Pfaffensud

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7.

In der Sakristei hat es von Polizisten gewimmelt. Die Schranner Bine und der Bergmann Rudi, beide Münchner Kriminalbeamte, waren da, außerdem ein Rechtsmediziner und mehrere Streifenbeamte. Der Pfarrer Hintermeier ist neben dem Toten gestanden und hat gebetet.

»So«, hat er gesagt, »seids amal stad und ihr singts jetzt alle mit.«

Er hat »Segne du, Maria« angestimmt, und der Sanktus, die Bine und der Rudi haben ganz leise mitgesungen. Die Polizisten haben etwas gebrummt, also Maikäfersyndrom. Nur der Graffiti hat kein Wort rausgebracht. Er hat die Anweisung gehabt, sich nicht vom Fleck zu rühren, da ja schließlich Hauptverdächtiger, scheint’s. Eigentlich hat nur der Hintermeier gesungen, weil er der einzige Textsichere war, aber feierlich war es trotzdem, denn einen toten Abt begleitest du halt nicht jeden Tag auf seinem letzten Weg.

»Hast du den umbracht?«, hat der Sanktus dem Graffiti zugeflüstert.

»Spinnst du komplett, du Vollgaserer«, hat der zurückgezischt. »Bin doch ned deppert! Der war scho hin, wie ich kommen bin!«

Dann sind, wie sollt’s auch anders sein, der Leichen-Seppi mit seinem narrischen Vater, also Bestattungsdienst Hingerl, in bester Blues-Brother-Manier aufgetaucht.

»Des hätt i mir ja glei denken können, dass du wieder da bist, wenn’s wo eine Leich gibt, Sanktus«, hat der Seppi gemeint und den Sanktus entsetzt angeschaut.

»Ich denke, das ist Kommissar Manfred Kopfeck von der Kripo Erding. Die Bayern und ihre Spitznamen. Versteh, wer wolle«, hat der Rechtsmediziner verdutzt gemeint. »Der ist wohl immer da, wenn’s in ’ner Kirche«, das hat er jetzt gesprochen wie Köörche, »’ne Leiche gibt. Ich kenn den von dem Mord in Steinhausen im letzten Jahr. Aber macht, wat ihr wollt. Ergebnisse habt ihr am Montag. Ich geh jetzt ins Wochenende. Tschü-ü-üs!«

»Kommissar Kopfeck?«, hat der Rudi gefragt.

»Notlüge«, hat die Bine hinausgeschossen. »Tut nix zur Sache, gell, Sanktus?«

»G’wiss ned, Bine. G’wiss ned«, hat der Sanktus bestätigt. »Rudi, tu weiter!«

Der Rudi hat nur mit den Augen gerollt und drohend den Finger erhoben.

»Aber guad für ’n Umsatz isser, da Sanktus. Muass ma eahm lassn«, hat der alte Hingerl gefaselt und den Sarg verschlossen.

»Darf ich die Karte amal anschauen?«, hat der Sanktus gefragt, und die Bine hat sie ihm, eingepackt in einer Klarsichtfolie, gegeben.

Die Karte hat einen sitzenden Teufel mit geschwungenen Hörnern gezeigt. Die Flügel haben ausgesehen wie von einer Fledermaus, seine Beine waren behaart, und über seinem Kopf hat ein Pentagramm gethront. Die Zahl 15 war römisch, also XV, dargestellt.

»Der Teufel. Tarotkarte Nummer 15«, hat die Bine kurz gesagt. »Dreh mal um!«

Der Sanktus hat die Rückseite betrachtet. Mit einem wasserfesten Stift war groß »5« draufgestanden.

»Fünf?«, hat der Sanktus gefragt.

»Keine Ahnung«, hat der Rudi gemeint.

»Die Monstranz und die Karte prüfen wir auf Fingerabdrücke«, hat die Bine gesagt. »Und dann schauen wir weiter.«

»Meine werdts auf der Monstranz ned finden«, hat der Graffiti eingeworfen. »Der war nämlich schon tot, wie ich gekommen bin!«

»Tja. Herr Himsl, das können S’ dann alles im Bräsidium zu Prodokoll gebn«, hat der Bergmann Rudi gefränkelt.

»Wir wären jetzt dann aber alle zum Mittagessen im Hofbräukeller am Wiener Platz«, hat der Sanktus gesagt. »Der Graffiti ist nämlich bei uns auf der Firmung eingeladen, und die andern warten alle schon draußen. Geht’s halt mit, ihr zwei. Na könnts in Ruhe verhören, und wir schrotten ned die ganze Feier.«

Der Rudi hat die Stirn gerunzelt, dann gelächelt und genickt.

»Weng meiner. Ausnahmsweise, Sankdus! Geh ma mal naus und schau ma, ob der Krankenwachen scho die hysderische Dame wegbracht hat. Die würd ma aa gern vorher no sprechen.«

8.

Eine Stunde später sind alle, immer noch etwas aufgeregt von den Ereignissen, unter Kastanien im schattigen Biergarten am Wiener Platz gesessen. Natürlich im Teil mit Bedienung. Jeder hat ein Getränk vor sich gehabt, der Sanktus bereits seine zweite Maß in Zubereitung. Der Graffiti hat Wasser getrunken, weil er nicht gewusst hat, was ihm an diesem Tag noch so alles blühen würde.

Natürlich große Diskussion um die Geschehnisse gerade eben, aber die Birthe hat den Fall ohnehin schon gelöst gehabt. Der Sanktus hat schon nicht mehr hinhören können, aber dann sind Gott sei Dank auch schon die Bine und der Bergmann Rudi um die Ecke gekommen und haben Platz genommen.

»Jetzt bestellen wir alle erst einmal was zu essen«, hat die Kathi gesagt. »Esst, was euch schmeckt. Bine und Rudi, ihr seid natürlich auch eingeladen.«

»Für mich bidde ned«, hat der Rudi gesagt. »Mich holt gleich die Lena ab.«

»Ja, genau«, hat der Sanktus lachend gesagt, das Telefon gezückt und die Lena, die er schon seit seiner Gymnasialzeit gekannt hat, angerufen. Sie hatte auch schon mit ihm ermittelt und ihm während der Hopfenkiller-Morde, als er vom Kriminalassistenten Demuth polizeilich gesucht worden war, in ihrer Wohnung Asyl gegeben.

»Du darfst noch bleiben, Rudi«, hat der Sanktus gesagt. »Sie kommt später noch auf eine Halbe vorbei.«

Der Rudi hat gelacht, den Kopf geschüttelt und ein Bier bestellt.

»Jetzt erzähl, Rudi«, hat die Kathi ihn aufgefordert. »Wennst überhaupt darfst.«

»Jetzt hat er ja Feierabend«, hat der alte Sanktjohanser gerufen. »Na derf a scho, gell!«

»Ist der Mann Polizi-ist?«, hat die Sandy gefragt, die irgendwie immer noch an der Birthe gehangen ist. »Der sieht gar nich so a-us! He, voll kra-ass.«

»Isch weeß es nich«, hat die Birthe angefangen. »Fleisch könnte hior mal jemand Klarheit schaffen. Man weeß ja nich, was man sochen darf …«

»Jaja! Is scho recht«, hat der alte Sanktjohanser gemeint. »Das ist der Kommissar Bergmann. Ein alter Freund von meinem Sohn.«

»Kommt Ihr Sohn auch noch?«, hat die Sandy gefragt.

Jetzt hat der alte Sanktjohanser nur noch den Kopf geschüttelt, und der Graffiti hat seinen in den Händen vergraben.

»Er ist der Vater vom Sanktus«, hat der Graffiti geseufzt.

»Hat mir keiner gesa-agt«, hat sich die Sandy verteidigt.

»Rudi, hast du die Hexeneder verhört?«, hat die Martina gefragt.

»Muxeneder heißt die, oder?«, hat die Bine eingeworfen.

»Ja, aber wir nennen sie so, weil sie so furchtbar ist. Sie tut immer so katholisch, derweil ist sie ein giftiges altes Weib!«

»Also Martina!«, hat die Kathi gerufen. »Sag amal! Wie redst denn du?«

»Ja, wir haben sie verhört«, hat der Rudi gesagt. »Sie hat ausgesagt, dass der Graffiti schon vor der Messe auf den Abt losgegangen ist. Auf dem Klo vom Pfarrheim.«

»Stimmt das?«, hat die Bine gefragt.

Der Graffiti hat abgewinkt.

»Kommt ja eh raus. Freilich stimmt’s.«

»Warum?«, hat der Sanktus wissen wollen.

»Weil ich halt mein Maul ned halten kann. Er hat mich beim Pinkeln gefragt, was ich zu dem maskierten Luzifer sag.«

»Na bravo!«, hat der Sanktus gemeint.

Ringsum fragende Blicke.

»Genau! Dann hab ich natürlich gesagt, ich find es ned schlecht, dass man den Kuttenbrunzern und Tabernakelwanzen mal das Gas einstellt und dass sie sich endlich wieder auf das Christentum besinnen sollen und nicht nur kleine Buben vernaschen.«

Jetzt war es still am Tisch.

»Kann ja ich ned riechen, dass das gleich der Abt ist. Ist mir aber auch wurscht, fei wirklich«, hat sich der Graffiti verteidigt.

»Und warum sind Sie ihm dann nach der Messe in die Sagrisdei nach?«

»Hä?«, Frage vom Graffiti.

»Sakristei«, hat der Rudi hochdeutsch wiederholt.

»Bin ich eigentlich ned. Ich wollt nur ein Kerzerl stiften. So ein bisserl als Entschuldigung, weil ich so einen hohen Pfaffen verschreckt hab. Da hab ich ein Wortgefecht in der Sakristei drin gehört.«

»Zwei Männer?«, hat die Bine gefragt.

»Kann ich ned sagen. Die Tür war angelehnt, und wie ich rein bin, war nur noch der Abt da.«

»Das ist aber komisch«, hat die Martina gesagt.

»Ich hab Hunger, Kruzifix!«, hat der Schorschi auf einmal aus heiterem Himmel gerufen.

»Das hat er von dir, Sanktus«, hat die Anna konstatiert, und die Kathi hat nickend bestätigt.

Der Hannes hat vor Lachen fast sein Bier über den Tisch geprustet.

»Gleich gibt’s was«, hat der Sanktus den Buben beruhigen wollen.

»Ja, genau. In 20 Minuten«, haben der Schorschi und die Martina gemeinsam kommentiert und sich schiefgelacht.

»Ich bin sofort zu dem Abt hin und gleich drauf ist hinter mir die Tür versperrt worden. Meints ihr wirklich, ich würd als Mörder warten, bis die Polizei kommt? Bin ja ned deppert. Der Mörder muss sich hinter der Tür versteckt haben, und wie ich mich zum Abt hinuntergebeugt hab, ist er in das Kirchenschiff hinaus und hat abgesperrt.«

»Ja, Herr Himsl. Das ist dheoredisch möchlich, aber man kann das im Nodfall alles doll arrangieren, um von sich selbst abzulenken, oder um während der Dad ned gestörd zu wern. So a Schlüssel is schnell organisiert und wieder wech. Lass ma des mal so stehen. Und wie haben Sie den Abt vorgefunden?«, hat der Rudi wissen wollen.

»Er ist mitten auf dem Boden auf dem roten Teppich gelegen. Er hat noch gelebt. Ich hab seinen Kopf angehoben, weil er mir was sagen hat wollen. Drum hab ich auch blutige Hände gehabt. Aber er hat nichts mehr rausgebracht. Leider. Die Monstranz ist neben seinen Füßen gelegen«, hat der Graffiti erzählt.

»Und die Luziferkarte?«, hat die Bine gefragt.

 

»Hat er in der Hand gehabt. Die hab ich genommen. Da findets auf jeden Fall meine Fingerabdrücke drauf. Aber echt! Ich hab den nicht umgebracht. Wirklich ned.«

Der Sanktus hat den Graffiti angeschaut und hat ihm 100 Prozent geglaubt, dass er am Tod des Abts nicht schuld war, aber die Story vom Klo, die hat der Graffiti jemandem anderen erzählen sollen.

»Und der Fünfer, der hinten auf der Karte drauf war? Was könnte der bedeuten, Graffiti? Fällt mir nur spontan das fünfte Gebot ein: Du sollst nicht töten.«

»Geh, Schmarren, Sanktus«, hat der Graffiti erwidert. »Die hätte der Mörder ja direkt selber behalten können. Da würd er sich doch selber meinen, oder?«

»Oder Rache«, hat der Sanktus gemeint. »Vielleicht war der Abt an irgendwas beteiligt in seiner Vergangenheit. Weißt du da nix, Graffiti?«

Der Sanktus hat den Graffiti jetzt so angeschaut, dass dieser gewusst hat, dass er ihm die Geschichte auf dem Klo nicht abnimmt.

»Zahl 5 in der Bibel«, hat der Graffiti gemurmelt und gegoogelt. »Fünf kluge Jungfrauen, fünf glatte Steine Davids, fünf Gerstenbrote, fünf verständige Worte … Ich weiß ja ned …«

»Also doch fünftes Gebot, oder? Aber kann der Praetorius wen umgebracht haben?«

SAMSTAG

9.

Die Person saß vor ihrem kleinen kerzenbeleuchteten Altar und blickte auf den Artikel der Münchner Morgenpost. Die Kerzen flackerten, und im Hintergrund spielte ein alter CD-Player die Schubertmesse. Ansonsten war das Zimmer stockdunkel. Der Schatten fuhr die Züge des Gesichts von Pfarrer Altenböck auf dem in der Zeitung abgedruckten Porträt zärtlich mit dem Finger nach.

»Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich. Ist dir zum Verhängnis geworden, alter Depp. Hättest dich auf deine christlichen Werte besinnen sollen. Aber mit euch wird jetzt abgerechnet.«

Die CD spielte gerade Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe.

»Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg Sünder noch sitzt, da die Spötter sitzen, Gabrielskirche. Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht!, in der Ludwigskirche. Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht; und was er macht, das gerät wohl, in der Bennokirche. Jawohl! Das werdet ihr lesen können, ihr gotteslästerliches Pack«, flüsterte die Person ihrem Bild im Spiegel, der neben dem Altar hing und ihr Gesicht im Flackern der Kerzen wiedergab, zu. Hass und Traurigkeit sahen ihr entgegen.

»Macht weiter so, meine Engel, und die Welt wird wieder eine bessere sein. Der wahre Glauben wird zurück in unsere Gotteshäuser kehren, und der Herr wird uns mit Dank belohnen.«

Die Person öffnete ihre Arme wie ein Priester, legte den Kopf in den Nacken und nahm einen tiefen Atemzug, da vernahm sie einen Lichtschein auf dem Hocker neben dem Altar. Das Display ihres Handys hatte zu leuchten begonnen. Sie öffnete das E-Mail-Postfach und betrachtete den Absender. Dann öffnete sie die Mail. Es war ein Link zu einer Seite der Münchner Morgenpost, die den Mord an Engelbert Praetorius, Abt Philipp vom Berg, ganz in der Nähe, meldete. Nicht mal so schlecht. Bisher jedoch kein Anhaltspunkt auf den Mörder. Wut stieg in ihr hoch. Unendliche Wut.

»Und sie werden erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich meine Rache über sie bringe«, spie die Gestalt dem Altar entgegen und löschte die Kerzen.

10.

»Diese Botschaft geht an alle Gottlosen in unserer Gesellschaft. Besinnt euch endlich auf eure christlichen Werte. Überdenkt euer Wirken, seid barmherzig, großzügig, spendet Liebe. Nehmt Abstand von Egoismus, Habgier, Neid und Hass. Denkt an die nächsten Generationen. Verbaut ihnen nicht die Zukunft mit eurem Streben nach Profit. Geht in die Kirchen und betet für euer Seelenheil. Lebt nach der Vorgabe des Herrn! Ich habe euch drei Psalmen an die Wand unserer Gotteshäuser geschrieben. Beachtet sie und es wird euch nichts geschehen.«

12. Internetvideo des Unbekannten mit der Luzifermaske

11.

Aus der Münchner Morgenpost –

Mord in der Sakristei

Ein Artikel von Severin Birnstingl

Am gestrigen Freitag wurde Abt Philipp, mit bürgerlichem Namen Engelbert Praetorius, ermordet in der Sakristei der Pfarrkirche Sankt Johann Baptist am Johannisplatz aufgefunden. Abt Philipp zelebrierte an diesem Tag die Heilige Firmung mit zahlreichen Firmlingen aus Haidhausen. Alles verlief nach Plan, jedoch erschien der Abt vom Berg nach der Messe nicht zum Umtrunk, der auf dem Vorplatz der Kirche abgehalten wurde.

Pfarrer Remigius Hintermeier, Stadtpfarrer von Sankt Johann Baptist, machte sich auf die Suche nach seinem Kollegen und entdeckte ihn blutüberströmt in der Sakristei am Boden liegend. Anscheinend war er kurz nach der heiligen Messe dort erschlagen worden. Als Tatwaffe kommt die heilige Monstranz aus dem Altar in Betracht. Zeugenaussagen zufolge hielt der tote Ordensgeistliche eine Tarotkarte mit dem Bild des Teufels, auf der die Zahl »5« markiert wurde, in der Hand.

Ob es sich beim Täter um den Unbekannten mit der Luzifermaske, der die katholische Welt seit einigen Wochen in Atem hält (wir berichteten), handelt, oder ob ein Nachahmungstäter seine Hand im Spiel hat, ist bis dato noch nicht geklärt. Ebenfalls unklar ist die Bedeutung der Zahl »5«. Handelt es sich um den fünften Psalm, in dem David den Herrn bittet, Lügner, Mörder und Betrüger zugrunde gehen zu lassen, oder weist »5« gar auf das fünfte Gebot: »Du sollst nicht töten« hin?

Belegt ist jedoch, dass Abt Philipp bereits am Morgen vor der Messe von einem Unbekannten körperlich bedroht wurde. Warum er nach dem Gottesdienst alleine in der Sakristei blieb, ist bisher nicht erklärbar.

Als Resultat bleibt nur ein ungeklärter Mord. Vom Täter fehlt jede Spur, und die Polizei nennt bis dato keinen Verdächtigen. Die Ermittlungen beschäftigen sich nun mit Geschichte und Umfeld des Opfers, in denen das Motiv für die Tat liegen könnten.

Engelbert Praetorius wurde 1974 in München geboren. Er studierte nach dem Abitur zuerst in München und später in Regensburg katholische Theologie. Schon kurz nach dem Studium trat er ins Kloster am Berg ein und nahm den Ordensnamen Philipp an. 2003 wurde Engelbert Praetorius zum Priester geweiht und verbrachte die Jahre danach als Kaplan und Pfarrer in verschiedenen oberbayerischen Gemeinden in der Nähe des Klosters. Den Wunsch, nach München zurückzukehren, hegte Pater Philipp, nach Aussagen seiner Mitbrüder, nie. 2010 wurde Phillip zum Abt des Klosters am Berg gewählt. Philipp galt als umgänglicher, aufgeschlossener Priester, der im Kollegium sowie in den Gemeinden sehr beliebt war und für jeden Gläubigen ein offenes Ohr hatte. Umso unverständlicher ist diese Tat.

DIENSTAG

12.

Am Dienstagmorgen hat der Sanktus in der Haidhauser Bierwerkel, sein und Hanspeters Craftbeer-Shop mit eigener Hausbrauerei, arbeiten müssen. Das Wetter war gut in diesem Jahr, ihr Biergarten im Innenhof des Häuserblocks an der Einsteinstraße war stets bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Gäste haben den Haidhauser Stenz, ihr traditionelles helles Lagerbier, getrunken, als würde es bald keinen Gerstensaft mehr geben. Der Renner war in diesem Sommer 2019 auch das Alt-Münchner Dunkel, das der Sanktus mit seinem Kompagnon rein aus dunklem Malz und im traditionellen Dreimaischverfahren hergestellt hat. Die Farbe war wie sehr dunkles Kupfer und der Geschmack malzig-süß, extrem aromatisch, gepaart mit einer leicht bitteren Note, sodass die Wucht der Süße etwas kompensiert wurde und die Süffigkeit, auf international »Drinkability«, in den Vordergrund getreten ist.

Der Sanktus hat gerade einen Stenz gebraut und die Maische in den Läuterbottich abgemaischt. Der Hanspeter, immer noch Brauer beim Münchner Sternbräu, war in der Arbeit und der Sanktus somit allein. Ein Damoklesschwert ist jedoch noch über ihm geschwebt, da sich die Birthe angemeldet hatte, weil sie »mal so ’ne kleene Brauerei« sehen hat wollen. Sie kannte ja nur die großen aus dem Osten, die du jetzt immer im Fernsehen sehen kannst. Aber hoffentlich würde dieser Kelch zumindest heute an ihm vorübergehen, da die Geschichte um die Leiche des Abts das Tun der Landeshauptstadt bis dato vollends bestimmte. Somit wahrscheinlich auch das der beiden Damen, und die Birthe würde dem Sanktus erspart bleiben.

Heute in der Früh hatte die Anna die Martina abgeholt. Sanktus’ Schwester hatte ihr zur Firmung 14 Tage Griechenland geschenkt. Ein Traum, den die Jugendliche schon lange hatte. Der Schorschi hat natürlich sofort aufbegehrt, denn er will ja schließlich dann auch wegfahren, wenn seine Schwester das darf, weil Ungerechtigkeit sondergleichen, und so geht’s ja wirklich nicht! Hier hatte sich dann der alte Sanktjohanser geopfert und ist mit dem Schorschi kurzerhand in die Berge gestartet. Er hatte den Buben eine Viertelstunde, bevor die Martina los ist, abgeholt, und so war der Kleine happy, weil länger weg als seine große Schwester.

Wenn du denkst, ja super, die Kinder aus dem Haus, wie romantisch, hast du nicht bedacht, dass die Birthe ja noch die Wohnung okkupiert hatte und die Kathi auf einmal so um den Sanktus herumgeschwänzelt ist, ihm schöngetan und gefragt hat, ob es ihm was ausmache, wenn ihre Freundin noch ein bisserl bleiben würde. Der Sanktus, der ja Gott sei Dank mit dem Graffiti dahingehend ein Flucht-Scenario erörtert hatte, hat sich großzügig gegeben und damit natürlich viele Busserl kassiert. Seinen Umzug zum Graffiti hat er lieber noch nicht erwähnt. Sicher ist sicher, hat der Bauer gesagt und den toten Hund an die Kette gelegt, Gedanke vom Sanktus.

Kurz nachdem die Läuterruhe vorbei war und er nach dem Vorschießen und Trubwürzepumpen die Fließgeschwindigkeit der Vorderwürze eingestellt hatte, hat es an der Eingangstür zur Bierwerkel geklopft. Der Sanktus, der gemeint hat, dass es sicherlich der Postbote, der wieder einen Haufen Rechnungen bringen würde, sein musste, ist zum Öffnen gegangen.

Doch beim Postboten weit gefehlt. An der Tür waren der Pfarrer Hintermeier und ein afrikanischer Kollege. Beide haben ziemlich betreten dreingeschaut und dem Sanktus angedeutet, dass sie gerne eintreten würden.

Der Sanktus hat natürlich geöffnet, weil zwei Hochwürden kannst du ja schließlich nicht mitten im Hinterhof stehen lassen. Geht doch wirklich nicht.

»Griaß di, Sanktus«, hat der Hintermeier angefangen. »Jetzt schau ned so kariert. Kennst mi nimmer, oder? I hob’s da doch scho am Freitag g’sagt, dass du mir so bekannt vorkommst. Ha? Sog, alte Wirtshaushupen.«

»Woas host du gerade gsack?«, hat der anscheinend aus Afrika stammende Kollege wissen wollen.

»Alte Wirtshaushupe, which means old tavern horn«, hat der Hintermeier erklärt. »An urold Bavarian expression, woaßt, Sepp. Sanktus, das ist der Pater Joseph Mbewu aus Südafrika. Sozusagen der Mbewu Sepp. Sepp, das ist der Sanktus, und jetzt schau ma, ob er sich wieder erinnert, woher er mi kennt.«

»Griaß dee, Sanctus«, hat der Pater Mbewu den verdutzten Sanktus begrüßt. »Gfreit me, dick kennen su learnen.«

»Servus, Sepp, freut mich aa, aber woher kennen mir zwei uns jetzt, Herr Pfarrer?«

»Jetzt überlegst amal. Warst doch früher aa scho g’scheit. Denk mal nach. Ich sag nur Simon-Knoll-Platz. Schnackelt’s?«, hat der Hintermeier lachend gefragt.

Jetzt hat es im Sanktus-Hirn wieder einmal geraucht, aber die Glut ist einfach nicht entfacht worden.

»Ich komm ned drauf! Echt ned!«

»Da Prälaten-Migi. Sagt da des nix?«

»Der Prälaten-Migi vom Hinterviehbacher Klosterbräu. Der kleine Dicke …«

»No, no, no, gell! So schlimm war i aa wieder ned«, hat sich der Hintermeier verteidigt.

»Na, ja. A bisserl grenzlastig warst schon! Ja verreck, der Migi! Von was war denn das eigentlich die Abkürzung?«

»Remigius, Sanktus, Remigius!«

»Sanktus Remigius. Tät sich gleich gut anhören, gell«, hat der Sanktus philosophiert.

»Very good my friend«, hat der Pater Mbewu dazwischengeworfen.

»Wie bist denn du dann Pfarrer worden?«, hat der Sanktus gefragt.

»Des war scho immer mei Plan. Aber ich wollt halt auch bierbrauen. Geht in am Kloster ja gut. Außerdem, stell dir vor, ich hätt euch 25 versoffenen Brauern erklärt, dass ich nach der Lehr Theologie studieren will. Da hätt i euch sehen wollen. Um Gottes willen.«

 

Der Hintermeier hat jetzt aus vollem Herzen gelacht.

»Hast recht. Des wär was worden. Aber, was kann ich dir Gutes tun?«, hat der Sanktus gefragt.

»Erst amal a Halbe Bier, bitte«, ist die Antwort blitzschnell gekommen.

»Dunkel?«

»Wia im Kloster. A Traum. Sepp, was magst du?«, hat der Hintermeier gefragt.

»For me aa bittschön a Dunkles. Is dock kloar, oder?«

Dann hat der Mbewu gegrinst.

Und dann haben sie gelacht, und der Sanktus hat drei Halbe Alt-Münchner geholt.