Handbuch des Strafrechts

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[457]

Mosbacher, NJW 2017, 983.

[458]

Ders., NJW 2017, 983.

[459]

Schwander, ZStrR 2003, 195, 199.

[460]

BMFSFJ, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Kurzfassung, S. 12.

[461]

Kunz/Singelnstein, Kriminologie, § 17 Rn. 28.

[462]

BMFSFJ, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Kurzfassung, S. 10.

[463]

Dass., Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Kurzfassung, S. 11.

[464]

FRA, Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Ergebnisse auf einen Blick, 2014, S. 10, 17 ff.

[465]

Dies., Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Ergebnisse auf einen Blick, 2014, S. 22.

[466]

Dies., Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Ergebnisse auf einen Blick, 2014, S. 23.

[467]

Kavemann, NK 2009, 46, 47.

[468]

BT-Drs. 14/5429, S. 10.

[469]

Meyer-Götz, Familienrecht, 4. Aufl. 2018, Vorb. Rn. 1.

[470]

BeckOK-BGB-Reinken, § 1 GewSchG Rn. 4.

[471]

Feldhoff/Hansbauer, FPR 2007, 217.

[472]

Dies., FPR 2007, 217.

[473]

Busch/Singelnstein, NStZ 2018, 510, 511; in diese Richtung auch Zöller, KriPoZ 2017, 143, 147: faktisch ein Körperverletzungsdelikt.

[474]

BT-Drs. 18/11161, S. 1, 8 ff.

[475]

LK-Hilgendorf, § 11 Rn. 88; MK-Radtke, § 11 Rn. 142; SK-Stein/Deiters, § 11 Rn. 85.

[476]

Zur historischen Entwicklung der Reform der Körperverletzungsdelikte für die Zeit von 1870 bis 1933 vgl. Korn, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB, 2003; für die Zeit von 1933 bis 2004 vgl. Gröning, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB.

[477]

Zuletzt aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1.3.2017, BGBl. I, S. 386.

[478]

Im Strafmaß verschärft durch Gesetz vom 5.11.2011, BGBl. I, S. 2130 und Ausweitung des besonders schweren Falls durch Gesetz vom 30.5.2017, BGBl. I, S. 1226.

[479]

Busch/Singelnstein, NStZ 2018, 510.

[480]

Dazu allg. Kunz/Singelnstein, Kriminologie, § 21 Rn. 3 ff.

[481]

Fischer, § 224 Rn. 1.

[482]

Zur Diskussion s. Gröning, Körperverletzungsdelikte – §§ 223 ff., 340 StGB, S. 174 ff.

[483]

Beispielsweise durch das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11.5.2011. Nach Art. 33 ff. des Übereinkommens sollen u.a. psychische Gewalt, Stalking und körperliche Gewalt durch den nationalen Gesetzgeber verpflichtend sanktioniert werden.

[484]

Zur rechtsvergleichenden Perspektive s. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 161 ff.

[485]

BeckOK-Eschelbach, Vor § 223; vgl. die Nachweise zum RefE aus dem BMJ zum 6. StrRG bei Fischer, § 223 Rn. 20.

[486]

NK-Paeffgen/Böse, § 228 Rn. 119 m.w.N. Zur umfänglichen Darstellung des Streits s. MK-Joecks, § 223 Rn. 45 ff.

[487]

NK-Paeffgen/Böse, § 227 Rn. 41.

[488]

Ob es weitere Einschränkungen für die Einwilligung geben soll, ist dabei umstritten. Vgl. dazu den Stand der Diskussion bei NK-Paeffgen/Böse, § 228 Rn. 119.

[489]

Historisch gesehen ist die fahrlässige Körperverletzung bei der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland schon einmal aus dem öffentlichen Strafrecht weitgehend verdrängt worden, vgl. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 154. Solche Bestrebungen wären rechtshistorisch damit kein Novum. Zur Diskussion um die fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr s. Backmann, NZV 2013, 465; Cierniak, SVR 2012, 127; Hoffmann, NZV 1993, 209; Müller-Metz, NZV 1994, 89; Nehm, ZRP 2012, 70; nach den Empfehlungen des Arbeitskreises V auf dem 50. Deutschen Verkehrsgerichtstag seien jedoch die materiellen und prozessualen Normen auch bezüglich der fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr grundsätzlich ausreichend, es wird aber eine einheitliche staatsanwaltschaftliche Einstellungspraxis bei diesen Delikten gefordert, vgl. http://www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de/images/empfehlungen_pdf/empfehlungen_50_vgt.pdf (abgerufen am 5.12.2017).

[490]

MK-Hardtung, § 229 Rn. 27. Zur Entkriminalisierungsdiskussion umfassend Koch, Die Entkriminalisierung im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung und Tötung, 1998.

[491]

NK-Paeffgen/Böse, § 229 Rn. 23; als Warnung vor einer Entwertung des Strafrechts durch Ausweitung Schlüchter, Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit, 1996, S. 94.

[492]

MK-Joecks, Vor § 223 Rn. 1; Heinrich, Die gefährliche Körperverletzung, 1993, S. 8 f.; Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 153.

[493]

Schroeder, Hirsch-FS, S. 725; Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 154.

[494]

Schroeder, Hirsch-FS, S. 726.

[495]

Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 154 f. Zu weiteren rechtshistorischen Ausführungen s. Schroeder, Hirsch-FS, S. 726 f.

[496]

MK-Joecks, Vor § 223 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 8 Rn. 2.

[497]

RGBl. I, S. 396.

[498]

RGBl. I, S. 295.

[499]

NK-Paeffgen/Böse, § 225 Rn. 13.

[500]

Staffler, Präterintentionalität und Zurechnungsdogmatik, 2015, S. 106, 113.

[501]

NK-Paeffgen/Böse, Vor § 223 Rn. 1.

[502]

 

RGBl. I, S. 25, 37.

[503]

Zur Geschichte des § 223a StGB a.F. s. Heinrich, Die gefährliche Körperverletzung, 1993, S. 7 ff.

[504]

BGBl. I, S. 3186.

[505]

BT-Drs. 12/6853, S. 25; Lackner/Kühl-Kühl, Vor § 223 Rn. 1.

[506]

BGBl. I, S. 164; für eine Revue zu 20 Jahren 6. StrRG s. Krüger/Maurer, JA 2018, 321.

[507]

BT-Drs. 13/8587, S. 35. Angeblich sollte damit auch das Rechtsgut des Abschnitts betont werden, Fischer, § 223 Rn. 1.

[508]

Vgl. zur Umstrukturierung des § 224 StGB ausführlich Heinrich, Die gefährliche Körperverletzung, 1993.

[509]

BT-Drs. 13/8587, S. 36.

[510]

BGBl. I, S. 3671.

[511]

So auch BeckOK-Eschelbach, Vor § 226a.

[512]

Etwa in China in Art. 234 des chinesischen Strafgesetzbuches, in Sec. 20 des Criminal Law Consolidation Act 1935 von Südaustralien, in Sec. 351 des indischen Strafgesetzbuches und auch im liberischen Strafgesetzbuch im 14. Kapitel, Unterkapitel B, § 14.20.

[513]

Seltene Ausnahmen gibt es trotzdem, so beispielsweise den grönländischen § 60 (vorsätzliche Körperverletzung). Regelmäßig sind jedoch wegen besonders schwerer Tatfolgen in nahezu allen Gesetzen Qualifikationen vorgesehen, vgl. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 158, 174. Eine einfache Definition der Körperverletzung mit nur einem Begriff ist auch international nicht erreicht worden, Schroeder, Hirsch-FS, S. 732. Zum Rechtsvergleich bezüglich der Variante der körperlichen Misshandlung Hochmayr, ZStW 130 (2018), 55.

[514]

Ein systematischer Unterschied ist etwa, dass im schweizerischen StGB die schwere Körperverletzung (Art. 122 schwStGB) vor der einfachen Körperverletzung geregelt (Art. 123 schwStGB) wird. Parallelen ergeben sich bei der Inkriminierung der Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124 schwStGB) und der fahrlässigen Körperverletzung (Art. 125 schwStGB). Zudem findet sich mit Art. 126 schwStGB ein Tatbestand, der auch außerhalb von körperlichen und gesundheitlichen Schädigungen „Tätlichkeiten“ bestraft, bei Bestehen von Obhuts- und vergleichbaren Verhältnissen in qualifizierter Form (gewisse Nähe zu § 225 StGB). Sowohl im schwStGB als auch im öStGB werden die Körperverletzungsdelikte in einem gemeinsamen Abschnitt mit den Delikten gegen das Leben aufgeführt, Art. 111 ff., Zweites Buch, 1. Titel, schwStGB; §§ 75 ff., 1. Abschnitt, öStGB.

[515]

Das deutsche Recht wird der zweiten Gruppe zugerechnet, da danach bereits die Störung des körperlichen Wohlbefindens nach § 223 StGB strafbar ist, s. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 158 f.

[516]

Dies., Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 159.

[517]

Dies., Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 160.

[518]

Traditionell punitiv seien insbesondere Frankreich und Italien, vgl. zu einem Rechtsvergleich der Sanktionen im Rahmen von Körperverletzungen mit Todesfolge Staffler, Präterintentionalität und Zurechnungsdogmatik, 2015, S. 63 ff.

[519]

Es gibt jedoch unterschiedliche tatbestandliche Konstruktionen, insb. hinsichtlich der subjektiven Tatseite, umfassend dazu m.N. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 175 ff.

[520]

Dies., Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 180 ff.

[521]

Dies., Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969, S. 187 f.

[522]

MK-Joecks (Hardtung), § 223 Rn. 131.

[523]

MK-Hardtung, § 230 Rn. 9.

[524]

BGHSt 33, 114.

2. Abschnitt: Schutz der persönlichen Freiheit

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Nötigung, Bedrohung und Zwangsheirat

§ 6 Freiheitsberaubung und Nachstellung

§ 7 Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme

§ 8 Sonstige Freiheitsdelikte

2. Abschnitt: Schutz der persönlichen Freiheit › § 5 Nötigung, Bedrohung und Zwangsheirat

Brian Valerius

§ 5 Nötigung, Bedrohung und Zwangsheirat

A.Einführung1 – 7

B.Grundfragen8 – 18

I.Verfassungsrechtliche Grundfragen8 – 14

II.Rechtshistorische Hintergründe, Gefahren und rechtspolitische Überlegungen15 – 18

C.Hauptteil19 – 115

I.Allgemeine Erläuterungen19 – 29

1.Geschützte Rechtsgüter19 – 24

2.Mittel der Einflussnahme auf das Opfer25 – 29

II.Klassische Fragestellungen30 – 104

1.Nötigungsmittel30 – 62

a)Gewalt30 – 46

aa)Begriffsbestimmung30 – 42

bb)Erscheinungsformen der Gewalt43 – 46

b)Drohung mit einem empfindlichen Übel47 – 62

aa)Begriffsbestimmung47 – 55

bb)Erscheinungsformen der Drohung mit einem empfindlichen Übel56 – 62

2.Nötigung(shandlung) und Nötigungserfolg63 – 70

3.Verwerflichkeit71 – 85

a)Grundlagen71 – 73

b)Ausgangsdefinition und Bezugspunkte der Verwerflichkeit74 – 78

c)Gesamtwürdigung und weitere Kriterien79 – 85

4.Subjektiver Tatbestand86 – 89

5.Einzelne Fallgestaltungen90 – 104

a)Menschliche und sonstige Blockaden90 – 95

b)Nötigungen im Straßenverkehr96 – 99

c)Nötigungen im Rechtsverkehr100 – 104

III.Aktuelle und zukünftige Herausforderungen105 – 115

1.Online-Demonstrationen105 – 107

2.Mobbing108 – 112

3.Reformbestrebungen113 – 115

D.Überblick über die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz116 – 128

I.Rechtslage in Österreich116 – 122

1.Tatbestände zum Schutz der persönlichen Freiheit116 – 118

2.Mittel der einfachen Nötigung119, 120

3.Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Nötigung121, 122

II.Rechtslage in der Schweiz123 – 128

1.Tatbestände zum Schutz der persönlichen Freiheit123, 124

2.Mittel der einfachen Nötigung125 – 127

3.Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Nötigung128

E.Bezüge zum Strafverfahrensrecht129 – 132

Ausgewählte Literatur

2. Abschnitt: Schutz der persönlichen Freiheit › § 5 Nötigung, Bedrohung und Zwangsheirat › A. Einführung

 

A. Einführung

1

Die Freiheit zählt zu den kostbarsten Gütern eines jeden Menschen und wird durch den mit „Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ überschriebenen Achtzehnten Abschnitt des Besonderen Teils geschützt. Stellenwert und ungebrochene Aktualität dieses höchstpersönlichen Rechtsguts lassen sich unter anderem daran ablesen, dass sich in diesem Abschnitt in den letzten Jahren eine enorme Zunahme und Überarbeitung an Straftatbeständen feststellen lässt. Zu nennen sind insoweit die 2005 in den §§ 232 ff. StGB aufgenommenen, 2016 umfassend reformierten Strafvorschriften zum Menschenhandel (zur Umgestaltung → BT Bd. 4: Joachim Renzikowski, Sonstige Freiheitsdelikte, § 8 Rn. 8), der 2007 eingefügte, 2017 modifizierte Straftatbestand der Nachstellung in § 238 StGB (zu den jüngsten Änderungen → BT Bd. 4: Jörg Eisele, Freiheitsberaubung und Nachstellung, § 6 Rn. 39 f.) sowie die Einführung der Zwangsheirat als eigenständiger Straftatbestand in § 237 StGB im Jahr 2011.

2

Den Hintergrund der gesetzgeberischen Tätigkeit bilden oftmals aktuelle gesellschaftliche und politische Ereignisse sowie Entwicklungen auch internationaler oder interkultureller Art. So sollten mit der Einführung der §§ 232 ff. StGB im Jahr 2005 erste Schritte zur Bekämpfung international operierender organisierter Kriminalität beschritten werden, zu denen der Gesetzgeber ohnehin aufgrund völkerrechtlicher Übereinkommen verpflichtet war (→ BT Bd. 4: Renzikowski, § 8 Rn. 7).[1] Der Straftatbestand der Nachstellung in § 238 StGB war dem erst in den letzten Jahrzehnten zunehmend berichteten Phänomen des sog. Stalkings geschuldet und verfolgte insbesondere das Anliegen, die Entschließungs- und Handlungsfreiheit des Opfers hinsichtlich der persönlichen Lebensgestaltung zu sichern.[2] Mit § 237 StGB wollte der Gesetzgeber schließlich „klar zum Ausdruck [bringen], dass Zwangsheirat als schweres Unrecht zu verurteilen ist“, und „ein eindeutiges Signal [setzen], dass der Staat den mit einer Zwangsheirat verbundenen Eingriff in die Rechte betroffener Personen mit dem schärfsten ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterbinden will“.[3] Schon § 239a StGB wurde einst 1936 als Reaktion auf die Entführung und Tötung des Erstgeborenen des US-amerikanischen Piloten Charles Lindbergh eingeführt. Ebenso ist die Existenz des 1971 eingefügten § 239b StGB einem Banküberfall in München mit tödlichem Ausgang und somit einem konkreten Ereignis geschuldet.[4] Des Weiteren wurden § 234a und § 241a StGB im Jahr 1951 eingeführt, um Verschleppungen aus der Bundesrepublik in die damalige DDR ahnden zu können und dadurch das Zusammenspiel der Gesamtheit von Menschenwürde und Freiheit zu schützen.[5]

3

Ohne die durch die zunehmende Aktivität des Gesetzgebers indizierte Bedeutung der persönlichen Freiheit zu relativieren, sei ergänzend bemerkt, dass die wachsende Anzahl an normierten Straftaten gegen die persönliche Freiheit zwar nicht stets (nur) deren umfassenderen Schutz im Auge hatte. Vielfach waren die genannten Delikte bereits an anderer Stelle normiert. So fanden sich die §§ 232 ff. StGB zuvor in §§ 180b, 181 StGB wieder und wurden (mit einigen Änderungen) in den Achtzehnten Abschnitt übertragen, um sie dort mit der früheren Vorschrift des § 234 StGB (Menschenraub) zu vereinheitlichen und zu einem erweiterten Normenkomplex zur Bekämpfung des Menschenhandels zusammenzufassen.[6] Der nunmehr eigenständige Straftatbestand der Zwangsheirat in § 237 StGB bildete zuvor ein Regelbeispiel für einen – selbst erst 2005 eingeführten – besonders schweren Fall der Nötigung in § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB. Allein die Strafvorschrift des § 238 StGB zur Nachstellung hat keine Vorgängernorm und erfasst ebenso belästigende Verhaltensweisen, die zuvor allenfalls mitunter als einzelne Handlungen strafbar waren, nicht aber in ihrer Gesamtheit, obwohl sie als solche einen nicht unerheblichen Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Betroffenen bedeuten können (→ BT Bd. 4: Eisele, § 6 Rn. 37). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Bedeutung der persönlichen Freiheit in naher Zukunft sinken wird. Vielmehr dürften nicht zuletzt mit dem technologischen Fortschritt bei all dessen positiven Aspekten auch neue Beeinträchtigungen der Freiheit einhergehen, die ggf. auch den Gesetzgeber zu Reaktionen veranlassen könnten. Zu denken ist nur an eine mögliche Strafbarkeit von (ggf. Cyber-)Mobbing (Rn. 108 ff.) oder an einen Schutz der „mentalen Selbstbestimmung“ vor sog. Neuro-Enhancement.[7]

4

Der eine oder andere mag sich wundern oder zumindest hinterfragen, warum an dieser Stelle im Zusammenhang mit persönlicher Freiheit überhaupt von Stalking und Mobbing die Rede ist. Schließlich geht es hierbei um belästigende Verhaltensweisen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen. So setzt § 238 StGB etwa als Taterfolg die Eignung einer Nachstellung voraus, die Lebensgestaltung einer anderen Person schwerwiegend zu beeinträchtigen. Die Lebensgestaltung dürfte indessen nicht jeder als Beispiel für persönliche Freiheit, sondern eher als eigenständiges Rechtsgut ansehen. Auch bei den §§ 232 ff. StGB scheint nicht zuletzt wegen ihrer früheren Einordnung als Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung jedenfalls teilweise die Platzierung an der Spitze der Straftaten gegen die persönliche Freiheit fraglich (siehe etwa → BT Bd. 4: Renzikowski, § 8 Rn. 41 zu § 232a StGB).[8] An diesen Einwänden sowie an einer mitunter angedachten neuen Strafnorm gegen Mobbing lässt sich somit eine Frage aufwerfen, die bei Änderungen bestehender Normen oder Einfügung neuer Straftatbestände in den Achtzehnten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs nicht selten zu stellen bleibt: Was ist eigentlich unter der in der Abschnittsüberschrift genannten persönlichen Freiheit zu verstehen?[9]

5

Eine eindeutige Antwort lässt sich der Zusammenschau der einzelnen Rechtsgüter der §§ 232 ff. StGB nicht entnehmen. Die Vorschriften zeigen vielmehr recht unterschiedliche Facetten von Freiheit auf. Bereits die einzelnen Menschenhandelsvorschriften der §§ 232 ff. StGB schützen so unterschiedliche Aspekte wie die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 232, 232a StGB),[10] die persönliche Freiheit, über den Einsatz und die Verwertung der eigenen Arbeitskraft zu verfügen (§§ 232, 232b, 233 StGB)[11] sowie die körperliche Fortbewegungsfreiheit und die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit (§ 233a StGB).[12] Die Straftatbestände der Verschleppung (§ 234a StGB) und der Politischen Verdächtigung (§ 241a StGB) sollen umfassend die „soziale Freiheit“ im Sinne einer Gesamtheit von Menschenwürde und Freiheit vor Beeinträchtigungen bewahren,[13] während bei der Entziehung Minderjähriger (§ 235 StGB) und dem Kinderhandel (§ 236 StGB) das familienrechtliche Sorgerecht bzw. die ungestörte körperliche und seelische Entwicklung des Minderjährigen im Vordergrund stehen.[14] Die Zwangsheirat gemäß § 237 StGB als ausgelagerter eigenständiger Nötigungstatbestand schützt die (positive wie negative) Eheschließungsfreiheit (Rn. 24), der Nachstellungstatbestand des § 238 StGB die Handlungs- und Entschlussfreiheit des Opfers hinsichtlich seiner persönlichen Lebensgestaltung.[15] Die Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) und ihr Sonderfall des Menschenraubs (§ 234 StGB)[16] wollen die Fortbewegungsfreiheit gewährleisten,[17] während der Erpresserische Menschenraub (§ 239a StGB) und die Geiselnahme (§ 239b StGB) vor allem die persönliche Freiheit sowie die körperliche wie seelische Unversehrtheit der entführten Person zum Schutzgut haben.[18] Bei der Nötigung (§ 240 StGB) dürfte es sich um denjenigen Tatbestand handeln, der mit der geschützten Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit (Rn. 19) die weiteste Freiheit zum Rechtsgut hat.[19] Die Bedrohung gemäß § 241 StGB will schließlich den individuellen Rechtsfrieden schützen (Rn. 24). Diese Auflistung gibt freilich nur die wohl jeweils herrschende Ansicht wieder. Mitunter ist indessen durchaus umstritten, welches Rechtsgut die einzelnen Straftatbestände schützen (siehe z.B. zur Diskussion bei der Nachstellung → BT Bd. 4: Eisele, § 6 Rn. 45 und bei der Nötigung Rn. 19 f.). Dieser Streit ist nicht nur akademischer Natur, dürften nicht wenige Meinungsstreite bei den Freiheitsdelikten doch gerade dem Umstand geschuldet sein, dass über das Schutzgut Uneinigkeit besteht. So beruht die anhaltende Diskussion, ob vis absoluta als „Gewalt“ im Sinne des § 240 StGB verstanden werden kann, zu einem nicht unwesentlichen Teil auf der vorgelagerten Frage, ob der Nötigungstatbestand nur die Freiheit der Willensbetätigung oder auch die der Willensentschließung schützt.

6

Aus diesen unterschiedlichen Schutzgütern einen allgemeingültigen Begriff der persönlichen Freiheit zu extrahieren, dürfte kaum möglich sein.[20] Zudem tragen die in den letzten Jahren eingeführten Normen der §§ 232 ff., 238 und 237 StGB nicht gerade dazu bei, diese Aufgabe zu vereinfachen. Denkbar ist lediglich, einzelne Aspekte der persönlichen Freiheit hervorzuheben. Insoweit erscheint gangbar, persönliche Freiheit zum einen in einem positiven Sinne dergestalt zu begreifen, dass – in Anlehnung an das Rechtsgut des Nötigungstatbestandes – sowohl die freie Willensentschließung als auch die ungestörte Willensbetätigung (z.B. zum Einsatz seiner Arbeitskraft oder zum Verlassen des derzeitigen Aufenthaltsortes) geschützt werden. Zum anderen lässt sich persönliche Freiheit in dem negativen Sinne verstehen, keiner Einflussnahme von außen (z.B. auf die eigene Lebensgestaltung) ausgesetzt zu sein. Durch die Betonung dieser negativen Komponente werden auch diejenigen Straftaten als Freiheitsdelikte erfasst, die – wie etwa die Nachstellung in § 238 StGB oder ein etwaiger Straftatbestand des Mobbings – in den persönlichen Lebensbereich eingreifen; innerhalb dieser Sphäre könnte dann von der Freiheit gesprochen werden, in Ruhe gelassen zu werden.[21] Die notwendige Abgrenzung von den Straftaten des Fünfzehnten Abschnitts des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs, die den persönlichen Lebens- und Geheimbereich betreffen, bestünde darin, dass dort im Wesentlichen vor ausspähenden Verhaltensweisen geschützt würde, gewissermaßen somit davor, dass etwas aus dem geschützten Bereich gegen den Willen des Betroffenen nach außen dringt. Die Freiheitsdelikte würden hingegen (auch) davor bewahren, dass etwas gegen den Willen des Betroffenen in den geschützten persönlichen Lebens- und Geheimbereich gelangt, er insbesondere vor die Bagatellschwelle überschreitenden Belästigungen geschützt wird.

7

Ein grundlegendes Problem, nahezu schon Dilemma vieler Freiheitsdelikte ist, dass der Schutz der persönlichen Freiheit des einen in der Regel mit der Einschränkung der persönlichen Freiheit des anderen einhergeht. Bereits aus diesem Charakter der Freiheit als intrasoziales Rechtsgut kann die Freiheit nicht absolut vor Gefährdungen und Verletzungen, sondern stets nur vor bestimmten Angriffen geschützt werden.[22] Daher haben die meisten Vorschriften der §§ 232 ff. StGB auch lediglich ausgewählte Ausprägungen bzw. Bereiche der persönlichen Freiheit im Blick. Ein umfassender Schutz kann im Hinblick auf den zu erstrebenden Ausgleich zwischen konkurrierenden Freiheitssphären hingegen nicht das Ziel sein. Freilich erscheinen diese Überlegungen umso weniger dringlich, umso gravierender sich der Eingriff in die persönliche Freiheit (z.B. bei einer Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB oder einem Menschenhandel nach den §§ 232 ff. StGB) erweist. Gerade bei der Nötigung, welche die Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit im Allgemeinen schützt, gilt es indessen, die kollidierenden Interessen der Beteiligten sinnvoll voneinander abzugrenzen. Je geringer folglich der jeweilige Eingriff in die persönliche Freiheit des einen ist, desto legitimierungsbedürftiger erscheint es, die Freiheit des anderen – nicht zuletzt mit Mitteln des Strafrechts – zu beschränken. Da die Fallgestaltungen, in denen sich gewissermaßen Freiheit gegen Freiheit gegenüberstehen, mannigfaltig und vielgestaltig sind, hat vor allem der Gesetzgeber einen Straftatbestand zu formulieren, der einerseits möglichst sämtliche strafwürdigen Sachverhalte erfasst, andererseits aber Freiheiten nicht zu sehr durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen begrenzt. Der Straftatbestand der Nötigung belegt, dass diese Aufgabe schwierig, wenn nicht sogar unlösbar ist.

2. Abschnitt: Schutz der persönlichen Freiheit › § 5 Nötigung, Bedrohung und Zwangsheirat › B. Grundfragen