Johann Albrecht von Reiswitz (1899–1962)

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Am 06.05.31 setzte „Politika“ die Geschichte fort mit einem fast halbseitigen, ausführlichen Artikel mit ähnlicher Überschrift wie eine Woche zuvor: „In der Umgebung von Ohrid sind drei prähistorische Anlagen entdeckt worden“.

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 Nun wurden die Lokalitäten präzisiert. Die erste Anlage befinde sich oberhalb von Sveti Erazmo, die zweite bei dem Dorf Lakočerej, welches landeinwärts nördlich von Ohrid liege und die dritte bei Trebenište, wo im vergangenen Jahr Vulić der neueste Grabfund gelungen sei.



Die Anlage unfern des Klosters des Heiligen Erasmus sei bedeutsam aufgrund der gewaltigen Mauerreste, was umso auffälliger sei, da die Anlage aus vorgeschichtlicher Zeit stamme. Diesen Befund habe auch der vor einigen Tagen angereiste Georg Karo geteilt – der im übrigen auch an der Sitzung der Zentraldirektion des DAI am 04. und 05.07.30 teilgenommen hatte, also über das Ohridengagement im Vorfeld informiert war.

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 Karo war sich im übrigen mit dem Staatsekretär der Auswärtigen Amtes, Bernhard Wilhelm von Bülow (1885–1936), darin einig, dass die „Zukunftsmöglichkeiten Deutschlands“ – auch archäologisch – in Südosteuropa lägen.

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Die zweite Anlage bei Lakočerej sei eine „natürliche“ und fast ausschließlich vorgeschichtliche Anlage, ohne spätere Ein- und Umbauten, wohingegen die dritte Anlage bei Trebenište – die Vulić in seinem Interview vom 21.07.30 mit „Politika“ erwähnt hatte – zwar vorgeschichtliche Mauerreste aufweise, aber durchmischt sei mit römischen Bauteilen.



Nach genauer Inaugenscheinnahme aller drei Anlagen haben, so „Politika“, die drei Archäologen entschieden, dass im Herbst die interessanteste der drei Anlagen bei Sveti Erazmo ausgegraben werden solle. Dieser Passus klingt etwas rätselhaft, da bis zum Beginn der Ausgrabungen eigentlich schon längst hätte klar sein sollen, was genau gemeint war mit der im Vertragsentwurf zwischen dem Nationalmuseum und dem DAI aufgeführten Anlage „Gradište“ bei Ohrid. Schließlich hatte genau darum ja Petković in seinem Brief an Unverzagt vom 18.03.31 gebeten. Eine wirkliche

Auswahl

 hatte das DAI ohnehin nicht, da Vulićs Burganlage Gradište nördlich bei Gorenci und auch Lakočerej nicht unter die Bestimmungen der Grabungskonzession fielen. Somit stand auch keine Entscheidung seitens Reiswitz oder Unverzagt an.



In den letzten zwei Dritteln änderte der Politika-Artikel aber dann überraschend sein Schwergewicht. Der Verfasser beschrieb, dass Unverzagt und Reiswitz nach Abschluss der archäologischen Sondierungen sich den übrigen Sehenswürdigkeiten in und um Ohrid widmeten. Sie seien beeindruckt von der Schönheit Südserbiens und seiner christlichen Altertümer und lobten den hohen kulturpolitischen Einsatz des jugoslawischen Staates, ablesbar an der Beobachtung, dass es eine Schule in jedem Dorf gebe. Auch seien die deutschen Besucher fasziniert von den mittelalterlichen Kirchen und Klöstern der Region. Hervorgehoben wurde die Kirche der Heiligen Sofia – deren Zustand noch von Krakov bei der Gründungsversammlung der „Gesellschaft der Freunde der Altertümer“ am 09.02.30 als bedrohlich angesehen worden war wegen der geplanten Übermalung der Fresken durch Bischof Nikolaj. Weiter meinten Reiswitz und Unverzagt, dass Südserbien sicher sei, es gebe keine Kriminalität – und damit, soviel ist zwischen den Zeilen zu lesen, auch keinen makedonischen Separatismus, geschweige denn Terrorismus. Unverzagt wurde darüber hinaus dergestalt zitiert, dass überhaupt zum ersten Mal seit der Römerzeit in Makedonien wieder Frieden herrsche.



Es ist klar, dass hier der Besuch der beiden deutschen Forscher für politische Zwecke im Sinne der Pazifizierung der nach den Balkankriegen hinzugewonnen „südserbischen“ bzw. makedonischen Territorien instrumentalisiert wurde. Auch die positive Arbeit der Malariastationen des Skopjer Hygieneinstituts des Reiswitzfreundes Rankov fand Erwähnung. Alle Voraussetzungen lägen nun vor, so ließen es laut „Politika“ die Entsandten des DAI verlauten, dass die natürliche Schönheit, die kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten ersten Ranges und die gewährleistete innere Sicherheit Südserbien zu einem Ziel für ausländische Besucher machen könnten.



So ganz rosig wird die Lage nicht gewesen sein, denn Reiswitz hatte noch in seinen undatierten Empfehlungen an Unverzagt vor dessen Reiseantritt nach Jugoslawien im März 1931 diesen vor den verwanzten Hotelbetten in Skopje gewarnt. Auf der anderen Seite wird Reiswitz dieser Artikel durchaus zugesagt haben, da er ja selbst durchaus aufrichtig an Jugoslawien und dessen Zukunft glaubte und gerne mit dazu beitrug, auch andere Wissenschaftler davon zu überzeugen. Folglich schrieb er am 22.03.1932 zufrieden an Petković, dass „Herr Unverzagt nun auch ein begeisterter Freund Jugoslawiens geworden ist“.

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Der „Politika“-Artikel vom 06.05.31 beschrieb dann im letzten Teil den Besuch von Reiswitz und Unverzagt im makedonischen Stobi. Im Jahre 1858 hatte dort der in Frankfurt am Main geborene Philologe und spätere österreichische Konsul Johann Georg von Hahn (1811–1869) Spuren einer antiken Siedlung entdeckt. Im Ersten Weltkrieg hatten deutsche Offiziere erste Bauwerke gefunden, wie zum Beispiel die dann 1916 ausgegrabene Basilica Palicura aus dem 5./6. Jahrhundert.

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 Petković hatte bereits 1929 in Stobi gegraben und einen spätantiken Palast freigelegt,

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 in dessen unmittelbarer Nähe er 1931 weitergrub und unter anderem hoffte, zwei inschriftlich belegte Reiterstandbilder zu lokalisieren. Die deutschen Besucher, aus Ohrid kommend, waren, so der Verfasser des „Politika“-Artikels vom 06.05.31, höchst angetan von der Fachkunst und dem Erfolg der Grabung in Stobi. Betont wurde auch erneut, wie sehr sich Petković um die deutsch-jugoslawische kulturelle Zusammenarbeit bemühte. Ganz am Ende wurde – durch Fettdruck hervorgehoben – Unverzagt persönlich das Wort erteilt. Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die für den September 1931 terminierte Fortführung bzw. der eigentliche Beginn der Grabung bei Gradište wichtige neue Erkenntnisse vermitteln könne über die Vorgeschichte Südserbiens. Er fügte dann vollmundig hinzu: „Ich gehe nach Ohrid auch als jemand, der verliebt in dessen Schönheiten ist, welche in der Lage sind, die Aufmerksamkeit der allerkultiviertesten Besucher auf sich zu ziehen. Mein Aufenthalt unter den fleißigen und tüchtigen Südslawen hat bei mir bereits einen tiefen Eindruck hinterlassen.“



Eine Woche zuvor hatte Unverzagt sich in einem Privatbrief gegenüber Bersu noch etwas anders geäußert. Dort hieß es, dass er in Ohrid seit nunmehr „drei Wochen von der Welt abgeschnitten“ sei: „Ein nicht gerade erfreulicher Zustand. Die Tage hier waren voll unerhörter Strapazen und Entbehrungen“. Wissenschaftlich gesehen sei der Aufenthalt dennoch ein voller Erfolg und habe ihn „sehr befriedigt“. Nun endlich schien sich auch Unverzagt im Klaren zu sein über die Topographie: „Unsere Konzession umfasst das wichtigste Gebiet des Ochrida-Sees, ein dreieckiges Gebirgsmassiv, dass die Gegend weithin beherrscht.“ Das Ergebnis der Prospektion und Probegrabung beschrieb er folgendermaßen: „Wir haben drei frühe Burgen darin festgestellt, eine mit prähistorischen und römischen Scherben, eine mit der Trockenmauer aus roh zugehauenen Blöcken mit Türmen und zwei Toren und eine in der Art des Lochensteins

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 mit … anscheinend neolithischer Keramik.“ In der folgenden Briefpassage gestand Unverzagt ein, dass er wohl nicht beabsichtigte, sich an das deutsch-jugoslawische Abkommen zu halten, wonach Grabungsfunde im Lande zu verbleiben hatten: „Die Keramikproben bringe ich mit nach Berlin, um sie dort näher zu bestimmen.“ Er hatte auch einen Grund dafür parat: „Da … die Serben darin nicht bewandert sind.“ Schlussendlich gab er sich optimistisch: „Alle Vorfragen sind jetzt geklärt, sodass wir noch in diesem Herbst Ende September … mit der ersten Grabung beginnen wollen … Bei 30 Arbeitern in vier Wochen stelle sich die Kosten alles in allem auf 4000 Reichsmark. Das ist nicht zuviel.“

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An seiner gegenüber „Politika“ gemachten Äußerung über die „Schönheiten“ von Ohrid lässt sich ablesen, dass auch Unverzagt bereit war, durch die Ohridgrabung der deutschen Wissenschaft eine vorteilhalfte Position zu verschaffen gegenüber dritten grabungsinteressierten ausländischen Archäologen und Institutionen. Gewissermaßen als Gegenleistung ließ er sich bereitwillig im Sinne der politischen Stabilisierung Südserbiens und zur Förderung des dortigen Fremdenverkehrs zitieren. Am auschlussreichsten war seine Schlussbemerkung: „Diese unsere gemeinsame Arbeit wird auch in Deutschland einen Widerhall haben und einen großen Beitrag leisten bei der Zerstörung von irrigen Vorstellungen in Bezug auf Jugoslawien, welche den Deutschen leider aufgezwungen wurden durch fremde Brillen.“



Um welche „irrigen“ Ansichten es sich genau handelte, erwähnte Unverzagt nicht. Es liegt jedoch nahe anzunehmen, dass damit diejenigen Standpunkte derjenigen gemeint waren, die Jugoslawien immer noch vornehmlich als den Feind aus den Jahren 1914–1919 wahrnahmen und somit österreichischer Provenienz waren und von denen sich Unverzagt – sicherlich ganz im Sinne von Reiswitz – hier öffentlich abgrenzte.



Politisch gesehen war die Grabungskonzession am Ohridsee im wissenschaftlichen Wettstreit von Nutzen. Während 1930 Vulić bei Trebenište noch medienwirksam fündig wurde, blieb dieser Erfolg 1931 aus. In zwei langen Artikeln für „Politika“, in denen Vulić viel Spannung versuchte aufzubauen hinsichtlich der Erwartung, ein weiteres Grab bei Trebenište zu finden, musste er am Ende antiklimaktisch konzedieren, dass er dieses Jahr leer ausgegangen war. Dies sei aber dennoch ein Erfolg, so Vulić, da nun definitv feststünde, dass nicht mehr als acht Gräber – sieben von den Bulgaren 1918 freigelegte und das von Vulić 1930 entdeckte – vorhanden seien.

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 Ein Jahr später sollte sich diese vermeintliche Gewissheit als verfrüht herausstellen, da Vulić selbst dann auf vier neue Gräber an derselben Lokalität stoßen würde.

 



Doch neben der durch Vulić bestand für die deutsche Archäologie in Jugoslawien eine weitere Rivalität: diejenige anglo-amerikanischer Forscher und Institutionen. Neben Sir Charles Hyde, der 1929 die Vinča-Grabung von Vasić ermöglichte, ging die Konkurrenz vor allem von einem 1921 im Alter von zwanzig Jahren ohne Englischkenntnisse in die USA eingewanderten mittellosen Tschechen aus: Vladimir Fewkes (1901–1941). Sechs Jahre später machte er an der Universität von Pennsylvania seinen Bachelorabschluss in Wirtschaftswissenschaft. Danach wandte er sich der Anthropologie zu und erwarb in diesem Fach 1928 seinen Master, bevor er 1930 darin promovierte. Von 1926–1927 arbeitete er als Assistent an der Universität von Pennsylvania, von 1930–31 als „Instructor“. 1932 wurde er Stellvertretender Leiter der „American School of Prehistoric Research“.

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In der Tat galt sein Hauptinteresse der mitteleuropäischen Archäologie, wobei ihm seine Landeskunde- und Sprachkenntnisse zu gute kamen.

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 Am 22.07.32 teilte er „Vreme“ mit, dass er bereits mehr als zehn Mal in Jugoslawien gewesen sei, während ihm der interviewende Journalist bescheinigte, die Landessprache fehlerfrei zu beherrschen.

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 Während die Aussage über Fewkes’ Sprachkenntnise wohl zutrifft, scheint die von ihm angegebene Zahl der bisherigen Jugoslawienreisen völlig übertrieben zu sein. Erste Erwähnung fand Fewkes in der jugoslawischen Presse im Jahre 1931 im Zusammenhang mit einer Erkundungsreise amerikanischer Archäologen unter der Ägide von George Grant MacCurdy (1863–1947), der in jenem Jahr die Leitung der „American School of Prehistoric Research“ übernommen hatte. Er erwähnte in einem Interview mit „Vreme“ vom 26.08.31 Fewkes als einen seiner „fähigsten Schüler“, was allerdings nicht zutraf, da Fewkes nie universitär von MacCurdy ausgebildet worden war.



Am 27.07.30 hatte die „New York Times“ in einem mehrseitigen Artikel, welcher unter anderem auf das weltumfassende Engagement amerikanischer Archäologen einging, bereits angekündigt, dass auch Jugoslawien bald Ziel sein würde: „From the University of Pennsylvania a party headed by Vladimir J. Fewkes will search for Neolithic man in the valley of the Danube.“

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Im Jahre 1932 war Fewkes dann wieder im Lande, diesmal selbst in leitender Funktion. Er stand einer gemeinschaftlichen Exkursion des „Peabody Museums for Achaeology and Ethnology“, des „Fogg Museum of Art“ – beide Einrichtungen der Harvard-Universität angeschlossen – und der „American School of Prehistoric Research“ vor. Neben Fewkes nahmen an der Fahrt noch Robert W. Ehrich (1908–1992) und Hetty Goldman

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 teil. Das wichtigste Ziel der Reise, wie es Fewkes am 04.05.32 „Vreme“ mitteilte, sei diesmal das Gebiet um den Ohridsee. Am folgenden Tag bereits würde die US-Delegation Belgrad verlassen, um sich mit einer „deutschen wissenschaftlichen Gruppe, die Grabungen in Südserbien“ durchführe, zu treffen.

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 Bei dieser Gruppe handelte es sich um Reiswitz und Unverzagt, die ein Jahr nach der Prospektion und Probegrabung und wieder mit rund halbjähriger Verzögerung ihre Ohrid-Unternehmung fortsetzten.



In seinem Logbuch der Expedition von 1932 widmete Fewkes tatsächlich einige Seiten dem Aufenthalt der Amerikaner am Ohridsee. Aus Skopje kommend erreichte die Delegation am 08.05.32 erschöpft Ohrid

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 und speiste sofort am Tag der Ankunft mit den deutschen Kollegen: „Put up Hotel Tourist, on the lake. Dinner with Unverzagt, Keller

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 and Raisewitz .“

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Fewkes war erwartungsfroh: „We know from the work of Vulić and the German Expedition that this is a promising region for us.“

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 Ungemach bereitete Fewkes allerdings die Art und Weise, wie der ebenfalls anwesende Grbić mit dem Fahrzeug umgegangen war, welches die Amerikaner am 10.04. erworben hatten. Fewkes zufolge war Grbić damit ohne Erlaubnis nach Ohrid gefahren und hatte es dort sogar den Deutschen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Nun seien nach mehr als 900 gefahrenen Kilometern diverse Reparaturen nötig. Von Fewkes auf die Reparaturkosten angesprochen, meinte Grbić, dass „the Germans are not to pay for the use of the car.“ Fewkes war wütend: „They’re going to pay“ und drohte Grbić: „Or else it comes out of own pocket.“

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 Leider ist nicht überliefert, wer nun am Ende die Rechnung begleichen musste.

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Darüber hinaus war Fewkes unzufrieden damit, dass Grbić der amerikanischen Delegation nicht so viele Tage zur Verfügung stand, wie ursprünglich vorgesehen. Wieder lag es an den Deutschen, so Fewkes. Er erwartete eine Zurechtweisung von Grbić: „This all will have to be explained in full. Grbić is little too lighthearted and irresponsible about the whole matter.“

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Fewkes war allerdings nicht nur von Grbić wenig begeistert. Am Tag nach ihrer Ankunft in Ohrid besuchten die Amerikaner die Trebenište/Gorenci-Gräber: „What a lousy job has been done here, by the Bulgars and Vulić as well.“ In der „Field Card“ von Fewkes zu Gorenci hieß es knapp: „Awful methods visible“.

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 Fewkes bezifferte die Kosten für eine Enteignung des Geländes, um nach weiteren Gräbern zu suchen, auf 300 Dollar. Seine Laune verbesserte sich auch an diesem Abend nicht wirklich: „Excellent fish dinner in unpleasant German surroundings.“

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 Fewkes war also von Anfang an nicht angetan von Reiswitz, Unverzagt und Keller.



Am 10.05. schließlich erfolgte seitens der amerikanischen Besucher die persönliche Inaugenscheinnahme der deutschen Grabung. Fewkes erschien nun durchaus beeindruckt: „Visited the German dig – Gradište Sveti Erazmo. Late Macedonian fortress, beautiful walls, buttresses, gates, etc. Well done. Underneath this remnants of a burned ‚Burg’ and still lower they hope to find Bronze Age deposits.“ Der letzte Satz lässt darauf schließen, dass Fewkes wohl nicht uninformiert war über die mögliche Illyrerverbindung von Gradište, wie sie, zumindest von Reiswitz, erhofft wurde. Auf der anderen Seite waren die Deutschen weniger offen, was das Herzeigen von Grabungsdokumentation anbelangt: „Would not show us a single photograph or plan and would not reveal any of their reconnaissance work in this region.“

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 Diese Aussage erhellt klar die Konkurrenzsituation, in der sich beide Archäologengruppen befanden.

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 Zumindest gelang es den Amerikanern an diesem dritten Tag ihres Ohridbesuches, den Deutschen am Abend aus dem Weg zu gehen: „Returned to Ohrid by 7:30, just late enough to have a table to ourselves, the Germans in the meantime having just about finished their meal.“ Fewkes erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die Amerikaner den serbischen Grabungsassistenten Branimir Bugarčić (1902–?) in ihre Runde mit einluden, „which is something the Germans would not stand for in spite of the fact that he is the backbone of their technical activities.“

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 Bugarčić arbeitete hauptamtlich als Fotograf für das Belgrader Nationalmuseum und sollte 1941–44 unter Reiswitz für den deutschen Kunstschutz tätig werden, zum Beispiel bei der fotographischen Dokumentation der Objekte im Werschetzer Museum. Mit der Qualität seiner Arbeit war Reiswitz zufrieden, obgleich Bugarčić gelegentlich recht großzügig abrechnete, zu Lasten des Geldgebers „Ahnenerbe“. Reiswitz bezeichnete Bugarčić an einer Stelle als „liebenswürdigen Gauner“.

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 Für die Amerikaner verdingte er sich in Ohrid nach Abreise der Deutschen dann auch als Fahrer des mittlerweile instandgesetzten Automobils.

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Am nächsten Tag, 11.05.32, stand auch Grbić den Amerikanern dann endlich voll zur Verfügung. Fewkes beschloss, in den nächsten Tagen mehrere „Gradište“ in der Umgebung zu inspizieren. Am besten wäre es, laut Fewkes, immer nur von einem Tag auf den nächsten zu planen, „because we are operating in an archaeological terra incognita and never know what’s before us next“.

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 Und so besuchten Fewkes und Goldman, hoch zu Ross, am 12.05.32 die Burganlange bei Trebenište, die Reiswitz ein Jahr zuvor entdeckt hatte. Fewkes fand dort „an entirely different situation from the description of the site given us by the Germans“. Fewkes zufolge stammte die Anlage aus der Bronzezeit, aber es gebe auch griechische und römische Spuren. Nichts Anderes allerdings hatte indes bereits am 06.05.1931 „Politika“ berichtet, sodass es unklar ist, welche angeblich unrichtigen Angaben Reiswitz und Unverzagt den Amerikanern gegenüber über die Burg von Trebenište gemacht haben sollen. Fewkes’ Appetit aber war geweckt: „This place ought to be done – would take a few seasons, but it’s most promising.“

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 Am Abend desselben Tages mussten die Amerikaner dann nochmals auf ihren serbischen Begleiter verzichten: „Grbić had to see the Germans for their final clearance“. Das heißt, die Amerikaner waren zur deutschen Abschiedspartie nicht eingeladen.



Die Folgetage verbrachten Fewkes, Ehrich und Goldman mit weiteren Prospektionen in der Umgebung. Am 15.05. besuchten sie schließlich eine bereits 1931 von Reiswitz entdeckte Burg, das „Gradište“ oberhalb des heutigen Dorfes Lakočerej gelegen. Fewkes kam hinsichtlich der Datierung zu demselben Ergebnis wie Reiswitz: „The material looks uniformly Bronze Age, rather early.“ In seinem Logbucheintrag bezeichnete er dieses „Gradište“ als „the most promising prehistoric site we have seen yet.“ Seine Befürchtung war, dass es schon den Deutschen zugesprochen worden war und erhoffte sich Aufklärung durch Petković. Sollte Lakočerej noch zu vergeben sein, so Fewkes, sollten die Amerikaner alles daransetzen, um „an option on the site“ zu bekommen.

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 Auf seiner „Field Card“ zu Lakočerej notierte Ehrich unter der Überschrift „CONFIDENTIAL“, dass Unverzagt Fewkes mitgeteilt habe, dass die Deutschen planten, Lakočerej im Laufe des Jahres 1934 auszugraben.

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 Da sich dieser Plan in den deutschen Quellen nicht nachweisen lässt, kann davon ausgegangen werden, dass Unverzagt Fewkes wohl allenfalls glauben lassen wollte, Lakočerej falle unter die deutsche Grabungskonzession.



Aus prähistorischer Sicht bot sich für Fewkes, was Ohrid und Umgebung anbelangt, dann neben Lakočerej und dem „Gradište“ von Trebenište, noch die Suche nach weiteren Gräbern bei Gorenci an, wo wenige Monate später Vulić tatsächlich vier weitere Gräber entdecken sollte, inklusive einer weiteren goldenen Maske. Ein Aufkauf des gesamten die Nekropole einschließenden Weinberges sollte ja laut Fewkes nicht mehr als 300 Dollar kosten.

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 Allerdings war auch hier, wie bei Lakočerej, nicht geklärt, wer genau das Recht hatte, zu graben. Während die Amerikaner im Glauben waren, dass bei Lakočerej die deutschen Interessen mit im Spiel waren, so war bei Trebenište/Gorenci ebenfalls unklar, wer Hand an den Spaten legen durfte: „Professor Vulić of Beograd seems to have a monopoly on them , unless the Skoplje Museum obtains a legal, exclusive archaeological control in Southern Jugoslavia“.

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In seinem Resumé des Ohridaufenthaltes widmete sich Fewkes weiteren praktischen Fragen. Im Sommer sei die Gegend malariaverseucht – weshalb Reiswitz bereits 1928 den Aufenthalt in der Malariastation gewählt hatte – Arbeitskräfte stünden reichlich und günstig zur Verfügung für 50 Cents pro Tag, Antiserum müsse besorgt werden wegen der vielen Schlangen, und am besten sei die Errichtung eines eigenen Hauses „in local style“, um direkt an der Ausgrabungsstätte wohnen zu können und um dort Funde und Gerätschaften unterzubringen. Dieses Haus könne für 500 Dollar gebaut und nach Abschluss der Arbeiten wiederverkauft werden. Von einer nachhaltigen Entwicklung und Ausnutzung des archäologischen Potentials des Gebietes, wie sie Reiswitz vorschwebte, beispielsweise mittels der Einrichtung eines örtlichen Museums, ist bei bei Fewkes nicht die Rede. Die Früchte der amerikanischen Bemühungen sollten ausschließlich der amerikanischen Wissenschaft zugutekommen.

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Am 16.05.32 brach die amerikanische Delegation nach Bitolj auf, das von den Deutschen zurücküberstellte Automobil so voll beladen, dass eine Kiste mit Grabungsscherben per Zug nach Belgrad auf den Weg gebracht werden musste. Doch das von Reiswitz und Unverzagt reichlich in Anspruch genommene Fahrzeug machte, in Bitolj angekommen, schlapp: „Our car needs a lot of attention – taking it to a garage tomorrow“. Fewkes war erneut wütend, da die Reparaturkosten sich auf fünfundzwanzig Dollars belaufen könnten – fünfzig Grabungstage einer lokalen Hilfskraft.

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Noch in demselben Jahr kehrte Fewkes nach Jugoslawien zurück, diesmal mit vierzehn Studenten der „American School of Prehistoric Research“, um vor Ort, bei der ihm schon aus dem Vorjahr bekannten Ausgrabung in Starčevo, praktische Hand anzulegen. Die Expedition war laut „Vreme“ mit einem Budget von $ 120.000 Dollar ausgestattet

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 – ein Betrag, von dem Reiswitz nur träumen konnte, dessen Reisekostenabrechnung für die Sondierung am Ohridsee 1931 durch Unverzagt, Grbić und ihn selbst sich auf ganze RM 1.901,80 belief. Der Gesamtetat des DAI belief sich für das Haushaltsjahr 1932 auf 740.000 Reichsmark, für „eigene wissenschaftliche Unternehmungen“ waren lediglich 83.000 Reichsmark eingestellt.

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 Bei einem Umrechungskurs von ca. 4,20 Reichsmark pro Dollar hatte die Fewkes-Expedition nach Jugoslawien allein also rund sechsmal mehr Mittel zur Verfügung als das DAI für alle archäologischen Unternehmungen zusammen.



Fewkes weilte bis Mitte September 1932 in Starčevo. Am 12.09., kurz vor seiner Abreise, wurde die Ausgrabungsstätte bei Pančevo von einer fünfzigköpfigen Rotariergruppe aus Belgrad besucht, geleitet von Petković. Alle, auch die von den Amerikanern ausgegrabenen Fundstücke aus den beiden gerade erst freigelegten jungsteinzeitlichen Brunnen, sollten in das Petković unterstehende Nationalmuseum verbracht werden. Die ausführlichen Fundbeschreibungen würden in den USA veröffentlicht – wozu es ein Jahr später auch kam.

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Im Jahre 1938 tauchte Fewkes dann wieder in Jugoslawien auf, als er mit Studenten eine Ausgrabungsstätte des Museums in Niš, in der Nähe des Dorfes Brzi Brod, besuchte.

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 Dort wird Fewkes mit Sicherheit Adam Oršić-Slavetić begegnet sein. Der Besuch von Fewkes in Starčevo und Niš sollte deutscherseits nicht in Vergessenheit geraten.



Im selben Jahr, als Fewkes in Niš erschien, legte ein junger deutscher Ur- und Frühgeschichtler und Bekannter von Reiswitz, der 1934 in Marburg promoviert hatte und für 1936/37 das Reisestipendium des DAI zuerkannt bekommen hatte, namens Friedrich Holste (1908–1942) seinen Abschlussbericht vor.

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 Als Resumé seiner Zeit auf dem Balkan und in Italien regte er die Eröffnung einer Zweigstelle des DAI in Südosteuropa an, nicht nur, um Archäologie zu betreiben, sondern auch um „deutsche Kulturarbeit in Gebieten fördern“ zu können, die „immer noch unter stärksten Einfluss französisch-romanischer Gedankenwelt stehen“. Als gutes Beispiel gelungener Kulturarbeit erlaubte er sich „auf das amerikanisch-tschechische Institut“ hinzuweisen, „dass durch Herrn Fewkes-Fuchs ins Leben gerufen ist.“

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 Auch Holste war in Niš gewesen, im Februar 1937, und stellte fest, dass der dortige Museumsleiter, Rudolf Bratanić

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, ihm gegenüber „mehrfach“ den Wunsch geäußert habe, dass „in Zusammenarbeit mit deutschen Fachleuten durch wenige systematische Grabungen viele wichtige offene Fragen geklärt werden könnten“. Holste schloss sich dieser Auffassung an und konstatierte, dass „mit geringen Mitteln von deutscher Seite hier Pionierarbeit geleistet werden könnte, ehe von anderen ausländischen Instituten die sich bietenden Gelegenheiten ergriffen werden.“

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Weitere drei Jahre später sollte Holste sich erneut in Serbien umtun, als Sonderbeauftragter des Reiswitz’schen Kunstschutzes für die „Untersuchung der vorgeschichtlichen Denkmäler und Fundbestände“. Vom 18.08. bis 08.09.41 hielt er sich zum zweiten Male in Niš auf. Auf der zweiten Seite seines Abschlussberichtes schon kam er auf Fewkes zu sprechen, der ihm deutlich ein Dorn im Auge war: „Wiederholte, von den maßgebenden jugoslawischen Stellen zuvorkommend unterstützte Reisen einer amerikanischen Gesellschaft (American School of Prehistoric Research) unter der Führung eines in Amerika naturalisierten (wahrscheinlich jüdischen)

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 Tschechen bilden den Hauptanteil der von ausländischer Seite unternommenen Bemühungen“ auf dem Gebiet der Archäologie in Jugoslawien.

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Holste hatte als eines seiner „Ziele der vor- und frühgeschichtlichen Untersuchung“ in Niš angegeben, die Bedeutung der Vardar-Morava-Linie im Rahmen der prähistorischen Völkerbewegungen auf dem Balkan zu klären. Für das Mittelalter ist belegt, dass die Hauptreiseroute über den Balkan in Richtung Thessaloniki zunächst entlang der Donau nach Belgrad führte. Von dort aus „erreichte nach einigen Tagesreisen durch das Morava-Tal den Verkehrsknotenpunkt von Niš.“

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 Noch weiter südlich musste dann in der Umgebung von Skopje eine Landbrücke hin zum Vardar-Fluss überwunden werden, welcher schließlich in die Ägäis fließt. Holste und andere gingen davon aus, dass diese natürliche Verkehrsverbindung schon „an den Völkerwanderungen … um 2000 v.Chr.“ und „um und nach 1200 v.Chr.“ ihren Anteil hatte. Beide Wanderungsbewegungen verliefen – gemäß der

ex-septentrione-lux

-Theorie – von Norden nach Süden. Die frühere der beiden habe zur „Begründung der sogenannten indo-germanischen Völkerfamilie“ geführt, die spätere bezeichnete Holste als die „ägäische“. Ursache dafür sei – ganz im Sinne Schuchhardts – „großräumige Bewegungen in Zentraleuropa gewesen“, die eine Völkerverdrängung in Nord-Süd Richtung zur Folge gehabt hätten, was u.a. die Zerstörung Trojas und des Hethiterreiches in Kleinasien bewirkt hätte. Eine Untersuchung der Fundplätze um Niš könne darüber Klarheit verschaffen. Die Fewkes-Expeditionen hätten bereits „nützliche Geländearbeit“

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 geleistet, welche jedoch noch nicht wissenschaftlich ausgewertet sei.



Doch waren die Fewkes-Aufzeichnungen über Fundstellen im Morava-Gebiet auch deshalb interessant, weil Fewkes zu denjenigen gehörte, die die Morava-Vardar Wanderungsströme der Vorgeschichte für unwahrscheinlich hielten: „Was the Vardar valley really such an important avenue of early cultural movements from the Aegean to the Morava Valley and hence to the Danube as many authorities maintain?“

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 Fewkes kam unter Hinweis auf die gebirgige Topographie der Landbrücke zwischen Morava und Vardar zu folgendem Schluss: „The geographic situation suggests that the theory of the Vardar-Morava culture route is invalid.“ Somit ist es verständlich, dass die Anhänger der entgegengesetzten Hypothese, so wie Holste, umso interessierter daran gewesen sein müssen, die Erkenntnisse Fewkes’ vor Ort zu überprüfen, am besten mit Hilfe von Fewkes’ eigenen Aufzeichnungen.



Zeitgleich erwähnte Reiswitz den unliebsamen Amerikaner. Kurz nach dem 25.08.41 war in einem Brief an Böckschen vom „Fall Fewkes“

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 die Rede. Die Wiederholung eines solchen sollte durch eine entsprechende von der deutsche Besatzung anzustoßende Denkmalschutzregelung – wodurch deutschen Archäologen das „droit du seigneur“ garantiert wäre – verhindert werden.



Der „Fall Fewkes“ zieht sich dann weiter durch die Kunstschutzakten. In einem Aktenvermerk vom 17.08.42 strich Reiswitz die Wichtigkeit der Begehung von Fundplätzen im besetzten Serbien heraus. In diesem Zusammenhang erwähnte er, dass Fewkes unter anderen auch im Ohridgebiet schon eine gewisse Vorarbeit geleistet habe: „Die Reisen von Fewkes sind zwar sehr rasch durchgeführt worden und das Scherbenmaterial ist nur oberflächlich gesammelt“

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, doch meinte Reiswitz dennoch, dass Fewkes’ Befunde eine erneute Begehung dieses Gebietes nicht dringlich machten. Vorausgesetzt natürlich, es gelänge dem Kunstschutz, in den Besitz der Fewkes’schen Erkenntnisse zu gelangen.



Vom 12. bis 22.11.42 war in Niš, gewissermaßen als Nachfolger des am 22.05.42 in der Sowjetunion gefallenen Holste, der österreichische Prähistoriker Kurt Willvonseder (1903–1968) tätig. Zwei Tage nach Abschluss seiner Tätigkeit dort erstattete er Bericht und meldete, dass er die Abschrift gewisser Aufzeichnungen von Fewkes aus den Jahren 1932/33 besorgt habe, aus denen bislang unbekannte Fundstellen hervorgehen.

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 Dies wurde von Reiswitz am 14.12.42 gegenüber dem Geschäftsführer des „Ahnenerbe“, Wolfram Sievers, bestätigt. Auch Reiswitz sprach hier von Fewkes als einem „jüdisch-tschechisch-amerikanischen“ Professor.

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