Handbuch des Aktienrechts

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2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft

VI. Beendigung der Mitgliedschaft

2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 1. Einführung

1. Einführung

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Die Mitgliedschaft eines Aktionärs in der AG kann aus verschiedenen Rechtsgründen enden. So endet die Mitgliedschaft durch Veräußerung der Aktien.[1] Daneben ist aber auch die zwangsweise Beendigung der Mitgliedschaft in bestimmten Fallkonstellationen denkbar. Zu solchen Zwangsmaßnahmen zählen namentlich die Einziehung von Aktien durch die Gesellschaft,[2] die Eingliederung, der Ausschluss von Minderheitsaktionären (sog. Squeeze out) und die übertragende Auflösung. Sämtlichen der vorgenannten Zwangsmaßnahmen ist gemein, dass diese nur unter bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen zulässig sind. Bei der Einziehung liegen diese Gründe in der Sphäre des betroffenen Aktionärs, namentlich in seinem Verhalten oder aber in einer von vorne herein beschränkten Mitgliedschaft. Eingliederung, Squeeze out und übertragende Auflösung erfordern bestimmte Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung, um überhaupt in Betracht zu kommen.

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Der Ausschluss von Minderheitsaktionären ist eine verhältnismäßig neue Möglichkeit, Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft zu drängen. Die entspr. Regelungen des Aktienrechts (§§ 327a ff. AktG) wurden erst 2002 in das AktG aufgenommen. Hiernach kann ein Aktionär, der über eine Beteiligungsquote von mindestens 95 % verfügt, die restlichen Aktionäre gegen Barabfindung aus der Gesellschaft ausschließen. Zu den identischen Rechtsfolgen führt auch der übernahmerechtliche Squeeze out (§§ 39a ff. WpÜG), der im Anschluss an ein Übernahme- oder Pflichtangebot nach dem WpÜG durchgeführt werden kann.

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Auch eine Eingliederung, die ebenfalls eine Beteiligungsquote von wenigstens 95 % erfordert, führt zum Ausscheiden der Minderheitsaktionäre aus der AG; im Gegensatz zum Squeeze out erhalten die Minderheitsaktionäre regelmäßig Aktien der Gesellschaft, die die Eingliederung betreibt (vgl. § 320b Abs. 1 S. 2 AktG).

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Demgegenüber handelt es sich bei der übertragenden Auflösung nicht um ein gesetzlich originär vorgesehenes Verfahren. Vielmehr werden Liquidation der AG (§§ 262 ff. AktG) und Verkauf des wesentlichen Vermögens der AG so miteinander verknüpft, dass ein neuer Rechtsträger, der über die gewünschte Anteilseignerstruktur verfügt, die Unternehmung der AG weiterführt. Da die AG im Rahmen dieser übertragenden Auflösung liquidiert wird, erhalten sämtliche Aktionäre einen etwaigen Liquidationsüberschuss und mithin – der Sache nach – eine Barabfindung. Im Gegensatz zur Eingliederung und zum Squeeze out erfordert die übertragende Auflösung, soweit die Satzung der AG keine höheren Mehrheiten bestimmt, lediglich eine Beteiligungsquote von 75 %. Allerdings ist dieses Verfahren einerseits mit beachtlichen Rechtsrisiken verbunden und führt andererseits dazu, dass der Liquidationsüberschuss aufgrund des Sperrjahres (§ 272 AktG) erst mit Verzögerung ausgezahlt werden kann. Schließlich ist die übertragende Auflösung steuerlich ungünstig,[3] da der Erlös für die Veräußerung des gesamten Vermögens bei der AG zu versteuern ist; es kommt mithin zur Aufdeckung der stillen Reserven. Zudem fällt Grunderwerbsteuer an, wenn zum Vermögen der AG auch Grundeigentum gehört.

2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 2. Missbrauch und Verfassungsmäßigkeit des Zwangsausschlusses

2. Missbrauch und Verfassungsmäßigkeit des Zwangsausschlusses

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Soweit Aktionäre gegen ihren Willen aus der AG ausgeschlossen werden, stellt sich die Frage, inwieweit ein solcher Zwangsausschluss überhaupt zulässig ist. Denn immerhin steht der Aktienbesitz unter der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, der sich – jedenfalls auf den ersten Blick – nur schwer mit einem „Zwangsverkauf“ in Einklang bringen lässt. Diesbezüglich ist zu differenzieren.

2.1 Squeeze out

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Der (aktien- und übernahmerechtliche) Squeeze out ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Dies allein führt indessen nicht zur Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahmen, da auch Gesetze ihrerseits verfassungswidrig sein können. Dementsprechend ist das Argument der Verfassungswidrigkeit bei Klagen gegen solche Maßnahmen standardmäßig vorgebracht worden.

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Mittlerweile ist die Verfassungsmäßigkeit dieser Normen ausdrücklich klargestellt worden, so dass der Einwand der Verfassungswidrigkeit gegen den eigentlichen Zwangsausschluss kaum mehr Erfolg haben wird. Nachdem der BGH zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Squeeze out feststellte,[4] hat auch das BVerfG klargestellt,[5] dass §§ 327a ff. AktG nicht gegen Art. 14 GG verstoßen. Bei den §§ 327a ff. AktG handele es sich um zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.[6] Da zudem durch die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung im Spruchverfahren (§ 327f AktG) sichergestellt sei, dass der Aktionär wirtschaftlich voll entschädigt wird, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein solches Verfahren. Entsprechend hält das BVerfG auch den übernahmerechtlichen Squeeze out nach §§ 39a ff. WpÜG für verfassungsgemäß.[7]

211

Auch der Einwand des Missbrauchs wird sich nur schwer mit Erfolg vorbringen lassen. Der Gesetzgeber hat in den §§ 327a ff. AktG vorweg die Abwägung zwischen den Interessen des Mehrheitsaktionärs und denen der Minderheitsaktionäre vorgenommen. Dementsprechend bedarf es für einen solchen Beschluss keiner inhaltlichen Rechtfertigung. Der HV-Beschluss über den Ausschluss trägt seine sachliche Rechtfertigung in sich,[8] so dass keine materielle Beschlusskontrolle, wie etwa beim Bezugsrechtsausschluss, vorzunehmen ist. Folglich ist der Ausschluss an sich keinesfalls rechtsmissbräuchlich, so dass zusätzlich wesentliche Umstände hinzutreten müssten, um einen Missbrauchseinwand zu begründen.

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Diskutiert werden insoweit namentlich Maßnahmen, die die Mehrheit der Gesellschafter überhaupt erst in die Lage versetzen, den Squeeze out durchzuführen. So wird zum einen die Kombination von umwandlungsrechtlichen Maßnahmen und Squeeze out als problematisch angesehen, beispielsweise der Formwechsel hin zur AG oder die Verschmelzung von oder auf eine andere Gesellschaft, um überhaupt erst die erforderlichen Mehrheiten zu erreichen. Zum anderen werden Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss unter bestimmten, qualifizierenden Voraussetzungen als missbräuchlich angesehen. Schließlich soll auch bei bloß zeitweiligem Zusammenschluss verschiedener (Groß-)Aktionäre ein Missbrauch in Betracht kommen.[9]

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Es mag zwar in extremen Ausnahmekonstellationen ein Missbrauch des Squeeze out in Betracht kommen. In aller Regel ist die Nutzung bzw. Kombination gesetzlich ausdrücklich vorgesehener Optionen rechtlich aber zulässig und nicht zu beanstanden. Dementsprechend ist auch bislang kein Fall bekannt geworden, in dem ein Minderheitsaktionär mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs Erfolg gehabt hätte. Namentlich der bloß für den Zeitraum des Squeeze out-Verfahrens bewirkte Zusammenschluss von einigen Großaktionären ist rechtlich unproblematisch, denn der Squeeze out muss nicht darauf gerichtet sein, dass nach dem Verfahren lediglich ein Aktionär in der Gesellschaft verbleibt.[10]

2.2 Eingliederung

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Auch die Eingliederung unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.[11] Da bei der Eingliederung – im Vergleich zum Squeeze out – sogar Anteile der AG gewährt werden, in die eingegliedert wird, ergibt sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit zusätzlich aus einem Erst-Recht-Schluss im Vergleich dieser beiden Rechtsinstitute. Wenn schon der Ausschluss gegen Barabfindung zulässig ist, muss der Ausschluss gegen Gewährung von Anteilen an der späteren Muttergesellschaft erst Recht zulässig sein.

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Im Übrigen gelten die Ausführungen zum Squeeze out entspr., so dass ein Missbrauch dieses Rechtsinstituts kaum denkbar ist.

2.3 Übertragende Auflösung

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Schwieriger zu beantworten ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine sog. übertragende Auflösung unwirksam ist. Im Gegensatz zum Squeeze out und zur Eingliederung handelt es sich nicht um ein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut. Es wird vielmehr die Auflösung mit der Veräußerung des Vermögens bzw. wesentlicher Vermögensteile verknüpft.

 

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Klar ist zunächst, dass auch der Liquidationsbeschluss seine Rechtfertigung in sich trägt und daher keiner generellen Inhaltskontrolle unterliegt.[12] Auch der Kauf wesentlicher Unternehmensteile aus der Gesellschaft in Liquidation ist rechtlich ohne weiteres zulässig.[13] Allerdings verletzt der Mehrheitsgesellschafter seine ihm gegenüber den Minderheitsaktionären obliegenden Treuepflichten dann, wenn bereits vor Beginn der Liquidation die Übernahme wesentlicher Unternehmensteile mit der AG vereinbart wird. In diesem Fall wird den Minderheitsgesellschaftern und externen Dritten die Möglichkeit genommen, sich ihrerseits um den Erwerb zu bemühen. Dies wiederum hat zur Folge, dass kein echter Marktpreis für die betreffenden Unternehmensteile ermittelt wird, sondern der Mehrheitsaktionär diesen weitgehend allein bestimmen und sich mithin einen Sondervorteil verschaffen kann.[14] Eine Vereinbarung im vorstehenden Sinne liegt nach der Rechtsprechung des BGH schon dann vor, wenn „eine ausreichend sichere Grundlage für den alleinigen Erwerb durch den Mehrheitsgesellschafter“ geschaffen wurde und damit Dritte von dem Verkaufsprozess ausgeschlossen wurden. Eines rechtlich bindenden Vertrages bedarf es insoweit nicht.[15]

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Liegen diese Voraussetzungen vor, verletzt der Mehrheitsaktionär seine Treuepflicht und der Liquidationsbeschluss ist anfechtbar.[16] Fehlt es an einer solchen Vorabsprache, ist die übertragende Auflösung rechtlich zulässig.[17] An der Verfassungsmäßigkeit der übertragenden Auflösung hat sich auch durch die Einführung des Squeeze out nichts geändert, da der Gesetzgeber durch §§ 327a ff. AktG nicht das allein zulässige Verfahren geregelt, sondern eine weitere Möglichkeit zum Minderheitsausschluss geschaffen hat.[18]

2. Kapitel Grundlagen › VI. Beendigung der Mitgliedschaft › 3. Ablauf und Voraussetzungen des aktienrechtlichen Squeeze out

3. Ablauf und Voraussetzungen des aktienrechtlichen Squeeze out

219

Verfügt ein Aktionär über eine Kapitalbeteiligung in Höhe von 95 % des Grundkapitals einer AG, kann dieser durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 327a AktG) und Eintragung in das Handelsregister (§ 327e Abs. 3 S. 1 AktG) die Übertragung der übrigen Aktien auf sich herbeiführen. Folgende Voraussetzungen sind hierfür im Einzelnen erforderlich:

3.1 Kapitalbeteiligung in Höhe von 95 % des Grundkapitals

220

§ 327a Abs. 1 S. 1 AktG definiert den Hauptaktionär als einen Aktionär, dem Aktien der Gesellschaft (im Folgenden auch Zielgesellschaft genannt) in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören, während die übrigen Aktionäre als Minderheitsaktionäre eingeordnet werden.

221

Als Hauptaktionär kommen sämtliche Personen in Betracht, die Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten sein können.[19] Dementsprechend kommen als Hauptaktionäre auch GbR und Vorgesellschaften in Betracht.[20]

222

Hinsichtlich der Bestimmung der Beteiligungsquote verweist § 327a Abs. 2 AktG auf § 16 Abs. 2–4 AktG. Damit ist zunächst der Gesamtnennbetrag oder – bei Stückaktien – die Gesamtzahl der Aktien der Zielgesellschaft zu ermitteln (§§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 1 AktG). Soweit Kapitalmaßnahmen der Zielgesellschaft zwar initiiert, aber noch nicht abgeschlossen sind, sind diese nur zu berücksichtigen, wenn sie (zum maßgeblichen Zeitpunkt[21]) bereits zur Schaffung von Aktien geführt haben.[22] Es sind mithin nur existente Aktien zusammenzurechnen. Damit sind nicht eingetragene Kapitalerhöhungen ebenso wenig zu berücksichtigen wie bloß genehmigtes, aber nicht ausgeübtes Kapital. Entsprechendes gilt für Wandelschuldverschreibungen oder Aktienoptionen,[23] was in der Praxis dazu führen kann, dass die genaue Bestimmung der Gesamtanzahl der Aktien bzw. des Gesamtnennbetrages und damit die Beteiligungsquote nur schwer zu ermitteln sind.

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Von dieser Summe sind in einem zweiten Schritt gem. §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 2 AktG diejenigen Aktien in Abzug zu bringen, die die Zielgesellschaft selbst (als eigene Aktien) hält oder die ihr nach § 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen sind.[24] Insoweit ließe sich zwar alternativ auch daran denken, diese dem Hauptaktionär nach §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen. Allerdings würde eine solche Zurechnung dem Regelungsmechanismus des § 16 Abs. 2 und 4 AktG nicht ausreichend Rechnung tragen. § 16 Abs. 2 S. 2 AktG behandelt als Spezialregelung eigene Aktien der Zielgesellschaft, während § 16 Abs. 4 AktG generell die Zurechnung von Anteilen abhängiger Unternehmen behandelt.[25]

224

Zu dieser Gesamtaktienanzahl bzw. zu dem Gesamtnennbetrag sind die Aktien des Hauptaktionärs ins Verhältnis zu setzen. Wie der Wortlaut bereits nahe legt, kommt es nicht auf die Stimmrechte, sondern allein auf die Kapitalbeteiligung an, so dass auch stimmrechtslose Vorzugsaktien zu berücksichtigen sind.[26] Für die Ermittlung der Kapitalquote kommt es auch nicht darauf an, ob Aktien des Hauptaktionärs oder Aktien Dritter (bspw. wegen § 20 Abs. 7 AktG oder § 28 WpHG) nicht stimmberechtigt sind;[27] allein die Kapitalbeteiligung ist für die Qualifikation als Hauptaktionär ausschlaggebend. Zu berücksichtigen sind auch Aktien des Hauptaktionärs, die dieser lediglich im Wege eines Wertpapierdarlehens nach § 607 BGB hält.[28]

225

Bei den Aktien des Hauptaktionärs können die Zurechnungsregeln des § 16 Abs. 4 AktG relevant werden. So sind dem Hauptaktionär diejenigen Aktien zuzurechnen, die von ihm abhängige Unternehmen halten.[29] Obwohl es sich bei der Zielgesellschaft um ein vom Hauptaktionär abhängiges Unternehmen handelt, greift insoweit die Sonderregelung des §§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 2 S. 2 AktG,[30] nach der diese Aktien nicht dem Hauptaktionär zugerechnet werden, sondern vom Grundkapital in Abzug zu bringen sind.

226

Dem Hauptaktionär sind auch solche Aktien zuzurechnen, die für seine Rechnung gehalten werden (§§ 327a Abs. 2, 16 Abs. 4 AktG). Dies eröffnet – rechtlich zulässige – Gestaltungsmöglichkeiten. So können sich mehrere Großaktionäre darauf verständigen, ihre Aktien nunmehr (für die Zeit des Squeeze out-Verfahrens) ausschließlich für einen aus ihrer Gruppe zu halten, was letzteren zum Hauptaktionär qualifiziert.[31] Andere Zurechnungsnormen wie bspw. die des WpÜG greifen nicht.

227

Die Beteiligungsquote von wenigstens 95 % muss nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Squeeze out bestehen. Darüber hinaus besteht ein nach § 327b Abs. 1 S. 2 AktG privilegierter Anspruch auf Auskunftserteilung ebenfalls nur dann, wenn der Aktionär bereits als Hauptaktionär zu qualifizieren ist, er mithin über die Beteiligungsquote von wenigstens 95 % verfügt. Ferner muss die Mindestbeteiligungsquote auch zu dem Zeitpunkt bestehen, in dem der Aktionär das Übertragungsverlangen nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG stellt. Schließlich muss die Beteiligungsquote auch noch im Zeitpunkt der Handelsregistereintragung bestehen.[32] Diese Anforderungen können in der Praxis durchaus problematisch werden, da die Gesamtaktienanzahl bzw. der Gesamtnennbetrag Veränderungen unterliegen können.[33] Dementsprechend befürworten Teile des Schrifttums diesbezüglich eine Lockerung der Anforderungen.[34] So soll die Beteiligungsquote zum Zeitpunkt des Übertragungsverlangens und der Informationserteilung unbeachtlich sein, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die notwendige Beteiligungsquote zum Zeitpunkt des HV-Beschlusses vorhanden sein wird.[35] Auch wenn insoweit zuzugeben ist, dass eigentlich nur der Zeitpunkt der Beschlussfassung und der Handelsregistereintragung entscheidend sind, hat der Gesetzgeber klar andere Regelungen vorgesehen, so dass – allein aufgrund der Rechtsfolgen, die durch einen anfechtbaren Squeeze out bewirkt werden[36] – von einem solchen Vorgehen dringend abzuraten ist.

3.2 Verlangen des Hauptaktionärs

228

Der Hauptaktionär muss gem. § 327a Abs. 1 S. 1 AktG verlangen, dass die Aktien der übrigen Aktionäre auf ihn gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung übergehen. Weitere Regelungen zu dem „Verlangen“ des Hauptaktionärs sind in den §§ 327a ff. AktG nicht enthalten. Mit dem „Verlangen“ i.S.d. § 327a Abs. 1 S. 1 AktG ist nicht das Verlangen zur Einberufung der HV zu verwechseln, denn letzteres erfordert gerade keine Beteiligungsquote von mehr als 95 %, sondern wäre schon unter erheblich weniger strengen Voraussetzungen zulässig (§ 122 AktG). Dementsprechend bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut lediglich einer formlosen, an die Gesellschaft (Vorstand, § 78 Abs. 2 S. 2 AktG)[37] gerichteten Willenserklärung des Hauptaktionärs mit dem Inhalt, dass die Aktien der übrigen Aktionäre an den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung übertragen werden sollen. Gleichwohl hat sich in der Praxis ein deutlich formaleres Vorgehen bewährt:

229

Üblicherweise wird das Verlangen auf den Übergang der restlichen Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung mit dem Verlangen auf Einberufung einer HV bzw. Ergänzung der Tagesordnung einer bereits einberufenen HV kombiniert. Zudem ist es empfehlenswert, in dem Verlangen zugleich die Beteiligungsquote des Hauptaktionärs darzulegen und einen Zeitplan für die weiteren vom Hauptaktionär vorzunehmenden Schritte aufzustellen. Dementsprechend sollte sich das Übertragungsverlangen dazu verhalten, wann der Hauptaktionär die Barabfindung festlegen (§ 327b Abs. 1 S. 1 AktG), wann er die Bankerklärung vorlegen (§ 327b Abs. 3 AktG) und wann er seinen schriftlichen Bericht (§ 327c Abs. 2 S. 1 AktG) erstatten wird. Mit diesen Informationen kann die Gesellschaft dann das weitere Vorgehen festlegen.

230

Das Gesetz geht davon aus, dass das Verlangen des Hauptaktionärs den ersten Schritt des Squeeze out-Verfahrens darstellt. Dies dürfte auch in der Praxis der Regelfall sein. Daneben wird auch eine andere Reihenfolge für möglich gehalten. So kann das Squeeze out-Verfahren auch ohne das Verlangen nach § 327a Abs. 1 AktG begonnen und bis zur Hauptversammlung durchgeführt werden. Dies soll namentlich dann zweckmäßig sein, wenn der (spätere) Hauptaktionär noch nicht über die notwendige Mindestbeteiligungsquote verfügt. In diesem Fall stellt sich allerdings die Frage, ob ein Auskunftsanspruch nach § 327b Abs. 1 S. 2 AktG des (späteren) Hauptaktionärs gegenüber der Gesellschaft bereits besteht.[38] Da diese Auskünfte in aller Regel für den schriftlichen Bericht nach § 327c Abs. 2 S. 1 AktG notwendig sind, sollte zu diesem Zeitpunkt schon die Mindestbeteiligungsquote vorliegen. Dies gilt umso mehr, als eine nicht nach § 327b Abs. 1 S. 2 AktG privilegierte Auskunftserteilung einen vollumfänglichen Auskunftsanspruch der restlichen Aktionäre nach § 131 Abs. 4 S. 1 AktG begründet. Verletzt die Gesellschaft ihre Pflichten nach § 131 Abs. 4 S. 1 AktG, kann dies zur Anfechtbarkeit des Squeeze out-Beschlusses führen.[39]

231

Wird ein Verlangen nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG gestellt, ist dies üblicherweise für die Zielgesellschaft (und ggf. auch für den Hauptaktionär) eine ad hoc veröffentlichungspflichtige Tatsache nach § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG.[40]