Handbuch des Aktienrechts

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3.3 Schriftlicher Bericht des Hauptaktionärs

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§ 327c Abs. 2 S. 1 AktG verpflichtet den Hauptaktionär dazu, der HV gegenüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Dieser Bericht muss die Voraussetzungen des Squeeze out darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen. Der Bericht braucht diese Umstände lediglich zu behaupten; ein Beleg – etwa durch umfangreiche Anlagenkonvolute – ist entbehrlich. Soweit der Bericht allerdings sachlich unzutreffend sein sollte, kann dies zur Anfechtbarkeit des Squeeze out-Beschlusses führen. Der Bericht darf auf solche Tatsachen verzichten, die geeignet sind, der Zielgesellschaft oder dem Hauptaktionär einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (§§ 327c Abs. 2 S. 4, 293a Abs. 2 AktG), wobei in diesem Fall der Bericht nach §§ 327c Abs. 2 S. 4, 293a Abs. 2 S. 2 AktG diejenigen Gründe angeben muss, aus denen die Tatsachen nicht aufgenommen worden sind.[41]

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Zu den in dem schriftlichen Bericht darzulegenden Voraussetzungen des Squeeze out zählt die Darstellung der Beteiligungsquote des Hauptaktionärs,[42] wobei nicht darzustellen ist, wann und wie der Hauptaktionär die Beteiligung erworben hat. Daneben ist anzugeben, wann das Verlangen nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG gestellt wurde. Schließlich empfiehlt es sich, auch das Verfahren des Squeeze out und dessen Rechtsfolgen kurz darzustellen, um möglichen Fragen der Minderheitsaktionäre vorzubeugen. Dagegen ist es nicht ratsam, die Gründe für den Squeeze out in den schriftlichen Bericht aufzunehmen.[43] Denn diese würden auch im Rahmen eines etwaigen Freigabeverfahrens zugrunde gelegt, so dass sich der Hauptaktionär insoweit unnötig festlegen würde.[44]

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Kern des schriftlichen Berichts ist die Erläuterung der Angemessenheit der Barabfindung.[45] Üblicherweise wird dieser Berichtsteil durch einen vom Hauptaktionär beauftragten Wirtschaftsprüfer erstellt, der nicht mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen i.S.d. § 327c Abs. 2 S. 2 AktG identisch sein darf. Notwendig ist die Erstellung durch einen Wirtschaftsprüfer allerdings nicht.

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Der Bericht muss nach § 327c Abs. 3 Nr. 3 AktG schon zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die HV einberufen wird.

3.4 Festlegung der Barabfindung

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Der Hauptaktionär legt die Barabfindung nach § 327b Abs. 1 S. 1 AktG fest und teilt dies der Zielgesellschaft mit. Die Zielgesellschaft wiederum muss die Barabfindung gem. § 327c Abs. 1 Nr. 2 AktG in der Tagesordnung zur HV angeben. Die Ermittlung der Barabfindung erfolgt entspr. der Barabfindungsermittlung beim Unternehmensvertrag (§ 305 AktG), so dass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.[46]

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Der maßgebliche Zeitpunkt der Angemessenheit ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung der HV über den Squeeze out, so dass die angemessene Barabfindung im Prinzip für die Zukunft festzulegen ist. Bei börsennotierten Gesellschaften kommt es jedoch auf den Tag der tatsächlichen[47] Bekanntmachung des geplanten Squeeze out an, weil für die Angemessenheit als Untergrenze[48] grds. der Börsenkurs im Sinne des nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses in einem dreimonatigen Zeitraum vor der Bekanntmachung der Maßnahme maßgeblich ist.[49] Ggf. ist eine Hochrechnung auf den Beschlusszeitpunkt entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Börsenwertentwicklung vorzunehmen, wenn zwischen dem Tag der Bekanntmachung und dem Tag der HV ein längerer Zeitraum liegt und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt.[50]

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Für die Festlegung der Barabfindung ist der Hauptaktionär in aller Regel auf Informationen der Zielgesellschaft angewiesen. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch Aufnahme einer entsprechenden Auskunftspflicht in § 327b Abs. 1 S. 2 AktG Rechnung getragen. Etwaige Auskünfte, die aufgrund dieser Auskunftspflicht erteilt werden, sind privilegierte Informationen, die keinen Auskunftsanspruch der übrigen Aktionäre nach § 131 Abs. 4 S. 1 AktG auslösen, da sie dem Hauptaktionär nicht in seiner Eigenschaft als Aktionär erteilt werden.[51] Umgekehrt ist der Hauptaktionär zur Verschwiegenheit verpflichtet.[52] Dies gilt indessen nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 327b Abs. 1 S. 2 AktG zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung auch tatsächlich vorliegen. Erteilt der Vorstand demgegenüber Auskünfte im Hinblick darauf, dass künftig die Hauptaktionärseigenschaft vorliegen wird, ist streitig, ob es sich um eine privilegierte Auskunftserteilung handelt.[53] Im Hinblick darauf, dass es faktisch nicht möglich ist, einen Auskunftsanspruch der Minderheitsaktionäre nach § 131 Abs. 4 S. 1 AktG in der HV vollumfänglich zu erfüllen, sollte unbedingt versucht werden, die Auskünfte erst dann einzuholen, wenn der Mehrheitsaktionär auch tatsächlich Hauptaktionär ist.

3.5 Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung

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Die Barabfindung, die durch den Hauptaktionär festgelegt wird, ist nach § 327c Abs. 2 S. 2 AktG durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen. Der Hauptaktionär muss insoweit einen Antrag beim zuständigen Gericht stellen, welches den oder die Prüfer bestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist § 327c Abs. 2 S. 4 AktG auf die Vorschriften zum Unternehmensvertrag.[54]

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In der Praxis hat es sich bewährt, die Prüfung durch den Hauptaktionär und durch den unabhängigen Prüfer parallel durchzuführen. Dieses Vorgehen wurde mittlerweile auch höchstrichterlich gebilligt.[55]

3.6 „Gewährleistung“ eines Kreditinstituts für die Erfüllung der Barabfindungsansprüche

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§ 327b Abs. 3 AktG verpflichtet den Hauptaktionär, vor Einberufung der HV dem Vorstand der Zielgesellschaft eine Erklärung eines Kreditinstituts über die Gewährleistung der Erfüllung der Barabfindungsansprüche zu übermitteln. Die gesetzgeberische Formulierung wurde zu Recht als wenig präzise kritisiert.[56] Gleichwohl besteht über den Inhalt der Verpflichtung keine Uneinigkeit. Der Hauptaktionär muss eine schriftliche Erklärung eines Kreditinstituts, welches in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugt ist, vorlegen, aus der sich ergibt, dass das Kreditinstitut neben dem Hauptaktionär für die Verbindlichkeiten zur Erfüllung der Barabfindung einsteht. Weitere Anforderungen postuliert das AktG nicht, so dass neben der selbstschuldnerischen Bürgschaft auch ein Schuldbeitritt oder eine Garantie in Betracht kommen.[57]

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Diese Erklärung des Kreditinstituts muss sich auf die gesamte vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung beziehen, braucht sich nicht auf Zinsen zu erstrecken und darf nicht befristet sein.

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Die Erklärung muss vor der Einberufung der HV dem Vorstand im Original übermittelt werden. Allerdings wirkt sich eine Verletzung dieser Pflicht dann nicht aus, wenn das Original dieser Erklärung noch bis zur Beschlussfassung dem Vorstand der Zielgesellschaft übergeben wird.[58]

3.7 Einberufung der Hauptversammlung

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Die Einberufung der Squeeze out-HV folgt im Wesentlichen den allgemeinen Regelungen, so dass nach § 121 Abs. 3 S. 2 AktG mit der Einberufung auch die Tagesordnung bekannt zu machen ist. Als Tagesordnungspunkt muss der Squeeze out-Beschluss angekündigt werden, wobei gem. § 327c Abs. 1 AktG in diesem Rahmen der Hauptaktionär zu individualisieren und die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung anzugeben ist.

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Die Barabfindung ist als Betrag je Aktie anzugeben, wobei bei verschiedenen Gattungen in der Regel unterschiedliche Abfindungsbeträge angegeben werden.[59] Problematisch sind allerdings diejenigen Fälle, in denen sich die für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen zwischen Einberufung und Durchführung der HV ändern. Insoweit ist zu differenzieren:

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Steigt der Wert der einzelnen Anteile, kann dieser Umstand zwischen Einberufung und Durchführung der HV noch berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, dies – soweit zeitlich möglich – noch vor der HV den Aktionären mitzuteilen. Aber selbst ohne eine solche Mitteilung ist es möglich, den Abfindungsbetrag kurzfristig zu erhöhen, denn dies verbessert lediglich die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre. Damit begründet eine Erhöhung des Barabfindungsangebots auch keine Anfechtbarkeit des Beschlusses.[60] Allerdings muss die Erklärung des Kreditinstituts den höheren Abfindungsbetrag abdecken; andernfalls ist der Squeeze out-Beschluss anfechtbar.[61] Eine Pflicht zur Erhöhung des Abfindungsbetrags nach Einberufung, aber vor Beschlussfassung, besteht grundsätzlich nicht;[62] da aber im Rahmen eines Spruchverfahrens für die Beurteilung der Angemessenheit der Zeitpunkt der HV maßgeblich ist, kann mit einer Erhöhung vor der Beschlussfassung möglicherweise ein Spruchverfahren abgewendet werden.[63] Möglich ist die Erhöhung allerdings auch noch während eines Spruchverfahrens oder eines Anfechtungsprozesses.[64]

 

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Problematisch sind die Fälle, in denen sich der Wert der Aktien zwischen Einberufung und Durchführung der HV reduziert. Eine Reduktion der Barabfindung kann anfechtungsfest nicht mehr erreicht werden. Hier bleibt dem Hauptaktionär nur die Möglichkeit, sein Verlangen zurückzuziehen und das Verfahren erneut einzuleiten oder aber den überhöhten Abfindungsbetrag hinzunehmen.

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Wie bei anderen Tagesordnungspunkten auch, ist die Verwaltung dazu verpflichtet, für den Squeeze out-Beschluss einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.[65]

3.8 Durchführung der Hauptversammlung

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Die HV, die über den Squeeze out beschließt, ist wie jede andere HV durchzuführen. Lediglich folgende Besonderheiten sind zu berücksichtigen:

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Zunächst müssen gem. §§ 327d S. 1, 327c Abs. 3, Abs. 5 AktG der Entwurf des Übertragungsbeschlusses, die testierten und festgestellten[66] Jahresabschlüsse und Lageberichte der letzten drei Geschäftsjahre, der schriftliche Bericht des Hauptaktionärs und der Prüfungsbericht des unabhängigen Sachverständigen ausgelegt werden oder über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein. Werden die Unterlagen nicht für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht, sondern ausgelegt, sollten diese in ausreichender Zahl vorgehalten werden, da jedem Aktionär dann – anders als bei einer Veröffentlichung auf der Internetseite (vgl. § 327c Abs. 5 AktG) – gem. § 327c Abs. 4 AktG unverzüglich und kostenlos Abschriften zu erteilen sind.

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Diese Vorlagen sind vom Vorstand zu erläutern.[67] Daneben kann dem Hauptaktionär Gelegenheit gegeben werden, den Entwurf des Übertragungsbeschlusses und die Bemessung der Höhe der Barabfindung zu Beginn der HV zu erläutern (§ 327d S. 2 AktG). Den Aktionären stehen die gewöhnlichen Auskunftsrechte (§ 131 Abs. 1 S. 1 und ggf. Abs. 4 S. 1 AktG) zu.

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Die eigentliche Beschlussfassung folgt den Regelungen des § 133 Abs. 1 AktG, so dass eine einfache Mehrheit für den Squeeze out-Beschluss ausreicht.[68]

3.9 Eintragung in das Handelsregister und Rechtsfolgen der Eintragung

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Der Squeeze out-Beschluss ist beim Handelsregister der Zielgesellschaft anzumelden. Der Anmeldung sind gem. § 327e Abs. 1 AktG die Niederschrift des Übertragungsbeschlusses und seine Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. Da das Registergericht die Voraussetzungen des Squeeze out zu prüfen hat, sind zudem die entspr. Nachweise beizufügen. Hierzu zählt namentlich auch der Nachweis darüber, dass dem Hauptaktionär (auch im Zeitpunkt der Eintragung) über 95 % der Aktien der Zielgesellschaft gehören.[69]

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Zudem kann eine Eintragung nur dann erfolgen, wenn keine durch eine Anfechtungsklage bewirkte Registersperre vorliegt, so dass in aller Regel die Monatsfrist vor der Anmeldung abzuwarten ist.

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Soweit eine Anfechtungsklage erhoben wurde, kann – wie auch im Umwandlungsrecht – ein erfolgreich durchgeführtes Freigabeverfahren die Registersperre überwinden.

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Wird der Squeeze out eingetragen, gehen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär automatisch lastenfrei[70] über (§ 327e Abs. 3 S. 1 AktG). Etwaige dingliche Belastungen der Aktien setzen sich analog § 1287 S. 1 BGB an dem Abfindungsanspruch fort. Soweit Aktienurkunden ausgegeben wurden, verbriefen diese nicht mehr die Mitgliedschaft, sondern den Anspruch auf Barabfindung (§ 327e Abs. 3 S. 2 AktG). Streitig ist die Behandlung von Aktien, die die Zielgesellschaft als eigene Aktien hält. Der Wortlaut des § 327e Abs. 3 S. 1 AktG legt nahe, dass diese ebenfalls auf den Hauptaktionär (gegen Barabfindung) übergehen.[71] Insbesondere handelt es sich nicht um Aktien, die dem Hauptaktionär nach §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 4 AktG zugerechnet würden.[72] Auf der anderen Seite erfordern Sinn und Zweck der §§ 327a ff. AktG keinen solchen Übergang, denn der Squeeze out ist auf Bereinigung der Aktionärsstruktur gerichtet – hierfür bedarf es keines solchen Übergangs, weshalb verbreitet der Übergang eigener Aktien abgelehnt wird.[73] Da das AktG allerdings keine Sonderregelung für eigene Aktien vorsieht und die Minderheitsaktionäre in § 327a Abs. 1 S. 1 AktG als die vom Hauptaktionär personenverschiedenen Aktionäre definiert werden, erstreckt sich der Squeeze out richtigerweise auch auf eigene Aktien der Zielgesellschaft.

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Soweit Kapitalmaßnahmen der Zielgesellschaft zwar initiiert, aber noch nicht abgeschlossen sind, erlöschen etwaige Rechte der Berechtigten – wie auch bei der Eingliederung –[74] automatisch.[75] Diese gehen also nicht auf den Hauptaktionär über. Im Gegenzug erhalten die Berechtigten Barabfindungsansprüche;[76] auch insoweit kann auf die Ausführungen zur Eingliederung verwiesen werden.[77]

258

Auch auf anhängige Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen der durch den Squeeze out ausgeschlossenen Aktionäre wirkt sich dieser Ausschluss von Minderheitsaktionären aus. Dies betrifft allerdings nur die Klageverfahren, die sich nicht gegen den Squeeze out-Beschluss an sich richten, denn andernfalls würde den Minderheitsaktionären ein effektiver Rechtsschutz verwehrt. Bei noch anhängigen Klagen gegen Beschlüsse, die vor dem Squeeze out gefasst wurden, könnte man zunächst daran denken, dass die Anfechtungsbefugnis erlischt. Die h.M. löst solche Fallgestaltungen aber zu Recht abweichend. Hat der klagende Aktionär ein rechtliches Interesse an der gerichtlichen Klärung, kann dieser auch nach bewirktem Ausschluss das Klageverfahren weiterführen. Dies gilt bspw. für Klagen gegen Kapitalerhöhungen, mit denen der Hauptaktionär seine Beteiligung überhaupt erst erworben hat; denn dies könnte sogar zur Unwirksamkeit des Squeeze out führen.[78] Auch wenn der klagende Aktionär nur durch die Anfechtungsklage Vermögensinteressen durchsetzen kann, die er im Spruchverfahren nicht mehr durchsetzen könnte, bleibt er klagebefugt.[79]

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Soweit Spruchverfahren wegen vorangegangener Strukturmaßnahmen anhängig sind, bleiben diese – wie bei der Eingliederung[80] und der Verschmelzung[81] – vom Squeeze out unberührt.[82]

2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 4. Besonderheiten des übernahmerechtlichen Squeeze out

4. Besonderheiten des übernahmerechtlichen Squeeze out

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§§ 39a ff. WpÜG ermöglichen es einem Mehrheitsaktionär, im Anschluss an ein Übernahme- oder Pflichtangebot einen Squeeze out der restlichen Aktionäre durchzuführen. Dieser übernahmerechtliche Squeeze out bringt theoretisch verschiedene Erleichterungen für den Hauptaktionär mit sich. Faktisch machen diese den übernahmerechtlichen Squeeze out in aller Regel jedoch nicht attraktiver als den aktienrechtlichen Squeeze out. Der Hauptaktionär hat ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Squeeze out-Verfahren.[83]

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Die Vorteile des übernahmerechtlichen Squeeze out liegen zum einen im verfahrensrechtlichen Bereich. So gehen die Aktien der Minderheitsaktionäre nicht durch HV-Beschluss, sondern gem. § 39a Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 WpÜG durch gerichtlichen Beschluss[84] auf den Hauptaktionär über. Damit ist Anfechtungsklagen gleichsam der Boden entzogen, und das Verfahren kann theroetisch zügiger zum Abschluss gebracht werden. Indes ist der Squeeze out erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung wirksam (§ 39b Abs. 5 S. 1 WpÜG). Verzögerungen können daher durch die hiergegen eingelegte und mit aufschiebender Wirkung versehene Beschwerde (§ 39b Abs. 3 S. 3 WpÜG) entstehen; für diese existiert – anders als für Anfechtungsklagen gegen einen Übertragungsbeschluss bei einem aktienrechtlichen Squeeze out (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG) – auch kein Freigabeverfahren.[85] Zudem kann zugunsten des Hauptaktionärs eine unwiderlegliche Angemessenheitsvermutung[86] für den Abfindungsbetrag greifen – allerdings nur dann, wenn der Hauptaktionär im Rahmen des Übernahme- oder Pflichtangebotes 90 % der vom Angebot betroffenen Aktien erworben hat (§ 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG). In diesem Fall bleiben dem Hauptaktionär Kosten für die Bewertung und Bewertungsprüfung erspart. Erreicht er jedoch nicht die Schwelle von 90 %, findet ggf. eine Überprüfung der Angemessenheit im Ausschlussverfahren selbst statt und nicht etwa in einem davon unabhängigen Spruchverfahren; damit einhergehen kann eine erhebliche Verzögerung des gesamten Squeeze out, weshalb der übernahmerechtliche Squeeze out in der Praxis wenig attraktiv und ohne Relevanz ist.[87]

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Anders als der aktienrechtliche Squeeze out unterscheidet der übernahmerechtliche Squeeze out zwischen stimmberechtigten und stimmrechtslosen Aktien. § 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG lässt zunächst lediglich den Squeeze out von stimmberechtigten Aktien zu – vorausgesetzt, dem Hauptaktionär gehören mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals. Nur dann, wenn ihm zusätzlich 95 % des gesamten Grundkapitals gehören, kann er auch die Übertragung der stimmrechtslosen Aktien beantragen (§ 39a Abs. 1 S. 1 WpÜG).

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Auch die Art der Abfindung unterscheidet sich vom aktienrechtlichen Squeeze out, denn diese hat zunächst der Gegenleistung des Übernahme- oder Pflichtangebots zu entsprechen. Alternativ ist allerdings immer auch eine Gegenleistung in Geld anzubieten (§ 39a Abs. 3 S. 2 WpÜG).

2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 5. Anfechtung von Squeeze out-Beschlüssen

5. Anfechtung von Squeeze out-Beschlüssen

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Ist der Squeeze out im Handelsregister der Zielgesellschaft eingetragen worden, stellt sich die Frage, wie sich eine etwa erfolgreiche Anfechtungsklage auf den Squeeze out auswirkt. Insoweit ist zu differenzieren: Wurde für die Eintragung die durch anhängige Anfechtungsklagen bewirkte Registersperre durch ein Freigabeverfahren (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG) überwunden, genießt der Squeeze out Bestandsschutz, so dass die Maßnahme trotz des mangelhaften Beschlusses zu dulden und ein etwaiger Schaden bei der Gesellschaft zu liquidieren ist (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 10, 11 AktG).

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Erfolgte die Eintragung allerdings ohne Freigabeverfahren, greift auch kein Bestandsschutz ein. Dies hat zur Folge, dass der Squeeze out im Fall seiner Eintragung ohne Freigabeverfahren nicht erfolgt ist.[88] Da für die Zeit zwischen Eintragung des Squeeze out und Anfechtungsurteil die Grundsätze über fehlerhafte Organisationsakte eingreifen, sind etwaige Rechte, die der Hauptaktionär in der Zwischenzeit ausgeübt hat – entspr. der Rechtslage bei der Eingliederung[89] – als wirksam zu behandeln.[90] Dies führt auch dazu, dass die Minderheitsaktionäre nicht automatisch wieder zu Gesellschaftern werden; diesen ist die Mitgliedschaft vielmehr erst wieder einzuräumen.[91]

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Die Frage, ob etwa bezogene Dividenden durch den Hauptaktionär herauszugeben und ob der zurückzuzahlende Barabfindungsanspruch zu verzinsen sind, ist bislang kaum erörtert.[92] Da aber der Squeeze out nach den Grundsätzen über fehlerhafte Organisationsmaßnahmen für die Vergangenheit als wirksam zu behandeln ist, bestehen weder Verzinsungspflicht noch die Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Dividenden.