Wacken Roll

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Thomas Hess, Produktionsleitung W:O:A

Eigentlich fungierte Thomas Hess als Tourmanager für die Böhsen Onkelz. In dieser Eigenschaft führten ihn seine Wege erstmals 1996 nach Wacken. Mit Folgen, die auch sein Leben maßgeblich verändern sollten, schließlich blieb Thomas Hess sozusagen „kleben“ im hohen Norden und zeichnet seit 1997 als Produktionsleiter für das Gros der Organisation des Festivals verantwortlich. Und das kam so …

Thomas Hess: „Die Musik höre ich schon seit frühester Jugend. Früher hatte ich querbeet Hardrock gehört, Led Zeppelin. Deep Purple, auch die Stones. In Frankfurt war ich dann drei Jahre lang Chef-Türsteher in der Musichall. Schon 1991 hatte ich die Firma IH Security gegründet, die seit 2001 eine GmbH ist mit mir als Geschäftsführer. Schwerpunkt ist die Vermietung von Absperrungen sowie die Bereitstellung von Sicherheitspersonal. Es gibt eine Tendenz zum Full-Service-Dienstleister durch einen großen Pool an Partnerfirmen.

Durch einen Arbeitskollegen wurde ich damals, 1993/94, Tourbegleiter bei den Onkelz. Ich hatte da vorher keine Erfahrungen und bin einfach ins kalte Wasser gesprungen. Dann, bei der zweiten Tour 1995/96, lernte ich Holger, Thomas und Winnie kennen. Sie hatten das erste Konzert der Onkelz in Kiel in der Ostseehalle veranstaltet. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. 1996 übernahm ich dann mit meiner Mannschaft die Security beim W:O:A und auch die Produktion. Mit Thomas habe ich zusammen etliche Produktionen gemacht, uns verbindet eine enge Freundschaft. 1997 habe ich dann die Produktionsleitung übernommen beim W:O:A. Zusammen mit Holger haben wir immer wieder neue Ideen umgesetzt. Da ist ein ganz enges Verhältnis entstanden. Wacken ist überhaupt meine zweite Heimat geworden, ich bin ja mindestens zehn bis zwanzig Mal im Jahr da oben.

Als die Onkelz 1996 in Wacken spielten, da hatten wir zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Zuschauer. 2004, als die Onkelz zum zweiten Mal dort spielten, da waren es schon dreißig- bis vierzigtausend Zuschauer. Zusammen mit ICS, der Firma von Holger und Thomas, hatten wir zuletzt eine Tournee mit Stephan Weidner gemacht, mit mir als Tourmanager. Da hatten wir insgesamt auch rund fünfzigtausend Zuschauer.

Beim Festival in Wacken bin ich als Produktionsleiter so eine Art Hausmeister. Es gibt nichts, was ich nicht selber machen würde: Aufs Dach klettern der Bühne, Traversen anschlagen, Zelte aufbauen, Toiletten abpumpen...

Das schwierigste Problem hatten wir sicher in 2007, als 130 Liter Regen pro Quadratmeter alles unter Wasser setzte. Bis zwei Stunden vor Doors open war auch eine Absage des Festivals noch möglich.

Schon im Vorfeld des W:OA bin ich bei den Behördengesprächen eine Art Puffer. Die Gespräche mit Ordnungsamtsleiter Tolksdorf sind immer sehr kollegial. Wir gehen gemeinsam alle Szenarien durch, um auf alles vorbereitet zu sein. Wacken liegt ja im „Windgebiet 3“, einer speziellen Schutzzone in Deutschland. Zelte müssen da zum Beispiel mit Erdnägeln befestigt werden. Was sehr gut ankam, dass die Metal Guards Nummern auf der Brust tragen, so dass jeder Besucher im Fall einer Beschwerde die jeweilige Security identifizieren kann. Zur Identifikation unserer Mitarbeiter verfügt unsere Arbeitsbekleidung über ein Nummernsystem, jedes T-Shirt, jeder Windbreaker verfügt hierbei über eine deutlich zu erkennende Nummer. Jede einzelne Nummer ist somit am Tage der Veranstaltung einem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet. Bei Problemen oder Beschwerden lässt sich jederzeit der entsprechende Mitarbeiter über seine „Arbeitsbekleidungsnummer“ identifizieren.

Diese Idee mit den Erkennungsnummern wurde mittlerweile von vielen Firmen übernommen. In 2001 bekamen wir bei einer Umfrage unter den Festivalbesuchern die Note 1 bis 2. Überhaupt ist das Metalpublikum eines der tolerantesten. Man hilft sich untereinander, – das W:O:A ist eines der friedlichsten Festivals, das ich kenne.

Zum 20. Geburtstag wünsche ich mir, dass es trocken bleibt und wir wie immer eine geile und friedliche Party feiern können!“


Thomas Hess


Helge Staack (Site Coordination seit 1997), Holger Hübner, Stefan Kempe (Site Coordination seit 2002), Thomas Hess (Security Chef, Head of Production, seit 1997 fünfter Onkel)


Lagebesprechung der Security. © IH Security


Innovativ: Die Security (Metal Guards) haben Nummern auf der Brust, so dass jeder Besucher im Fall einer Beschwerde die jeweilige Security identifizieren kann. © IH Security

Bauer Uwe Trede

Er ist an der Seite von Holger Hübner und Thomas Jensen zu der Wacken-Kultfigur schlechthin avanciert: der drei Schachteln Zigaretten pro Tag rauchende und – wegen seiner Potenz – weißen Thunfisch bevorzugende Bauer Uwe Trede in seinem Trabant-Cabrio. Ihm obliegt das „Feld-Management“: Er akquiriert von den benachbarten Bauern Ackerflächen für das Festivalgelände und die Campingplätze, managt auch nach dem Event die Reinigung des Areals. Obwohl Uwe Trede altersmäßig schon an der Siebziger-Marke kratzt, fühlt er sich noch lange nicht zu alt für Heavy Metal – höchstens „dreißig Jahre zu früh geboren“. Und überhaupt: „Die Metaller sind ja auch nicht anders als wir – die sehen nur fünfzig Jahre anders aus “

Uwe Trede: „In den ersten drei Jahren habe ich mir das ja in Ruhe und aus der Ferne angesehen: Da feierten die Jungs dort in der Kuhle ihre Party – und gut war. Doch in dem Moment, als sie noch weitere Flächen für den Camping- und Parkplatz benötigten, kam ich ins Spiel. Mir gehört ja der Acker direkt gegenüber der Kuhle auf der anderen Straßenseite – dort, wo heute die Hauptbühnen stehen. Also engagierte ich mich ab 1994 verstärkt, betätigte mich als Ordner, wies den Leuten Camping- und Parkplätze zu, schaute generell nach dem Rechten.

Dann wuchsen die Besucherzahlen des Festivals rasant an, und es existierte ein immer größerer Flächenbedarf. Und da ich ja fast jeden hier im Dorf persönlich kenne, kümmerte ich mich dann darum, dass uns die benachbarten Kollegen ihre Äcker für die Festivaltage zur Verfügung stellen, sie uns diese verpachten. Dabei kam ich natürlich auch mit denjenigen Herrschaften in Berührung, die das Festival mit Argwohn betrachteten. Sie wollten einfach nur ihre Ruhe haben, fühlten sich durch die laute Musik gestört. Einer von ihnen hat sich regelrecht quergestellt – sein Herz verkraftet angeblich nicht den Radau. Also drückte ich ihm vierhundert Mark in die Hand, damit er über das fragliche Wochenende wegfahren und sich irgendwo einen Ruhigen machen kann. Im Jahr darauf feilschte er schon herum, wollten unter fünfhundert, sechshundert Mark nicht einwilligen. Dann nahm er das Geld – und blieb trotzdem zuhause. Angeblich sind seine Herzprobleme verschwunden gewesen. Dem habe ich aber Beine gemacht: „Entweder, du fährst jetzt weg – oder du gibst mir das Geld zurück!“ Da ist er dann doch gefahren …

Heute pachten wir für die „fünfte Jahreszeit“, wie wir das Festival nennen, Ackerflächen dazu. Insgesamt kommen wir mittlerweile auf 187 Hektar Flächenausdehnung – das sind ungefähr zweihundert Fußballplätze. Während des Festivals betreiben wir einen eigenen Stand, schenken Bier aus, verkaufen belegte Brote und Brötchen. Natürlich gehe ich Patrouille, schaue, ob es irgendwo Probleme gibt. Meistens komme ich nicht weit: Ich muss Autogramme geben. Irgendwann wurde mir das zuviel. Deswegen sagte ich: „Ab jetzt nur noch Mädchen – und nur auf die Titten!“ Ich kam dann trotzdem nicht viel schneller voran. Weil ich da nämlich dann mit meinem ganzen Namen signierte …

Unmittelbar nach dem Festival, gleich am Montag, beginnen wir unter meiner Leitung mit der Platzreinigung. Da gibt es schon regelrechte Organisationen, die die freiwilligen Helfer zu uns rankarren und ihnen den Job vermitteln. Denn wir zahlen nicht nur 25 Euro für die drei Stunden Reinigung plus Getränke plus ein halbes Hähnchen – viele bringen auch die Pfanddosen und –Flaschen weg und kommen so noch einmal auf bis zu 300 Euro Verdienst. Auch sonst bietet das Zurückgelassene noch einen schönen Nebenverdienst. Die Schrothändler zum Beispiel, die die zurückgelassenen Grillgerätschaften einsammeln. Oder auch die Dorfbevölkerung, die dann die Zelte abbaut – für die Kinder, die damit noch problemlos in die Ferien fahren können. Eine unserer Nachbarinnen hatte sich da schon auf ein besonders schönes, großes Zelt gefreut. Auch als sie sich das Zelt aus der Nähe anschaute, konnte sie keinen Schaden erkennen, freute sich umso mehr auf den nächsten großen Campingurlaub. Doch als sie in das Zelt reinschaute, war sie restlos bedient: Da hatten die Jungs eine Grube ausgehoben und diese bis zum Eichstrich zugeschissen. So wurde es dann doch nichts mit dem schönen, neuen Gratis-Zelt.

Nachdem wir mit unseren Freiwilligentrupps die Grobreinigung vorgenommen haben, rückt eine Spezialfirma an, die die Flächen selbst vom kleinsten Glassplitter befreit, schließlich handelt es sich bei dem Gelände größtenteils um Weideflächen, und die Tiere sollen ja nichts von dem Zeugs verschlucken, geschweige denn sich daran verletzen. Dieser Spaß kostet natürlichen ein Heidengeld – was viele Außenstehende weder sehen noch sehen wollen. Ebenso wenig wie die Investitionen in das Gelände: Auf dem Hauptplatz vor den Bühnen wurden Dränagen im Wert von 700.000 Euro verlegt, um so bei starken Regenfällen wie zuletzt 2007 einen schnelleren Abfluss der Wassermassen zu erreichen. Außerdem wurden die wichtigsten Wege mit Panzerplatten befestigt. Jedenfalls wollen wir auch in Zukunft gut gerüstet sein, um den Langhaarigen weiterhin eine tolle Party zu bieten und vielleicht in fünf Jahren das nächste Jubiläum zu feiern: ein Vierteljahrhundert Wacken:Open:Air!!!“

 

Bauer Uwe Trede wurde durch W:O:A selbst zur Kultfigur.


Ein Blick auf Weide und Acker von Uwe Trede.

Gerald Wilkes, Continental Concerts

Gerald Wilkes vertritt über seine Management- und Konzertagentur Continental Concerts solch international renommierte Acts wie Amon Amarth, Children Of Bodom, Nevermore, Sonata Arctica, Axel Rudi Pell, Stratovarius sowie Sodom und Onkel Tom – und hat vor gut 15 Jahren sein Rocker-Herz in Wacken verloren: Seit Mitte der Neunziger unterstützt er das W:O:A-Team tatkräftig auf dem Sektor der Künstlerbetreuung. Diese langjährige Tätigkeit bahnte sich aber eher zufällig an …

Gerald Wilkes: „Mein erster Job im Rock-Business ist der des Merchandiser für das 1987 durch unsere Landen tingelnde Gespann Kreator/Voivod gewesen. Bereits ein Jahr später absolvierte ich meine erste Gastspielreise als Tourleiter – für Sodom und Whiplash. Zu der Zeit zunehmend im Metier des Tour-Managenemts involviert, suchten wir natürlich für die von uns betreuten Künstler ständig Clubs, Hallen und Festivals, in die wir die Musiker für Auftritte hineinbuchen konnten. Was sich für den In-doors-Sektor noch einigermaßen vergnüglich gestaltete, nahm damals für den Open-Air-Bereich den Charakter einer „Mission: Impossible“ an. Denn Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger gab es schlichtweg kaum Festivals, die in ihrem Billing die Prioritäten beim Heavy Metal setzten, geschweige denn sich gewillt zeigten, Metal-Bands zu verpflichten.

Umso erfreuter waren wir, als wir hörten, dass da oben nördlich von Hamburg ein paar Fans Initiative zeigten und hartnäckig versuchten, ein Metal-Event förmlich aus dem Acker zu stampfen. Zwar verschlug es uns selbst anfangs noch nicht vor Ort nach Wacken. Dennoch halfen wir den Jungs, Bands zu buchen, und vermittelten ihnen diesen oder jenen Act: zum Beispiel 1993 die schweizer Industrial-Metaller Samael, 1994 dann Skyclad und Gamma Ray sowie 1995 Tom Angelripper, die deutschen Schwermetaller Depressive Age und die schwedischen Düster-Metaller Tiamat als Headliner. Und erst in diesem Jahr, 1995, führten mich meine Wege direkt nach Wacken – in erster Linie als Betreuer von Tom Angelripper.

Dabei lernte ich Holger und Thomas endlich persönlich kennen – und verstand mich auf Anhieb mit ihnen: Ich spürte, dass sie direkt aus der Metal-Szene kamen, ihr sehr verbunden sind – und begriff sehr gut ihre Vision, als Metal-Fans Ihresgleichen eine tolle Party bieten zu wollen. Gleichzeitig lernte ich Holgers Frau Heike kennen: Sie übte die Funktion des Ansprechpartners für die so genannten „Artist Production“ – also die Künstlerbetreuung – aus. Und wurde in ihrem kleinen Kabüffchen förmlich überrannt: Der eine Herr brauchte unbedingt Handtücher für seine Band, der nächste ein Taxi zurück ins Hotel – und ständig nervte jemand wegen Bier und Zigaretten. Der alltägliche Wahnsinn eben, wenn man solch einen Kindergarten wie gestandene Rockmusiker betreut. Nur mit dem Unterschied, dass ich das von Berufswegen her kannte, Heike aber nur einmal im Jahr – und dann massiv – mit solchen Verhältnissen konfrontiert wurde.

Also setzte ich mich zu Heike, unterstützte sie und nahm ihr jede Menge Arbeit ab – und verhinderte wohl so auch ihren sonst wohl unweigerlichen Nervenzusammenbruch. Für das nächste Jahr, also 1996, bot ich Holger und Thomas an, mich gleich von Anfang an mit meinem erfahrenen Team um die „Artist Production“ zu kümmern, zunächst für ein Jahr – sozusagen auf Probe. Das funktionierte derart gut, dass sich diese Zusammenarbeit bis in die heutigen Tage fortsetzte.

Natürlich erlebte ich so die Entwicklung des Open Airs von einer etwas anarchistischen Metal-Party hin zu einem professionell durchorganisierten Metal-Festival, der Welt größtem noch dazu, hautnah mit. Damals reisten wir erst unmittelbar einen Tag vorher an, ließen es uns gut gehen, feierten manchmal sogar mit den Bands und Fans. Inzwischen können wir uns solche Annehmlichkeiten restlos abschminken, denn der Organisationsaufwand stieg ins Immense. Mein Kollege Jörg Michael zum Beispiel reist heutzutage knapp zwei Wochen vorher in Wacken an, richtet in einem Container unser Büro ein, nimmt an den jeden Tag stattfindenden Meetings und Lagebesprechungen mit der Festival-Leitung teil. Denn mittlerweile reisen die Fans ja schon eine Woche vor dem eigentlichen Festival an, verbringen dort bis zu 14 Tage Urlaub. Und auch viele Musiker reisen schon Tage früher an – sei es über den Hamburger Airport oder per Fähre aus Skandinavien. Und die wollen alle irgendeinen Ansprechpartner vor Ort haben, der ihnen Shuttles, Pässe, et cetera organisiert – also uns!

Und während wir früher noch um spätestens drei Uhr bis zum nächsten Morgen acht Uhr unser Büro dicht gemacht haben und uns schlafen legten, schieben wir heute bis zu 20-stündigen Schichtdienst und sind rund um die Uhr für die Sorgen, Nöte und Wehwehchen der Künstler ansprechbar. Vom Bühnengeschehen selbst bekommen wir so gut wie gar nichts mit – wir sind froh, dass wir die eine Band einigermaßen pünktlich auf die Bühne schubsen, während die andere schon nervt, ob man irgendwo noch einen Kasten Bier oder etwas Lungenbrot auftreiben könnte.

Warum aus meiner Sicht das Wacken:Open:Air diese rasante Entwicklung nahm? Das ist nach wie vor schwer erklärbar. Wahrscheinlich hängt das entscheidend damit zusammen, dass Anfang der Neunziger ein riesiger Bedarf an einem solchen Event bestand und Holger und Thomas sich zu den ersten Organisatoren aufschwangen, die diesen Bedarf auch befriedigten – und das einigermaßen konkurrenzlos. Hinzu kommt die Authentizität der Beiden: Sie sind Metal-Fans – und die Metal-Fans wissen, dass Holger und Thomas „welche von ihnen“ sind. Idealere Voraussetzungen, mit der gewissen Portion Durchhaltevermögen und der Unterstützung der Dorfbevölkerung ein Festival wie das Wacken:Open:Air auf die Beine zu stellen, gibt es kaum! Kompliment!“


Gerald Wilkes in seinem Büro.


Bürgermeister, Feuer­wehr, Polizei & Co.

Bürgermeister Axel Kunkel

1998 in die Gemeindevertretung gewählt und seit 1999 von Bürgern in Wacken zum ehrenamtlichen Bürgermeister geadelt, hat Axel Kunkel die heiße Phase des Wachstums des Festivals hautnah miterlebt. Inzwischen fiebert auch der Gemeindeobere von Jahr zu Jahr der Neuauflage entgegen und arbeitet zusammen mit den Veranstaltern an Plänen, diese riesige Veranstaltung weiter zu entwickeln und zu perfektionieren.

Bürgermeister Axel Kunkel: „Wenn man mich – jemanden, der die Entwicklung des Festivals in allen Belangen hautnah miterleben durfte – fragt, warum sich ausgerechnet das Wacken:Open:Air von einer im Grünen gefeierten Wiesen-Party zu einem der größten Metal-Festivals mausern konnte, gibt es aus meiner Sicht in erster Linie zwei Gründe dafür: einerseits die einmaligen Fans, die ihre Musik ebenso einmalig zu „leben“ und zu „feiern“ wissen – und die Veranstalter, allesamt Originale aus der Region, die dabei in ihren organisatorischen Bemühungen nie die Belange des Dorfes außer Acht ließen und sich dementsprechend mit der Zeit die Unterstützung nahezu aller Einwohner verdienten. Denn wo sonst gibt jemanden wie Bauer Trede, der von Haus zu Haus zieht und die Landwirte davon überzeugt, ihre Koppel für eine Party von „schwarz gekleideten Wilden“ zur Verfügung zu stellen?

Obwohl insbesondere Holger und Thomas immer betonten, wie nett und friedlich diese „schwarz gekleideten Wilden“ seien, stießen sie anfangs dennoch auf Vorbehalte seitens der Dorfbewohner: Man hatte Angst, den Kindern würde etwas passieren, den jungen Mädchen sowieso … Erst mit der Zeit bauten sich diese Vorurteile ab, erkannte man: „Hey, das sind ja Menschen wie du und ich! Die sehen zwar anders aus und hören andere Musik – aber viel trinken tun die auch!“ Nur: So etwas glauben die Alteingesessenen nicht, wenn man ihnen das immer wieder so vermittelt – sie müssen das erst mit den Jahren selbst erleben! Übrigens: Jetzt verdienen sich Achtjährige etwas Taschengeld dazu, indem sie mit Fahrrädern und Ziehwagen den Metallern für zwei, drei Euro Bier-Kästen zu den Zelten transportieren!

Dass es während eines derartigen Entwicklungsprozesses, wie ihn das Festival durchgemacht hat, auch Rückschläge gibt, bleibt wohl nicht aus, schließlich ist das Ganze auch ein unermüdlicher Lernprozess. Besonders in der Periode meines Amtsantritts war ein kritischer Punkt erreicht worden: Da wuchsen zwar die Zuschauerzahlen von ungefähr 12.000 auf 17.000, also knapp um die Hälfte – aber die Organisation konnte mit diesem Quantensprung nicht Schritt halten. Und angesichts – ich drücke das jetzt bewusst drastisch aus – vollgekotzter Bürgersteige, zugeschissener Vorgärten und Müllberge ohne Ende fragte man sich erschrocken: Kann das Dorf solche Massen überhaupt noch vertragen? Sollte man nicht doch lieber die Reißleine ziehen?

Doch mit bewundernswertem Nachdruck arbeiteten die Organisatoren an der Beseitigung der Missstände, verdienten sich somit den Respekt ihrer Mitbürger. Ein Beispiel: Inzwischen gibt es jeden Montag nach dem Wacken:Open:Air eine Art Müll-Patrouille – da fahre ich mit Holger durch das Dorf, und sollte irgendwo noch Unordnung herrschen, veranlasst Holger über Sprechfunk die sofortige Abstellung der Mängel. Jetzt ist das Dorf nie so sauber wie am Montag nach dem Wacken:Open:Air – nach jedem Reiterumzug oder Dorffest liegen mehr Pferdeäpfel beziehungsweise Müll auf der Straße!

Zwar gibt es auch heute einige Anwohner, die nicht erbaut sind ob des Lärms – und damit meine ich weniger die Musik: Denn 2008 war die Nacht von Montag auf Dienstag die lauteste, weil die gerade etwa 10.000 Frühanreiser nicht auf dem noch geschlossenen Hauptgelände beschäftigt werden konnten und dementsprechend auf dem Campingplatz hemmungslos Party feierten. Und: Drei Wochen vor und nach dem Festival rollen nahezu ununterbrochen Schwerlaster vor allem durch die Hauptstraße, um Bühnenaufbauten, Equipment, Zeltausrüstungen, Material und Lebensmittel anzuliefern. Dass das auf Dauer gerade diejenigen Mitbürger nervt, die in erster Linie nach Wacken gezogen sind, um hier ländliche Idylle und Beschaulichkeit zu genießen, dürfte wohl verständlich sein. Aber im Prinzip gibt es heute nur einen chronischen Nörgler, der sich nicht mit dem Festival arrangiert hat und nach Kräften dagegen aufbegehrt, sich beispielsweise die Texte von auftretenden Bands übersetzt und verlangt, dagegen vorzugehen …

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass die Gemeinde Wacken aus dem Festival über den Image-Gewinn hinaus großen finanziellen Nutzen zieht. Das mag gewiss für die Dorfbevölkerung stimmen, die diverse Dienstleistungen anbietet, die wiederum von unseren Besuchern gerne angenommen werden. In die Gemeindekasse hingegen fließen nur 4.500 Euro für die Sporthalle und in der Schule angemietete Räumlichkeiten sowie 2.500 Euro für die Kuhle, in der das Künstlerdorf steht und die einzig und alleine zur Gemeinde Wacken gehört – alle anderen Grundstücke sind entweder in Privatbesitz oder gehören zu den umliegenden Gemeinden. Darüber hinaus wurde in den Jahren 2005 bis 2007 für die den Fans angebotene kostenlose Nutzung des Schwimmbads eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro gezahlt.

Allerdings ist das Schwimmbad ziemlich marode, stand 2007 kurz vor der Schließung. In dem Moment gründete sich ein Förderverein, der sich für die Erhaltung und Renovierung der Badeanstalt einsetzt, aber im Vorjahr die Verwaltung des Objekts selbst übernahm – und dementsprechend wieder Eintritt verlangte. Aufgrund der heißen Tage während des W:O:A 2008 nahm der Förderverein auch fast das Dreifache an Geldern ein. Mir wäre es aber trotzdem lieber gewesen, wenn Holger weiterhin die übliche – und für die Gemeindekasse konstant berechenbare – Pauschalsumme zahlen würde, denn wenn wir einmal einen verregneten Sommer haben, geht die Rechnung des Fördervereins nicht mehr auf … Darüber hinaus zeigt sich Holger sehr großzügig bezüglich Sachspenden: So stiftete er für die etwa 1.000 Mitglieder des TSV Wacken Trikots und Regenjacken, und auch der Kindergarten und der Jugendtreff werden von ihm immer mal wieder bedacht.

 

In der Perspektive hätte ich nichts dagegen, wenn das Wacken:Open:Air wächst – Hauptsache, es bleibt weiterhin so friedlich wie bisher. Mit weiteren Investitionen in die Infrastruktur könnten wir meines Erachtens durchaus 100.000, vielleicht auch 120.000 Besucher verkraften. Diesbezüglich wurden von uns schon weitere Maßnahmen ergriffen. So haben wir im Rahmen des Förderprogramms Aktiv-Region der Europäischen Union Fördergelder beantragt, die uns bereits zumindest mündlich zugesagt worden sind. Das Geld wollen wir in stationäre Anlagen im Dusch- und Sanitärbereich investieren, aber auch in neue Konzepte der Müllbeseitigung sowie auf dem Sektor der Energieversorgung.

Mittlerweile erreichten uns auch Anfragen von Veranstaltern anderer Genres der populären Musik, ob wir nicht meinetwegen ein Wacken-Techno- oder ein Wacken-Rap-Festival organisieren könnten, denn Erfahrungen mit großen Zuschauermassen und vor allem die Infrastruktur lägen uns ja vor. Genau das wollen wir aber nicht: Wir wollen keine Ausschlachtung von Wacken, wir wollen keine Beliebigkeit erzeugen.

Wacken soll auch weiterhin nur für eins stehen: Für die größte friedliche, familiäre Metal-Party weltweit!“


Bürgermeister Axel Kunkel


Müll gibt es reichlich beim W:O:A. Die Beseitigung ist bestens ­organisiert.


Das Gelände des W:O:A im tristen Winter.



Trikot-Sponsoring für den TSV Wacken. Für den TSV Wacken hatten früher auch Holger Hübner und Thomas Jensen gespielt.

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