Handbuch des Strafrechts

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2. Feststellungsverbot des Arztes (Abs. 2)



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Im Rahmen eines Verwaltungsaktes kann einem Arzt durch die zuständige Stelle endgültig (Abs. 2 S. 1) oder vorläufig (Abs. 2 S. 2) untersagt werden, Indikationsfeststellungen vorzunehmen. Das Feststellungsverbot bezweckt, dass sich Ärzte, welche keine „hinreichende Gewähr für die verfassungsrechtlich gebotene Achtung des ungeborenen Lebens bieten“, nicht mehr an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligen dürfen. Das heißt, der betroffene Arzt darf keine Indikationsfeststellungen im Sinne von

§ 218b Abs. 1 StGB

 mehr ausstellen. Das Feststellungsverbot wirkt sich jedoch nicht auf anderweitige ärztliche Tätigkeitsgebiete eines betroffenen Arztes aus. Wird eine Indikationsfeststellung von einem nach

§ 218b Abs. 2 StGB

 disqualifizierten Arzt vorgenommen, so erlangt die Feststellung keine Wirksamkeit, d.h. der abbrechende Arzt macht sich nach

§ 218b Abs. 1 S. 1 StGB

 strafbar. Über die Wirksamkeit des Feststellungsverbots nach

§ 218b Abs. 2 StGB

 lässt sich streiten, denn das Strafgesetzbuch sieht bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung keine Straffolgen vor.






a) Endgültige Untersagung der Indikationsfeststellung



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Eine endgültige Untersagung der Indikationsfeststellung nach

§ 218b Abs. 2 S. 1 StGB

 setzt voraus, dass der Arzt gegen ein gesetzlich normiertes Abtreibungsdelikt (

§ 218

,

§ 218b Abs. 1

,

§ 219a

,

§ 219b StGB

) verstoßen hat oder aber eine anderweitige mit einem Schwangerschaftsabbruch in Zusammenhang stehende rechtskräftige Verurteilung aufgrund einer rechtswidrigen Tat im Sinne von

§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB

 vorliegt. Die Anordnung der endgültigen Untersagung obliegt der zuständigen Behörde.






b) Vorläufige Untersagung der Indikationsfeststellung



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Wird ein Arzt eines Abtreibungsdelikts (

§§ 218 ff. StGB

) oder einer anderen mit einem Schwangerschaftsabbruch in Zusammenhang stehenden Straftat verdächtigt und wird gegen ihn ein Hauptverfahren nach

§ 207 StPO

 eröffnet, so kann ihm die zuständige Behörde vorläufig untersagen, Indikationsfeststellungen nach

§ 218b Abs. 1 StGB

 zu treffen. Dabei ist der Eröffnung eines Hauptverfahrens die Beantragung bzw. der Erlass eines Strafbefehls gleichzusetzen. Während die Bestimmung über die endgültige Untersagung der Indikationsfeststellung nach

§ 218b Abs. 2 S. 1 StGB

 zwingend ist, handelt es sich bei der vorläufigen Untersagung um eine Kann-Vorschrift, deren Dauer gesetzlich nicht geregelt wird. Die Anordnung einer vorläufigen Untersagung und deren allfälligen Dauer liegt folglich im Ermessen der zuständigen Behörde. Betreffend die Konkurrenzfrage bleibt festzuhalten, dass

§ 218b StGB

 gegenüber

§ 218 StGB

 subsidiär ist.






VI. Ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch (

§ 218c StGB

)



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§ 218c StGB

 zielt darauf ab, die vom Bundesverfassungsgericht festgehaltenen Verhaltensanforderungen an den abbrechenden Arzt gesetzgeberisch umzusetzen. Dabei soll durch diese Vorschrift sowohl die Gesundheit der Schwangeren als auch das Leben des Ungeborenen geschützt werden. Konkret beabsichtigt die Norm, welche als Sanktion eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vorsieht, eine Missachtung der Pflichten nach

§ 218c Abs. 1 Nr. 1–4 StGB

 zu verhindern. Als unmittelbarer Täter kommt grundsätzlich nur der abbrechende Arzt in Frage, da die Schwangere aufgrund eines persönlichen Strafausschließungsgrundes in

§ 218c Abs. 2 StGB

 von einer Bestrafung befreit wird. Allerdings ist eine Teilnahme an einem Schwangerschaftsabbruch im Sinne von

§ 218c Abs. 1 StGB

 (mit Ausnahme der Schwangeren) beispielsweise durch ärztliches Hilfspersonal durchaus möglich.

§ 218c Abs. 1 StGB

 stellt somit ein Sonderdelikt dar. In subjektiver Hinsicht erfordert der Straftatbestand von

§ 218c Abs. 1 StGB

 vorsätzliches Handeln, wobei bedingter Vorsatz genügt. Sowohl die praktische als auch die kriminalpolitische Bedeutung von

§ 218c StGB

 werden allerdings als gering eingeschätzt.



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Dem abbrechenden Arzt werden in

§ 218c Abs. 1 StGB

 Darlegungs-, Beratungs- und Vergewisserungspflichten auferlegt. Die Verletzungen dieser Pflichten sind dabei als abstrakte Gefährdungsdelikte zu qualifizieren. Eine Bestrafung nach

§ 218c Abs. 1 StGB

 setzt neben einem Pflichtverstoß im Sinne von

§ 218c Abs. 1 Nr. 1–4 StGB

 (sog. negative Tatbestandsmerkmale) die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, genauer einen vollendeten Abbruch, voraus. Gleichsam wie

§ 218b StGB

 erlangt auch

§ 218c StGB

 nur subsidiär Bedeutung, nämlich dann, wenn die Tat nicht nach

§ 218 StGB

 strafbar ist.






1. Gelegenheit zur Begründung des Abbruchsverhaltens (Abs. 1 Nr. 1)



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Gemäss

§ 218c Abs. 1 Nr. 1 StGB

 wird der abbrechende Arzt gesetzlich verpflichtet, der Schwangeren Gelegenheit zur Darlegung der Motivation zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs einzuräumen. Sofern die Schwangere jedoch die Mitteilung ihrer Abbruchsgründe verweigert, ist der abbrechende Arzt nicht verpflichtet auf deren Darlegung zu insistieren. Der Fokus der Bestimmung liegt folglich lediglich auf dem Einräumen einer Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber der Schwangeren durch den Arzt. Aufgrund der Subsidiarität von

§ 218c StGB

 zu

§ 218 StGB

 kommt eine Bestrafung des Arztes nach

§ 218c Abs. 1 Nr. 1 StGB

 grundsätzlich nur dann in Frage, wenn der Arzt (1) einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, ohne der Schwangeren eine Möglichkeit zur Erklärung ihres Abbruchverlangens einzuräumen oder (2) der erklärungsbereiten Schwangeren die Möglichkeit verweigert, ihr Verlangen zu erläutern.






2. Ärztliche Beratung (Abs. 1 Nr. 2)



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Der abbrechende Arzt hat gemäss

§ 218c Abs. 1 Nr. 2 StGB

 die Schwangere im Sinne des informed consent-Prinzips über die Bedeutung des geplanten Eingriffs zu unterrichten. Diese Beratungspflicht soll demzufolge sicherstellen, dass die abbruchswillige Schwangere über alle mit dem Eingriff zusammenhängenden, relevanten Umstände wie beispielsweise über die Risiken, den Ablauf und allfällige physische oder psychische (Spät-)Folgen des Eingriffs aufgeklärt wird. Die Beratung hat dabei im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, d.h. unter physischer Anwesenheit der Schwangeren und des abbrechenden Arztes zu erfolgen. Anders als in

§ 218a Abs. 1 Nr. 1 StGB

 ist gesetzlich keine Karenzfrist zwischen der Beratung und der Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs vorgesehen.






3. Ärztliche Feststellung des Schwangerschaftsabbruchs (Abs. 1 Nr. 3)



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§ 218c Abs. 1 Nr. 3 StGB

 bezweckt, die Einhaltung der gesetzlich normierten Fristen (

§ 218a Abs. 1

 und

Abs. 3 StGB

) zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs sicherzustellen. Dem abbrechenden Arzt obliegt demnach die Pflicht, sich vor Durchführung des Abbruchs zu vergewissern, dass die gesetzlich zulässige Frist noch nicht überschritten wurde. Widerhandlungen gegen diese Obliegenheit werden nur dann nach

§ 218c Abs. 1 Nr. 3 StGB

 geahndet, wenn – trotz fehlender Überprüfung seitens des Arztes – die Frist im Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs tatsächlich noch nicht verstrichen war. Bestraft wird folglich bereits die bloße Inkaufnahme einer Fristüberschreitung mangels Überprüfung der Fristeneinhaltung.

 






4. Eigene Beratung (Abs. 1 Nr. 4)



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Um allfällige Interessenkonflikte vorzubeugen, normiert

§ 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB

 das Verbot der Doppelrolle, d.h. der im Sinne von

§ 219 StGB

 beratende Arzt darf nicht zugleich der im Falle von

§ 218a Abs. 1 StGB

 abbrechende Arzt sein. Das Doppelrollenverbot bezieht sich dabei lediglich auf dieselbe Schwangerschaft. Darüber hinaus werden lediglich Fälle der Fristenlösung nach

§ 218a Abs. 1 StGB

 durch das Verbot in

§ 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB

 erfasst, da beim sozial-medizinisch oder kriminologisch indizierten Schwangerschaftsabbruch (

§ 218a Abs. 2

 und

3 StGB

) keine Beratungspflicht gesetzlich statuiert wurde. Zusammenfassend stellt

§ 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB

 die Sanktionsnorm zum gesetzlich festgehaltenen ärztlichen Doppelrollenverbot nach

§ 219 Abs. 2 S. 3 StGB

 dar.






VII. Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage (

§ 219 StGB

)



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§ 219 StGB

 ist anders als die

§§ 218–218c StGB

 nicht als Strafnorm zu qualifizieren. Die besagte Gesetzesnorm ist vielmehr als eine normative Festlegung von Voraussetzungen anzusehen, denen eine Beratung im Sinne von

§ 218a Abs. 1 StGB

 zu genügen hat. Dabei gilt es, klar zwischen der notlagenorientierten Beratung gemäss

§ 219 StGB

, der ärztlichen Beratung im Sinne von

§ 218c Abs. 1 Nr. 2 StGB

 sowie der allgemeinen, vor jedem Eingriff erforderlichen ärztlichen Aufklärungspflicht zu differenzieren. Detaillierte Regelungen betreffend das Ziel, den Inhalt bzw. die Durchführung des Beratungsgesprächs sind den

§§ 5 ff. des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

 (SchKG) zu entnehmen. Aus diesem Grund sollen nachfolgend summarisch die wichtigsten Voraussetzungen wiedergegeben werden.






1. Durchführung des Beratungsgesprächs (Abs. 1)



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Primär soll mithilfe des notlagenorientierten Beratungsgesprächs das ungeborene menschliche Leben geschützt werden. Deshalb wird im Rahmen dieses beratenden, zielorientierten Gesprächs versucht, der Schwangeren eine Entscheidungshilfe zu bieten und sie „von der Richtigkeit einer Entscheidung für das Leben zu überzeugen“. Gleichzeitig soll nebst der Zielorientiertheit auch die Ergebnisoffenheit des Gesprächs gewährleistet werden, sodass die Schwangere aus eigener Willenskraft eine eigenständige, verantwortungsbewusste Entscheidung fällen kann. Deshalb bedarf es einer persönlichen Beratung, die einen unmittelbaren räumlichen Kontakt zwischen der beratenden Person und der Schwangeren erfordert. Diesem Erfordernis vermag das Aushändigen von allgemeinen Informationsbroschüren betreffend den Schwangerschaftsabbruch nicht zu genügen.






2. Ausstellen der Beratungsbescheinigung (Abs. 2)



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In

§ 219 Abs. 2 StGB

 werden die Formalien betreffend die Ausstellung der Beratungsbescheinigung festgehalten. Bezüglich der Einzelheiten ist wiederum auf das SchKG zu verweisen. Das Beratungsgespräch hat bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle zu erfolgen, als solche gelten sowohl staatliche bzw. kommunale Behörden, als auch freie Träger wie z.B. Kirchen, Verbände usw. oder auch Ärzte. Im Rahmen des Doppelrollenverbots gemäss

§ 219 Abs. 2 S. 3

 und

§ 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB

 bleibt jedoch zu beachten, dass keine Personenidentität zwischen abbrechendem und beratendem Arzt vorliegen darf. Die Konfliktberatung hat vor Ablauf der in

§ 218a Abs. 1 StGB

 normierten zwölfwöchigen Frist zu erfolgen, wobei auch die dreitägige Karenzfrist zwischen dem Beratungsgespräch und der Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs eingehalten werden muss. Nach erfolgtem Beratungsgespräch ist deren Durchführung in Form einer Bescheinigung festzuhalten, welche die ordnungsgemässe Vornahme des Gesprächs bestätigt (

§ 7 SchKG

).






3. Strafbarkeit bei Verstoß gegen

§ 219 StGB



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Obwohl

§ 219 StGB

 selbst keine Strafbestimmungen enthält, ergibt sich die jeweilige Strafbarkeit der Schwangeren, des abbrechenden Arztes sowie der beratenden Person aus den vorangehenden Strafbestimmungen der

§§ 218 ff. StGB

. Widersetzt sich eine Schwangere den Vorschriften nach

§ 219 StGB

, so macht sie sich nach

§ 218 StGB

 strafbar, wenn sie auf eine Beratung durch eine staatlich anerkannte Stelle oder aber auf die Einhaltung der Karenzfrist verzichtet hat. Ein abbrechender Arzt macht sich nach

§ 218 StGB

 strafbar, wenn er trotz Kenntnis über Mängel des Beratungsgesprächs eine Schwangerschaft abbricht. War der abbrechende Arzt zugleich auch Berater im Sinne von

§ 219 Abs. 2 StGB

, so hat er sich bei einem Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Fristenlösung (

§ 218a Abs. 1 StGB

) nach

§ 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB

 zu verantworten, bei einem Schwangerschaftsabbruch im Sinne von

§ 218a Abs. 4 StGB

 fällt eine Bestrafung nach

§ 218 StGB

 in Betracht. Die beratende Person verstößt gegen

§ 218 StGB

, sofern ein unterbliebenes Beratungsgespräch bescheinigt oder aber eine stattgefundene Beratung wissentlich unrichtig datiert bzw. ohne staatliche Anerkennung durchgeführt wird.






VIII. Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (

§ 219a StGB

)



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Die Strafnorm in

§ 219a Abs. 1 StGB

 zielt darauf ab, eine „bedenkenlose Propagierung und Kommerzialisierung“ von legalen und illegalen Schwangerschaftsabbrüchen zu verhindern. Der Straftatbestand von

§ 219a StGB

 greift demzufolge im Vorbereitungsstadium von Schwangerschaftsabbrüchen. Zu diesem Zweck bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens werden verschiedene abstrakte Gefährdungstatbestände gesetzgeberisch festgehalten. Vorweg bleibt anzumerken, dass die kriminalpolitische Bedeutung dieser Strafnorm als äußerst gering eingeschätzt wird.



52





Als Tathandlung werden nach

§ 219a Abs. 1 StGB

 sowohl Dienste als auch Mittel, Gegenstände bzw. Verfahren, die zwecks Erzielung eines Vermögensvorteils oder in grob anstößiger Weise öffentlich angeboten, angekündigt, angepriesen oder bekanntgegeben werden, erfasst. Demnach wird vorausgesetzt, dass die Werbehandlung öffentlich bzw. im Rahmen einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften erfolgt. Als öffentlich ist jedes Handeln zu erachten, welches „von einem größeren, individuell nicht feststehenden oder jedenfalls durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann“, wie z.B. durch Zeitungsinserate oder Internetwerbung. Das öffentliche Werbeverhalten erfordert, dass den Adressaten die Möglichkeit zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs zugänglich dargestellt wird. Darüber hinaus muss gegenüber den Adressaten auf die Eignung der Mittel zum Schwangerschaftsabbruch hingewiesen werden, wobei dies auch in versteckter Form erfolgen kann. Die angebotenen Mittel müssen jedoch in objektiver Hinsicht geeignet sein, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen, d.h. betrügerische Angebote fallen nicht unter den Straftatbestand von

§ 219a Abs. 1 StGB

. Im Zusammenhang mit

§ 219a Abs. 1 StGB

 gilt jede Handlung als grob anstößig, die in anreißerischer oder den Schwangerschaftsabbruch verherrlichender Weise geschieht, insbesondere das Werben für strafbare Schwangerschaftsabbrüche erfüllt die Voraussetzung der groben Anstößigkeit. Widerhandlungen gegen

§ 219a Abs. 1 StGB

 werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.



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In subjektiver Hinsicht erfordert die Strafnorm in

§ 219a Abs. 1 StGB

 Vorsatz, dolus eventualis reicht allerdings aus. Hinsichtlich der Erzielung eines Vermögensvorteils muss der Täter mit Absicht (dolus directus 1. Grades) handeln, wobei die Anforderungen an die Bereicherungsabsicht beim Betrug (

§ 263 StGB

) maßgebend sind.






1. Strafbare Handlungen (Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2)



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Als Dienste im Sinne von

§ 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB

 werden sowohl eigene als auch fremde Dienste erfasst, die der Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs dienen. Dabei ist unerheblich, ob die Dienste im Rahmen eines legalen oder illegalen Schwangerschaftsabbruchs angeboten werden. Unter die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs wird nebst der eigenhändigen Durchführung auch irgendeine anderweitige Mitwirkung subsumiert. Als Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs gilt dagegen jedes positive Hinwirken auf dessen Zustandekommen. Strafrechtlich erfasst werden allerdings nur abortiv wirkende Dienste, dagegen sind nidationshemmende, wie z.B. die Abgabe der Anti-Baby-Pille, zulässig.



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Chemische oder mechanisch wirkendende Instrumente oder anderweitige Methoden zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs werden als geeignete Mittel, Gegenstände oder Verfahren im Sinne von

§ 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB

 verstanden. Es genügt, dass die Mittel zum Abbruch einer Schwangerschaft geeignet sind, nicht erforderlich ist dagegen, dass sich deren Zweckbestimmung auf Schwangerschaftsabbrüche bezieht. Allerdings werden nidationshemmende Mittel (Empfängnisverhütungsmittel) nicht von

§ 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB

 erfasst.

 






2. Ausschluss der Strafbarkeit (Abs. 2 und 3)



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§ 219a Abs. 2

 und

3 StGB

 stellen Ausnahmen vom Straftatbestand nach

§ 219a Abs. 1 StGB

 dar. Es handelt sich dabei nicht um Rechtfertigungsgründe, sondern um tatbestandliche Ausschlüsse. Gemäss

§ 219a Abs. 2 StGB

 wird eine abstrakte Gefahr im Sinne von

§ 219a Abs. 1 StGB

 nicht angenommen, wenn die Tathandlung gegenüber einem Personenkreis erfolgt, der sich berufsmäßig mit straflosen Schwangerschaftsabbrüchen im Sinne von

§ 218a Abs. 1–3 StGB

 auseinanderzusetzen hat, so namentlich gegenüber Ärzten, Kliniken oder Beratungsstellen. Konkret bedeutet dies, dass das Anbieten etc. von Diensten im Sinne von

§ 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB

 gegenüber Ärzten oder Beratungsstellen nach

§ 219a Abs. 2 StGB

 straflos bleibt. Nicht erfasst von diesem Tatbestandsausschluss wird jedoch das Werben für solche Dienste auf der praxiseigenen Internethomepage durch einen Arzt.



57





Das Werben für Mittel etc., die zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs geeignet sind, ist gemäss

§ 219a Abs. 3 StGB

 zulässig, sofern der angesprochene Personenkreis (in erster Linie Ärzte) zum Handel mit den entsprechenden Mitteln usw. befugt ist. Ebenfalls straffrei bleibt das Werben für Mittel, Gegenstände oder Verfahren in ärztlichen bzw. pharmazeutischen Fachzeitschriften.



58





Betreffend die Konkurrenzfrage ist Folgendes anzumerken: Ist der Täter, welcher für Dienste oder Mittel wirbt, auch an einem Schwangerschaftsabbruch beteiligt, so besteht zwischen

§ 219a

 und

§ 218 StGB

 Realkonkurrenz. Ebenso ist zwischen

§ 219a

 und

§ 219b StGB

 von einer Tatmehrheit auszugehen. Sofern das Werben für Schwangerschaftsabbrüche auch den Straftatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäss

§ 111 Abs. 1 StGB

 erfüllt, liegt Idealkonkurrenz vor.






IX. Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft (

§ 219b StGB

)



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Gleich wie

§ 219a StGB

 ist auch

§ 219b StGB

 als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen. Die Strafnorm zielt darauf ab, das Inverkehrbringen von Mitteln, die dem illegalen Schwangerschaftsabbruch dienen, sowie Laienabbrüche zu verhindern. Das Schutzgut von

§ 219b StGB

 stellt das werdende Leben dar. Nach

§ 219b Abs. 1 StGB

 macht sich strafbar, wer zum Schwangerschaftsabbruch objektiv geeignete Mittel oder Gegenstände in Verkehr bringt mit der Absicht, rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche im Sinne von

§ 218 StGB

 zu fördern. Widerhandlungen gegen

§ 219b Abs. 1 StGB

 werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 219b Abs. 3 StGB

 sieht zudem vor, dass tatbestandliche Mittel oder Gegenstände nach

§ 74 StGB

 eingezogen werden können. Als Inverkehrbringen wird das Überlassen eines Gegenstandes an jemand anderen angesehen. Eine objektive Eignung der Mittel und Gegenstände ist bereits bei deren relativer Tauglichkeit anzunehmen, d.h. bei einer Eignung zum Schwangerschaftsabbruch trotz bestimmungswidrigem Gebrauch. Nicht tatbestandlich erfasst werden jedoch Vorbereitungshandlungen sowie der Versuch des Inverkehrbringens von Mittel zum Sch