Handbuch des Strafrechts

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2. Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung oder des Todes (

§ 239 Abs. 3 Nr. 2

,

Abs. 4 StGB

)



32








§ 239 Abs. 3 Nr. 2

 und

Abs. 4 StGB

 enthalten Erfolgsqualifikationen

, für die gemäß

§ 18 StGB

 ausreicht, dass dem jeweiligen Beteiligten hinsichtlich der schweren Gesundheitsschädigung bzw. des Todes zumindest Fahrlässigkeit zur Last fällt. Die schwere Gesundheitsschädigung muss gravierende Beeinträchtigungen zum Gegenstand haben, wobei anerkannt ist, dass jedenfalls die in

§ 226 StGB

 genannten Folgen erfasst sind, auch wenn auf diese Vorschrift – anders als in der Fassung vor dem 6. StrRG – nicht explizit verwiesen wird. Darüber hinaus sind aber auch ähnlich schwere Beeinträchtigungen, wie das Verfallen in eine langwierige Krankheit, eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskraft oder der Leistungsfähigkeit, erfasst. Dabei ist die Frage, ob die Gesundheitsschädigung „schwer“ ist, objektiv und ohne Berücksichtigung individueller Opfereigenschaften zu bestimmen.



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Hinsichtlich der Folgen der schweren Gesundheitsschädigung und des Todes bedarf es eines

gefahrspezifischen Zusammenhangs

. Hierbei genügt es nach dem Wortlaut, wenn die schwere Gesundheitsschädigung bzw. der Tod durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung verursacht wird. Die bei

§ 227 StGB

 diskutierte Frage, ob die schwere Folge nicht nur auf dem Erfolg des Grunddelikts (z.B. Ersticken, Verdursten, Verhungern usw.), sondern auch auf der Tathandlung beruhen kann, stellt sich damit nicht, da Handlungen während der Freiheitsberaubung – z.B. Misshandlungen – erfasst werden. Daraus folgt zugleich, dass der Tod, wenn er durch eine Handlung während der Freiheitsberaubung verursacht wurde, auch erst nach Freilassung eintreten kann, ohne dass der Zurechnungszusammenhang unterbrochen wird. Der gefahrspezifische Zusammenhang ist wie bei anderen Erfolgsqualifikationen nicht deshalb zwingend ausgeschlossen, weil der Täter selbst, ein Dritter oder das Opfer mit einer weiteren Handlung „dazwischentritt“. Daher können die Erfolgsqualifikationen auch vorliegen, wenn die schwere Folge bei einem Fluchtversuch auf das Verhalten des Opfers oder eine Befreiungsaktion Dritter zurückzuführen ist. Hierfür ist erforderlich, dass der Täter durch seine deliktische Handlung die nahe liegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung des Opfers dadurch schafft, dass er ohne Mitwirkung und ohne Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut begründet und damit für dieses ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um einen von vornherein sinnlosen, leichtfertigen oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen Rettungsversuch handelt. Bei einem Suizid wird man den gefahrspezifischen Zusammenhang nur dann ausnahmsweise annehmen können, wenn das Opfer auf Grund der Folgen der Freiheitsberaubung nicht mehr in der Lage war, eine freie Entscheidung zu treffen. Bei den Verbrechen der

§ 239 Abs. 3 Nr. 2

 und

Abs. 4 StGB

 ist nicht nur die versuchte Erfolgsqualifikation, bei der der Täter die schwere Folge zumindest billigend in Kauf nimmt, strafbar, sondern auch der erfolgsqualifizierte Versuch. Dies folgt daraus, dass auch Handlungen während der Freiheitsberaubung Anknüpfungspunkt einer Strafbarkeit sein können. Ein erfolgsqualifizierter Versuch liegt allerdings nur vor, wenn die schwere Folge während der kurzen Versuchsphase eintritt, was vor allem dann der Fall sein kann, wenn die Freiheitsberaubung mittels Gewalteinwirkung erfolgt.






VII. Konkurrenzfragen



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Was Fragen der Gesetzeskonkurrenz anbelangt, tritt

§ 239 StGB

 hinter den spezielleren Freiheitsdelikten der

§§ 234a

,

237 Abs. 2 StGB

 zurück. Das Verhältnis zu

§ 240 StGB

 bedarf differenzierter Betrachtung: Soweit die Freiheitsberaubung nur eine Begleiterscheinung bzw. Mittel der Nötigung ist, wird

§ 239 StGB

 im Wege der Konsumtion verdrängt, sofern nicht bereits der Tatbestand des

§ 239 StGB

 wegen eines unerheblichen Eingriffs ausgeschlossen ist; dies gilt auch im Verhältnis zu speziellen Nötigungstatbeständen wie

§ 177

,

§ 239a

 und

§ 239b

 oder

§ 249 StGB

. Soweit hingegen der Einsatz des Nötigungsmittels nur dazu dienen soll, die Freiheitsberaubung durchzuführen, tritt

§ 240

 hinter

§ 239 StGB

 zurück. Tateinheit zwischen beiden Vorschriften ist anzunehmen, wenn das Opfer während der Freiheitsberaubung zu anderen Zwecken genötigt wird. Auch Straftatbestände mit anderen Rechtsgütern stehen mit dem Dauerdelikt des

§ 239 StGB

 in Tateinheit, wenn sie während der Freiheitsberaubung verwirklicht werden; dies gilt auch für

§§ 223 ff.

 und

§ 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB

 einerseits sowie zwischen

§§ 211 ff.

 und

§ 239 Abs. 4 StGB

 andererseits, wenn die schwere Folge vorsätzlich herbeigeführt wurde. Als

Dauerdelikt

 kann

§ 239 StGB

 schließlich auch eine zur Tateinheit führende Klammerwirkung für Tatbestände begründen, die durch mehrere Handlungen während einer Freiheitsberaubung verwirklicht werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass nicht beide der zu verklammernden Delikte einen höheren Unrechtsgehalt aufweisen als die Freiheitsberaubung. Zu beachten ist, dass

§ 339 StGB

 hinsichtlich einer Strafbarkeit nach

§ 239 StGB

 eine Sperrwirkung entfaltet.



2. Abschnitt: Schutz der persönlichen Freiheit

 ›

§ 6 Freiheitsberaubung und Nachstellung

 › D. Nachstellung






D. Nachstellung



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§ 238 StGB

 wurde erst mit dem 40. StrÄndG vom 22. März 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt, um vorhandene Strafbarkeitslücken zu schließen und damit einen besseren Opferschutz zu gewährleisten. Der Gesetzgeber hat in der amtlichen Überschrift anstatt des gängigen Begriffs des „

Stalkings

“, der der englischen Jägersprache entnommen ist, den Begriff der „Nachstellung“ gewählt. Nachdem die Vorschrift zunächst als Erfolgsdelikt ausgestaltet war, ist sie mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen in ein potentielles Gefährdungsdelikt bzw. Eignungsdelikt umgestaltet worden.





I. Allgemeine Grundlagen






1. Kriminologische Aspekte



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Mit dem

Begriff des Stalkings

 werden ganz unterschiedliche Verhaltensweisen zusammengefasst, die sich dadurch auszeichnen, dass der Täter dem Opfer wiederholt und gegen dessen Willen nachstellt. Selbst in bestimmten Täter-Opfer-Beziehungen können die einzelnen Nachstellunghandlungen – vom Auflauern, über Telefonanrufe bis hin zu Gewalttätigkeiten – immer wieder variieren. Weil Begriff und Erscheinungsformen des Stalkings wenig konturiert sind, ist eine Abgrenzung zwischen sozialadäquaten und strafwürdigen Handlungen im Einzelfall nur schwer möglich. Mag eine Person bei der (vermeintlichen) Anbahnung einer Liebesbeziehung intensive Bemühungen, Kontaktaufnahme und Geschenke schätzen, mag eine andere Person dies als unerwünschte Nachstellung empfinden. Entsprechend

schwierig ist es, den Umfang von Stalking empirisch festzustellen

, weil aussagekräftige Erhebungen zunächst einmal einer präzisen Begriffsbestimmung bedürfen; genannte Zahlen, wonach ca. 5 bis 15 % aller Personen in ihrem Leben von Stalking betroffen werden, sind entsprechend vorsichtig zu bewerten. Zu den am häufigsten genannten Nachstellungshandlungen gehören unerwünschte Telefonanrufe, schriftliche Mitteilungen sowie Kontaktaufnahmen via Internet; als wichtiges Kriterium für die Einstufung als Stalking durch die Betroffenen erlangen Häufigkeit und Dauer der Handlungen Bedeutung. Ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen des Stalkings können die Motive des Täters – wie etwa Liebe oder Rache – und die Folgen für das Opfer – wie etwa Angst, Schlaflosigkeit oder Rückzug aus dem sozialen Leben – sein. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Täter und Opfer handelt es sich in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle um (einstmalige) Partnerschaften, wie z.B. zwischen früheren Ehe- oder Lebenspartnern. Angesichts dieser vielschichtigen Strukturen verwundert es wenig, dass es dem Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren nicht gelungen ist, abschließend bestimmte Nachstellungshandlungen herauszufiltern. Dem entsprechend hat er in

§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB

 der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen mit einem Auffangtatbestand Rechnung getragen, der „andere vergleichbare Handlungen“ erfasst.

 





2. Kriminalpolitische Aspekte






a)

§ 238 StGB

 als symbolisches Strafrecht?



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Vor Einführung des Nachstellungstatbestandes wurde diskutiert, ob es sich bei einer solchen Strafvorschrift nicht nur um symbolisches Strafrecht handeln würde. Dem ist aus zwei zentralen Gründen zu widersprechen. Zunächst zeigten sich vor Einführung des

§ 238 StGB

 in solchen Fällen gewisse

Strafbarkeitslücken

. Schwere Fälle des Stalkings können zwar außerhalb eines solchen speziellen Tatbestandes bereits von

§§ 123

,

177 ff.

,

185 ff.

,

223 ff.

,

240 f.

,

303 StGB

 erfasst werden, ohne dass jedoch mit einer entsprechenden Verurteilung der spezifische Unrechtsgehalt des Stalkings zum Ausdruck gebracht würde. Lücken bestanden allerdings bei Formen des Stalkings, die zu rein psychischen Beeinträchtigungen, die nicht als Gesundheitsschädigung i.S.d.

§ 223 StGB

 zu qualifizieren sind, führten. Auch werden Nachstellungshandlungen, die wie Kontaktaufnahmen usw. isoliert betrachtet nicht strafbar, ja sogar an sich sozialadäquat sind, erst durch ihre beharrliche Vornahme gegen den Willen der betroffenen Person zum strafwürdigen Unrecht. Zugleich zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik die praktische Bedeutung der Vorschrift; so wurden im Jahre 2014 21 857 Fälle angezeigt; allerdings kam es im selben Jahr nur zu 205 Verurteilungen auf Grundlage des

§ 238 StGB

. Die Ursache für diesen „außergewöhnlich hohen Schwund“ dürfte in der früheren Ausgestaltung als Erfolgsdelikt liegen.






b) Vorrangige Regelung im Gewaltschutzgesetz?



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Teilweise wurde auch vertreten, dass eine Erweiterung des

Gewaltschutzgesetzes

 vorzugswürdig gewesen wäre, da dieses bereits zuvor die meisten Nachstellungshandlungen erfasste. Insoweit war bereits seit dem Jahre 2002 nach

§ 4 GewSchG

 ein Verstoß gegen vollstreckbare gerichtliche Schutzanordnungen (Betretungs-, Aufenthalts- und Kommunikationsverbote) bei Gewalt und Nachstellungen i.S.d.

§ 1 Abs. 1

 und

Abs. 2 GewSchG

 unter Strafe gestellt. Aber auch diese Ansicht vermag letztlich nicht zu überzeugen. Zum einen hätte man dann das Erfordernis des Herbeiführens einer gerichtlichen Anordnung durch das Opfer, das für das Gewaltschutzgesetz kennzeichnend ist, beseitigen müssen. Zum anderen hätte es angesichts des Unrechtsgehalts des Nachstellens nicht überzeugt, diese Vorschrift lediglich als Annex zum zivilrechtlichen Gewaltschutz in das Nebenstrafrecht aufzunehmen.






c) Rechtspolitische Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung



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Neben Bedenken gegen die Verwendung unscharfer Begriffe – wie z.B. „beharrlich“, „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ oder „andere vergleichbare Handlung“ –, die vornehmlich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen sind, wurden vor allem auch Einwände gegen den Charakter als Erfolgsdelikt vorgetragen. Insoweit war es bis zur Reform des Tatbestandes durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen für das Erfolgsdelikt des

§ 238 StGB

 nicht ausreichend, dass der Täter beharrlich mit Nachstellungshandlungen auf das Opfer einwirkt. Vielmehr musste es gerade in Folge dessen zu einer

schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers

 kommen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Einengung des Tatbestandes mit Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz begründet, so dass sich abweichende Vorschläge, die eine Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt vorschlugen, zunächst nicht durchsetzen konnten. Aus Sicht der Strafverfolgungspraxis hingen die relativ geringen Verurteilungsziffern im Verhältnis zu den angezeigten Taten eng mit dieser Ausgestaltung zusammen. Hierfür waren im Wesentlichen drei Aspekte verantwortlich: Erstens begann der strafrechtliche Schutz des Opfers erst in einer Phase, in der es bereits zu schwerwiegenden Traumatisierungen des Opfers gekommen ist, was durch die fehlende Versuchsstrafbarkeit noch verstärkt wurde. Zweitens griff der Schutz nicht bei besonders hartnäckigen Opfern ein. Der Tatbestand war nicht verwirklicht, wenn das Opfer trotz massiver Nachstellungshandlungen und schwerer psychischer Beeinträchtigungen dem Täter widerstehen konnte und seine Lebensführung nicht änderte oder aus sozialen Gründen nicht ändern konnte. Nur psychische Beeinträchtigungen führen nämlich gerade nicht zu einer Beeinträchtigung der Lebens

gestaltung

, weil das Opfer hierfür zu einem Verhalten veranlasst werden musste, dass es ohne Zutun nicht gezeigt hätte. Damit schützte der Tatbestand besonders Hartgesottene nicht. Drittens ergaben sich Einschränkungen dadurch, dass die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung kausal und objektiv zurechenbar auf der Tathandlung des Nachstellens („dadurch“) beruhen musste, was mit Nachweisschwierigkeiten verbunden war. So mochte die Aufgabe des Arbeitsplatzes zwar durch Stalkinghandlungen beeinflusst sein, es konnten aber auch andere Faktoren – wie Differenzen mit dem Vorgesetzten oder ein besseres Beschäftigungsangebot – (mit-)ausschlaggebend sein.



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Aufgrund dessen wurde immer wieder – in Anlehnung an § 107a öStGB – eine

Umgestaltung des Delikts in ein Eignungs- bzw. potenzielles Gefährdungsdelikt


gefordert. Dem ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen nachgekommen. Nunmehr ist es auch ausreichend, wenn eine Nachstellung vorliegt, die „geeignet ist“, das Opfer in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend zu beinträchtigen. Insoweit soll der tatbestandliche Erfolg vom ex post zu betrachtenden Verhalten des Opfers gelöst werden und aus einer objektiven ex ante-Perspektive zu beurteilen sein, ob unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers möglich ist. Es soll demnach unerheblich sein, ob das Opfer im Einzelfall tatsächlich sein Verhalten ändert, wenn die Nachstellungshandlungen nur so gravierend sind, dass sie im konkreten Fall geeignet sind, eine Opferreaktion auszulösen.






3. Verfassungsrechtliche Aspekte



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Gegen

§ 238 StGB

 werden verfassungsrechtliche Einwände im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des

Art. 103 Abs. 2 GG

 geltend gemacht. Teilweise werden solche Bedenken bereits gegen das Merkmal der Lebensgestaltung erhoben, das nur über das Erfordernis einer schwerwiegenden Beeinträchtigung eingeschränkt wird. Teilweise wird auch auf die

Kumulation unbestimmter Merkmale

 wie „beharrlich“, „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“, „andere vergleichbare Handlung“ hingewiesen. Die Rechtsprechung hat solche Bedenken freilich bislang noch nicht geteilt.



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Teilweise wird auch an die

Ausgestaltung als Eignungsdelikt

 angeknüpft, weil der verfassungsrechtlich ohnehin bedenkliche Tatbestand weiter nach vorne verlagert wurde. Ferner könnte man einwenden, dass die notwendige Prognose mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass eine Vorverlagerung der Strafbarkeit keine entscheidenden Auswirkungen auf die hinreichende Bestimmtheit der Strafvorschrift hat, da die tatbestandliche Fassung hinsichtlich der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung im Übrigen beibehalten würde. Entscheidend für das Bestimmtheitsgebot des

Art. 103 Abs. 2 GG

 ist die Vorhersehbarkeit der Strafe, die durch die Umgestaltung in ein Eignungsdelikt aber nicht maßgeblich beeinträchtigt wird. Insgesamt war die Änderung in ein Eignungsdelikt sinnvoll, um die bestehenden Mängel zu beseitigen und dem Straftatbestand einen breiteren Anwendungsbereich zu geben.



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Das eigentliche Problem dürfte bei dem

Auffangtatbestand des

§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB

 liegen, der andere – den Nrn. 1 bis 4 – vergleichbare Handlungen erfasst. Insoweit steht ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot im Raum. Der Gesetzgeber geht von einer gesetzlich angeordneten „innertatbestandlichen Analogie“ aus und verweist insoweit auf den „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff“ bei

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB

. Im Ausgangspunkt ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht durch ein einfaches Gesetz vom verfassungsrechtlich garantierten Analogieverbot abweichen darf. Zulässig ist es freilich, wenn ein gesetzlich abschließend benanntes Merkmal als Oberbegriff nur durch Beispiele exemplifiziert wird. Zu einer solchen zulässigen innertatbestandliche Analogie kann man bei

§ 238 Abs. 1 StGB

 daher gelangen, wenn man davon ausgeht, dass das Tatbestandsmerkmal des beharrlichen Nachstellens durch die Tathandlungen der Nrn. 1 bis 4 exemplifiziert wird und die damit vergleichbaren Handlungen i.S.d. Nr. 5 ebenfalls nur Unterfälle des beharrlichen Nachstellens darstellen. Damit verlagert sich die verfassungsrechtliche Frage dahingehend, ob der Begriff des beharrlichen Nachstellens mit seinen Exemplifikationen in Nrn. 1 bis 4 hinreichend bestimmt ist. Dies kann man gerade bei einem Vergleich mit

§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB

 bezweifeln, weil dort durch den Bezug zum Straßenverkehr und aufgrund des Erfordernisses entsprechender Gefährlichkeit des Eingriffs die Voraussetzungen präziser gefasst sind. Zudem weichen die Verhaltensweisen der Nrn. 1 bis 4 sowohl in ihrer Begehungsweise als auch in ihrem Unrechtsgehalt stark voneinander ab, so dass sie nur bedingt Anhaltspunkte für vergleichbare Fälle liefern.



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Die ursprünglich

vorgesehene Streichung dieses Auffangtatbestandes

 mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen ist letztlich

nicht erfolgt

, weil aufgrund der vielgestaltigen Nachstellungsformen Schutzlücken befürchtet wurden. Eine Streichung hätte jedenfalls eine sorgfältige Prüfung dahingehend vorausgesetzt, ob die für Nr. 5 erörterten Verhaltensweisen bereits von anderen Tatbeständen erfasst werden oder ob ggf. eine Ergänzung bzw. Modifikation der Nrn. 1 bis 4 erforderlich ist, was etwa für den sog. Telefonterror Bedeutung erlangen kann, weil Nr. 2 an einen Versuch der Kontaktherstellung anknüpft, der beim bloßen Anwählen bzw. sofortigem Abbruch der Verbindung jedoch nicht vorliegt.

 






II. Geschütztes Rechtsgut



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Der Tatbestand soll dem Schutz der Lebensführung vor gezielten, hartnäckigen und schwerwiegenden Belästigungen der Lebensgestaltung dienen. Geschütztes Rechtsgut ist die verfassungsrechtlich geschützte

Handlungs- und Entschlussfreiheit des Opfers hinsichtlich seiner persönlichen Lebensgestaltung

. Dafür spricht schon die systematische Stellung des

§ 238 StGB

, mit der der Gesetzgeber die Beeinträchtigung der Freiheitssphäre des Opfers in den Vordergrund rücken wollte, da der Eingriff mit demjeni