Handbuch Medizinrecht

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4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland

Dr. Rudolf Ratzel

4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland

A.Gesetzgebungskompetenz des Bundes1 – 4

B.Berufswahlfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Unternehmensfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG5 – 10

C.Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG11 – 21

D.Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG22 – 25

E.Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung, Art. 5 Abs. 3 GG26 – 29

Literatur:

Augsberg Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich zwischen politischer Gestaltungsfreiheit und verfassungsrechtlicher Kontrolle, GesR 2008, 515 ff.; Axer Finanzierung und Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GesR 2007, 193; ders. Einbeziehung der Privaten Krankenversicherung in die GKV, MedR 2008, 482 ff.; ders. Kooperationen nach dem GKV-Versorgungsstrukturstärkungsgesetz aus verfassungsrechtlicher Sicht, GesR 2012, 714 ff.; Bach Das Leben ist kein Schaden, NJW 2019, 1915; Baur Die bundesrechtlichen Neuregelungen für Fixierungen im Straf- und Maßregelvollzug, NJW 2019, 2273 ff.; Becker Das Wettbewerbsstärkungsgesetz – eine verfassungsrechtliche Bewertung, ZMGR 2007, 101 ff.; Becker/Schweitzer Wettbewerb im Gesundheitswesen, Gutachten B zum 69. Deutschen Juristentag 2012; Beeretz Konkurrenzschutz bei Zulassung, ZMGR 2005, 311; Benda Verständigungsversuche über die Würde des Menschen, NJW 2001, 2147; Gassner/Ruf Selbstbestimmtes Sterben qua Betäubungsmittelrecht, GesR 2020, 485 ff.; Grams Verfassungswidrige Legalisierung – „Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ (aus nicht-medizinischen Gründen), GesR 2013, 332 ff.; Hase Die verfassungsrechtliche Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses: Die im Auftrag des BMG erstellten Rechtsgutachten, GuP 2019, 41 ff.; Hauck Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Grundgesetz?, NJW 2007, 1320; Heinemann Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Entscheidung am Lebensende, Katzenmeier/Ratzel, FS Dahm, 2017, 215 ff.; Hillenkamp Zum Offenlassen von Unrechtsmerkmalen bei „jedenfalls“ fehlender Schuld, FS Rudolf Renger, 2018, 353 ff.; Höfling Die Entscheidung über die Beschneidung männlicher Kinder als Element des verfassungsrechtlichen Elternrechts, GesR 2013, 463 ff.; Hufen Grundrechtsschutz der Leistungserbringer und privaten Versicherer in Zeiten der Gesundheitsreform, NJW 2004, 14; ders. Selbstbestimmtes Sterben – Das verweigerte Grundrecht, NJW 2018, 1524 ff.; Ipsen Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Föderalismusnovelle, NJW 2006, 2801; Jaeger Die freien Berufe und die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit, AnwBl. 2000, 475; dies. Informationsanspruch des Patienten – Grenzen der Werbung im Gesundheitswesen, MedR 2003, 263; Jäkel Anwendbarkeit der Transparenzrichtlinie auf Entscheidungen zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln, GesR 2007, 57; Kirchhof Das Berufsbild des Arztes im Wandel, ZMGR 2010, 210 ff.; Lippert Biomedizinische Forschung unter den Regeln der Verordnung (EU) 2016/679 – Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), GesR 2019, 613 ff.; Neidert „Entwicklungsfähigkeit“ als Schutzkriterium und Begrenzung des Embryonenschutzgesetzes, MedR 2007, 279; Padé Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Lebensgefahr und tödlich verlaufenden Krankheiten, NZS 2007, 352; Papier Staatsrechtliche Vorgaben für das Sozialrecht, FS 50 Jahre BSG, 23; Pestalozza Kompetentielle Fragen des Entwurfs eines Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes, GesR 2006, 387; Pitschas Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Wirkfeld der Gesundheitsverfassung, VSSR 1998, 253; ders. Änderung der Versorgungsstrukturen durch Verflechtung von Leistungssektoren, ambulante Krankenhausbehandlung nach § 116b SGB V, MedR 2008, 473 ff.; ders. Die Gesundheitsreform 2007 – Verfassungskonformer Einstieg in den Systemwechsel der GKV, GesR 2008, 64 ff.; Plagemann Der Gemeinsame Bundesausschuss – Auswirkungen auf den Leistungsanspruch der Patienten, dargestellt an ausgewählten Einzelfällen, MedR 2005, 401; Prütting/Winter Verfassungsmäßigkeit des § 16 S. 3 Berufsordnung Ärzte vor dem Hintergrund der Nichtigkeit von § 217 StGB, GesR 2020, 273 ff.; Quaas Qualitätsindikatoren des G-BA als Teil der Krankenhausplanung – eine verfassungsrechtliche Gratwanderung, GesR 2018, 626; Ratzel Auswirkungen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes unter Berücksichtigung berufsrechtlicher Aspekte, VSSR 2007, 207 ff.; Regeling Föderalismusreform und Gesetzgebungstendenzen, DVBl. 2006, 1537; Riedel Das Teilhabegrundrecht auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, NZS 2009, 260 ff.; Rixen Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005; ders. In guter Verfassung? Das VÄndG auf dem Prüfstand des GG, VSSR 2007, 213 ff.; Schimmelpfeng-Schütte Demokratische und rechtsstaatliche Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung?, MedR 2006, 519; dies. Die Entscheidungsbefugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses, NZS 2006, 567; Schmidt GKV-WSG: Die Relativierung klassischer Sozialversicherungsmerkmale in der GKV durch veränderte Beitragsbemessung und Wahltarife, GesR 2007, 295; Schmidt-Recla „Spiel über Bande“: Das BVerfG fordert Arbeit statt Fixierung, GesR 2019, 137 ff.; Schroth Assistierter Suizid und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, GesR 2020, 477 ff.; Sendler Menschenwürde, PID und Schwangerschaftsabbruch, NJW 2001, 2148; Sodan Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, NJW 2007, 1313; Sodan/Schüffner Staatsmedizin auf dem Prüfstand der Verfassung, 2006; Steiner Das Bundesverfassungsgericht und die Gesundheit(sreformen), A&R 2007, 147; ders. Verfassungsfragen des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V, NZS 2011, 681 ff.; ders. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Begründung von untergesetzlichen Rechtsnormen, GesR 2013, 193 ff.; Taupitz Der rechtliche Rahmen des Klonens zu therapeutischen Zwecken, NJW 2001, 3433; Thüsing Wahltarife nach § 53 Abs. 4–6 SGB n.F. im Lichte des Verfassungsrechts, NZS 2008, 449 ff.; Welti Gibt es ein Recht auf bestmögliche Gesundheit?, GesR 2015, 1 ff.; Wenner Neue Rollenanforderung an den Vertragsarzt – Freiberuflicher Unternehmer, Funktionsträger im Gesundheitskonzern oder Vollstrecker staatlicher Gesundheitspolitik?, GesR 2009, 505 ff.; Wieland Verfassungsrechtliche Grenzen der Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung, VSSR 2003, 259; Wölk Das Menschenrechtsabkommen des Europarats zur Biomedizin als taugliches Vorbild für Deutschland und Europa?, Zeitschrift für Medizinische Ethik (ZME) 2001, 387; ders. „Off-label-use“ in der ambulanten Versorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung – Öffnung der GKV für individuelle Heilversuche, ZMGR 2006, 3.

4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland › A. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

A. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

1

Eine generelle Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gesundheitswesen gibt es nicht.[1] Sie ist vielmehr auf die ausdrücklich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 12, 19, 19a und 26 GG beschriebenen Regelungskomplexe beschränkt. Die Kompetenz zur Regelung des Apothekenwesens, AMG und MPG, der Heilmittel und Gifte sowie für Maßnahmen gegen gemeingefährliche übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren ist weithin eher unproblematisch (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Von gewisser Brisanz ist die Bundeszuständigkeit für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhausentgelte einerseits (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG) mit den Regelungen der Länder zur Krankenhausfinanzierung (KHG der Länder)[2] und Krankenhausplanung andererseits. Unter den Kompetenztitel von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG fällt das private Versicherungsrecht einschließlich der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Ferner ist die Bundeskompetenz für die Reproduktionsmedizin, die Gentechnik und das Transplantationswesen zu nennen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG). Bei den Kompetenztiteln gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, Nr. 19a und Nr. 26 GG ist die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung besonders zu begründen (Art. 72 Abs. 2 GG). Damit bleibt es dabei, dass der Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, nicht aber Regelungen zur (ärztlichen) Berufsausübung treffen kann, es sei denn, die Berufsausübung würde von einer Spezialmaterie, z.B. des Sozialversicherungsrechts, so überlagert, dass eine einheitliche sozialversicherungsrechtliche Regelung zwingend erforderlich ist, wie dies z.B. für den Bereich der Qualitätssicherung diskutiert und entschieden worden ist.[3] Im Lichte der Systematik des Grundgesetzes, das die Kompetenz der Länder an erster Stelle nennt (Art. 70 Abs. 1 GG), sollte von dieser „Annexkompetenz“ allerdings nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.[4]

 

2

Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als „verfassungsgerichtlichen Gattungsbegriff“ bezeichnet. Danach fällt alles unter diesen Begriff, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt.[5] Daraus ist zunächst zu schließen, dass auch das sog. Leistungserbringerrecht der Ärzte hierunter zu subsumieren ist. In der Praxis wird diese Problematik in zweierlei Hinsicht relevant, nämlich


dass das Sozialversicherungsrecht für die Leistungserbringung selbst Beschränkungen vorsieht, die das Berufsrecht nicht kennt, und
neuerdings – das Leistungserbringungsrecht Erleichterungen vorsieht, die entweder berufsrechtlich nicht geregelt sind oder berufsrechtliche Verbote entgegenstehen.

3

In der medizinrechtlichen Literatur wird die Kompetenz für den Bereich des Vertragsarztes nicht als Annexkompetenz angesehen, sondern als eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang.[6] Die bisher bedeutsamsten Entscheidungen diesbezüglich sind diejenigen, die für die Abrechnung einer Leistung qualitative Anforderungen im Bereich des Sozialversicherungsrechtes fordern, die das Berufsrecht nicht kennt;[7] oder auch das durch Nichtannahmebeschluss seitens des Bundesverfassungsgerichts bestätigte Gebot für den Facharzt für Innere Medizin, entweder ausschließlich an der hausärztlichen, oder ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen.[8] Aber auch die Diskussion um die mantelvertraglichen Vorschriften bezüglich der Zweigpraxen und der ausgelagerten Praxisräume, insbesondere für den Bereich der Dialyse, wo im vertragsärztlichen Bereich noch weitere Sonderregelungen[9] bestehen, gehört hierher[10] sowie die Einführung sog. medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in die vertragsärztliche Versorgung (siehe § 95 SGB V), nachdem der Bundesgesetzgeber in seiner Begründung, trotz teilweise entgegenstehenden Berufsrechts, die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (zumindest als juristische Person des Privatrechts) als statthaft erachtet hat (zum Verhältnis Berufsrecht/MVZ siehe auch Kap. 6 Rn. 147). Damit ist festzuhalten, dass unzweifelhaft das Sozialversicherungsrecht höhere Anforderungen an die Leistungserbringung und Abrechnung des niedergelassenen Arztes stellen kann, als das Berufsrecht. Noch nicht abschließend beschieden ist die Frage, inwieweit das Sozialversicherungsrecht – bezogen auf seine eigene Regelungsmaterie – berufsrechtliche Verbote letztlich aushebeln kann. Diese Diskussion gewann im Rahmen der VÄndG ganz erhebliche Bedeutung. Während das BMG die Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG herleitet, vertrat der Bundesrat[11] sowie die überwiegende Auffassung in der Literatur[12] den Standpunkt, hiermit werde die Länderkompetenz bei der Regelung der Berufsausübung verletzt. Soweit die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 30.8.2006 zur Stellungnahme des Bundesrates die vorgeschlagene Bezugnahme auf eine Kompatibilität mit Landesrecht ablehnte (§ 95 Abs. 9 S. 1 SGB V, § 24 Abs. 3 S. 3 Ärzte-ZV, § 33 Abs. 3 S. 5 Ärzte-ZV, § 24 Abs. 3 S. 1 Zahnärzte-ZV und § 33 Abs. 3 S. 5 Zahnärzte-ZV), hielten z.B. der Medizinrechtsausschuss des DAV[13] und andere daran fest, dass dem Bund insoweit die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Der Verweis in der Entwurfsbegründung auf Art. 72 Abs. 2 GG (Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit, S. 17 III. 1. und S. 31 zu Nummer 11 – § 33) übersieht nämlich, dass Art. 72 Abs. 2 GG im Zuge der Föderalismusreform geändert worden ist. In der neuen Fassung von Art. 72 Abs. 2 GG[14] bezieht sich das Gesetzgebungsrecht des Bundes im Rahmen der Gesetzgebungsmaterien in Art. 74 GG mit der Zielsetzung des Art. 72 Abs. 2 GG nur noch auf die enumerativ in der Neufassung aufgeführten Sachgebiete.[15] Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gehört nicht dazu. Auf diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 GG (n.F.) hat die Bundesregierung mit Drucksache 651/06 vom 4.9.2006 hingewiesen.[16] Der Vorrang der Länderkompetenz im Rahmen der originären Berufsausübung ohne sozialversicherungsrechtliche Ausgestaltung bleibt daher unberührt. Insofern war die Formulierung in der Gegenäußerung der Bundesregierung, diese Änderungen würden nur den vertragsärztlichen Bereich betreffen und eventuelle Zulässigkeitshindernisse unberührt lassen, irreführend. Der „Vertragsarzt“ ist kein eigenständiger Beruf. Der Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG trägt nur dort, wo spezielle sozialversicherungsrechtliche Ziele, wie etwa die Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit berührt sind, nicht aber im Bereich der reinen Berufsausübung ohne zwingenden Bezug zur Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung.[17] Dies wird auch an folgendem Beispiel deutlich. Während in der vertragsärztlichen Versorgung strikt auf die Einhaltung der Fachgebietsgrenzen – auch im Hinblick auf die Vergütungsfähigkeit von Leistungen geachtet wird –, scheint dies bei rein privatärztlichen Leistungen nicht mehr konsequent durchgehalten zu werden. Zwar haben die Zivilgerichte[18] teilweise eine Abrechnungsfähigkeit fachfremder Leistungen abgelehnt; nach einer Entscheidung des BVerfG[19] können auch fachfremde Leistungen abgerechnet werden, wenn der Arzt die Leistung medizinisch korrekt erbringen kann.

4

Ein Dauerbrenner ist – trotz der Einführung von § 91 Abs. 6 SGB V – die Diskussion über die verfassungsrechtliche Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses.[20] Das BMG hatte eigens drei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben,[21] die die bisherige Konzeption, wenn auch mit unterschiedlichen Überlegungen im Ergebnis für vertretbar hielten, allerdings auf erhebliche Kritik stießen.[22] Trotz nach wie vor erheblicher Bedenken in der Literatur[23] halten sowohl das BVerfG wie auch das BSG an der grundsätzlichen Legitimation des G-BA zur Normgebung fest, wenn auch in Teilbereichen die Regelungsintensität diskutiert wird.[24] Im Ergebnis hält die Rechtsprechung die demokratische Legitimation des G-BA für ausreichend belegt.[25]

Anmerkungen

[1]

BVerfGE 33, 125 ff. (Facharztentscheidung); Spickhoff/Steiner Art. 74 GG Rn. 4 ff.

[2]

Siehe nur die Diskussion um die duale oder monistische Krankenhausfinanzierung oder der durch das GKV-WSG in § 140d Abs. 1 S. 5 SGB V vorgesehene Wegfall der Rückerstattung nicht verbrauchter Einbehalte zur Förderung der integrierten Versorgung.

[3]

BSGE 82, 55 ff. (Zytologie); Wenner NZS 2002, 1 ff.; Axer VSSR 2002, 215 ff. ausdrücklich unter Berufung auf Art. 72 Abs. 2 GG; Engelmann ZMGR 2004, 1, 5; dagegen Butzer MedR 2004, 177 ff.; Sodan NJW 2003, 257 ff.; siehe auch BVerfGE 106, 62 ff. (Altenpflegergesetz).

[4]

Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG betrifft nur das Vertragsarztrecht und Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur den Zugang zum Beruf, nicht die Berufsausübung; siehe auch § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV; BVerfG Urt. v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, NJW 2004, 2803 ff. „Juniorprofessur“ (zur Reichweite der Rahmengesetzgebungskompetenz); Pestalozza GesR 2006, 389 ff.

[5]

BVerfGE 88, 203, 313 m.w.N.

[6]

Engelmann GesR 2004, 113, 117 m.w.N.

[7]

BSGE 82, 55 ff. (Zytologie); BSG Urt. v. 8.9.2004 – B 6 KA 18/03, GesR 2005, 86 (Schmerztherapievereinbarung: höhere Anforderungen zur Teilnahme als zur berufsrechtlichen Bezeichnung „spezielle Schmerztherapie“ zulässig).

[8]

BVerfG Beschl. v. 17.6.1999 – 1 BvR 2507/97, NJW 1999, 2730 f.; BSG Beschl. v. 11.11.2005 – B 6 KA 12/05 B.

[9]

BVerfG Nichtannahmebeschl. v. 15.8.2018 – 1 BvR 1780/17, ZMGR 2019, 26, Nichtmitnahme Versorgungsauftrag kein Verstoß gegen Anlage 9.1 BMV-Ä.

[10]

Umfassend zu diesem Thema Engelmann GesR 2004, 113 f.

[11]

Stellungnahme v. 7.7.2006, BR-Drucks. 16/2474.

[12]

Pestalozza GesR 2006, 387 ff.

[13]

http://www.anwaltverein.de/01/04/37/archiv_index.html (Stellungnahme von Oktober 2006).

[14]

BGBl. I 2006, 2034.

[15]

Sachs/Degenhart GG, 8. Aufl. 2018, Art. 72 Rn. 5.

[16]

Siehe hierzu auch das Föderalismusreform-Begleitgesetz, BGBl. I 2006, 2098.

[17]

BVerfGE 102, 26, 36 (Frischzellen); BVerfG Beschl. v. 30.4.2004 – 1 BvR 2334/03, GesR 2004, 539 (Botox); BVerfG Beschl. v. 26.8.2003 – 1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966; siehe auch Engelmann FS 50 Jahre BSG, 429, 436 ff.; Pestalozza GesR 2006, 389 ff., zutreffend insbesondere Rixen VSSR 2007, 213 ff.

[18]

OLG Celle Urt. v. 22.10.2007 – 1 U 77/07, MedR 2008, 378, MRT-Leistungen durch Orthopäden.

[19]

BVerfG Beschl. v. 1.2.2011 – 1 BvR 2383/10, MedR 2011, 572.

[20]

BVerfG Beschl. v. 15.8.2018 – 1BvR 1780/17; dazu Axer GuP 2019, 1 ff.; BVerfG Beschl. v. 10.11.2015 – 1BvR 2056/12, BVerfGE 140, 229; BSG Urt. v. 4.5.2016 – B 6 KA 24/15 R, GesR 2016, 304.

[21]

Veröffentlicht https://www.bundesgesundheitsministerium.de; hierzu Ebsen MedR 2018, 931 ff.

[22]

Hase GuP 2019, 43 ff.

[23]

NK-GesundhR/Harney SGB V § 92 Rn. 5 ff.; juris PK-SGB V/Wiegand § 92 Rn. 19.

[24]

BVerfG Urt. v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, NJW 2004, 2803 ff.; BSG Urt. v. 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R, GesR 2015, 429, Mindestmengen Knie TEP rechtmäßig; ebenso BSG Urt. v. 12.9.2012 – B 3 KR 10/12 R, GesR 2013, 179; BSG Urt. v. 17.11.2015 – B 1 KR 15/15 R, Mindestmengen Perinatalzentren; aber auch BSG Urt. v. 18.10.2012 – B 1 KR 34/12 R, GesR 2013, 363, fehlende Nachvollziehbarkeit der Anforderungsschwelle bei Mindestmengen.

[25]

 

juris PK-SGB V/Wiegand § 91 Rn. 63 ff., § 92 Rn. 25 ff.

4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland › B. Berufswahlfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Unternehmensfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG

B. Berufswahlfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Unternehmensfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG

5

Art. 12 Abs. 1 GG erfasst die Freiheit der Berufswahl und die Freiheit der Berufsausübung. Während die Freiheit der Berufswahl nur dann beschränkt werden darf, wenn wichtige Schutzgüter des Gemeinwohls dies zwingend erforderlich machen,[1] kann die Freiheit der Berufsausübung schon dann eingeschränkt werden, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.[2] Allerdings ist z.B. ein Verbot in den Heilberufegesetzen der Länder, als Allgemeinmediziner weitere Facharzttitel zu führen, nicht durch Gemeinwohlbelange gedeckt.[3] Berufsrechtliche Werbeverbote sind ebenfalls mit Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht in Einklang zu bringen, wenn sie einem Informationsbedürfnis der Bevölkerung zuwiderlaufen[4] (im Einzelnen dazu siehe § 5 Rn. 170). Aus Art. 12 Abs. 1 GG können aber auch Verfahrensrechte hergeleitet werden, so für den Fall einer defensiven Konkurrentenklage von Vertragsärzten gegen die Ermächtigung eines Krankenhausarztes entschieden.[5] Zwar gewähre Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz.[6] Die Vertragsärzte hätten aufgrund ihres Zulassungsstatus auch keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung einer wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit.[7] Die Wettbewerbsposition und die Erträge unterliegen grundsätzlich dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen. Eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge[8] hat, könne aber das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung und der Verteilung staatlicher Mittel steht.[9] Eine solche Situation sei im System des Vertragsarztrechts, insbesondere wegen der Zulassungsbeschränkungen und Deckelungen der Gesamtvergütung, vorliegend gegeben: Der Vertragsarzt müsse zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit Einschränkungen seines Behandlungsspektrums ebenso hinnehmen wie Regelungen, die seine Niederlassungsfreiheit, seine Fallzahlen und seine Vergütung begrenzen. Diese Eingriffe können im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Gemeinwohlbelang der Sicherstellung der Versorgung der gesetzlich Versicherten gerechtfertigt werden. An diesem legitimen Zweck sind aber die jeweiligen Beschränkungen der Berufsfreiheit der im System tätigen Leistungserbringer auch zu messen.[10] Komme es durch hoheitliche Maßnahmen zu weiter gehenden Eingriffen in die gesetzlich durchstrukturierten Marktbedingungen, können die im System eingebundenen Leistungserbringer in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt sein. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erfordere die Befugnis des Grundrechtsträgers, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Erteilung einer Ermächtigung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Die Einbindung der Vertragsärzte in das System der gesetzlichen Krankenversicherung, das ihnen einen Vorrang gegenüber anderen Ärzten garantiert, korreliert mit dem Anspruch auf Rechtsschutz bei Vernachlässigung der gesetzgeberischen Entscheidung durch die Zulassungsgremien. Da das einzelne Mitglied nicht die Möglichkeit habe, seine KV zur Einlegung von Rechtsbehelfen zu verpflichten,[11] sei der Grundrechtsschutz des einzelnen Vertragsarztes weder durch die paritätische Besetzung der Zulassungsgremien noch durch die Möglichkeit der KV, eine Ermächtigungsentscheidung anzufechten, ausreichend abgesichert. Die verfahrensmäßige Absicherung des Grundrechtsschutzes setze daher nicht erst bei Willkür ein. Die entgegenstehende Rechtsauffassung des BSG überspanne im Ergebnis die Darlegungslast zum Nachweis der Klagebefugnis. Mittlerweile hat das BSG diese Grundsätze auch bezüglich der Anfechtungsbefugnis niedergelassener Vertragsärzte gegen Sonderbedarfszulassungen umgesetzt.[12]

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Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist, dass die Einschränkung auf der Stufe vorgenommen werden muss, die die geringste Belastung für die Betroffenen zur Folge hat,[13] wobei dem Gesetzgeber ein erheblicher Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zugestanden wird („Einschätzungsprärogative“). Letztlich führt dies dazu, dass Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gerade im Gesundheitswesen zu einem der meist überschätzten Grundrechte aus Betroffenensicht geworden ist. Hufen[14] weist zurecht darauf hin, dass das BVerfG seine in anderem Zusammenhang aufgestellten Schranken zum Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG quasi mit einem Federstrich vom Tische fegt, wenn es im Rahmen sozialer Sicherungssystem um den Systemerhalt geht.[15] Allerdings gibt es hierfür vertretbare Argumente. Denn schließlich ist ein funktionierendes Sozialversicherungssystem eine der Grundvoraussetzungen für sozialen Frieden in einer Zivilgesellschaft. Sozialer Frieden wiederum ist Voraussetzung für freie Berufswahl und Berufsausübung. Die Mär des Arztes als „Freier Beruf“ ist aber zumindest im Rahmen der GKV längst als solche enttarnt,[16] so dass sogar Mitglieder des BVerfG[17] von einem staatlich gebundenen Beruf sprechen. Dennoch ist es vornehme Pflicht des prüfenden Anwalts, angesichts dieser Faktizität das Verfassungsrecht nicht einfach auszuklammern. Das Stufenprogramm des Art. 12 Abs. 1 GG muss bei einschlägigen Sachverhalten im Hintergrund immer mitlaufen. Der beratende Anwalt sollte sich allerdings davor hüten, Art. 12 Abs. 1 GG unkritisch wie eine Monstranz vor sich herzutragen; damit läuft er Gefahr, seine einfachrechtliche Argumentation zu entwerten. Maßgeblich dürfte sein, die – wenigen – Fallkonstellationen zu entdecken, in denen man auch in Kenntnis der Rechtsprechung von BSG, BVerwG und BVerfG mit Art. 12 Abs. 1 GG Pluspunkte sammeln kann. Hat man einen derartigen Fall, ist es nicht nur legitim, sondern geradezu geboten, schon von Anfang an die verfassungsrechtliche Dimension deutlich zu machen.

7

Wie vielfältig einschränkbar Art. 12 Abs. 1 GG ist, wenn Gemeinwohlinteressen berührt werden, zeigt die Rechtsprechung der vergangenen Jahre: Bedarfsplanung verfassungsrechtlich zulässig;[18] bessere Ressourcensteuerung kann Abrechnungsbeschränkung technischer Leistungen in der GKV rechtfertigen,[19] auch wenn berufsrechtlich die Leistung (noch) zum Gebiet des ausgeschlossenen Fachs gehört;[20] Altersgrenze 68 zulässig;[21] für 68er Grenze und § 95 VII SGB V auch Zeiten als ermächtigter niedergelassener Psychotherapeut anzurechnen;[22] Altersgrenze 55 zulässig;[23] ausreichend ist Zulassungsantrag vor Vollendung des 55. Lebensjahres.[24] Wie kritisch derartige Regelungen zu betrachten sind, sieht man darin, wie der Gesetzgeber mit einem Federstrich die 55-Jahresgrenze im Rahmen des GKV-WSG[25] ersatzlos gestrichen hat. Ähnlichen Zweifeln begegnete auch die 68-Jahresgrenze. War doch für ihre Rechtfertigung auf eine funktionierende Bedarfsplanung Bezug genommen worden.[26] Wird aber die Bedarfsplanung z.B. im Bereich der Zahnheilkunde aufgehoben und im humanmedizinischen Bereich durch die Möglichkeit der Filialisierung durchlöchert, schwindet auch hier zunehmend die Rechtfertigung für derartige Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit. Dies zumal die 68-Jahresgrenze auch nicht mehr strikt durchgehalten wurde. So können auch ältere Ärzte weiterhin Vertretungen übernehmen,[27] in unterversorgten Gebieten konnte der Landesausschuss beschließen, dass auch über 68-jährige Ärzte vertragsärztlich tätig sind. In manchen Arztgruppen (z.B. Pathologie) herrscht Nachwuchsmangel, eine Bedarfsplanung gab es für diese Fachrichtung bislang nicht, was rechtfertigt also die 68-Jahresgrenze? Folgerichtig hat sie der Gesetzgeber auch im Bereich der Humanmedizin mit dem GKV-OrgWG rückwirkend zum 1.10.2008 aufgehoben.[28]

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Auch Unternehmen können sich grundsätzlich auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG berufen.[29] Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch Art. 14 GG genannt, wenn z.B. Gewinnmöglichkeiten des Arzneimittelherstellers beeinträchtigt werden. Hier ist allerdings bereits der Schutzbereich von Art. 14 GG sehr strittig.[30] Dies gilt auch für den Eigentumsschutz durch Zulassung,[31] soweit Preisregelungen gemeint sind, wie das Festbetragsurteil des BVerfG[32] zeigt. Wenn auch den Entscheidungen zu entnehmen ist, dass durch die angegriffenen Regelungen zwar in die Berufsausübungsfreiheit von Unternehmen in zulässiger Weise (Stabilisierung des Sozialversicherungssystems) eingriffen werden darf, steht auf der anderen Seite eine Stärkung der verfahrensrechtlichen Position der Unternehmen, um ihnen Beteiligungsrechte zu sichern. Zunehmend können sich Unternehmen im Gesundheitswesen auf die Transparenzrichtlinie 89/105 EWG berufen,[33] zumal der EuGH[34] ihre direkte Anwendung für die Aufnahme in (leistungsbeschränkende und/oder gewährende) Listen bestätigt hat. Der Gesetzgeber hat dem in § 34 Abs. 6 SGB V[35] für den Fall der OTC-Liste des G-BA und in § 35b SGB V für die Nutzenbewertung Rechnung getragen. Generell ist eine Entwicklung zu beobachten, dass Preisregelungsinstrumente im Arzneimittelsektor, soweit jedenfalls ihre Abgabe im Rahmen der GKV betroffen ist, sowohl auf Seiten der Pharmazeutischen Industrie wie auch der Apotheker, erhebliches Gewicht bekommen. Verfassungsrechtlich wird dies weitgehend nicht beanstandet.[36]

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Wie weit der Gesetzgeber im Rahmen seiner Reformvorhaben der GKV in das Recht der Unternehmen der Privaten Krankenversicherung eingreifen darf und welcher Kompetenztitel hierfür einschlägig ist, ist Gegenstand eines heftigen Meinungsstreits.[37] Während die Einführung der (privaten) Pflegepflichtversicherung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützt werden konnte und letztlich vor dem BVerfG Bestand hatte,[38] lässt sich dies auf den Basistarif und den Kontrahierungszwang der PKV nicht unkritisch übertragen, weil das Regelungskonzept in § 110 SGB XI und § 178a Abs. 5–9 VVG[39] nicht deckungsgleich ist.[40] Der Kontrahierungszwang ohne Risikoprüfung stellt einen eklatanten Bruch mit den Grundsätzen des privaten Versicherungsrechts dar. Verbunden mit der Verpflichtung, dies auch noch zu einer nicht kostendeckenden Prämie zu vollziehen, und damit letztlich den bisherigen eigenen Versichertenbestand zu belasten, bedeutet dies eine sozialversicherungsrechtliche Umverteilung im privaten Versicherungsrecht, für die jedenfalls Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht ausreichen dürfte. Dennoch hat das BVerfG die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.[41] Für die Einführung eines Basistarifs in der privaten Krankenversicherung hat es den notwendigen Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gesehen. Der Kontrahierungszwang nach § 12 Abs. 1b VAG, § 193 Abs. 5 VVG stelle keinen übermäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Versicherungsunternehmen dar und verletze daher Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Allerdings treffe den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, inwieweit die einzelnen Regelungen zum Basistarif, der Portabilität von Altersrückstellungen sowie die erweiterte Versicherungspflicht in der GKV nicht zu (unzumutbaren) Prämiensteigerungen für Versicherte in den Normaltarifen führen werde und dadurch wieder die Stabilität der Versicherungsunternehmen gefährden könne.[42]