Handbuch des Aktienrechts

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2. Kapitel Grundlagen › II. Struktur

II. Struktur

2. Kapitel Grundlagen › II. Struktur › 1. Trennung von Aktienbesitz und Leitungsmacht

1. Trennung von Aktienbesitz und Leitungsmacht

33

Die AG ist schon von Gesetzes wegen mit drei Organen ausgestattet: Neben der Hauptversammlung und dem Vorstand ist – im Gegensatz zur gesetzestypischen GmbH – ein Aufsichtsrat zwingend vorgesehen. Diese Dreiteilung soll es – entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der AG – ermöglichen, selbst große Unternehmen mit einer unbestimmten Vielzahl von Aktionären effektiv zu steuern. Diesem Leitbild ist es auch geschuldet, dass sich die Rechte der Hauptversammlung auf eine beschränkte Kontrolle und die Wahrung von Vermögensinteressen beschränken.[1] Denn als effektives Leitungsgremium eignet sich eine – aus einer Vielzahl von Aktionären zusammengesetzte und grundsätzlich nur einmal jährlich tagende – Hauptversammlung nicht.[2]

34

Dementsprechend ist die Leitungsmacht gem. § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand zugewiesen, der wiederum von einem Aufsichtsrat gem. § 111 Abs. 1 AktG überwacht wird. Die Kompetenzen der Hauptversammlung sind demgegenüber, obwohl es sich bei den Aktionären um die Eigentümer handelt, auf bestimmte, klar definierte Aufgaben beschränkt.[3] So nimmt die Hauptversammlung grundsätzlich keine Leitungsverantwortlichkeit wahr, sondern ist auf die satzungsmäßig bzw. gesetzlich festgelegten Kompetenzen beschränkt. Die Hauptversammlung ist gesetzlich namentlich für die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats[4] zuständig, soweit diese nicht entsandt werden oder nach mitbestimmungsrechtlichen Normen zu wählen sind (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Daneben entscheidet die Hauptversammlung kraft Gesetzes über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG),[5] die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG),[6] die Bestellung des Abschlussprüfers (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG),[7] Satzungsänderungen (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG),[8] Kapitalmaßnahmen (§§ 119 Abs. 1 Nr. 6, 179 ff. AktG),[9] Verträge, durch die sich die AG dazu verpflichtet, das gesamte Gesellschaftsvermögen zu übertragen (§ 179a AktG),[10] die Anordnung von Sonderprüfungen (§ 119 Abs. 1 Nr. 7 AktG)[11] und die Auflösung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG)[12]. Darüber hinaus entscheidet die Hauptversammlung über Strukturentscheidungen nach dem UmwG[13] und trifft nach den sog. „Holzmüller“- bzw. „Gelatine“-Grundsätzen bestimmte weitere Entscheidungen.[14] Nur wenn der Vorstand dies gem. § 119 Abs. 2 AktG verlangt bzw. wenn der Aufsichtsrat bei zustimmungspflichtigen Geschäften seine Zustimmung verweigert und der Vorstand daraufhin diese Frage der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegt (§ 111 Abs. 4 S. 3 AktG), entscheidet die Hauptversammlung auch über Angelegenheiten der Geschäftsführung.

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Dementsprechend stehen den Aktionären als den Eigentümern der AG kaum Leitungsfunktionen zu, so dass – im Gegensatz zur GmbH – Anteilsbesitz und Leitungsmacht in weiten Teilen auseinander fallen. Der Vorstand ist grundsätzlich unabhängig. So kann die Hauptversammlung von sich aus weder dem Vorstand Anweisungen erteilen noch die personelle Zusammensetzung des Vorstands unmittelbar beeinflussen. Die Hauptversammlung ist vielmehr darauf beschränkt, den Aufsichtsrat zu besetzen, der dann wiederum über die Vorstandszusammensetzung entscheidet. Ebenso wenig hat – anders als bei der GmbH – die Hauptversammlung Einfluss auf die Abberufung des Vorstands, die sogar dem Aufsichtsrat nur aus wichtigem Grund möglich ist. Die Hauptversammlung kann lediglich durch sog. Vertrauensentzug einen wichtigen Grund für die Abberufung von Mitgliedern des Vorstands schaffen (§ 84 Abs. 3 S. 2 AktG),[15] was indessen nur einen faktischen Druck auf den Aufsichtsrat entfalten wird. Denn erzwingen kann die Hauptversammlung eine Abberufung nicht.

2. Kapitel Grundlagen › II. Struktur › 2. Interesse der Aktiengesellschaft

2. Interesse der Aktiengesellschaft

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In verschiedenen Zusammenhängen wird auf das Interesse der Gesellschaft oder das Unternehmensinteresse als Leitmaxime verwiesen. So muss der Vorstand bspw. seine Handlungsspielräume im Interesse der Gesellschaft ausüben,[16] von seiner Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG) darf der Vorstand im Rahmen von Due Diligence-Prüfungen nur im Interesse der Gesellschaft abweichen,[17] und die Entscheidung über die Zustimmung zur Anteilübertragung muss im Interesse der Gesellschaft erfolgen. Bei sämtlichen der vorgenannten Problemstellungen stellt sich demgemäß die Frage danach, was unter „Interesse der Gesellschaft“ oder unter „Unternehmensinteresse“ überhaupt zu verstehen ist.[18]

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In einer AG sind üblicherweise eine Vielzahl von – teils gegenläufigen – Interessen der Beteiligten (sog. Stakeholder) in Einklang zu bringen. Im Einzelnen handelt es sich um die Interessen der Aktionäre, die ihrerseits vielfältig ausgestaltet sein können. So haben Aktionäre, die sich nur kurzfristig an der AG beteiligen möchten, in aller Regel ein Interesse an einer kurzfristigen Kurssteigerung und möglichst hohen Dividendenzahlungen, auch wenn diese Maßnahmen langfristig keine Wertsteigerung der AG bewirken oder sich langfristig sogar wertmindernd auswirken. Demgegenüber möchten die sog. Anlageaktionäre vor allem die nachhaltige Wertsteigerung erzielen. Daneben sind die Interessen der Arbeitnehmer, der Gläubiger und Kunden der AG sowie des Staates für die AG von Bedeutung.

38

Immer dann, wenn das Unternehmens- oder Gesellschaftsinteresse eine entscheidende Rolle spielt, steht den jeweils zur Entscheidung berufenen Personen ein Ermessensspielraum zu. So steht dem Vorstand bei der Unternehmensführung ebenso ein Ermessen zu[19] wie dem Aufsichtsrat, der bspw. über die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien zu entscheiden hat.[20] Dies hat gleichsam zur Folge, dass die Entscheidungsfindung an sich nur einer beschränkten Kontrolle unterworfen ist. Da es der – jedenfalls in Deutschland – vorherrschenden Meinung entspricht, dass nicht exklusiv auf die Interessen der Gesellschafter abzustellen ist, mithin keine exklusive Anteilseignerorientierung (sog. shareholder primacy) besteht,[21] sind sämtliche Interessen im Wege einer praktischen Konkordanz in Einklang zu bringen.

Anmerkungen

[1]

Butzke A. Rn. 5.

[2]

Butzke A. Rn. 7.

[3]

Butzke A. Rn. 5: „beschränkte Kontrolle und die Wahrung der Vermögensinteressen“; BVerfG NJW 2000, 349, 350 = ZIP 1999, 1798, 1799: „anderen Gesellschaftsorganen nicht übergeordnet“.

[4]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[5]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[6]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[7]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[8]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[9]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[10]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[11]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[12]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[13]

Hierzu 9. Kap. Rn. 7 ff.

[14]

Hierzu 9. Kap. Rn. 15.

[15]

Hierzu im Einzelnen 7. Kap. Rn. 71; hierfür reicht üblicherweise noch nicht aus, dass die HV Mitgliedern des Vorstands die Entlastung versagt; vgl. hierzu Hüffer/Koch § 84 Rn. 38.

 

[16]

Hierzu bspw. Hüffer/Koch § 76 Rn. 28 ff.

[17]

Hüffer/Koch § 93 Rn. 32.

[18]

Die Diskussion über das Interesse der Gesellschaft oder das Unternehmensinteresse ist kaum noch überschaubar, vgl. Zusammenfassungen bei Mülbert ZGR 1997, 129 ff; Kuhner ZGR 2004, 244 ff.; Nissing Eigeninteresse der Gesellschaft.

[19]

Hierzu 7. Kap. Rn. 211.

[20]

Hierzu § 68 Abs. 2 S. 3 AktG.

[21]

So auch Hüffer/Koch § 76 Rn. 28 ff.

2. Kapitel Grundlagen › III. Grundkapital und Aktie

III. Grundkapital und Aktie

2. Kapitel Grundlagen › III. Grundkapital und Aktie › 1. Grundkapital

1. Grundkapital

39

Die AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (§ 1 Abs. 2 AktG), das auf einen Nennbetrag in EUR lauten muss (§ 6 AktG). Der Mindestnennbetrag ist gem. § 7 AktG 50 000 EUR. Ein Höchstbetrag ist nicht vorgesehen. Die Gründer sind in ihrer Entscheidung frei, mit wie viel Grundkapital sie ihre Gesellschaft ausstatten.[1] Eine Nachschusspflicht besteht nicht.

40

Bei der Entscheidung, auf welchen Betrag das Grundkapital festgesetzt werden soll, wurde in der Vergangenheit vielfach nicht beachtet, dass die Höhe des Grundkapitals maßgeblich die Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften beeinflusste. Diese Problematik wurde zwar durch die Änderung des § 52 AktG im Rahmen des NaStraG[2] entschärft, da nunmehr nur noch solche Verträge den Nachgründungsvorschriften unterliegen, die mit namhaft beteiligten Aktionären oder Gründern abgeschlossen werden.[3] Sind Verträge mit den vorgenannten Personen aber innerhalb der ersten zwei Jahre nach Eintragung geplant, sollte schon bei der Festsetzung des Grundkapitals darauf geachtet werden, dass durch den Abschluss solcher Verträge die 10 %-Schwelle des § 52 AktG nicht überschritten wird, um die Kautelen der Nachgründung zu vermeiden.

41

Das Grundkapital beschreibt den Betrag, der der AG – soweit er nicht für die Gründungskosten (§ 26 AktG) aufgewandt wird – zur Verfügung gestellt wird und substituiert letztlich die persönliche Haftung der Gesellschafter.[4] Dieser Ersatz der persönlichen Haftung wird durch das Prinzip der Kapitalaufbringung flankiert. Denn nur dann, wenn das Grundkapital der AG effektiv zur Verfügung steht, ist es gerechtfertigt, die Haftung auf das Vermögen der AG zu beschränken. Daher ist es gem. § 9 Abs. 1 AktG auch unzulässig, Aktien unter pari, d.h. unter ihrem Nennbetrag bzw. unter dem Betrag auszugeben, der anteilig auf die jeweilige Stückaktie entfällt.

42

Auch die effektive Aufbringung des Grundkapitals bedeutet freilich nicht, dass Gläubiger sich darauf verlassen können, dass das Grundkapital auch noch unangetastet vorhanden ist, denn durch nachteilige Geschäfte der Gesellschaft kann das Grundkapital vollständig aufgezehrt werden.[5] Gleichwohl bietet das Grundkapital im Zusammenspiel mit den Kapitalaufbringungs-[6] und den Kapitalerhaltungsregeln[7] eine gewisse Sicherheit für die Kapitalausstattung der AG (sog. Garantiefunktion). Daneben übernimmt das Grundkapital eine Sperrfunktion, soll also den Zugang zur AG für diejenigen sperren, die noch nicht einmal das Mindestgrundkapital aufbringen können.[8]

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Bilanziell wird das Grundkapital als gezeichnetes Kapital nach § 266 Abs. 3 A. I. HGB erfasst und ist, abgesehen von Kapitalmaßnahmen, unveränderlich, selbst wenn das gezeichnete Kapital effektiv nicht mehr vorhanden sein sollte.[9]

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Das Grundkapital muss gem. § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG in der Satzung festgesetzt werden. Fehlt eine solche Bestimmung und wird die AG – entgegen §§ 38 Abs. 1 S. 2, 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG – dennoch eingetragen, kann auf Feststellung der Nichtigkeit der AG nach § 275 Abs. 1 S. 1 AktG geklagt werden.

2. Kapitel Grundlagen › III. Grundkapital und Aktie › 2. Zerlegung des Grundkapitals in Aktien

2. Zerlegung des Grundkapitals in Aktien

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Gemäß § 1 Abs. 2 AktG ist das Grundkapital der AG in Aktien zerlegt. Die Zerlegung des Grundkapitals in Aktien hat zur Folge, dass jede Aktie einen Bruchteil des Grundkapitals repräsentiert. Bis 1998 hatte dies in der Weise zu geschehen, dass jede Aktie auf einen bestimmen Nennbetrag zu lauten hatte (sog. Nennbetragsaktien). Die Summe der einzelnen Nennbeträge ergab das Grundkapital.

2.1 Gesetzliche Zulassung von Stückaktien

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Schon seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ist verschiedentlich, üblicherweise im Rahmen der Diskussionen um Aktienrechtsreformen, über die Einführung nennwertloser Aktien diskutiert worden.[10] Gleichwohl konnte sich der Gesetzgeber zunächst nicht zur Schaffung dieser Aktienform durchringen. Zu groß sei die Gefahr, dass hierdurch das Prinzip der effektiven Kapitalaufbringung gefährdet werde und Unsicherheiten bei den Aktionären heraufbeschwört würden. Erst im Rahmen der Euroeinführung im deutschen Gesellschaftsrecht 1998 schuf der Gesetzgeber auch nennwertlose Aktien, die fortan als Stückaktien bezeichnet wurden.[11] Auf diese Weise ermöglichte der Gesetzgeber den AG eine Umstellung auf Eurobeträge, ohne dass hierfür erhebliche Kapitalmaßnahmen erforderlich wurden.[12]

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Damit sind nunmehr sowohl Nennbetragsaktien als auch Stückaktien zulässig, wobei letzterenfalls jede Aktie in gleicher Weise am Grundkapital beteiligt ist. Bei Nennbetrags- und Stückaktien handelt es sich um verschiedene Aktienformen. Weder bei Nennbetrags- noch bei Stückaktien darf der Nennbetrag oder der Anteil, den die jeweilige Aktie am Grundkapital ausmacht, den Betrag von 1 EUR unterschreiten (§ 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3 AktG). Nach wie vor unzulässig – und überdies wegen Problemen im Rahmen von Kapitalerhöhungen auch nicht zweckmäßig – sind sog. Quotenaktien,[13] d.h. Aktien, die auf eine bestimmte Beteiligungsquote lauten.

2.2 Freies Wahlrecht zwischen Nennbetrags- und Stückaktien

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Die Satzung muss festlegen, ob die Aktien auf einen bestimmten Nennbetrag lauten oder als Stückaktien ausgestaltet sind. Die Gründer haben bei der Gründung der AG das Wahlrecht, ob exklusiv entweder Nennbetrags- oder Stückaktien ausgegeben werden sollen. Ein Nebeneinander von Nennbetrags- und Stückaktien ist indessen gem. § 8 Abs. 1 AktG unzulässig. Anders als Stückaktien müssen Nennbetragsaktien, wie § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG klarstellt, nicht den gleichen Anteil am Grundkapital repräsentieren. Es ist also zulässig, Aktien mit unterschiedlichen Nennbeträgen auszugeben.

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Die Entscheidung, ob eine AG Nennbetrags- oder Stückaktien ausgibt, wird regelmäßig zugunsten der Stückaktie ausfallen. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass durch den auf der Aktie auszuweisenden Nennbetrag[14] eher Verwirrung als Klarheit geschaffen wird. Vielfach wird dem Nennbetrag einer Aktie ein besonderer Erklärungswert beigemessen, der diesem aber von vorne herein nicht zukommt. Im Gegenteil: Der Nennwert eignet sich weder zur Wertbestimmung noch zur Ermittlung eines Kurs-/Dividendenverhältnisses und ist daher irreführend. Für den Einsatz von Nennbetragsaktien spricht daher allenfalls der Umstand, dass – im Gegensatz zur Stückaktie – diese auf unterschiedliche Nennbeträge lauten können, ohne dass hiermit allerdings ein echter Vorteil verbunden wäre.

2.3 Nachträgliche Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien

50

Auch unabhängig von einer etwaigen Euroumstellung ist es möglich, nachträglich von Nennbetrags- auf Stückaktien umzustellen. Hierfür müssen zunächst – soweit Aktien mit unterschiedlichen Nennbeträgen ausgegeben wurden – sämtliche Nennbeträge vereinheitlicht werden, denn Stückaktien, die unterschiedliche Anteile am Grundkapital repräsentieren, sind unzulässig.[15] In einem zweiten Schritt können die Nennbetragsaktien durch eine schlichte Satzungsänderung (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG) in Stückaktien umgewandelt werden.[16]

51

Mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3 AktG) werden die ausgegebenen Nennbetragsaktien unrichtig.[17] Die Gesellschaft kann die Aktionäre daher auffordern, die unrichtigen Aktienurkunden bei ihr zum Zwecke des Umtauschs oder der Berichtigung einzureichen. Kommen die Aktionäre dieser Aufforderung nicht fristgemäß nach, kann die Gesellschaft die Nennbetragsaktien nach § 73 Abs. 1 S. 1 AktG für kraftlos erklären. Zwingend ist ein solches Vorgehen indes nicht. Die Gesellschaft kann von der Kraftloserklärung der Aktien zumindest solange absehen, wie nicht die Gefahr der Irreführung besteht.[18]

2.4 Zeichnung über pari

52

Werden Aktien, wie vielfach zu beobachten, zu einem höheren Betrag als dem Nennbetrag oder zu einem höheren Betrag als den durch die Stückaktie vermittelten Anteil am Grundkapital ausgegeben, ist der Mehrbetrag, das sog. Agio, nicht dem Grundkapital zuzuordnen und bilanziell als Kapitalrücklage (§§ 266 Abs. 3 A. II., 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB) zu erfassen. Ob und in welcher Höhe ein Agio verlangt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Namentlich bei der Kapitalerhöhung bei börsennotierten Gesellschaften wird sich der Ausgabebetrag am Aktienkurs und nicht am anteiligen Grundkapital bzw. am Nennbetrag orientieren. Auch im Übrigen kann die Vereinbarung eines Agios schon bei der Gründung zweckmäßig sein. Würden bei der Gründung Aktien zum geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG) ausgegeben, bliebe nur noch wenig Spielraum für die Einwerbung neuen Kapitals durch weitere Kapitalerhöhungen, wenn der Unternehmenswert hinter dem Grundkapital zurückbleibt. In diesem Fall könnten auch die durch die Kapitalerhöhung geschaffenen, neuen Aktien ebenfalls nur zum geringsten Ausgabebetrag ausgegeben werden, obwohl der innere Wert der Aktie geringer wäre. Auf der anderen Seite ist das Agio sofort in voller Höhe durch den Aktionär zu entrichten, während der geringste Ausgabebetrag nur zu einem Viertel einzuzahlen ist (§ 36a Abs. 1 AktG).[19] Ist von vorne herein also bloß die Teileinzahlung vorgesehen, bleibt dieser Vorteil des Aktionärs auf den geringsten Ausgabebetrag beschränkt.

2. Kapitel Grundlagen › III. Grundkapital und Aktie › 3. Aktienarten

3. Aktienarten

3.1 Eingeschränkte Wahlfreiheit zwischen Inhaber- und Namensaktien

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Nach § 10 Abs. 1 S. 1 AktG lauten Aktien (grundsätzlich) auf den Namen des Berechtigten. Sie können (nur dann) auf den Inhaber lauten, wenn die Gesellschaft börsennotiert ist oder der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist und die Sammelurkunde bei einer der in § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG genannten Stellen (Wertpapiersammelbank nach § 1 Abs. 3 S. 1 DepotG[20], Zentralverwahrer nach der Zentralverwahrer-VO[21] oder sonstiger ausländischer Verwahrer, der die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 S. 1 DepotG erfüllt) hinterlegt wird (§ 10 Abs. 1 S. 2 AktG).[22] Die Unterteilung in Namens- und Inhaberaktien begründet lediglich verschiedene Aktienarten und nicht, wie die Unterscheidung zwischen Stück- und Nennbetragsaktien, verschiedene Aktienformen.[23] Da es sich um die gleiche Aktienform handelt, können Namens- und Inhaberaktien (letztere nur, sofern die vorgenannten Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegen, wobei etwa eine Börsennotierung nur für eine Aktienart bereits ausreichend ist[24]) von einer AG ausgegeben werden,[25] selbst wenn dies im Normalfall nicht zweckmäßig sein dürfte.[26] Gem. § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG muss die Satzung bestimmen, welche Aktienart die AG ausgibt. Entscheidet sich die AG für die Ausgabe beider Aktienarten, reicht diese abstrakte Angabe aus. Es muss in der Satzung nicht spezifiziert werden, wie viele Inhaber- und wie viele Namensaktien ausgegeben wurden.

 

54

In der Praxis stellt die Inhaberaktie mittlerweile wohl nicht mehr den Regelfall dar,[27] da namentlich eine Vielzahl der börsennotierten AG in den letzten Jahren ihre Aktien auf Namensaktien umgestellt haben. Im Zeitraum von 1999 bis 2001 wandelten ein Drittel der DAX-30 Unternehmen ihre Inhaberaktien in Namensaktien um.[28] In den Jahren 2008 bis 2011 waren es weitere fünf Unternehmen.[29] Mittlerweile geben 16 der DAX-30 Unternehmen Namensaktien aus (Stand November 2015).

55

Die Gründe für eine solche Umstellung bzw. die Wahl von Namensaktien sind vielfältiger Natur. Nachdem die Handelbarkeit der Namensaktien durch den technischen Fortschritt und die Änderungen durch das NaStraG[30] derjenigen der Inhaberaktie rein tatsächlich weitgehend entspricht,[31] ist der Nachteil, der viele AG in der Vergangenheit von der Namensaktie abhielt, entfallen. Da mithin die Namensaktie zur echten Alternative zur Inhaberaktie wurde, motiviert vor allem der Umstand viele Unternehmen zur Umstellung der Aktien, dass bei der Namensaktie die Aktionäre der AG namentlich bekannt sind. Hierdurch kann die AG die sog. Investor Relations verbessern und – so jedenfalls die entsprechenden Überlegungen – die Aktionäre besser an sich binden. Zudem kann die Gesellschaft durch Beobachtung der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises feindliche Übernahmen besser antizipieren[32] und die Aktionäre schneller erreichen, wenn es darum geht, diese über die Nachteile eines feindlichen Übernahmeangebots zu informieren. Schließlich ist vielfach eine angestrebte Notierung an der New York Stock Exchange Anlass für die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, da dort keine Inhaberaktien gelistet werden können. Damit entfällt das umständliche und kostspielige American Depositary Receipts-Programm, welches auch Unternehmen mit Inhaberaktien den Zugang zum U.S.-Aktienmarkt ermöglicht.[33] Ein weiterer Grund für die Umstellung auf Namensaktien liegt in der Möglichkeit der Vinkulierung.[34] Der Gesetzgeber selbst etablierte mit der Aktienrechtsnovelle 2016 die Ausgabe von Namensaktien als Grundsatz, indem er die Wahl von Inhaberaktien einschränkte (§ 10 Abs. 1 AktG n.F., s.o.). Hierdurch versuchte er, transparentere Beteiligungsverhältnisse und eine effektivere Geldwäschebekämpfung zu erreichen; zuvor hatte die Financial Action Task Force mangelnde Beteiligungstransparenz und unzureichende Informationsmöglichkeiten für Behörden bei deutschen nicht börsennotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien gerügt.[35]

56

Wenn den Gründern ein Wahlrecht zwischen Namens- und Inhaberaktien zusteht – Voraussetzung ist, dass die neu zu gründende AG die Anforderungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt (siehe oben) – werden sie sich bei der Neugründung häufig dann für Namensaktien entscheiden, wenn die Einlagepflicht (noch) nicht direkt vollständig erfüllt werden soll (§ 10 Abs. 2 S. 1 AktG).[36] Aber diese Konstellation zwingt nicht unbedingt zum Einsatz von Namensaktien, denn auch hier können in der Satzung Inhaberaktien vorgesehen und bis zur vollständigen Einlageleistung Zwischenscheine ausgegeben werden.[37] Zum anderen bieten sich Namensaktien dann an, wenn der Aktionärskreis überschaubar ist und bleiben soll. In diesem Fall, wie beispielsweise bei Familien-AG,[38] werden die Namensaktien zudem häufig mit einer Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG versehen, können also nur übertragen werden, wenn die AG zustimmt. Auch wenn Entsenderechte in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 S. 2 AktG gewährt werden sollen, kommt nur die Ausgabe von Namensaktien in Betracht.

57

Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob – gerade im Fall der nicht vollständigen Einlageleistung – die Satzung nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG auch ausschließlich Inhaberaktien vorsehen kann, obwohl – bis zur Einlageleistung – Namensaktien ausgegeben werden.[39] Bereits aus Vorsichtsgründen, aber auch weil die Gegenansicht jedenfalls zeitweilig zu einer unrichtigen Satzung führen würde, sollte die Satzung in diesem Fall auch die Ausgabe von Namensaktien vorsehen.

58

Fehlen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG für die Ausgabe von Inhaberaktien oder fallen diese nachträglich weg, gilt Folgendes:[40] Sieht die Satzung einer nicht börsennotierten Gesellschaft vor, Inhaberaktien auszugeben, ohne dass die Einzelverbriefung ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist die Satzungsbestimmung nichtig.[41] Eine neu zu gründende Gesellschaft kann infolge dieses Eintragungshindernisses nicht eingetragen werden (§§ 38 Abs. 4 Nr. 1, 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG) und damit nicht zur Entstehung gelangen.[42] Würde die Gesellschaft dennoch eingetragen werden, wäre sie in einem Verfahren nach § 399 FamFG zwangsweise aufzulösen.[43] Beschließt die Hauptversammlung einer bereits bestehenden AG nachträglich, anstelle von Namensaktien nunmehr Inhaberaktien auszugeben, ohne die Einzelverbriefung auszuschließen (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG), ist dieser Beschluss nichtig (§ 241 Nr. 3 AktG).[44] Wurde die Einzelverbriefung zwar ausgeschlossen, die Sammelurkunde aber noch nicht bei den in § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a bis c AktG genannten Stellen hinterlegt oder aber die Sammelverwahrung nachträglich aufgehoben, treten die vorgenannten Folgen nicht ein; über die Inhaberaktien muss dann aber ein Aktienregister entsprechend § 67 AktG geführt werden (§ 10 Abs. 1 S. 3 AktG).[45] Wenn eine Inhaberaktien ausgebende börsennotierte Gesellschaft (durch ein Delisting oder Downlisting in den Freiverkehr) nachträglich ihre Börsenzulassung verliert (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG) und es auch an dem nach § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG erforderlichen Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung fehlt, werden ihre Inhaberaktien unrichtig i.S.d. § 73 AktG; sie müssen daher umgetauscht, berichtigt oder mit Zustimmung des Gerichts für kraftlos erklärt werden.[46] Denn die Gesellschaft darf nach § 10 Abs. 1 S. 1, 2 AktG fortan nur noch Namensaktien ausgeben, wofür die Satzung entsprechend zu ändern ist.[47]