Handbuch des Aktienrechts

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3.2 Weitere Ausnahmen von der eingeschränkten Wahlfreiheit – Rechtsfolgen bei Verstößen

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Die unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG bestehende Wahlfreiheit zwischen den Aktienarten ist allerdings in einigen Fällen weiter eingeschränkt. So ist die Ausgabe von Inhaberaktien gem. § 10 Abs. 2 S. 1 AktG dann nicht möglich, wenn diese vor der vollen Leistung der (Bar- oder Sach-)[48] Einlage ausgegeben werden sollen. Hierdurch soll es der AG erleichtert werden, ihren Einlageschuldner zu identifizieren,[49] denn ihr gegenüber gilt gemäß der unwiderlegbaren Vermutung aus § 67 Abs. 2 AktG derjenige als Aktionär, der im Aktienregister eingetragen ist,[50] auch wenn die Aktie bereits dinglich übertragen wurde. Wurde trotz ausstehender Einlageleistung eine Inhaberaktie ausgegeben, ändert dies zunächst weder etwas an dem wirksamen Entstehen der Aktie[51] noch an dem Bestehen der Einlagepflicht.[52] Allerdings besteht in einem solchen Fall das Risiko, dass ein Zweiterwerber die Aktie gutgläubig lastenfrei gem. § 936 BGB erwerben kann, also ohne gleichzeitig der Verpflichtung zur Einlageleistung ausgesetzt zu sein.[53] Die Aktie ist dann endgültig zur Inhaberaktie geworden und entsprechend zu behandeln.[54] Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Satzung auch die Ausgabe von Inhaberaktien generell zulässt.[55] Im Fall des gutgläubig lastenfreien Erwerbs bleibt der ursprüngliche Zeichner auch nach Übertragung zur Einlageleistung verpflichtet;[56] ergänzend haften zudem Vorstand und Aufsichtsrat gem. §§ 93 Abs. 3 Nr. 4, 116 AktG für den der AG entstehenden Schaden.[57] Zudem stellt der Verstoß gegen § 10 Abs. 2 S. 1 AktG eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 1 Nr. 1 AktG dar.

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Auch für die Nebenleistungs-AG nach § 55 AktG, bei der an die Inhaberschaft einer Aktie die Verpflichtung zur Erbringung von Nebenleistungen geknüpft ist, sind Namensaktien zwingend vorgesehen. Dies folgt aus § 55 AktG, der für die Nebenleistungs-AG eine Vinkulierung vorschreibt, welche wiederum nur bei Namensaktien möglich ist (§ 68 AktG).[58] Der Grund für den Zwang zur Namensaktie bei der Nebenleistungs-AG liegt seinerseits in dem Bedürfnis der AG, ihre Schuldner schnell und effektiv identifizieren zu können. Werden im Fall der Nebenleistungs-AG fälschlicherweise Inhaberaktien ausgegeben, werden wegen des Verstoßes gegen § 55 Abs. 1 S. 1 AktG die Nebenpflichten nicht wirksam begründet.[59] Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen § 55 Abs. 1 S. 2 AktG.[60] Der gutgläubige Erwerber einer solchen Aktie erwirbt lastenfreies Eigentum an der Aktie, mithin ist er nicht zur Erbringung der Nebenleistungen verpflichtet. Liegt ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 S. 3 AktG vor, enthält eine Nebenleistungsaktie mithin unvollständige oder unrichtige Angaben über die Nebenleistungspflicht, hat dies nicht die Unwirksamkeit der Nebenleistungspflicht zur Folge, so dass der erste Inhaber der Aktie in vollem Umfang zur Erbringung der vereinbarten Nebenleistung verpflichtet ist.[61] Erwirbt ein gutgläubiger Dritter diese Aktie, geht die Verpflichtung nur in dem verbrieften Umfang auf ihn über,[62] da er auf die Einhaltung der zwingenden Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 3 AktG vertrauen darf.[63] In diesem Fall ist auch der ursprüngliche Eigentümer nicht mehr zur Erbringung der Nebenleistungen verpflichtet, denn eine Trennung von Nebenleistungspflicht und Mitgliedschaft ist nicht möglich.[64]

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Daneben müssen gem. § 101 Abs. 2 S. 2 AktG auch Aktien, die ein Entsendungsrecht für Mitglieder des Aufsichtsrats begründen, als (vinkulierte) Namensaktien ausgestaltet sein.[65] Das sog. Inhaberentsendungsrecht wird den Inhabern dieser Aktien durch die Satzung eingeräumt und bildet mit der vinkulierten Namensaktie eine Einheit,[66] so dass das Entsendungsrecht immer dem jeweiligen Inhaber der Aktie zusteht.[67] Durch Übertragung der Aktie auf einen neuen Inhaber erhält der neue Inhaber das Entsendungsrecht.[68]

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Schließlich sind Steuerberatungsgesellschaften (§ 50 Abs. 5 S. 1, 2 StBerG), Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§§ 28 Abs. 5 S. 1, 2 WPO) und Investmentaktiengesellschaften (§ 109 Abs. 2 S. 3 KAGB) gehalten, ebenfalls nur (mit Ausnahme der Investmentaktiengesellschaften: vinkulierte) Namensaktien auszugeben.[69] Ähnliches gilt für Aktien von börsennotierten Luftfahrtunternehmen (§ 2 Abs. 1 LuftNaSiG) und gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen.[70]

3.3 Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien sowie von Namens- in Inhaberaktien

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Bei der Umwandlung einer Aktienart in eine andere ist danach zu unterscheiden, auf wessen Wunsch hin diese Umwandlung erfolgen soll.

3.3.1 Umwandlungsanspruch des Aktionärs

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Nach Aufhebung des § 24 AktG a.F. durch die Aktienrechtsnovelle 2016 ist die satzungsmäßige Einräumung eines Anspruchs für Aktionäre auf Umwandlung ihrer Aktien in eine andere Aktienart nicht mehr ausdrücklich gesetzlich vorgesehen. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass von dieser Möglichkeit in der Praxis kaum Gebrauch gemacht worden sei.[71] Mit der Einschränkung für die Ausgabe von Inhaberaktien durch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG wäre ein Umwandlungsverlangen eines Aktionärs auch nicht mehr ohne weiteres erfüllbar.[72] Bei börsennotierten Gesellschaften würde die Umwandlung der Aktien einzelner Aktionäre zudem einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen.[73] Satzungsmäßige Umwandlungsansprüche für Aktionäre können daher nach dem Willen des Gesetzgebers seit Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 2016 auch generell nicht mehr begründet werden.[74] Bereits bestehende Satzungsbestimmungen i.S.d. § 24 AktG a.F. bleiben jedoch wirksam (§ 26h Abs. 2 EGAktG) und können unbefristet beibehalten werden.[75]

3.3.2 Umwandlung durch Änderung der Satzung

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Möglich und wohl auch der häufigere Fall ist es aber, dass die Umwandlung von einer in eine andere Aktienart auf Initiative der AG erfolgt.[76] Der erste Schritt zur Umwandlung von einer in eine andere Aktienart ist die Änderung der nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG erforderlichen Satzungsbestimmung. Daneben bedarf es keiner gesonderten Zustimmung aller betroffenen Aktionäre, denn der Aktionär hat kein Sonderrecht (§ 35 BGB) auf Beibehaltung seiner bisherigen Aktienart.[77] In einem zweiten Schritt sind die Aktien umzutauschen,[78] wobei die Aktionäre aufgrund des satzungsändernden Beschlusses zum Umtausch verpflichtet sind.[79] Kommen die Aktionäre dieser Pflicht nicht nach, kann die AG die nicht umgetauschten und damit unrichtig gewordenen Aktien für kraftlos erklären.[80] Die Kosten der Umwandlung trägt die AG.[81]

3.4 Schaffung vinkulierter Namensaktien

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Gemäß § 68 Abs. 2 S. 1 AktG kann die Satzung die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft binden (vinkulierte Namensaktien).[82] Es ist auch möglich, dies nur für einen bestimmten Teil der Aktien vorzusehen. Das Gesetz sieht Fälle der notwendigen Vinkulierung beispielsweise in § 55 AktG (Verpflichtung der Aktionäre zu wiederkehrenden Leistungen) und § 101 Abs. 2 S. 2 AktG (Recht zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern) vor. Darüber hinaus werden vinkulierte Namensaktien häufig bei Familiengesellschaften zur Kontrolle des Aktionärskreises vorgesehen oder dienen dem Erhalt der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der AG, mithin dem Schutz vor feindlicher Übernahme.[83]

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Die Vinkulierung ist in der Satzung zu regeln und kann durch die Gründer bereits in der Ursprungssatzung der Gesellschaft für alle auszugebenden Namensaktien vorgesehen werden. Eine solche in der Ursprungssatzung vorgesehene Vinkulierung erfasst nicht nur die ursprünglich, sondern auch die nachträglich im Wege einer Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien, ohne dass es einer gesonderten Festsetzung im Kapitalerhöhungsbeschluss bedarf.[84] Sind hingegen nur ein Teil der ursprünglich ausgegebenen Aktien vinkuliert, bedarf der Kapitalerhöhungsbeschluss einer genauen Festlegung, welche der jungen Aktien nunmehr mit einer Vinkulierung versehen werden sollen. Zudem haben die Inhaber nicht vinkulierter Aktien auch grds. ein Bezugsrecht auf junge nicht vinkulierte Aktien. Sollen auch sie vinkulierte Aktien erhalten, bedarf es ihrer Zustimmung.[85]

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Ebenso ist die nachträgliche Einführung vinkulierter Namensaktien oder die Verschärfung der Vinkulierung möglich. Diese erfordert einen satzungsändernden Beschluss, der der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre bedarf.[86] Denn durch die Vinkulierung wird das einmal geschaffene Recht der Aktionäre eingeschränkt, ihre Aktien frei übertragen zu dürfen. Eine einfache, nicht der Zustimmung sämtlicher Aktionäre bedürfende Satzungsänderung liegt hingegen vor, wenn nur die interne Zuständigkeit für die Zustimmung zur Aktienübertragung geändert wird. So handelt es sich um eine einfache Satzungsänderung, wenn künftig der Aufsichtsrat anstelle des Vorstands über die Zustimmung zur Veräußerung befinden soll.[87] Für die Aufhebung oder Erleichterung der Vinkulierung reicht ein einfacher satzungsändernder Beschluss aus, denn die Aufhebung erweitert lediglich die Rechte der Aktionäre.[88]

 

69

Die Vinkulierung von Namensaktien ist auch dann möglich, wenn die Namensaktien nicht verbrieft sind und nur gem. §§ 398, 413 BGB übertragen werden können.[89] Die Vinkulierung kann auf der Aktienurkunde durch einen Zusatz kenntlich gemacht werden; erforderlich ist dies jedoch nicht.[90]

2. Kapitel Grundlagen › III. Grundkapital und Aktie › 4. Aktiengattungen

4. Aktiengattungen

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Neben der Unterscheidung zwischen verschiedenen Aktienarten (Inhaber- und Namensaktien)[91] und Aktienformen (Nennbetrags- und Stückaktien)[92] ermöglicht das AktG die Schaffung verschiedener Aktiengattungen.[93] Während Aktien unterschiedlicher Aktienarten und -formen dieselben Rechte gewähren, definiert § 11 S. 2 AktG als eine Aktiengattung diejenigen Aktien, die jeweils gleiche Rechte gewähren, so dass Aktien, die unterschiedliche Rechte gewähren, auch unterschiedlichen Gattungen zuzuordnen sind. Über den Wortlaut des § 11 S. 2 AktG hinaus, können auch abweichende Mitgliedschaftspflichten unterschiedliche Aktiengattungen begründen.[94] Als Beispiele für unterschiedliche Aktiengattungen nennt § 11 S. 1 AktG die unterschiedliche Berücksichtigung bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens.

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Kein gattungsbegründendes Merkmal ist – ausweislich der Regelung des § 101 Abs. 2 S. 3 AktG – die Gewährung von Entsendungsrechten.[95] Auch nicht gattungsbegründend sind verschiedene Nennbeträge einer Aktie.[96] Dasselbe gilt für vinkulierte Namensaktien,[97] denn die Vinkulierung begründet keine Pflicht des Aktionärs, sondern schränkt lediglich dessen Möglichkeit der freien Übertragbarkeit der Aktie ein. Entsprechendes gilt für Aktien, die zu unterschiedlichen Ausgabebeträgen ausgegeben werden oder bei denen die Einlageschuld als Bar- oder Sacheinlage erbracht wird.[98] Auch durch den Erwerb von eigenen Aktien durch die AG wird keine eigene Aktiengattung geschaffen, obwohl diese der AG nach § 71b AktG keine und damit weniger Rechte vermitteln als andere Aktien.[99] Da Gattungsmerkmale nur solche sind, die den Aktien – vorbehaltlich einer Gattungsänderung – auf Dauer anhaften, reicht der bloße Erwerb durch die AG nicht aus, um eine neue Gattung zu begründen. Umgekehrt ändert sich die Gattung der Aktien auch nicht dadurch, dass die Aktien von der AG wieder veräußert werden.

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Durch die Schaffung verschiedener Aktiengattungen wird es dem Satzungsgeber ermöglicht, Aktien mit unterschiedlichen Rechten oder Pflichten auszustatten. Das prominenteste Beispiel sind die gesondert zu behandelnden Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.[100] Daneben sind aber zahlreiche weitere gattungsbegründende Merkmale vorstellbar und aktuell Gegenstand rechtswissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Erörterungen.[101]

4.1 Folgen unterschiedlicher Gattungen

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Entscheidet sich die AG für die Schaffung verschiedener Aktiengattungen, hat dies neben dem Umstand, dass die AG insoweit in zulässiger Weise vom Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre (§ 53a AktG) abweichen kann,[102] verschiedene weitere Konsequenzen. So ist bei Kapitalerhöhungen gegen Einlage, bei bedingten Kapitalerhöhungen und der Schaffung genehmigten Kapitals ein Sonderbeschluss jeder einzelnen Gattung herbeizuführen (§§ 182 Abs. 2, 193 Abs. 1 S. 3, 202 Abs. 2 S. 4 AktG).[103] Daneben sind – sofern es sich nicht um Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) handelt, die von den Erleichterungen der §§ 266 Abs. 1 S. 4, 264 Abs. 1 S. 5 HGB Gebrauch machen (§ 152 Abs. 4 S. 1 AktG) – bilanzielle Besonderheiten zu beachten (§§ 152 Abs. 1 S. 2, 160 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Auch beim Teilnehmerverzeichnis nach § 129 Abs. 1 S. 2 AktG sind die Gattungen gesondert auszuweisen. Entsprechendes gilt für die Aktienurkunden, den Zeichnungsschein nach § 185 AktG sowie die Bezugserklärung nach § 198 AktG. Auch bei Kapitalherabsetzungen ist ein Sonderbeschluss jeder Aktiengattung nach §§ 222 Abs. 2, 229 Abs. 3, 237 Abs. 2 S. 1 AktG erforderlich. Schließlich muss in der Satzung gem. § 23 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 4 AktG angegeben werden, ob und wie viele Aktien jeder Aktiengattung ausgegeben wurden.

4.2 Grenzen der Gestaltungsfreiheit

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Zu beachten ist bei der Schaffung unterschiedlicher Gattungen lediglich, dass keine unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigt werden. Zu diesen unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten[104] zählt nach allgemeinen Regeln das Stimmrecht, wenngleich §§ 139 ff. AktG insoweit Sonderregelungen bereithalten.[105] Ebenso wenig ist es nach § 134 Abs. 1 S. 5 AktG zulässig, eine Aktiengattung zu schaffen, für die ein Höchststimmrecht gelten soll, während die Aktien anderer Gattungen keiner derartigen Beschränkung unterworfen sind.[106] Außerdem ist es nicht möglich, eine Aktiengattung zu schaffen, die den Aktionären kein Bezugsrecht einräumt.[107] Entsprechendes gilt für das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung,[108] das Rederecht,[109] das Auskunftsrecht[110] und das Recht eines Aktionärs, Hauptversammlungsbeschlüsse anzufechten.[111]

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Abgesehen von diesen Ausnahmen sind der Phantasie bei der Schaffung verschiedener Aktiengattungen keine Grenzen gesetzt. Es ist insbesondere möglich, eine Aktiengattung zu schaffen, deren Aktien nach § 237 Abs. 6 AktG eingezogen werden können.[112] Damit ist es möglich, Aktien zu schaffen, die mit den im englischen Recht schon lange etablierten redeemable shares jedenfalls zum Teil vergleichbar sind.[113] Soweit erst nach Gründung durch Mehrheitsbeschluss die Ermächtigung zur Zwangseinziehung in die Satzung aufgenommen wird, führt dies automatisch dann zur Schaffung einer neuen Aktiengattung, wenn im Anschluss an die Satzungsänderung durch Kapitalerhöhung neue Aktien geschaffen werden; denn nur diese jungen Aktien können dann ohne Zustimmung des betroffenen Aktionärs eingezogen werden, während die vor der entsprechenden Satzungsermächtigung ausgegebenen Aktien nur mit Zustimmung des betroffenen Aktionärs eingezogen werden können.[114]

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Im Schrifttum wird zudem vielfach die Schaffung sog. Spartenaktien (tracking stocks)[115] als eigene Aktiengattung diskutiert. Obwohl rechtlich grundsätzlich zulässig, kommen diese in der Praxis nur selten vor. Diese Aktiengattung soll wirtschaftlich nur an der Entwicklung einer einzelnen Sparte partizipieren, so dass Gewinne nur insoweit ausgeschüttet werden, als diese durch die jeweilige Sparte erwirtschaftet wurden. Da derartige Spartenaktien sich weit von dem gesetzlichen Leitbild der Aktie entfernen, sind hiermit eine Vielzahl schwieriger Rechtsfragen verbunden, deren höchstrichterliche Klärung noch aussteht.[116] Nur einige der bestehenden Probleme sollen im Folgenden aufgegriffen werden. Zunächst führt die Ausgabe stimmberechtigter Spartenaktien und deren rechtliche Einordnung als Aktiengattung dazu, dass für eine Vielzahl von Kapital- und Umstrukturierungsmaßnahmen Sonderbeschlüsse der Tracking-Stock-Aktionäre erforderlich werden (§§ 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 AktG, 65 Abs. 2 UmwG), die mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu fassen sind. Auch die Ausgabe stimmrechtsloser Spartenaktien hilft diesem durch die Sonderbeschlüsse bedingten Risiko einer Blockade durch die Spartenaktionäre wegen §§ 141, 179 Abs. 3 AktG nur bedingt ab.[117] Ein weiteres Problem stellt die unterschiedliche Interessenausrichtung der Aktionäre dar. Gewöhnlich haben Aktionäre, auch solche verschiedener Gattungen, ein gleichgerichtetes Interesse an der ökonomischen Entwicklung des Gesamtunternehmens. Im Gegensatz dazu haben Spartenaktionäre ein besonderes Interesse an der Förderung ihrer Sparte.[118] Und schließlich fehlt nach deutschem Recht eine einfach zu handhabende Möglichkeit, einmal ausgegebene Spartenaktien wieder abzuschaffen.[119]

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Zudem wird die Spartenbindung einer Tracking-Stock-Aktie durch § 58 AktG begrenzt. Es ist also auch bei entsprechendem Erfolg der Sparte, an der die jeweilige Aktiengattung wirtschaftlich beteiligt sein soll, nicht möglich, mehr Gewinn auszuschütten, als die gesamte AG erwirtschaftet hat – selbst wenn die jeweilige Sparte im Gegensatz zu den übrigen Sparten einen höheren Gewinn erwirtschaftet. Soweit eine solche Beteiligung an einer einzelnen Sparte wirtschaftlich gewünscht wird, sollte erwogen werden, die betreffende Sparte zur Neugründung auszugliedern (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG). Nach der Ausgliederung könnten dann Teile der Aktien an der neuen Gesellschaft, ggf. auch nur Vorzugsaktien, gesondert veräußert werden.

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Neben der durchaus verbreiteten Gattung der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht i.S.d. §§ 139 ff. AktG finden sich in der Praxis namentlich Gattungen von Aktien, deren Inhaber bei der Verteilung des Liquidationserlöses bevorzugt oder benachteiligt werden (§ 271 Abs. 2 AktG) oder deren Inhaber bei der Gewinnverteilung bevorzugt behandelt werden, ohne dass ihr Stimmrecht ausgeschlossen wäre. Weniger verbreitet, aber gleichwohl rechtlich zulässig, sind diejenigen Aktiengattungen, die ihre Inhaber zur Erbringung bestimmter Zusatzleistungen verpflichten (§ 55 AktG).

4.3 Schaffung verschiedener Aktiengattungen bei der Gründung

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Rechtlich unproblematisch ist die Schaffung verschiedener Aktiengattungen bei der Gesellschaftsgründung. Da die Gattung gem. § 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG in der Satzung festgelegt werden muss und die Gründung nur mit Zustimmung aller Gründer erfolgen kann,[120] stellt sich in diesem Rahmen nicht die Frage, welche Zustimmungserfordernisse für die Einführung verschiedener Gattungen erforderlich sind.[121]

4.4 Nachträgliche Schaffung von Aktiengattungen

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Nach Gründung der Gesellschaft können weitere Aktiengattungen geschaffen werden. Dies ist einmal in der Weise möglich, dass bei Kapitalerhöhungen junge Aktien eine neue, eigene Gattung begründen, oder aber in der Weise, dass bestehende Aktien derart umgestaltet werden, dass diese nunmehr einer anderen Aktiengattung zugeordnet werden.

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Werden im Zuge von Kapitalerhöhungen neue Aktiengattungen geschaffen, ist danach zu differenzieren, ob diese neuen Aktien mehr oder weniger Rechte als die bereits ausgegebenen Aktien gewähren. Werden Aktien minderen Rechts geschaffen, bedarf es lediglich eines gewöhnlichen Kapitalerhöhungsbeschlusses.[122] Denn das Bezugsrecht des Aktionärs ist gerade nicht auf die von ihm gehaltene Aktiengattung beschränkt.[123] Problematischer ist die Konstellation, in der die neuen Aktien mehr Rechte gewähren als die bereits ausgegebenen Aktien. Durch die Ausgabe dieser neuen Aktien werden reflexartig die Rechte der bereits ausgegebenen Aktien eingeschränkt.[124] Da es aber – vorbehaltlich des Bezugsrechtsausschlusses – die Altaktionäre durch Zeichnung der jungen Aktien in der Hand haben, die Schmälerung ihrer Rechte durch Bezug der jungen Aktien auszugleichen, spricht einiges dafür, die Kapitalerhöhung wie jede andere Kapitalerhöhung zu behandeln. Dogmatisch ließe sich dies durch analoge Anwendung von § 179 Abs. 3 S. 2 AktG begründen,[125] wobei der „Sonderbeschluss“ – da sämtliche Altaktionäre benachteiligt werden – mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss identisch wäre. Gleichwohl geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass es für die Kapitalerhöhung einer Zustimmung sämtlicher der durch die Ausgabe der neuen (bevorzugten) Aktien benachteiligten Altaktionäre bedarf,[126] denn bei § 179 Abs. 3 AktG handele es sich um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift. Diese die Gesellschaft stark einschränkende Rechtsfolge lässt sich nach h.M. nur durch eine Satzungsbestimmung verhindern, in der die Schaffung von bevorrechtigten jungen Aktien durch Mehrheitsbeschluss ausdrücklich zugelassen wird.[127] Entsprechendes gilt für den Fall, dass die neuen Aktien sowohl Vor- als auch Nachteile gegenüber den alten Aktien aufweisen.[128]

 

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Ebenfalls der Zustimmung sämtlicher betroffener Aktionäre bedarf eine Satzungsänderung, durch die einzelne Aktien einer Gattung zu einer neuen Gattung umgewandelt werden. In einem solchen Fall müssen immer diejenigen Aktionäre zustimmen, die durch die Schaffung der neuen Aktiengattung benachteiligt werden. Werden also einzelne Aktien einer Gattung mit mehr Rechten versehen, müssen die Aktionäre zustimmen, deren Aktien nicht mit neuen Rechten versehen werden, da die Gewährung von Rechten an andere immer mit dem Verlust eigener Rechte einhergeht.[129]