MBO, sondern die Unrechtsvermutung in § 18 Abs. 1 S. 3 1. Alt. BO Ba-Wü, wonach eine Umgehung insbesondere dann vorliegt, wenn sich der Beitrag der Ärztin oder des Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer Teil-Berufsausübungsgemeinschaft beschränkt oder der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der von ihnen persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Nur diese Einschränkung hielt der BGH für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. § 18 Abs. 1 S. 3 2. Alt BO und § 18 Abs. 1 S. 4 BO, wonach die Anordnung einer Leistung, insbesondere aus den Bereichen der Labormedizin, der Pathologie und der bildgebenden Verfahren, keinen Leistungsanteil i.S.d. S. 3 darstellt, wurden ausdrücklich nicht beanstandet. Im Gegenteil wurde dem Berufungsgericht, an das der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wurde, aufgegeben, die vertraglichen und tatsächlichen Abläufe durch entsprechende Beweiserhebungen zu klären. Damit hat der BGH keineswegs, wie von interessierte Seite in ersten Bewertungen des Urteils behauptet, als zu restriktiv empfundene Zuweisungspraktiken erleichtert. Das OLG hat im Ergebnis den Unterlassungsanspruch bestätigt, weil die gesellschaftsrechtliche Konstruktion auch nach Wegfall von § 18 Abs. 1 S. 3 1. Alt. BO gegen § 18 Abs. 1 S. 2 und 4 sowie S. 3 2. Alt. BO verstoße.[71] Als Konsequenz der Entscheidung des BGH hat die Baden-Württembergische Landesärztekammer den vom BGH beanstandeten Passus aus ihrer Berufsordnung gestrichen. In der MBO wurde diese Änderung nachvollzogen.

152

In zwei Entscheidungen vom 25.3.2015 hat das BSG eine eigene vertragsarztrechtliche Bewertung vorgenommen. In einem Verfahren ging es um eine Teil-ÜBAG zwischen ophtalmologischen Kataraktoperateuren und einem ausschließlich konservativ tätigen Augenarzt.[72] Im Ergebnis führte die Vertragsgestaltung dazu, dass der konservativ tätige Augenarzt seine Praxis unverändert in E. ausübte. Die ophtalmologischen Operateure führten die präoperative Diagnostik, die Operationen wie auch die Nachsorge bei Patienten, die den Erstkontakt in E. hatten, ebenfalls in der Praxis in E. aus, hatten ihre eigene Praxis aber in Sch. Ihre Tätigkeit an von dem konservativ tätigen Augenarzt zugewiesenen Patienten unterschied sich bis auf den Ort des Eingriffs nicht von der zuvor gelebten Überweisungspraxis. Dennoch waren alle Gesellschafter am Betriebsergebnis paritätisch beteiligt. Der Berufungsausschuss genehmigte diese Teil-ÜBAG nicht. Das BSG bestätigte diese Entscheidung. Die überdurchschnittliche Gewinnbeteiligung des konservativ tätigen Augenarztes an deutlich besser bewerteten operativen Leistungen bei von ihm ursprünglich behandelten Patienten spreche dafür, dass es sich um unzulässige Zuweisungen gegen Entgelt handele. Hier liege im Übrigen schon begrifflich keine Teil-BAG vor, weil der konservativ tätige Augenarzt seine gesamte Praxis eingebracht habe. Eine Teil-BAG setze voraus, dass bei dem Einbringenden noch ein Rest verbleibe, den er eigenständig vertragsärztlich ausführen könne. Ob das BSG den Erwägungen des BGH in dessen Entscheidung vom 15.5.2014 in allen Punkten folge, wurde ausdrücklich offen gelassen, da sich der zu beurteilende Sachverhalt unterscheide. Das BSG schrieb allen Interessierten für die Zukunft noch folgendes ins Stammbuch: Vertragliche Regelungen für eine Teil-BAG müssen vertraglich klar fixiert werden. Es müsse dem Vertrag zu entnehmen sein, welche Gebührenziffern des EBM als konkretisierte Leistungen Bestandteile der gemeinsamen Berufsausübung sein sollen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsteller. Größere strukturelle Vertragsänderungen während des gerichtlichen Verfahrens bewirken keine Heilung. Für die in § 15a Abs. 5 BMV-Ä aufgestellte Forderung, die Teil-BAG müsse medizinisch erforderlich sein, um Patienten gemeinsam zu versorgen, gebe es allerdings keine Rechtsgrundlage.

153

In der zweiten an diesem Tag verkündeten Entscheidung grenzte das BSG die vollständige Einbringung einer Praxis in eine Teil-BAG von der Einbringung eines vollständige Leistungskomplexes ab. Letzteres stünde einer Genehmigung einer Teil-BAG nicht entgegen.[73] Beide Ärzte (eine Internistin und ein Allgemeinarzt) waren Hausärzte und nahmen jeweils am DMP Diabetes Typen I und II. Die Internistin erbrachte überwiegend aber nicht ausschließlich diabetologische Leistungen. Der Allgemeinarzt hatte neben den diabetologischen Leistungen noch einen wesentlichen Anteil außerhalb der Diabetologie. Beide Ärzte wollten sich zu einer überörtlichen Teil-BAG zum Zwecke der diabetologischen Versorgung einschließlich Fußambulanz zusammenschließen. Zulassungs- und Berufungsausschuss lehnten die Genehmigung ab; die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Leistungen, die zur Behandlung bestimmter, im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Krankheitsbilder erforderlich sind, können in einer Teil-BAG vergesellschaftet werden.[74] Das BSG schränkt dies aber gleich wieder ein. Führe ein Arzt z.B. in den Fächern Innere Medizin oder Chirurgie eine Schwerpunktbezeichnung, die ja fachgebietsähnlich verselbstständig sei, könne er kaum Partner einer Teil-BAG sein, weil jenseits seines Schwerpunkts, wenn er diesen einbringe, kein maßgeblicher vertragsärztlicher Rest mehr verbliebe.[75] Nach diesseitiger Auffassung müsste es aber möglich sein, dass ein Kardiologe und ein Radiologe eine Teil-BAG hinsichtlich des Kardio-MRT gründen, wenn die sonstigen kardiologischen und radiologischen Tätigkeiten nicht vergesellschaftet werden.

154

Wer schon bislang Ziel und Schutzzweck von §§ 18, 31 MBO verinnerlicht hat, hat mit dieser Konkretisierung durch das BSG keine Schwierigkeiten. Auch wenn das BSG § 15a Abs. 5 BMV-Ä mangels Ermächtigungsgrundlage für nichtig erklärt, wird insbesondere durch die Ausführungen in der Entscheidung zum diabetologischen Leistungskomplex deutlich, dass es Schnittmengen geben sollte. Was man in der Vergangenheit vielleicht nicht in dieser Deutlichkeit gesehen hat (oder auch nicht sehen wollte), ist der Umstand, dass die Zuweisungsproblematik auch innerhalb einer (Teil-)BAG virulent werden kann. Gesellschaftsrechtlich wird sich hier sicherlich Widerspruch regen, weil bislang die Gewinnverteilung eindeutig der freien vertraglichen Vereinbarkeit zugerechnet wurde. Man darf gespannt sein, wie die Kautelarpraxis damit umgeht. Das BSG fordert Transparenz bei der Vertragsgestaltung. „Weiche“ Formulierungen bergen das Risiko, nicht vor den strengen Blicken aus Kassel zu bestehen. Das Risiko trägt der Klauselverwender (und ggfls. der den Vertrag gestaltende Berater). Was ist mit dem Regressrisiko, wenn der Zulassungsausschuss nach Vorlage des Vertrages die Teil-BAG (bestandskräftig) genehmigt hat, im Rahmen späterer Verfahren aber gerichtlich festgestellt wird, dass diese Teil-BAG nicht genehmigungsfähig war? Ein erster Reflex geht sicherlich dahin, Honorarnachteile nur für die Zukunft anzunehmen. Ob diese Hoffnung trägt, mag man angesichts der Rechtsprechung des BSG bezweifeln.[76] Seit in krafttreten der §§ 299a, 299b StGB wird man auch berücksichtigen müssen, dass derartige Fallgestaltungen im Lichte dieser Vorschriften geprüft werden können. Steuerlich ist zu bedenken, dass Gewinne aus unzulässigen gesellschaftlichen Beteiligungen gewerbliche Einkünfte darstellen mit allen sich daraus ggf. zu ziehenden Konsequenzen.[77]

 

155

Der Gesetzgeber hatte für den Bereich der GKV ebenfalls reagiert und mit dem VÄndG zum 1.1.2007 in § 33 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV eine TGP zwischen Ärzten, die nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden können und anderen Ärzten, gänzlich untersagt. Eine Umgehung durch Anstellung dieser Ärzte war wiederum im BMV-Ä (für den EKV gab es eine vergleichbare Regelung) mit Wirkung zum 1.7.2007 ausgeschlossen worden (galt aber nur bis zum 30.9.2013). Durch das GKV-VStG ist § 33 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV abermals geändert worden. Das strikte Verbot einer TGP mit Ärzten der methodendefinierten Fächern wurde aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt, die sich im Lichte des ebenfalls geänderten § 73 Abs. 7 SGB V an den berufsrechtlichen Vorgaben des § 18 Abs. 1 MBO orientiert. Damit ist wieder ein Gleichklang zwischen Vertragsarztrecht und Berufsrecht hergestellt. Jetzt wäre z.B. eine der wenigen sinnvollen Kooperationsformen zwischen Radiologen und Kardiologen im Rahmen eines Kardio-MRT vertragsarztrechtlich als TGP zulässig, wenn es sich um eine echte fachlich gelebte Kooperation handelt.

156

Bezüglich der anderen Änderungen der MBO 2004 haben mittlerweile fast alle Landesärztekammern die hier angesprochenen Vorschriften übernommen. Dies gilt insbesondere für § 23a MBO. In denjenigen Landesärztekammerbereichen, in denen dies nicht der Fall ist, kann sich die Nummerierung der einzelnen Vorschriften von der Nummerierung in der MBO an dieser Stelle unterscheiden. Zumeist handelt es sich nur um die Differenz einer Position.[78] Dies hat folgenden Hintergrund. § 18 MBO n.F. verwendet nämlich den im Ergebnis offeneren Begriff der „für den Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen“, wenn die unabhängige und nicht gewerbliche Berufsausübung gewährleistet ist. Auch nach der Neufassung bleibt es jedoch dabei, dass sich die Frage der Zulässigkeit grundsätzlich nach Landesrecht richtet.[79] Gemäß § 23a MBO ist für Berufsausübungsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet, sich in Form einer juristischen Person des Privatrechts, also in erster Linie der GmbH (auch in der seit 1.11.2008 möglichen „Unternehmergesellschaft“) oder als AG zu organisieren. Einige Heilberufsgesetze der Länder untersagten dies früher ausdrücklich (mittlerweile nur noch Bayern Art. 18 Abs. 1 S. 1 HKaG). In einigen Landesärztekammerbereichen so z.B. in Niedersachsen sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine juristische Person des Privatrechts positiv formuliert, § 32 Abs. 2 HKG (vermittelnd § 4a Abs. 5 BerlinerKG). Allerdings soll nicht übersehen werden, dass auch diejenigen Länder, die früher ein derartiges Verbot – in unterschiedlicher Ausprägung – in ihren Heilberufs-Kammergesetzen verankert hatten, mittlerweile darangegangen sind, diese Haltung aufzugeben. So heißt es z.B. in § 29 Abs. 2 HeilberufsG NRW „Die Führung einer Einzelpraxis oder einer Praxis in Gemeinschaft in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts setzt voraus, dass die Kammern in der Berufsordnung Anforderungen festgelegt haben, die insbesondere gewährleisten, dass die heilkundliche Tätigkeit eigenverantwortlich, unabhängig und nicht gewerblich ausgeübt wird.“ Die BO der ÄK Nordrhein enthält eine derartige Regelung bislang nicht, die BO der ÄK W-L hingegen schon. Maßgeblich sind jedenfalls die Regelungen in den Heilberufs-Kammergesetzen[80].

157

Das Verbot, ambulante ärztliche Heilkunde in Form einer Kapitalgesellschaft auszuüben, hatte zumindest in den Ländern einer Überprüfung standgehalten, in denen dies im HeilberufsG selbst geregelt ist.[81]

b) Unvereinbarkeiten, Unabhängigkeit

158

Die ärztliche Berufsordnung wird von Ärzten (und Nicht-Ärzten) häufig als „überholte Schilderordnung“ bezeichnet, die in einem modernen Gesundheitswesen nicht mehr zeitgemäß sei. Abgesehen davon, was die Kritiker der Berufsordnung unter „einem modernen Gesundheitswesen verstehen“, verwandelt sich der Spott über die Berufsordnung immer wieder in blankes Entsetzen, wenn Betroffene feststellen, dass Verstöße gegen die Berufsordnung ganz erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen zeitigen können. Damit sind nicht Geldbußen oder Berufsgerichtsverfahren gemeint. Es ist vielfach unbekannt, dass nicht wenige Normen der Berufsordnung sog. Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB sind. Dies hat zur Folge, dass gegen diese Normen verstoßende Rechtsgeschäfte (z.B. Gesellschafts- und Pachtverträge) nichtig sein können und dadurch Schäden in sechsstelliger Höhe auflaufen. Daneben spielen Unterlassungsverfügungen von Mitbewerbern bzw. entsprechenden Vereinigungen zur Überwachung des fairen Wettbewerbs eine wichtige Rolle; sie lassen so manche clevere Geschäftsidee wie eine Seifenblase platzen.

159

Schutzobjekt von § 3 MBO ist sowohl die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit als auch das Ansehen des Arztes in der Bevölkerung. Es soll nicht der Verdacht aufkommen, der Arzt würde therapeutische Entscheidungen von berufsfremden Erwägungen abhängig machen. Dem Arzt ist nach § 3 Abs. 1 S. 2 MBO auch verboten, seinen Namen in Verbindung mit der ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben.[82] Unter der ärztlichen Berufsbezeichnung ist zum einen die Bezeichnung „Arzt“ und die als „Facharzt für . . .“ zu verstehen, aber auch Titel wie außerplanmäßiger Professor (den sowieso niemand in dieser Form führt), Professor oder Sanitätsrat. Amtsbezeichnungen wie z.B. Professor (für einen beamteten Professor) dürfen für außerdienstliche Zwecke nicht verwendet werden. Lässt ein Beamter dies zu, so liegt hierin eine Dienstpflichtverletzung, wenn die Verwendung etwa für eine – ggf. genehmigungspflichtige – Nebentätigkeit erfolgt. Die Verwendung des Doktor-Titels in einer Firma ist unter handels-(firmen)rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Verwendung muss mit der Würde eines Arztes in Einklang stehen, um standesgemäß zu sein. Als unzulässige Verwendung des Arztnamens für gewerbliche Zwecke ist auch die sog. „Schleichwerbung“ für Produkte unter angeblicher neutraler medizinischer Bewertung zu verstehen. Die Grenzen zwischen Werbung und Information sind fließend. Nicht ohne Grund sollen Produktinformationen der Firmen in Printmedien als „Anzeige“ kenntlich gemacht werden, um dem Verbraucher/Leser zu signalisieren, dass er nicht zwingend mit einer abwägenden Information rechnen muss. Deswegen versuchen viele Firmen durch vorgebliche redaktionelle Beiträge diese Grenze zu kaschieren. Gerade in den Fernsehmedien hat diese Art von Schleichwerbung oder auch Produktplacement für Furore gesorgt. Wer Werbung als Information tarnt, verschleiert. Das OLG München hat im Falle einer Werbebroschüre für Nahrungsergänzungsmittel sehr deutlich festgestellt:[83]

Der Leser als Laie misst dem redaktionellen Text (eines Arztes), der für sich Vertrauen in seine Sachkompetenz als im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel erfahrener Arzt in Anspruch nimmt, als fachlich orientierter und neutraler Instanz größere Bedeutung bei und steht ihm unkritischer gegenüber als den werbenden Behauptungen von Inserenten. Dieser Fall zeigt darüber hinaus exemplarisch, wie wichtig es ist, klar zwischen Eigenwerbung des Arztes, mit der sich die Entscheidung nicht vorrangig auseinandersetzt, und (gewerblicher) Produktwerbung zu unterschieden. Die Eigenwerbung des Arztes wäre im Hinblick auf die zunehmend liberale Rechtsprechung des BVerfG möglicherweise noch zu tolerieren. Wettbewerbswidrig und damit unlauter wird die Darstellung dadurch, dass der Arzt seinen „Fachbonus“ einsetzt, um den Absatz Dritter zu fördern und daraus letztlich wieder eigenen Vorteil zu ziehen. Wer sich schon so in der Öffentlichkeit positionieren will, muss wenigstens darauf achten, dass seine fachlichen Aussagen nicht nur inhaltlich nicht verschleiernde Werbung beinhalten, sondern auch graphisch/örtlich von Werbeanzeigen oder sonstigen Produktplatzierungen abgesetzt sind.

160

So hat auch der BGH[84] in einem ähnlichen Fall entschieden:

Der Leser erwartet nicht, dass in einem derartigen Text Werbung enthalten ist und kann sie nicht klar als solche erkennen. Seine Platzierung im redaktionellen Teil der Broschüre verschleiert daher den Werbecharakter dieses Texts (Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 4 UWG Rn. 3.11). Das erfüllt den Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG und ist damit unlauter i.S.d. § 3 UWG. Diese Vorgehensweise trifft auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG a.F., denn wer unter der redaktionellen Tarnkappe Wirtschaftswerbung betreibt, handelte auch nach altem Recht wettbewerbswidrig (BGH – I ZR 154/95 – BRAK 1997, 267 = MDR 1997, 1144 = CR 1997, 691 = GRUR 1997, 914 – Die Besten II, m.w.N.). Die angegriffene unlautere Wettbewerbshandlung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil sowohl der Verbraucher als auch anderer Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die sonstige Marktteilnehmer sind, nicht nur unerheblich, sondern wesentlich zu beeinträchtigen und ist deshalb gem. § 3 UWG unzulässig. Wegen dieser Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs begründete sie auch nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. einen Anspruch auf Unterlassung. Die Inanspruchnahme von Vertrauen in seine Eigenschaft als Arzt ermöglicht es, bei medizinisch nicht fachkundigen Lesern, an die sich die Broschüre richtet, in besonders wirksamer Weise den Eindruck zu erwecken, gerade das anschließend offen beworbene Produkt verdiene besondere Wertschätzung. Da einem Arzt wegen seiner Verpflichtung, in Gesundheitsfragen ausschließlich im Interesse seiner Patienten zu handeln, auf diesem Gebiet ein erhöhtes Vertrauen entgegengebracht wird, beeinflusst der Beklagte durch das Ausnutzen dieses Vertrauens besonders wirksam die freie Entschließung des Lesers als Kunden, ohne dass der sich dessen bewusst würde, und gefährdet damit die Funktionsfähigkeit des an der Leistung orientierten Wettbewerbs nachhaltig (BVerfG – 1 BvR 580/02, MDR 2003, 344 = NJW 2003, 277 – JUVE-Handbuch, m.w.N.).

161

Ziel von § 3 Abs. 2 MBO ist die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes.[85] Das besondere Vertrauen in den Arztberuf soll darüber hinaus nicht zur Verkaufsförderung solcher Produkte und Dienstleistungen „missbraucht“ werden, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner Betreuung benötigt. Die Grenzen sind sicher fließend. Unzulässig dürfte nach dieser Vorschrift wohl der Verkauf solcher Produkte sein, die auch andere Marktteilnehmer feilbieten, sofern sie nicht zwingend für die ärztliche Therapie benötigt werden (z.B. „Sportlernahrung“).[86] Zulässig ist dies wie bei gewerblichen Ernährungsberatung nur, wenn die Abgabe deutlich von der ärztlichen Tätigkeit getrennt ist.[87]Ein typisches Beispiel zulässiger Tätigkeit ist die Abgabe bzw. der Verkauf von Kontaktlinsen in Augenarztpraxen[88] oder auch (allerdings mit erheblichen Einschränkungen) orthopädischer Hilfsmittel beim Orthopäden (siehe aber unten § 128 SGB V Rn. 163).[89] Stets muss bei derartigen Geschäften aber die steuerrechtliche Problematik mitbedacht werden. Während nämlich z.B. die Anpassung von Kontaktlinsen durch den Augenarzt noch zu Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit führen, gelten Einkünfte aus Verkäufen derartiger Gegenstände ohne individuelle Anpassung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb; sie unterliegen der Gewerbesteuer. Bei Gemeinschaftspraxen ist die Gefahr der Infizierung der freiberuflichen Einkünfte durch diese gewerbliche Tätigkeit zu vermeiden („Abfärbetheorie“).[90] Dies geht nur durch eine klare Trennung beider Tätigkeiten. Die Tätigkeit der gewerblichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss sich eindeutig von der Tätigkeit der ärztlichen Gemeinschaftspraxis abgrenzen lassen. Eine Personenverschiedenheit zwischen den Gesellschaftern dieser verschiedenen Gesellschaften wird nicht mehr verlangt.[91] Das Bundesministerium der Finanzen hat diejenigen Gesichtspunkte aufgeführt, die der juristische Berater bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen sollte.[92]