Handbuch des Aktienrechts

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1.1.2 Notwendige Satzungsangaben

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§ 23 AktG unterscheidet inhaltlich zwischen den Angaben, die im Gründungsprotokoll berücksichtigt (Abs. 2) und denjenigen Angaben, die zwingend in der eigentlichen Satzung enthalten sein müssen (Abs. 3 und 4). Diese Differenzierung entspricht der genannten, in der Praxis üblichen Aufteilung der Gründungsurkunde in ein Gründungsprotokoll als Urkundsmantel einerseits und der diesem Protokoll beigefügten Satzung (Satzung i.e.S.) andererseits. Diese Aufteilung hat den praktischen Vorzug, dass die Satzung nicht mit Angaben belastet wird, die nur im Gründungsstadium für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Mindestinhalt der Satzung sind Regelungen über die Firma, den Sitz der Gesellschaft,[17] den Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals (mindestens 50 000 EUR, § 7 AktG), die Nennbeträge bzw. bei Stückaktien die Zahl der Aktien und die Form der Bekanntmachungen. Zu bestimmen ist ferner, ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden. Vor Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 konnten die Gründer grundsätzlich (außer im Falle des Abs. 2) frei wählen, ob sie Inhaber- oder Namensaktien ausgeben. Zumindest bei Inhaberaktien nicht börsennotierter AGs bestand bislang somit (unterhalb der Mitteilungspflichten auslösenden Beteiligungsschwellen des § 20 Abs. 1 und 4 AktG) die Möglichkeit der Wahrung von Anonymität.[18] Nach der Neufassung des § 10 Abs. 1 AktG ist die Ausgabe von Inhaberaktien jetzt nur noch zulässig, wenn die Gesellschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG börsennotiert ist (Nr. 1) oder der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist und die Sammelurkunde bei einer speziellen Verwahrstelle hinterlegt wird (Nr. 2). Über diese Minimalanforderungen hinaus enthalten Satzungen von AG regelmäßig weitaus ausführlichere Regelungen des korporativen „Lebens“, soweit es sich nicht lediglich um Einmanngesellschaften handelt (vgl. ausführlich zum Satzungsinhalt 4. Kap. Rn. 16 ff.).

1.1.3 Besonderheiten bei Vorratsgründungen

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Sehr knapp gehalten ist der Satzungsinhalt typischerweise auch bei Vorrats-AG. Vorrats-AG sind (Aktien-)Gesellschaften, die im Hinblick darauf „auf Vorrat“ gegründet werden, dass die Gründung einer AG mit ihren diversen Formalitäten eine längere Zeitspanne beanspruchen kann. Sie werden zumeist im Rahmen zeitkritischer Transaktionen eingesetzt, bei denen innerhalb kürzester Zeit ein haftungsbeschränkter Rechtsträger benötigt wird. Der Einsatz einer Vorratsgesellschaft kann sich daneben auch dann anbieten, wenn die Nachgründungsvorschriften (hierzu unten Rn. 66 ff.) dadurch umgangen werden sollen, dass eine AG eingeschaltet wird, die bereits länger als zwei Jahre im Handelsregister eingetragen ist.[19] Von Vorratsgesellschaften zu unterscheiden sind Mantelgesellschaften. Als Mantelgesellschaften bezeichnet man – nach allerdings uneinheitlicher Terminologie[20] – solche Gesellschaften, die zuvor unternehmerisch tätig waren, ihren Geschäftsbetrieb jedoch eingestellt haben und nur noch als Mantel existieren. Der Einsatz von Mantelgesellschaften hat seinen Reiz seit Einführung des § 8c KStG durch die Unternehmersteuerreform 2008 im Wesentlichen verloren, da vorhandene Verlustverträge nicht mehr (ohne Weiteres) nutzbar gemacht werden können.

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Unproblematisch ist die sog. offene Vorratsgründung, bei der die Verwendung der Gesellschaft als bloßer Mantel für die spätere Aufnahme einer unternehmerischen Aktivität in der Satzung offen gelegt wird, etwa durch Angabe des Unternehmensgegenstands „Verwaltung und Erhaltung des eigenen Vermögens“[21]. Unzulässig und im Ergebnis nichtig sind hingegen verdeckte Mantelgründungen, bei denen ein fiktiver Unternehmensgegenstand angegeben wird.[22]

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Nach der BGH-Rechtsprechung zur GmbH sind die der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften auf die unternehmerische Aktivierung von Vorrats- und die Richtung von Mantelgesellschaften entsprechend anwendbar (Stichwort: Wirtschaftliche Neugründung).[23] Anwendbar sind demnach auch die Grundsätze der Unterbilanzhaftung (vgl. hierzu unten Rn. 44) und der Handelndenhaftung[24] (vgl. hierzu unten Rn. 46) und möglicherweise auch die Nachgründungsregeln (vgl. hierzu unten Rn. 66 ff.). Da sich die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln bei GmbH und AG sehr ähneln, wird allgemein nicht daran gezweifelt, dass die zur GmbH entwickelten Grundsätze auch auf Vorrats- und Mantel-AG Anwendung finden.[25] Praktisch ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, die mit der Verwendung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft verbundene wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Handelsregister offen zu legen. Wie bei einer Neugründung haben die Anmeldenden darüber hinaus zu versichern, dass das gesetzliche bzw. ein höheres satzungsmäßiges Grundkapital weiterhin ungeschmälert zur freien Verfügung steht.[26] Im Jahr 2012 hat der BGH die bei einer wirtschaftlichen Neugründung drohende Haftung allerdings wieder deutlich entschärft. Unterbleibt die (mit der Versicherung und der Anmeldung etwaiger Satzungsänderungen zu verbindende) Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, so sollen die Gesellschafter nur im Umfang derjenigen Unterbilanz haften, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderung oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt.[27] Im Ergebnis unterscheidet sich somit die Haftung nicht mehr, ob die wirtschaftliche Neugründung offengelegt wurde oder nicht.[28]Allerdings tragen die Erwerber die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen (oder die begrenzte Höhe) der Unterbilanz.[29] Während die Verwendung von Vorratsgesellschaften (bei Beachtung dieser Vorgaben) in der Regel keine Probleme bereitet, ist bei der (inzwischen selteneren) Verwendung von Mantelgesellschaften zu beachten, dass der Erwerber nach den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung (vgl. hierzu unten Rn. 44) sogar für ihm unbekannte Altverbindlichkeiten einstehen muss und damit nicht übersehbaren Haftungsrisiken ausgesetzt ist.[30]

1.1.4 Qualifizierte Gründungen

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Weitere Satzungsregelungen sind nach §§ 26 und 27 AktG erforderlich, wenn eine sog. qualifizierte Gründung vorliegt. Hiernach ist für bestimmte missbrauchsanfällige Konstellationen eine besondere Seriösitätskontrolle vorgesehen. Dies gilt insbesondere für bestimmte Gründungsabreden, deren Existenz in der Satzung offen gelegt werden muss, damit sich jeder potentiell Betroffene auf eine mit der Gründungsabrede einhergehende Schmälerung des Gewinns oder der Kapitalgrundlagen der Gesellschaft einrichten kann.[31] Als missbrauchsanfällig gelten vor allem Sondervorteile, Regelungen zum Gründungsaufwand, Sachgründungen und Sachübernahmen.

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Sondervorteile sind Rechte, die einem Aktionär oder gesellschaftsfremden Dritten aus Anlass der Gründung satzungsmäßig eingeräumt werden und – anders als Sonderrechte – nicht an die Aktie, sondern an die begünstigte Person geknüpft sind (reine Gläubiger- statt Mitgliedsrechte).[32] Sondervorteile sind z.B. die vorzugsweise Beteiligung am Reingewinn oder Abwicklungserlös, die Einräumung von Warenlieferungsrechten oder des Rechts zum Abschluss gegenseitiger Verträge.[33] In der Praxis finden sich Sondervorteile vergleichsweise selten.[34] In der Satzung sind sie ebenso festzusetzen wie der von der Gesellschaft zu tragende Gründungsaufwand. Gründungsaufwand ist der Gesamtaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird. Der Gegenleistungscharakter unterscheidet den Gründungsaufwand von den Sondervorteilen.[35] Während bei den Sondervorteilen Einzelangaben unter Bezeichnung des Berechtigten erforderlich sind, genügt beim Gründungsaufwand die Angabe der Gesamtsumme. Zum Gründungsaufwand zählen alle nicht aktivierungsfähigen Aufwendungen wie der sog. Gründerlohn, Gerichts- und Notariatskosten, Kosten der Rechts- und Steuerberatung, Prüfungs-, Bekanntmachungs- und Druckkosten sowie Steuern. Zu den Besonderheiten bei Sacheinlagen und Sachübernahmen siehe unten Rn. 55 ff.

1.2 Erklärung der Aktienübernahme

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Die Gründer müssen im Gründungsprotokoll sämtliche Aktien übernehmen. Mit der Erklärung der Übernahme der Aktien entsteht die Verpflichtung zur Leistung der Einlage. Den näheren Inhalt des die Aktienübernahme enthaltenden Teils des Gründungsprotokolls bestimmt § 23 Abs. 2 AktG. Hiernach muss dieses zumindest die folgenden Angaben enthalten:

1.2.1 Gründer

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Anzugeben sind die Gründer. Als Gründer der AG bezeichnet das Gesetz diejenigen Aktionäre, die die Satzung feststellen (§ 28 AktG).[36] Nur wer mindestens eine Aktie übernimmt, kann auch Gründer sein.[37] Während bis 1994 noch mindestens fünf Gründer notwendig waren, hat das Gesetz für kleine AG und zur Deregulierung des Aktienrechts die schon seit 1980 aus dem GmbH-Recht bekannte Einpersonen-Gründung zugelassen. Damit besteht für die früher bei wirtschaftlich gewollter Einpersonen-Gründung notwendige Einschaltung von „Strohmännern“ bzw. „Gründungshelfern“ kein Bedürfnis mehr. Gründer einer AG können neben natürlichen auch juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, nicht rechtsfähige Vereine, Vor-AG[38] und Vor-GmbH sowie Gesellschaften bürgerlichen Rechts sein, soweit sie als Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen agieren.[39] In der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligen sich an der Gründung z.B. Bankenkonsortien, wenn die Aktien dem Publikum angeboten werden sollen. Das Bankenkonsortium übernimmt die Aktien und bietet sie anschließend auf dem Markt an. Die Banken sind dann Gründer mit allen zivil- und strafrechtlichen Risiken (§§ 46, 399 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AktG). Maßstab für die erforderlichen Angaben zu den Gründern im Gründungsprotokoll ist die Identifizierbarkeit. Deshalb sind bei natürlichen Personen Vor- und Zunamen und Anschrift anzugeben, bei juristischen Personen sowie bei Personenhandelsgesellschaften Firma und Sitz. Da die entsprechenden Daten der Beteiligten aus beurkundungsrechtlichen Gründen bereits zu Anfang der Gründungsurkunde aufgeführt werden, reicht an späterer Stelle im Gründungsprotokoll die bloße Namensnennung.[40]

 

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Eine Vertretung beim Gründungsakt ist möglich. Gründer ist dann der Vertretene, nicht der Vertreter. Soweit es sich nicht um die Vertretung eines Einmann-Gründers handelt (vgl. § 180 S. 1 BGB),[41] ist auch eine vollmachtlose Vertretung möglich. Vollmacht und Genehmigung bedürfen der notariellen Beglaubigung und, falls diese im Ausland erfolgt, ggf. der Legalisation oder Apostille. Das von § 23 Abs. 1 S. 2 AktG aufgestellte Formerfordernis wird inzwischen überwiegend als eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung und nicht nur als bloße Ordnungsvorschrift eingestuft.[42] Die Nichteinhaltung der Form führt danach zur Nichtigkeit der Vollmacht gem. § 125 BGB. Die wegen Fehlens einer formgerechten Vollmacht zunächst schwebend unwirksame Erklärung eines Vertreters bei der Satzungsfeststellung kann allerdings nachträglich (formgerecht) genehmigt werden. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, in dem eine formgerechte Vollmacht zwar schon existierte, jedoch beim Notartermin nicht vorlag. Hierbei handelt es sich um keinen Fall der vollmachtlosen Vertretung, vielmehr kann die Vollmacht ohne weiteres bis zur Eintragung in das Handelsregister nachgereicht werden.[43]

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Erfolgt die Vertretung durch gesetzliche Vertreter, sind die üblichen Nachweise zu erbringen (Registerauszug, Bestellungsurkunde etc.). Im Falle von Prokuristen – bei denen es sich der Sache nach um rechtsgeschäftliche Vertreter handelt – wird darüber diskutiert, ob diese für die Zwecke der Gründung gesetzlichen Vertretern gleich zu behandeln sind, mit den entsprechenden Folgen für die erforderlichen Nachweise.[44] Da der Eintragung eines Prokuristen in das Handelsregister eine (letztlich als Erteilung einer Außenvollmacht wirkende) öffentlich beglaubigte Anmeldung zugrunde liegt (§ 12 HGB), sollte die Vorlage des Handelsregisterauszuges in jedem Falle genügen.[45] Bei ausländischen Gesellschaften als Gründern ist sicherzustellen, dass dem Handelsregister die Existenz der Gesellschaft und die Vertretungsbefugnis der für die ausländische Gesellschaft Handelnden in geeigneter Form (ggf. mit Legalisierung/Apostille) nachgewiesen werden kann.

1.2.2 Angaben zu den Aktien

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Bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2 AktG) ist der Nennbetrag, bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3 AktG) statt des Nennbetrags die Zahl der Aktien anzugeben. Bei beiden Aktienarten sind daneben der Ausgabebetrag (auch wenn mit dem Nennbetrag oder dem anteiligen Betrag des Grundkapitals übereinstimmend) und – im Falle verschiedener Aktiengattungen (s. hierzu 2. Kap. Rn. 70 ff.) – die Aktiengattungen zu bezeichnen, die jeder Gründer übernimmt. Über den Wortlaut von § 23 Abs. 2 Ziff. 2 AktG hinaus, der sich an sich mit Summenangaben begnügt, wird daneben überwiegend verlangt, dass bei verschiedenen Aktiengattungen und/oder Ausgabebeträgen auch eine entsprechende Einzelaufschlüsselung für jeden Gründer erfolgt.[46] Die Gründer müssen sämtliche Aktien übernehmen. Mit der Übernahme aller Aktien ist die Gesellschaft errichtet; entstanden ist die sog. Vorgesellschaft (§ 29 AktG, vgl. hierzu unten Rn. 40 ff). Die AG entsteht als eigene Rechtspersönlichkeit hingegen erst mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 41 Abs. 1 S. 1 AktG).

1.2.3 Eingezahlter Betrag des Grundkapitals

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Anzugeben ist im Gründungsprotokoll ferner der eingezahlte Betrag des Grundkapitals (§ 23 Abs. 1 Ziff. 2 AktG). Dieses Erfordernis stellt in der Systematik der Kapitalaufbringung an sich einen Fremdkörper dar und lässt sich wohl nur mit der (missglückten) Umsetzung europarechtlicher Vorgaben erklären.[47] Zum einen wäre eine im Zeitpunkt der Satzungsfeststellung schon geleistete Zahlung eine regelmäßig unzulässige oder zumindest problematische Voreinzahlung[48], zum anderen ist zum Zeitpunkt der Satzungsfeststellung der Vorstand, zu dessen freier Verfügung die eingezahlten Beträge gem. § 37 Abs. 1 AktG zu leisten sind, noch gar nicht bestellt.[49] Sinnvoll ist daher im Gründungsprotokoll nur die Angabe, wann und in welchem Umfang die übernommenen Einlagen effektiv zu zahlen sind.[50] Bei der nachfolgenden Anmeldung der Gesellschaft muss dann erklärt und nachgewiesen werden, dass inzwischen mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages (§ 9 Abs. 1 AktG) und, falls der Ausgabebetrag über dem geringsten Ausgabebetrag festgesetzt worden ist, der gesamte Mehrbetrag (Agio) eingezahlt ist und endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 S. 2 AktG).

1.3 Organbestellung
1.3.1 Bestellung des ersten Aufsichtsrats und des ersten Abschlussprüfers

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Im nächsten Schritt haben die Gründer den ersten Aufsichtsrat sowie den Abschlussprüfer für das erste Geschäftsjahr zu bestellen (§ 30 Abs. 1 AktG). Beide Bestellungsakte bedürfen – aus Gründen der Rechtssicherheit[51] – notarieller Beurkundung und erfolgen daher zweckmäßigerweise gleich im Gründungsprotokoll. Ohne Aufsichtsrat oder ohne vollständig besetzten Aufsichtsrat kann die Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen werden.[52] Nicht ein erster Aufsichtsrat gem. § 30 AktG, sondern ein regulärer Aufsichtsrat ist zu bestellen, wenn die AG im Wege des Formwechsels entsteht (§ 197 S. 2 UmwG).[53]

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Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats erfolgt durch Beschluss der Gründer. Vorbehaltlich einer anderen Regelung in der Satzung ist hierzu die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend (§ 133 AktG). Das Stimmrecht richtet sich nach den übernommenen Aktien. Da die Bestellung des ersten Aufsichtsrats üblicherweise im Gründungsprotokoll erfolgt, ist die Streitfrage, ob die Bestellung nur bei Mitwirkung aller Gründer wirksam ist, oder ob die Mehrheit der anwesenden Gründer genügt, wenig praxisrelevant. Ein Beschluss der Mehrheit der Gründer wird jedenfalls überwiegend dann als ausreichend angesehen, wenn allen Gründern der Termin der Beschlussfassung so ordnungsgemäß und rechtzeitig mitgeteilt wurde, dass sie Gelegenheit zur Stimmrechtsausübung hatten.[54] Besteht ein satzungsmäßiges Entsenderecht, so verdrängt dieses im Falle seiner Ausübung die Zuständigkeit der Gründer für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats.[55] Umgekehrtes gilt nur, wenn der Entsendeberechtigte auf die Ausübung seines/ihres Rechts endgültig verzichtet. Die Bestellungserklärung des Entsendeberechtigten ist notariell zu beurkunden (§ 30 Abs. 1 S. 2 AktG analog).[56]

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Der erste Aufsichtsrat setzt sich, sofern nicht ein Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht wird (§ 31 AktG), nur aus Vertretern der Anteilseigner zusammen (§ 30 Abs. 2 AktG). Für die Zahl der Mitglieder gilt § 95 AktG. Auch der erste Aufsichtsrat hat also grundsätzlich entweder aus drei Mitgliedern oder einer durch die Satzung festgesetzten höheren Zahl zu bestehen. In der Satzung kann festgelegt werden, dass der erste Aufsichtsrat aus einer geringeren Anzahl von Mitgliedern als spätere Aufsichtsräte bestehen soll, wobei die Mindestanzahl von 3 Mitgliedern nicht unterschritten werden darf.[57] Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn bereits bei Gründung absehbar ist, dass der ordentliche Aufsichtsrat auch aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen wird. Durch die „sukzessive“ satzungsmäßige Vergrößerung des Aufsichtsrats kann ein Ausscheiden von durch die Gründer bestimmten Mitgliedern vermieden werden.[58] Das Erfordernis der Dreiteilbarkeit der Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats ist im Zuge der Aktienrechtsnovelle 2016 grundsätzlich entfallen. Es gilt nur noch, wenn die Dreiteilbarkeit zur Erfüllung mitbestimmungsrechtlicher Vorgaben erforderlich ist.[59]

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Für die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bestimmt das Gesetz lediglich eine Höchstfrist, nämlich bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt (§ 30 Abs. 3 S. 1 AktG). Daraus ergibt sich regelmäßig eine Amtszeit von höchstens 20 Monaten.[60] Die Kürze der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats gleicht die fehlende Beteiligung der Arbeitnehmer in diesem Stadium aus.[61] Obgleich das Gesetz keine Mindestamtszeit vorsieht, wird unter Hinweis auf die Systematik der Gründungsvorschriften allgemein davon ausgegangen, dass die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats frühestens nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister endet.[62] Fasst die Hauptversammlung innerhalb der gesetzlichen oder satzungsmäßig bestimmten Frist keinen Beschluss über die Entlastung des ersten Aufsichtsrats, so endet dessen Amtszeit – entgegen der früher in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung[63] – dennoch spätestens mit Ablauf dieser Frist.[64]

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Scheidet ein Mitglied des ersten Aufsichtsrats vorzeitig aus dem Amt aus, liegt die Zuständigkeit für die notwendige Neubestellung vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister noch bei den Gründern[65] und nach der Eintragung bei der Hauptversammlung (§§ 101, 103 AktG).[66] Der Nachfolger des Ausgeschiedenen wird ebenfalls Mitglied des ersten Aufsichtsrats, mit den entsprechenden Folgen für die Amtszeit.[67] Um ggf. die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vorzubereiten, hat der Vorstand rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der nächste Aufsichtsrat nach seiner Ansicht zusammenzusetzen ist (§ 30 Abs. 3 S. 2 AktG).[68]

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Eine Vergütung sieht das Gesetz für den ersten Aufsichtsrat nicht vor. Sie kann jedoch nachträglich durch die Hauptversammlung bewilligt werden, die über die Entlastung beschließt.[69] Werden die Anforderungen des § 26 AktG gewahrt, kann eine Vergütung auch im Wege des Gründerlohns oder des Sondervorteils erfolgen. Die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats gehen über diejenigen eines späteren Aufsichtsrats hinaus, da er zusätzlich den ersten Vorstand zu bestellen hat (§ 30 Abs. 4 AktG), ihm die Gründungsprüfung obliegt (§ 33 Abs. 1 AktG) und er bei der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister mitzuwirken hat (§ 36 Abs. 1 AktG). Daneben hat er auch schon in diesem Stadium die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 AktG) und die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand wahrzunehmen (§ 112 AktG). Im Anschluss an die Gründung konstituiert sich der Aufsichtsrat, wählt seinen Vorsitzenden und gegebenenfalls seinen Stellvertreter (§ 107 Abs. 1 S. 1 AktG).

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In die Zuständigkeit der Gründer (und nicht der Hauptversammlung) fällt auch die Bestellung des ersten Abschlussprüfers. Diese bedarf – ebenso wie die Bestellung des ersten Aufsichtsrats – der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 S. 2 AktG). Üblicherweise wird auch sie sogleich im Gründungsprotokoll vorgenommen. Anders als das Fehlen eines ersten Aufsichtsrats beeinträchtigt die fehlende Bestellung des Abschlussprüfers die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung gem. § 38 Abs. 1 AktG nicht, da der Abschlussprüfer bei der Gründung keine Funktion hat.[70] Die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister hat gleichwohl zu erfolgen. Die Bestellung des Abschlussprüfers bereits in diesem Stadium soll die Notwendigkeit einer außerordentlichen Hauptversammlung oder einer gerichtlichen Bestellung vermeiden und dient damit vornehmlich der Praktikabilität.[71] Dies spricht dafür, dass auf eine Bestellung verzichtet werden kann, wenn bei Gründung sehr wahrscheinlich ist, dass die Gesellschaft voraussichtlich das Merkmal einer kleinen Kapitalgesellschaft gem. § 267 Abs. 1 HGB erfüllen wird und eine Prüfungspflicht deshalb gem. § 316 HGB nicht besteht.[72] Allerdings sollte die diesbezügliche Einschätzung der Gründer offen gelegt werden, um Rückfragen des Registergerichts vorzubeugen. Weitergehende Konsequenzen hat eine unterbliebene Abschlussprüferbestellung für die Gründung nicht.[73]