Handbuch des Aktienrechts

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6. Kapitel Finanzierung der Aktiengesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung

Inhaltsverzeichnis

I. Finanzierung der Aktiengesellschaft

II. Kapitalaufbringung

III. Kapitalerhaltung

IV. Erwerb eigener Aktien

6. Kapitel Finanzierung der Aktiengesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung › I. Finanzierung der Aktiengesellschaft

I. Finanzierung der Aktiengesellschaft

6. Kapitel Finanzierung der Aktiengesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung › I. Finanzierung der Aktiengesellschaft › 1. Eigenkapitalausstattung deutscher Aktiengesellschaften

1. Eigenkapitalausstattung deutscher Aktiengesellschaften

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Die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen war bis zum Jahre 2000 rückläufig. Sie betrug im Jahre 1968 30 %, verringerte sich bis zur Körperschaftsteuerreform 1977 auf ca. 23 % und betrug im Jahre 2000 17 %.[1] Seither ist der Trend umgekehrt – Jahr für Jahr steigt die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen. Im Jahre 2001 betrug sie 19,5 %, 2004 schon 22,8 %, 2008 25 % und 2010 27,6 %.[2] Die Eigenkapitalquote deutscher AG ist allerdings erheblich höher. Sie beträgt für Aktiengesellschaften insgesamt 35,1 %, für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften 27,9 % und für börsennotierte Aktiengesellschaften 38,6 %.[3] Dabei schwanken die Eigenkapitalquoten deutscher Aktiengesellschaften nach Branchenzugehörigkeit beträchtlich. Sehr niedrige Eigenkapitalquoten haben Hypothekenbanken (2,2 %), Bausparkassen (5,2 %), Banken (5,6 %) und Versicherungen (8,2 %).[4] Nahe des Durchschnitts bewegen sich die Branchen Maschinenbau (25,8 %), Auto (28,7 %), Versorgung (28,9 %), Eisen/Stahl (29,7 %), Brauereien (30,5 %), Dienstleister (30,9 %), Papier (31,0 %), Verkehr (31,1 %), Bau (32,2 %), Elektro (32,2 %), Konsum (33,0 %), Chemie (34,3 %) ausgestattet. Ganz oben rangieren die Beteiligungsbranche (38,0 %) und die Metallbranche (53,9 %).[5]

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Wendet man den Blick zurück, so stellt man fest, dass die Eigenkapitalquote, die wir heute in der Metallbranche haben, Anfang des 20. Jahrhunderts für die deutsche Industrieaktiengesellschaft typisch war. Sie schwankte in den Jahren 1907 bis 1914 um 53 %, stieg im Jahre 1924 auf fast 62 % an und fiel langsam bis zum Jahre 1938 auf 41 % zurück.[6] Ganz generell gilt, dass die Eigenkapitalquote mit der Unternehmensgröße korreliert. Unternehmen mit Umsätzen bis 79 Mio. DM (1994) verfügten über knapp 30 % Eigenkapital; Unternehmen mit Umsätzen über 79 Mio. DM lagen bei etwa 33,5 %.[7] Vergleicht man die Eigenkapitalquoten in wichtigen Industrieländern, so liegt Deutschland Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bei 19,1 %, während die USA (56,9 %), Großbritannien (49,5 %) und Frankreich (30,1 %) deutlich stärker mit Eigenkapital versorgt sind.[8] Lediglich Japan lag mit 18,7 % hinter Deutschland.[9] Der Abstand lässt bei Industrieunternehmen nach. 1990 liegen die Eigenkapitalquoten deutscher Industrieunternehmen bei 26 %; in den USA sind es 40,1 %, in Großbritannien 36,2 %, in Japan 30,7 % und in Frankreich 25,1 %.[10]

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Die Tatsache, dass die Eigenkapitalquoten von Aktiengesellschaften – und Unternehmen in anderer Rechtsform – sowohl im internationalen Vergleich als auch branchenweit erheblich streuen, bereitet der Kapitalmarkt- und der Finanzierungstheorie erhebliches Kopfzerbrechen. Im Jahre 1958 haben die späteren Nobelpreisträger Franco Modigliani und Merton H. Miller die These aufgestellt, dass es kein Kriterium für die Wahl einer optimalen Kapitalstruktur eines Unternehmens gäbe.[11] Nach dieser These wäre es gleichgültig, ob sich ein Unternehmen mithilfe von Eigenkapital oder mithilfe von Fremdkapital finanziert. Würde dies zutreffen, so könnte man vermuten, „dass die Verschuldungsgrade der Unternehmen in der Empirie gleich verteilt sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr gibt es signifikante und über längere Zeiträume stabile Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Kapitalstrukturen verschiedener Branchen. Ebenso ist bekannt, dass sich die durchschnittlichen Eigenkapitalquoten von Unternehmen verschiedener Länder zum Teil deutlich voneinander unterscheiden.“[12]

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Inzwischen konnte gezeigt werden, dass der Einfluss von Steuern und von Konkurskosten das Irrelevanztheorem von Modigliani/Miller zusammenbrechen lässt.[13] Dies könnte ein Grund für den höheren Verschuldungsgrad deutscher Aktiengesellschaften im Vergleich zu Aktiengesellschaften etwa in den USA oder Großbritannien sein. Allerdings steigen mit zunehmendem Verschuldungsgrad die Kosten eines „financial distress“. Dieses Konzept wird als Trade-off-Ansatz bezeichnet.[14] Hinzu kommen Überlegungen aus der Agency-Theorie, wonach die Information zwischen Aktionären und Management asymmetrisch verteilt ist. Für die Manager schafft das den Anreiz zum eigennützigen Einsatz von Ressourcen. „Durch die Fixierung von Zahlungen in Finanzierungsverträgen soll dem Management ein Teil der periodischen Mittel entzogen werden.“[15] Diesem Disziplinierungseffekt steht die Pecking-Order-Hypothese von Myers und Majluf gegenüber, wonach die Emission von Aktienkapital nach wie vor die teuerste Finanzierungsvariante darstellt. Verantwortlich dafür seien nicht nur die Mitspracherechte und die höheren Renditeerwartungen der Aktionäre, sondern der Signaleffekt einer Emission, der seinen Ursprung wiederum in der Informationsasymmetrie habe.[16]

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Überlegungen dieser Art belegen die Unsicherheit bei der Ermittlung der optimalen Kapitalstruktur eines Unternehmens. Vergleicht man in Deutschland die Eigenkapitalquote etwa einer Bank (5,6 %) mit der Metallbranche (53,9 %), so hinterlässt dies fast den Eindruck, als komme es für die optimale Kapitalstruktur tatsächlich nicht auf die Art der Kapitalausstattung (Eigenkapital/Fremdkapital) an. Allerdings kann dann auch die von Kruschwitz formulierte These[17] nicht zutreffen, wonach in einem solchen Fall die Verschuldungsgrade der Unternehmen in der Empirie gleich verteilt sein müssten. Möglicherweise kommt es wegen der in einer Branche entstandenen Beharrungstendenzen und Traditionen und der Tatsache, dass sich diese Traditionen nicht negativ auf den Fortbestand des Unternehmens auswirken, zu keinem Angleichungsprozess. Es könnte wie beim Geweih des Hirschs sein; es ist zu nichts nütze, aber es schadet offenbar auch nicht und wird deshalb nicht selektiert. Wie auch immer, die Eigenkapitalausstattung deutscher Aktiengesellschaften ist im Branchen- und Weltvergleich sehr unterschiedlich. Dies scheint den Aktiengesellschaften weder am Kapitalmarkt noch an den Waren- und Dienstleistungsmärkten im Wettbewerb zu schaden.

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Die im Jahre 2008 in Deutschland durchgeführte Unternehmenssteuerreform deutet darauf hin, dass es tatsächlich Rückwirkungen des Steuersystems auf die Eigenkapitalquote geben könnte. Seither ist die Eigenkapitalquote von 25 % auf 27,6 % (2010) gestiegen, während umgekehrt die Unternehmenssteuern gesunken sind. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen seit dem Jahre 2000 kontinuierlich von 17,2 % auf 24,5 % (2007) gestiegen ist, obwohl die Unternehmenssteuern in diesem Zeitraum nicht gesunken sind. Die hiermit angesprochenen Fragen betreffen den Einfluss der Kapitalstruktur auf den Unternehmenswert. Eine völlig andere – hiervon strikt zu trennende – Frage ist, welchen Einfluss die Eigenkapitalquote auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens und einer Volkswirtschaft hat. Es kann vermutet werden, dass eine zu geringe Eigenkapitalausstattung die Bereitschaft der Banken, die Unternehmen mit Fremdkapital zu versorgen, absenkt und damit insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung bremst. So gesehen dürfte eine angemessene Eigenkapitalquote erforderlich sein, um eine dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung in einer Volkswirtschaft zu ermöglichen.[18]

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Besonderheiten gelten für die Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen. Die Netzentgelte sind, da es sich bei Strom und Gasnetzen um natürliche Monopole handelt, der Höhe nach reguliert. Der Eigenkapitalanteil beträgt sowohl bei Strom als auch bei Gasnetzen maximal 40 % des betriebsnotwendigen Vermögens (§ 7 Abs. 1 Strom/GasNEV). Der Gesetzgeber reguliert aber nicht nur den betriebsnotwendigen Eigenkapitalanteil, sondern auch die Höhe der Eigenkapitalverzinsung. Über die Höhe der Eigenkapitalzinssätze entscheidet die Bundesnetzagentur jeweils vor Beginn einer Regulierungsperiode (§ 7 Abs. 6 Strom/GasNEV). Der Eigenkapitalzinssatz betrug im Jahre 2016 9,05 %.[19]

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Eine Rechtspflicht eingegangene unternehmerische Risiken zu messen und mit Eigenkapital zu unterlegen, d.h. eine Relation zwischen Risiken und Eigenkapital herzustellen, kennt das deutsche und europäische Recht nur bei Banken (Basel III) und Versicherungen (Solvency II). Die Tatsache, dass Unternehmen verbriefte Hypothekenforderungen erwerben und die daraus resultierenden Risiken nicht mit Eigenkapital unterlegen mussten, hat die Finanzkrise und damit auch die Insolvenz von Lehman Brothers (9/2008) ausgelöst.[20] Wenn man das Problem der Unterkapitalisierung generell lösen möchte, so müsste man für jedes Unternehmen, ganz gleichgültig, welcher Branche es angehört, die eingegangenen Risiken mit Ausfallwahrscheinlichkeiten gewichten (value at risk) und auf diese Weise das angemessene Eigenkapital bestimmen. Die Risikoerfassung erfolgt heute schon nach § 91 Abs. 2 AktG. Allerdings besteht keine Rechtspflicht zur Eigenkapitalunterlegung.

 

6. Kapitel Finanzierung der Aktiengesellschaft, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung › I. Finanzierung der Aktiengesellschaft › 2. Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung

2. Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung

2.1 Eigenkapital

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Eigenkapital (Equity) verschafft dem Finanzinvestor gewisse Eigentumsrechte am Unternehmen. Typischerweise werden Mitgliedschaftsrechte erworben (Aktien/Vorzugsaktien). Das Grundkapital (mindestens 50 000 EUR: § 7 AktG) ist in der Bilanz als gezeichnetes Kapital auszuweisen (§ 152 Abs. 1 AktG). Die Einlagen dürfen den Aktionären nicht zurückgewährt werden (§ 57 Abs. 1 AktG). Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter den Aktionären nur der Bilanzgewinn verteilt werden (§ 57 Abs. 3 AktG). Damit wird das Eigenkapital zum dauerhaften finanziellen Träger für unternehmerische Risiken.

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Eigenkapital besteht nach § 266 Abs. 3 HGB aus dem gezeichneten Kapital (I), der Kapitalrücklage (II), den Gewinnrücklagen (III), dem Gewinn- oder Verlustvortrag (IV) sowie dem Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag (V). Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt, so tritt an die Stelle der Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ und „Gewinnvortrag/Verlustvortrag“ der Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ (§ 268 Abs. 1 HGB).

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Gezeichnetes Kapital ist Eigenkapital im engeren Sinne (§ 272 HGB). Es ist das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist (§ 272 Abs. 1 HGB). Das gezeichnete Kapital kann durch eine Kapitalerhöhung oder eine Kapitalherabsetzung verändert werden. Bedingtes Kapital (§§ 192–201 AktG) und das genehmigte Kapital (§§ 202–206 AktG) sind potenzielles Eigenkapital.

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Die Eigenkapitalbeschaffung kann erleichtert sein, wenn die Namen der die Aktien haltenden Inhaber bekannt sind. Deshalb können Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen lauten (§ 10 Abs. 1 AktG). Namensaktien sind unter Angabe des Namens, Geburtsdatums und der Adresse des Inhabers sowie der Stückzahl oder der Aktiennummer und bei Nennbetragsaktien des Betrags in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen (§ 67 Abs. 1 AktG). In Deutschland sind inzwischen Aktien wichtiger Aktiengesellschaften von Inhaber- auf Namensaktien umgestellt worden. Auf diese Weise wird die Kommunikation zwischen dem Unternehmen und dem Aktionär möglich (Investor Relations).[21] Dies kann zu einer Steigerung des Shareholder Value beitragen und zugleich die Eigenkapitalbeschaffung in Form der Kapitalerhöhung erleichtern. Demgegenüber wird die Beschaffung von Eigenkapital erschwert, wenn die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft geknüpft ist (§ 68 Abs. 2 AktG: vinkulierte Namensaktien). Vinkulierung erhöht die Beständigkeit und Kontinuität des Unternehmens – eine feindliche Übernahme (unfriendly take-over-bid) wird schwieriger.

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Die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister darf erst erfolgen, wenn auf jede Aktie der eingeforderte Betrag ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§ 36 Abs. 2 AktG). Bei Bareinlagen muss der eingeforderte Betrag mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen auch den Mehrbetrag umfassen (§ 36a Abs. 1 AktG). Sacheinlagen sind vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 AktG). In der Anmeldung ist nachzuweisen, dass der eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 AktG). Ist der Betrag durch Gutschrift auf ein Konto eingezahlt worden, so ist der Nachweis durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu führen (§ 37 Abs. 1 AktG). Für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Kreditinstitut der Gesellschaft verantwortlich (§ 37 Abs. 1 AktG).

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Die Kapitalrücklage entsteht über Agiobeträge bei Aktienemissionen oder über andere Zuzahlungen. Nach § 272 Abs. 2 HGB sind als Kapitalrücklage auszuweisen:


der Betrag, der bei der Ausgabe von Anteilen über den Nennbetrag oder den rechnerischen Wert hinaus erzielt wird (Agio);
der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungs- und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt wird;
der Betrag von Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten (z.B. Zahlungen für besondere Rechte bei der Gewinnverteilung nach § 11 AktG);
der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten (z.B. freiwillige Zuzahlungen sowie Beträge, die bei einer Kapitalherabsetzung durch Einziehung der Aktie nach § 237 Abs. 5 AktG eingestellt werden müssen oder bei Beherrschungsverträgen gebildet werden können).

Sie vermindert sich, wenn sie in gezeichnetes Kapital umgewandelt wird oder zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages oder Verlustvortrags bzw. zum Zweck der Ausschüttung verwendet wird.

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Als Gewinnrücklagen dürfen nur Beträge ausgewiesen werden, die im Geschäftsjahr oder in einem früheren Geschäftsjahr aus dem Ergebnis gebildet worden sind (§ 272 Abs. 3 HGB). Zu differenzieren ist zwischen der gesetzlichen Rücklage, der Rücklage für eigene Anteile, den satzungsmäßigen Rücklagen sowie anderen Gewinnrücklagen (§ 266 Abs. 3 A III 1–4 HGB). In die gesetzliche Rücklage ist der zwanzigste Teil des – um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten – Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 des HGB zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen (§ 150 Abs. 2 AktG).

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Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 AktG). Zu dem Posten „Kapitalrücklage“ sind in der Bilanz oder im Anhang der Betrag, der während des Geschäftsjahres eingestellt bzw. entnommen wurde, gesondert anzugeben (§ 152 Abs. 2 AktG). Zu den einzelnen Posten der „Gewinnrücklagen“ sind in der Bilanz oder im Anhang jeweils gesondert anzugeben die Beträge, die die HV aus dem Bilanzgewinn des Vorjahres eingestellt hat, ferner die Beträge, die aus dem Jahresüberschuss des Geschäftsjahres eingestellt werden, und die Beträge, die für das Geschäftsjahr entnommen werden (§ 152 Abs. 3 AktG).

2.2 Fremdkapital

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Unternehmen verschaffen sich Fremdkapital (Debt) insbesondere über Bankdarlehen und Industrieobligationen, also Inhaberschuldverschreibungen (§ 793 BGB), die zum Zwecke der mittel- oder langfristigen Finanzierung des Unternehmens dem Kapitalmarkt angeboten werden.[22] Eine Sonderform des Bankdarlehens bilden Schuldscheindarlehen, die häufig von Versicherungen aus dem gebundenen Vermögen an Banken gewährt werden.[23] Der Darlehensvertrag (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) kann mit einer Kontokorrentabrede verbunden werden (§ 355 HGB). Durch eine solche Kontokorrentabrede entsteht eine laufende Rechnung. Die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen werden nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabständen durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen. Derjenige, dem beim Rechnungsabschluss ein Überschuss gebührt, kann vom Tage des Abschlusses an Zinsen von dem Überschuss verlangen, auch soweit in der Rechnung Zinsen enthalten sind (kein Zinseszinsverbot im Gegensatz zu § 248 BGB für die Beziehung zwischen Privatpersonen). Trotz der Verrechnung der in das Kontokorrent eingestellten beiderseitigen Ansprüche und Leistungen gehen Sicherheiten, die zugunsten einer Forderung bestehen, durch die Anerkennung des Rechnungsabschlusses nicht unter (§ 356 HGB).

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Auch Aktionäre können der Gesellschaft ein Darlehen gewähren. Grds. gelten die gleichen Regeln, wie bei der Gewährung eines Darlehens durch Dritte, insbesondere Banken. Die Rückzahlung der Darlehen folgt den vertraglichen Vereinbarungen – insoweit liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 AktG) vor. Dies kann sich ändern, wenn das gewährte Darlehen in Eigenkapital umqualifiziert wird. In diesen Fällen (Krise der Gesellschaft) kann der Anspruch auf Rückgewähr des Aktionärsdarlehens nur noch sehr eingeschränkt geltend gemacht werden. Der Aktionär wird zum nachrangingen Insolvenzgläubiger (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).[24] Auch das Darlehen einer Bank kann in Eigenkapital umqualifiziert werden, wenn die Darlehensgewährung wirtschaftlich der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens entspricht (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).[25]

2.3 Mezzanine-Kapital

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Neben der Finanzierung über Eigen- und Fremdkapital gibt es auch Mischformen der Finanzierung, die oft als Mezzanine-Kapital oder hybride Finanzinstrumente bezeichnet werden. Mezzanine stammt vom italienischen Wort „il mezzanino“ und meint ein Zwischenstockwerk.[26] Mezzanine-Finanzinstrumente sind solche, deren Wesensmerkmale zwischen Eigen- und Fremdkapital liegen. Es handelt sich um Hybride, also gemischte, Finanzprodukte.[27] Gemeint sind Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen, sowie Genussrechte und Vorzugsaktien. Vorzugsaktien können ohne Stimmrecht ausgegeben werden (§ 12 Abs. 1 AktG). In diesem Falle dürfen sie nur bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden (§ 139 Abs. 2 AktG). Es handelt sich um Aktien, die mit einem Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind (§ 139 Abs. 1 AktG).

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Das Recht der Vorzugsaktie wurde durch die Aktienrechtsnovelle 2016 mit Wirkung 1.1.2016 novelliert.[28] Nach bisheriger Rechtslage konnte durch stimmrechtslose Vorzugsaktien kein regulatorisches Kernkapital gebildet werden. Der Vorzug wurde zwingend als nachzahlbare Vorabdividende verstanden. Dies verhinderte die Anerkennung als Kernkapital. Die Neufassung der §§ 139, 140 AktG eröffnen aktienrechtlich eine Gestaltungsmöglichkeit, mit der Kernkapital auch durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien gebildet werden kann.[29] Um dieses Ziel zu erreichen, wurde in § 139 Abs. 1 das Wort „nachzuzahlenden“ gestrichen und es wurden in § 139 Abs. 1 folgende Sätze neu angefügt: „Der Vorzug kann insbesondere in einem auf die Aktie vorweg entfallenden Gewinnanteil (Vorabdividende) oder einem erhöhten Gewinnanteil (Mehrdividende) bestehen. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, ist die Vorabdividende nachzuzahlen.“ § 140 Abs. 2 AktG wurde wie folgt neu gefasst: „Ist der Vorzug nachzuzahlen und wird der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug für dieses Jahr nachgezahlt, so haben die Aktionäre das Stimmrecht, bis die Rückstände gezahlt sind. Ist der Vorzug nicht nachzuzahlen und wird der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt, so haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht, bis der Vorzug in einem Jahr vollständig gezahlt ist. Solange das Stimmrecht besteht, sind die Vorzugsaktien auch bei der Berechnung einer nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Kapitalmehrheit zu berücksichtigen.“ In § 140 Abs. 3 AktG wurde hinter den Wörtern „dass der“ das Wort „nachzuzahlende“ eingefügt.

 

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Durch die Streichung des Wortes „nachzuzahlenden“ entfällt die Verpflichtung die „Vorabdividende“ auch dann in späteren Geschäftsjahren nachzuzahlen, wenn der Bilanzgewinn im laufenden Geschäftsjahr für die Bedienung der Vorzüge nicht ausreichte.[30] Die Änderung im deutschen Recht war notwendig, weil Art. 28 Abs. 1 Buchst. h Ziff. i VO (EU) Nr. 575/2013 anordnet, dass Instrumente des „harten Kernkapitals“ keine Vorzugsbehandlung in Bezug auf die Reihenfolge der Ausschüttungen vorsehen dürfen. Eine Priorität bei der Verteilung des Bilanzgewinns steht somit der Einordnung als hartes Kernkapital entgegen. Auch eine Anerkennung als „zusätzliches“ Kernkapital konnte nicht erfolgen, weil dies nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. l Ziff. iii der VO (EU) 575/2013 voraussetzt, dass das Institut die Ausschüttungen jederzeit für unbefristete Zeit auf nicht kumulierter Basis ausfallen lassen kann, was bei einer mit Nachzahlungspflicht ausgestatteten Vorzugsaktie in Abrede gestellt wird.[31]

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Durch die Neufassung ist das Recht auf Nachzahlung des Vorzugs nicht mehr zwingendes Ausstattungsmerkmal. Zwar ordnet § 139 Abs. 3 S. 3 AktG auch weiterhin die Nachzahlung des in Form einer Vorabdividende gewährten Vorzugs an, lässt aber ausdrücklich eine abweichende Satzungsbestimmung zu. Den Gesellschaftern steht es folglich frei, ob sie sich für Vorzugsaktien mit oder ohne Nachzahlungsrecht entscheiden. Sie können auch beide Arten von Vorzugsaktien nebeneinander ausgeben. Gründe des Aktionärsschutzes gebieten es jedenfalls nicht, an einem zwingend nachzuzahlenden Vorzug festzuhalten.[32]

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Außerdem können Gesellschaften nach dem neuen Satz 3 als Vorzug nicht nur eine Vorabdividende, sondern auch eine Mehr- oder Zusatzdividende vereinbaren, d.h. die Vorzugsaktien bei der Gewinnbeteiligung flexibler behandeln.[33] Solange es der Gesellschaft gut geht, dürfte eine Mehrdividende für den Aktionär sogar attraktiver sein; nur für den Fall, dass die Gesellschaft in Schwierigkeiten gerät und der Vorzugsaktionär die Aktie gleichwohl behält, kann eine Vorabdividende für ihn Vorteile bringen.[34] Letztlich wird der Markt entscheiden, welche Vorzugsaktien mit welchen Merkmalen sich jeweils durchsetzen.[35] Für Gesellschaften, die Kreditinstitute sind, eröffnet die Klarstellung in Abs. 1 S. 2 angemessene Gestaltungsoptionen zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen, da stimmrechtslose Vorzugsaktien, bei denen der Vorzug (nur) als Mehrdividende ausgestaltet ist, sogar als Instrumente des harten Kernkapitals anerkannt werden können (Art. 28 Abs. 4 VO (EU) Nr. 575/2013).[36] Bei den Änderungen in § 140 Abs. 2 AktG handelt es sich um Folgeänderungen. Da der Vorzug nicht mehr zwingend nachzuzahlen ist, bedurfte es hinsichtlich der Frage des Auflebens des Stimmrechts einer differenzierten Regelung.[37]

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Genussscheine verbriefen Genussrechte in Form schuldrechtlicher Ansprüche gegen das Unternehmen. Genussrechte sind in § 221 AktG geregelt. Bei Wandelschuldverschreibungen wird den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt (§ 221 Abs. 1 AktG). Gewinnschuldverschreibungen sind solche, bei denen die Rechte der Gläubiger mit Gewinnanteilen von Aktionären in Verbindung gebracht werden (§ 221 Abs. 1 AktG). Beide Schuldverschreibungen dürfen nur aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung ausgegeben werden. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst (§ 221 Abs. 1 AktG). Die Satzung kann eine andere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen (§ 221 Abs. 1 AktG). Sind mehrere Gattungen von stimmberechtigten Aktien vorhanden, so bedarf der Beschluss zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung (§§ 221 Abs. 1, 182 Abs. 2 AktG). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Gewährung von Genussrechten (§ 221 Abs. 3 AktG). Auf Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte haben die Aktionäre ein Bezugsrecht (§ 221 Abs. 4 AktG). Die §§ 186 und 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG gelten sinngemäß (§ 221 Abs. 4 AktG).[38]

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Nach § 10 Abs. 5 KWG ist Kapital, das gegen Gewährung von Genussrechten eingezahlt ist (Genussrechtsverbindlichkeiten), dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen, wenn es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und das Institut berechtigt ist, im Falle eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben. Ferner muss vereinbart sein, dass es im Falle des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kreditinstituts erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird. Das Genussrechtskapital muss dem Institut für mindestens fünf Jahre zur Verfügung gestellt worden sein. Der Rückzahlungsanspruch ist frühestens in zwei Jahren fällig. Der Vertrag darf keine Abreden enthalten, nach denen der durch Verlust während der Laufzeit der Einlage ermäßigte Rückzahlungsanspruch durch Gewinne, die nach mehr als vier Jahren nach der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs entstehen, wieder aufgefüllt wird und das Institut muss bei Abschluss des Vertrages auf die genannten Rechtsfolgen ausdrücklich und schriftlich hingewiesen haben.

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Genussrechtsscheine gewähren normalerweise eine bestimmte Mindestverzinsung und beinhalten festgelegte Rückzahlungsvereinbarungen. Genussrechtsinhaber werden typischerweise nachrangig gegenüber anderen Gläubigern bedient. Das Genussrecht enthält das Recht auf Gewinnbeteiligung, die Einräumung von Bezugsrechten oder die Beteiligung an Nutzungsrechten. Genussrechte können auch an Wandlungsrechte geknüpft und als Wandelgenussscheine ausgegeben werden (§ 221 Abs. 3 AktG). Die Grundstruktur von Wertpapieren mit Wandlungsrechten sind Wandelanleihen (§ 221 Abs. 1 AktG). Bei diesen wird den Gläubigern innerhalb einer festgelegten Frist ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt (Wandelschuldverschreibung).

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Das Recht der Wandelschuldverschreibung ist durch die Aktienrechtsnovelle 2016 mit Wirkung 1.1.2016 geändert worden.[39] Bisher hatte der Gläubiger ein Umtauschrecht, nicht aber die Gesellschaft als Schuldnerin. Ein Umtauschrecht der Gesellschaft, mit dem diese die Anleihen gegen Gewährung von Anteilen in Grundkapital umwandelt, kann jedoch ein sinnvolles Instrument sein, um eine Unternehmenskrise zu verhindern oder zu bewältigen.[40] Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber in § 221 Abs. 1 S. 1 nach den Worten „den Gläubigern“ die Worte „oder der Gesellschaft“ eingefügt. Aus den gleichen Gründen wurde § 192 AktG geändert, unter anderem wurden in Abs. 2 Nr. 1 die Worte „an Gläubiger von“ durch die Wörter „aufgrund von“ ersetzt. § 192 Abs. 3 AktG wurde folgerichtig ergänzt: „Satz 1 gilt nicht für eine bedingte Kapitalerhöhung nach Abs. 2 Nr. 1, die nur zu dem Zweck beschlossen wird, der Gesellschaft einen Umtausch zu ermöglichen, zu dem sie für den Fall ihrer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder zum Zweck der Abwendung der Überschuldung berechtigt ist.“

28

Ist die Gesellschaft ein Institut i.S.d. § 1 Abs. 1b KWG, gilt S. 1 ferner nicht für eine bedingte Kapitalerhöhung nach Abs. 2 Nr. 1, die zu dem Zweck beschlossen wird, der Gesellschaft einen Umtausch zur Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher oder zum Zwecke der Restrukturierung oder Abwicklung erlassener Anforderungen zu ermöglichen. „Eine Anrechnung von bedingtem Kapital, auf das S. 3 oder 4 Anwendung findet, auf sonstiges bedingtes Kapital, erfolgt nicht.“ In § 194 Abs. 1 S. 2 AktG wurden Folgeänderungen eingefügt.

29

Letztlich ist nunmehr klargestellt, dass bedingtes Kapital auch für Wandelanleihen mit Umtauschrecht der Gesellschaft geschaffen werden kann, ohne dass damit eine Aussage über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit anderer, im Gesetz nicht genannter Gestaltungsformen getroffen wird.[41] Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute gilt, dass auch bedingtes Kapital „zusätzliches Kernkapital“ ist. Die Neufassung des § 192 AktG gewährleistet, dass es im Wandlungsfall keine Hindernisse für den Umtausch von Anleihen in Aktien gibt. Bedingtes Kapital ist „Vorratskapital“, die Aktienausgabe bei Durchführung der Kapitalerhöhung ist einfach und effizient.[42] Dies steht nicht im Konflikt zu § 225a Abs. 2 InsO. Die Umwandlung von Schulden in Eigenkapital wird bei der Wandelanleihe von der Schuldnerin ausgelöst, während nach § 225a Abs. 2 InsO die Gläubiger eine entsprechende Umwandlung beschließen.[43] Auch zeitlich überschneiden sich die Anwendungsbereiche nicht, denn mit der Öffnung des Insolvenzverfahrens unterfallen Wandelanleihen der zwingenden Regelung des § 104 InsO, wonach das vertraglich vorgesehene Umtauschrecht der Gesellschaft entfällt und nur noch ein Barausgleich stattfindet.[44] Die Ausübung von Umtauschrechten nach § 192 Abs. 2 AktG kann im Rahmen eines Reorganisationsverfahrens vorgesehen werden, sodass kein Konflikt zu § 9 des Reorganisationsgesetzes besteht.[45]