Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern

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Anmerkungen

[1]

Vgl. insofern auch Bayer in: MK-AktG, § 19 AktG Rn. 22.

[2]

Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 68 Rn. 95; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 1; Bayer in: MK-AktG, § 19 AktG Rn. 19; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 19 AktG Rn. 3.

[3]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 15.

[4]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 1; Bayer in: MK-AktG, § 19 AktG Rn. 20 f.; Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 19 AktG Rn. 4 f.

[5]

Koch in: Hüffer, § 19 AktG Rn. 4; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 944. Maier-Reimer in: Henssler/Strohn, § 19 AktG Rn. 4 f. weist indes darauf hin, die unwiderlegliche Vermutung könne nicht auch beidseitig qualifiziert wechselseitige Beteiligungen umfassen, da gegenseitige Abhängigkeit denkunmöglich sei. Insofern liege in diesem Fall eine Fiktion vor, die für beide beteiligten Unternehmen die Geltung der Vorschriften sowohl für beherrschte wie auch für herrschende Unternehmen anordne.

[6]

Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 68 Rn. 110; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 1; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 944.

[7]

Anders im Fall fehlender Abhängigkeit, vgl. Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 68 Rn. 98.

[8]

So explizit Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 2. Vgl. auch Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 944.

[9]

Vgl. hierzu Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 Rn. 3.

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen › C. Auswirkungen auf den unternehmerischen Pflichten- und Haftungsumfang

C. Auswirkungen auf den unternehmerischen Pflichten- und Haftungsumfang

74

Unternehmensverbindungen und die entstehenden Rechtsfolgen stellen nach alledem – entgegen der Bedeutung von Konzernen in der Rechtstatsächlichkeit – etwas grundsätzlich Untypisches im Hinblick auf die deutsche Gesellschaftsrechtsordnung dar. Denn unser Gesellschaftsrechtssystem geht grundsätzlich von eigenständigen Gesellschaften aus, die im Wesentlichen verpflichtet sind, ihren eigenen Interessen zu dienen und damit unabhängig und eigenständig auftreten.[1] Unternehmensverbindungen durchbrechen diese Grundsätze an zahlreichen Stellen und modifizieren damit die klassischen Leitungs- und Verantwortungsprinzipien.

Anmerkungen

[1]

Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 925; Eschenbruch Konzernhaftung, Rn. 2003. Vgl. hierzu auch bereits oben Rn. 40.

Teil 2 Gesellschaftsrechtliche Grundlagen › C. Auswirkungen auf den unternehmerischen Pflichten- und Haftungsumfang › I. Konzernleitungsmacht und -pflicht

I. Konzernleitungsmacht und -pflicht

75

Deutlich wird dies vor allem beim Vertragsaktienkonzern i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 2 AktG, der auf dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages basiert.

1. Möglichkeiten der Konzernleitung

76

Wie gezeigt verdrängt dort das Weisungsrecht gem. § 308 Abs. 1 AktG die grundsätzliche Unabhängigkeit des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG.[1] Die Obergesellschaft erlangt damit an dieser Stelle eine Konzernleitungsmacht.[2] Allerdings wird die Leitungsmacht des Vorstandes dadurch lediglich eingeschränkt, nicht aber aufgehoben.[3] Erteilt die Obergesellschaft keine Weisungen oder sind diese unzulässig, so bleibt es bei der unabhängigen Leitung gem. § 76 Abs. 1 AktG.[4] Damit kommt der Prüfungspflicht des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft betreffend die Zulässigkeit von Weisungen erhebliche Bedeutung zu.[5] Die Unzulässigkeit ergibt sich allerdings nicht bereits aus der Nachteilhaftigkeit einer Weisung. Denn auch eine nachteilige Weisung kann gem. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG zulässig sein, solange sie dem Konzerninteresse dient.[6] Daneben dürfen Weisungen nicht rechts- und sittenwidrig sein oder aber der Satzung des Unternehmens widersprechen.[7] Ist dies gegeben, sind die Weisungen für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft gem. § 308 Abs. 2 S. 1 AktG bindend. Als Korrektiv dient die Regelung des § 309 AktG, die den Organen der herrschenden Gesellschaft besondere Pflichten auferlegt. So macht sich der Vorstand der Obergesellschaft gem. § 309 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AktG haftbar, wenn er im Rahmen einer Weisung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwendet.

77

Das Weisungsrecht des § 308 Abs. 1 AktG besteht dabei grundsätzlich nur zwischen Gesellschaften, die untereinander einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen haben. Existieren etwa in einem Verhältnis Muttergesellschaft zur Enkelgesellschaft Beherrschungsverträge nur jeweils mit der Tochtergesellschaft, so kommt eine direkte Weisung der Mutter- an die Enkelgesellschaft nach herrschender Ansicht nicht in Betracht.[8] Vielmehr soll die Muttergesellschaft darauf beschränkt sein, den Vertretern der Tochtergesellschaft anzuweisen, ihrerseits eine Weisung an die Enkelgesellschaft zu erteilen.[9]

78

Darüber hinaus können Weisungen gem. § 308 Abs. 1 AktG grundsätzlich nur gegenüber dem Vorstand des beherrschten Unternehmens erteilt werden.[10] Eine direkte Weisung gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern scheidet damit grundsätzlich aus.[11] Allerdings können entsprechende Rechte mit Zustimmung des Tochtervorstandes vertraglich gesondert vereinbart werden.[12] Hinsichtlich des Umfangs erstreckt sich das Weisungsrecht dabei auf den gesamten Leitungsbereich des Vorstandes gem. § 76 Abs. 1 AktG.[13] Die Vertretung der abhängigen Gesellschaft verbleibt jedoch Aufgabe ihrer Organe gem. § 78 AktG.[14]

79

Entsprechendes gilt für die Eingliederung. Das Weisungsrecht ergibt sich hier aus § 323 Abs. 1 S. 1 AktG. Nach §§ 323 Abs. 1 S. 2, 308 Abs. 2 S. 1 AktG sind auch in diesem Fall die Weisungen für den Vorstand der eingegliederten Gesellschaft bindend. Da es bei der Eingliederung keine Minderheitsaktionäre gibt und auch die Interessen der Gläubiger durch die Gläubigerschutz- und Haftungsregelungen der §§ 321, 322 AktG ausreichend gewahrt sind, ist das Vorliegen eines Konzerninteresses i.S.d. § 308 Abs. 1 AktG für die Zulässigkeit der Weisung im Rahmen der Eingliederung nicht erforderlich.[15] Hinsichtlich der Sorgfaltsanforderungen gelten jedoch die Bestimmungen der §§ 309, 310 AktG gem. § 323 Abs. 1 S. 2 AktG sinngemäß.[16]

80

Im faktischen Aktienkonzern und in den Fällen der bloßen Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 1 AktG ist ein derartiges Weisungsrecht nicht vorgesehen.[17] Zwar kann das herrschende Unternehmen auch hier versuchen, Einfluss auf die Leitung des abhängigen Unternehmens zu nehmen. Allerdings ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft dabei nicht verpflichtet, entsprechenden Anweisungen Folge zu leisten.[18] Dem Vorstand steht es vielmehr frei, die Vorstellungen der Obergesellschaft umzusetzen.[19] Um auch im Rahmen der Begriffsverwendung diese Unterschiede zu betonen, wird im Gesetz anstelle der verbindlichen Weisung von einer Veranlassung gesprochen.[20] Der Vorstand der beherrschten Gesellschaft kann dabei auch für die eigene Gesellschaft nachteiligen Veranlassungen entsprechen, sofern die Obergesellschaft die hierdurch entstehenden Nachteile gem. § 311 Abs. 1 AktG ausgleicht.[21] Findet ein entsprechender Ausgleich nicht statt, ist die Obergesellschaft gem. § 317 Abs. 1 S. 1 AktG zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.[22]

81

Abseits der Fälle beherrschter Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gelten für den Fall beherrschter Gesellschaften mit beschränkter Haftung wie gezeigt besondere Bestimmungen. Auch ohne dem Vorliegen eines Beherrschungsvertrages bestehen hier schon weitreichende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter, insbesondere durch die Möglichkeiten der Weisungen im Rahmen der Gesellschafterversammlung gem. § 37 GmbHG.[23] Die damit verbundenen Rechte der Gesellschafter beziehen sich nicht nur auf generelle Weisungen, sondern können auch die Umsetzung konkreter Maßnahmen betreffen.[24] Im Falle verbundener Unternehmen stehen sie damit dem herrschenden Gesellschafter zur Verfügung.[25] Sofern ein Alleingesellschafter handelt, ist dabei auch nicht die Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses erforderlich.[26] Mit den Worten des BGH wäre die Herbeiführung eines Beschlusses dann eine „nutzlose Förmelei“.[27] Die entsprechende Anwendung der §§ 311 ff. AktG scheidet insofern aus, da diese Regelungen von der grundsätzlich unabhängigen Geschäftsleitung einer Aktiengesellschaft ausgehen.[28] An die Stelle der Regelungen im Aktiengesetz treten vielmehr die durch den BGH entwickelten, mitgliedschaftlichen Treuepflichten.[29] Im Kern liegt darin vor allem ein generelles Schädigungsverbot des herrschenden Unternehmens, das jede schädigende Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft verbietet. In diesem Rahmen besteht auch keine Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs analog § 311 Abs. 2 AktG, um die Zulässigkeit schädigender Einflussnahmen herzustellen.[30]

 

82

Gleichwohl damit die Möglichkeiten der Einflussnahme bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ohnehin weitreichend sind, werden Beherrschungsverträge damit nicht entbehrlich. Sie ermöglichen insbesondere direkte Weisungen an die Geschäftsführung und machen – jedenfalls im Falle mehrerer Gesellschafter – Umwege über Gesellschafterversammlungen überflüssig.[31] Daneben entsteht erst durch den Beherrschungsvertrag die Möglichkeit nachteiliger Weisungen analog § 308 AktG, denen sonst wie gezeigt das allgemeine Schädigungsverbot entgegensteht.[32]

2. Pflicht zur Konzernleitung

83

Die geschilderten Möglichkeiten der Einflussnahme auf untergeordnete Gesellschaften begründen jedoch nicht zwingend zugleich die gleichlaufende Pflicht, die entsprechenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Bei der Beurteilung der Frage nach der Konzernleitungspflicht der Geschäftsleitung einer Obergesellschaft muss dabei unterschieden werden zwischen Pflichten der Geschäftsleitung, die ihr gegenüber den nachgeordneten Gesellschaften obliegen und solchen, die sie gegenüber ihrer eigenen – und damit der herrschenden Gesellschaft – wahrzunehmen hat.

a) Pflicht zur Konzernleitung gegenüber der abhängigen Gesellschaft

84

Die Pflicht zur Wahrnehmung der Leitungsmöglichkeiten gegenüber der abhängigen Gesellschaft wird von der heute h.M. abgelehnt.[33] Offensichtlich ist dies für die Fälle, in denen auch eine rechtlich begründete Leitungsmacht der Obergesellschaft nicht gegeben ist, wie etwa bei faktischen Konzernverhältnissen. Denn wo schon kein fundiertes Recht zum Tätigwerden besteht, kann auch keine Pflicht begründet sein. Doch auch bei Vorliegen entsprechender Leitungsmöglichkeiten – wie etwa im Rahmen eines Beherrschungsvertrages – werden entsprechende Pflichten zur Erteilung von Weisungen abgelehnt.[34] Als Begründung wird insbesondere der Wortlaut des Gesetzes angeführt, der den Organen der herrschenden Gesellschaft zwar gestattet, Weisungen zu erteilen, dies aber nicht verlangt.[35]

b) Pflicht zur Konzernleitung gegenüber der eigenen Gesellschaft

85

Anders wird die Frage jedoch beurteilt, sofern es um die Ausschöpfung der Leitungsmacht als Pflicht gegenüber der eigenen Gesellschaft geht. Zu den Grundpflichten der Geschäftsführungsorgane gehört die Nutzung aller Möglichkeiten, die das Wohl des eigenen Unternehmens fördern.[36] Dazu gehört auch die Möglichkeit der Nutzung der Instrumente, die hinsichtlich der Beteiligung an anderen Unternehmen bestehen.[37] Wie weit die daraus resultierenden Pflichten reichen, ist in der Literatur höchst umstritten.

aa) Keine umfassende Konzernleitungspflicht

86

Die Diskussion um Bestehen und Reichweite der Konzernleitungspflicht wurde dabei maßgeblich befeuert durch die 1982 veröffentlichte Habilitationsschrift Hommelhoffs. Die Untersuchung ist noch heute Referenz für eine Ansicht, nach der aus den Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Organe einer Konzernobergesellschaft auch parallele bzw. entsprechend weit reichende Pflichten entstehen; mit anderen Worten soll das Recht zur Konzernleitung in gleichem Ausmaß auch eine Pflicht zur Konzernleitung begründen.[38] Folgen soll diese weitgehende Pflicht aus der Regelung des § 76 Abs. 1 AktG, die vom Vorstand einer Muttergesellschaft die Ausschöpfung aller Möglichkeiten, und damit auch solche aus einer Kapitalbeteiligung verlangt.[39] Die hieraus resultierenden Pflichten sollen so weit reichen, dass der Vorstand einer Obergesellschaft die Tochtergesellschaften zu einem Konzern zusammenführen und sie bis in alle Einzelheiten zu lenken hat.[40] Gleichwohl der Arbeit Hommelhoffs bis heute große Beachtung geschenkt wird, konnte sich diese restriktive Ansicht in der Rechtswissenschaft nicht durchsetzen.[41] Verwiesen wird dabei auf die Konzeption des Aktienrechts, das eben auch Abhängigkeitsverhältnisse ohne Vorliegen einer einheitlichen Leitung ausdrücklich vorsieht.[42] Gerade dieses Abhängigkeitsverhältnis nehmen zahlreiche Normen jedoch zur Grundlage weitergehender Regelungen.[43] Die damit bestehende, große Bedeutung der Abhängigkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG sei nur schwer nachvollziehbar, sollte es sich dabei um einen eigentlich rechtswidrigen Zustand handeln.[44] Und für nichts anderes plädiere die strikte Auffassung Hommelhoffs, wenn dieser fordere, die bloße Herrschaftsmacht i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG müsse stets zur Konzernleitung verdichtet werden.[45] Damit werde stets die Schaffung von Konzernverbindungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG verlangt, der Zustand der bloßen Abhängigkeit ohne Vorliegen einheitlicher Leitung sei damit auf Dauer unzulässig.[46]

87

Überdies soll die Annahme einer umfassenden Konzernleitungspflicht der Systematik der § 311 ff. AktG widersprechen, die für den Fall faktischer Konzernverbindungen vom Erhalt der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand der abhängigen Gesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG ausgehen.[47]

bb) Pflicht zur Wahrung der gesellschaftlichen Interessen

88

Die dargestellten Argumente machen jedoch deutlich, dass sich die Kritik an der umfassenden Konzernleitungspflicht vor allem auf faktische Konzernverbindungen bezieht. Allerdings belassen es auch die Vertreter der Gegenauffassung nicht dabei, eine Konzernleitungspflicht gänzlich abzulehnen. Denn die grundsätzliche Pflicht eines Geschäftsleitungsorgans, sich eröffnende Geschäftschancen zu nutzen – und damit auch solche aus Kapitalbeteiligungen – bleibt auch hier weitestgehend unbestritten.[48] Ob und wie weit hieraus Leitungspflichten folgen, soll indes – und hier liegt der Unterschied zur restriktiven Auffassung Hommelhoffs – im pflichtgemäßem Ermessen der Geschäftsführung der Obergesellschaft stehen.[49] Dabei soll es sodann keinesfalls ausgeschlossen sein, dass nach pflichtgemäßen Ermessen eine dezentrale Leitungsstruktur im Rahmen bloßer Abhängigkeitsverhältnisse bestehen darf.[50]

89

Gerade im Falle der faktischen Konzernierung ist dabei zu berücksichtigen, dass Weisungsrechte wie im Rahmen von Beherrschungsverträgen und Eingliederung nicht bestehen. Die insofern verbleibenden Barrieren der rechtlichen Möglichkeit zwingen auch zu entsprechenden Beschränkungen der rechtlichen Pflicht. Denn die Wahrnehmung rechtlich nicht möglicher Maßnahmen kann nicht verlangt werden.

90

Weniger eindeutig ist die Ablehnung der Thesen Hommelhoffs, sofern die Konzernleitungspflicht im Rahmen von Vertragskonzernen und der Eingliederung in Rede steht, mithin also in den Konstellationen bestehender Weisungsrechte.[51] Zwar wird auch hier grundsätzlich darauf verwiesen, dass eine umfassende Konzernleitungspflicht zu einer Pflicht der Weisungserteilung führe, was im Wortlaut des § 308 AktG jedoch ausdrücklich nicht angeordnet sei.[52] Die Norm gewähre daher lediglich ein Weisungsrecht, der Rückschluss von Berechtigung auf Verpflichtung sei unzulässig.[53] Dennoch wird ausgehend von den Pflichten aus § 76 Abs. 1 AktG das postulierte Ermessen der Geschäftsleitung der Obergesellschaft bei der Frage, ob sie eine umfassende Konzernleitung etabliere, vielerorts eingeschränkt, wenn auch gleichwohl nicht im Sinne Hommelhoffs negiert.[54] Sofern es sich um einen Fall der Eingliederung handelt, wird sich vor dem Hintergrund der Haftung gem. § 322 AktG indes ein Verzicht auf Weisungsmöglichkeiten kaum mehr begründen lassen.[55]

Anmerkungen

[1]

Vgl. bereits oben Rn. 65.

[2]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 24 Rn. 17.

[3]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 15; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 45.

[4]

Vgl. für den Vertragskonzern Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 Rn. 43; sowie entsprechend für die Eingliederung Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 53. In Anlehnung zur Terminologie des Staatsorganisationsrechts lässt sich insofern von einer konkurrierenden Leitungsmacht der Konzernspitze sprechen.

[5]

Vgl. hierzu Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 47.

[6]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 11; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 1; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 971; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 148; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 592.

[7]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 12; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 35 ff.

[8]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 3; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 597; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 152; a.A. jedoch Altmeppen in: MK-AktG, § 308 AktG Rn. 29.

[9]

Zum Ganzen Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 6.

[10]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 6; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 146; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 11.

[11]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 6; Koch in: Hüffer, § 308 AktG Rn. 7; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 599. Gleiches gilt gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft, vgl. Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 145; Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rn. 3, 42.

[12]

Drygala/Staake/Szalai Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 25.

[13]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 308 AktG Rn. 10; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 146; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 22; Koch in: Hüffer, § 308 AktG Rn. 12.

[14]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 17.

[15]

Wilsing in: Henssler/Strohn, § 323 AktG Rn. 2; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 52; Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 883.

[16]

Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 883.

[17]

Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 69 Rn. 23; Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 25 Rn. 3.

 

[18]

Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 69 Rn. 28.

[19]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 24 Rn. 17, § 25 Rn. 40.

[20]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 25 Rn. 2 ff.

[21]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 25 Rn. 41 ff. Den Vorstand der abhängigen Gesellschaft trifft insofern eine Prüfungspflicht, vgl. Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 69 Rn. 28.

[22]

Kommt die herrschende Gesellschaft ihrer Ausgleichspflicht nicht nach, wird der Vorstand der abhängigen Gesellschaft nachteiligen Veranlassungen künftig nur noch gegen sofortigen Nachteilsausgleich folgen dürfen, vgl. Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 25 Rn. 43.

[23]

Vgl. Altmeppen in: Roth/Altmeppen, § 37 GmbHG Rn. 3; Jacoby in: Bork/Schäfer, § 37 GmbHG Rn. 10; U. Schneider/S. Schneider in: Scholz, § 37 GmbHG Rn. 37; Lenz in: Michalski, § 37 GmbHG Rn. 16; Stephan/Tieves in: MK-GmbHG, § 37 GmbHG Rn. 115; Koppensteiner/Gruber in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 37 GmbHG Rn. 26; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rn. 20; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 Rn. 7.

[24]

U. Schneider/S. Schneider in: Scholz, § 37 GmbHG Rn. 37; Schmidt in: Ensthaler/Füller/Schmidt, § 37 GmbHG Rn. 7; Stephan/Tieves in: MK-GmbHG, § 37 GmbHG Rn. 115; Koppensteiner/Gruber in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 37 GmbHG Rn. 26; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, § 37 GmbHG Rn. 17; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rn. 20.

[25]

Altmeppen in: Roth/Altmeppen, § 37 GmbHG Rn. 12.

[26]

U. Schneider/S. Schneider in: Scholz, § 37 GmbHG Rn. 38; Lenz in: Michalski, § 37 GmbHG Rn. 16; Jacoby in: Bork/Schäfer, § 37 GmbHG Rn. 10.

[27]

BGH NJW 2010, 64 (64).

[28]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 Rn. 6; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 958.

[29]

Vgl. hierzu bereits oben letzte Fn. zu Rn. 68.

[30]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rn. 11.

[31]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 Rn. 7; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 977.

[32]

Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 Rn. 7. Daneben sprechen vor allem steuerliche Privilegien für die Begründung eines Vertragskonzerns auch betreffend eine GmbH.

[33]

Bödeker in: Henssler/Strohn, § 309 AktG Rn. 6; Altmeppen in: MK-AktG, § 311 AktG Rn. 400; Langenbucher in: Schmidt/Lutter, § 291 AktG Rn. 42; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 AktG Rn. 34; Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 155; Wellhöfer in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 379; Fleischer CCZ 2008, 1 (3); Lang Corporate Compliance, S. 187 ff.

[34]

Für den Vertragskonzern Altmeppen in: MK-AktG, § 309 AktG Rn. 52; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 23 Rn. 19; Epe/Liese in: Hauschka, § 10 Rn. 185. Für die Eingliederung Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 53.

[35]

Spindler WM 2008, 905 (915).

[36]

Vgl. nur BGH NJW 1986, 584 (585); BGH NJW-RR 1989, 1255 (1257); Schmidt JuS 2013, 462 (463); ferner auch Fleischer in: Fleischer, § 9 Rn. 23; Sieg/Zeidler in: Hauschka, § 4 Rn. 1.

[37]

Koch in: Hüffer, § 76 AktG Rn. 21; Fleischer in: Fleischer, § 18 Rn. 7; Spindler WM 2008, 905 (915). Für die GmbH Drygala/Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, § 42 Rn. 74.

[38]

Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 79: „Es ist nach allem der sich in die abhängige Untergesellschaft hineinverlängernde Zweck der Obergesellschaft, der aus dem schlichten Beteiligungsverhältnis ein Konzernverhältnis, aus der Obergesellschaft die Konzernspitze und aus der Untergesellschaft die Konzerntochter formt. Nicht etwa in das freie Belieben der Vorstandsmitglieder der Obergesellschaft ist es gestellt, sondern im allgemeinen Gesellschaftsrecht liegt es begründet, daß der Vorstand der Obergesellschaft Konzernvorstand ist. Und genau das entspricht dem Selbstverständnis der Praxis.“

[39]

Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 45: „Aus der Verpflichtung des Vorstands auf den Zweck der Gesellschaft lassen sich gewichtige Argumente für seine Rechtspflicht gewinnen, dargebotene Herrschaftsmacht in der Untergesellschaft auch tatsächlich auszuüben.“

[40]

Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 417 ff.: „Der Vorstand ist daher nach § 76 I AktG verpflichtet, die Aktivitäten und Ressourcen, auf die er in beiden Gesellschaften Einfluß nehmen kann, unter seiner einheitlichen Leitung zusammenzufassen. Der Vorstand ist zur Konzernleitung verpflichtet; er selbst ist Konzernvorstand; seine Gesellschaft Konzernspitze.“ Ein trotz Leitungsmacht gewährter Autonomiefreiraum der Geschäftsleitung eines Tochterunternehmens stehe „nicht im Einklang mit dem Leitungsauftrag, den das Gesetz dem Konzernvorstand in § 76 I AktG erteilt: Es verpflichtet ihn, die Konzernpolitik ebenso in den eigenen Händen zu behalten, wie die konzernprägenden Maßnahmen selbst zu treffen. Im übrigen muß er das gesamte Konzerngeschehen bis in alle Einzelheiten der Tochteraktivitäten hinein durch seine Vorgaben leiten, die Durchführungen seiner Entscheidungen kontrollieren und gegebenenfalls lenkend eingreifen.“

[41]

Vgl. nur Koch in: Hüffer, § 76 AktG Rn. 47; Spindler in: MK-AktG, § 76 AktG Rn. 42 ff.; ders. WM 2008, 905 (915); Langenbucher in: Schmidt/Lutter, § 291 AktG Rn. 40; Veil in: Spindler/Stilz, § 309 AktG Rn. 17; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 11; Grundmeier Rechtspflicht, S. 111.

[42]

Fleischer in: Fleischer, § 18 Rn. 11; Bayer in: MK-AktG, § 18 AktG Rn. 21.

[43]

Vgl. insofern bereits oben Rn. 50 ff.

[44]

Huber Compliance-Pflichten, S. 98; so im Ergebnis auch Grundmeier Rechtspflicht, S. 111.

[45]

Vgl. insofern Hommelhoff Konzernleitungspflicht, S. 77.

[46]

Huber Compliance-Pflichten, S. 98.

[47]

Huber Compliance-Pflichten, S. 98 f.

[48]

Vgl. hierzu Fleischer CCZ 2008, 1 (3); Koch in: Hüffer, § 76 AktG Rn. 49; Spindler WM 2008, 905 (915); Lang Corporate Compliance, S. 169.

[49]

Hölters in: Hölters, § 76 AktG Rn. 53; Spindler in: MK-AktG, § 76 AktG Rn. 42 ff.; Koch in: Hüffer, § 76 AktG Rn. 47; Langenbucher in: Schmidt/Lutter, § 291 AktG Rn. 40; Fleischer in: Fleischer, § 18 Rn. 14; Huber Compliance-Pflichten, S. 125; Lang Corporate Compliance, S. 169. Einschränkender für die GmbH Drygala/Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, § 42 Rn. 74.

[50]

Fleischer CCZ 2008, 1 (3); Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 69 Rn. 24.

[51]

Vgl. etwa nur Krieger in: MünchHdb GesR IV, § 70 Rn. 155; Fleischer in: Fleischer, § 18 Rn. 13.

[52]

Spindler WM 2008, 905 (915).

[53]

Huber Compliance-Pflichten, S. 100; im Ergebnis auch Altmeppen in: MK-AktG, § 309 AktG, Rn. 52; Hölters in: Hölters, § 76 AktG, Rn. 52.

[54]

Spindler in: MK-AktG, § 76 AktG Rn. 42 ff.; ders. WM 2008, 905 (915); Fleischer in: Fleischer, § 18 Rn. 13; a.A. und damit im Ergebnis wohl zu weit Haas/Ziemons in: BeckOK-GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 135.

[55]

Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 10 Rn. 53.