Grundlagen der Psychiatrie

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3.3Psychotherapeutische Schulen und Methoden

Der folgende Teil beschränkt sich darauf, einen Überblick zu geben und die einzelnen Psychotherapieformen in ihrem Ansatz darzustellen.

3.3.1 Psychodynamische Psychotherapie

Basis aller psychodynamischer Psychotherapieverfahren ist die von Sigmund Freud entwickelte Psychoanalyse. Der Begriff „Psychoanalyse“ bezeichnet einerseits eine Theorie zur Erklärung unbewusster Prozesse und psychologischer Phänomene, anderseits ein psychotherapeutisches Behandlungsverfahren. Nach dem Verständnis der Psychoanalyse spielt das Unbewusste in Entstehung und Verlauf von psychischen Erkrankungen ebenso eine Rolle wie Einflüsse aus der frühen Kindheit. Die daraus resultierenden Beziehungsmuster und Abwehrmechanismen sollen in der psychoanalytischen Therapie durch freie Assoziation und Deutung des Erlebens und Verhaltens bearbeitet und verändert werden. Dabei spielt die Therapeut-Patient-Beziehung eine besondere Rolle, die auch einer ständigen Analyse unterliegt (Übertragungsbeziehung). Therapieziel aller psychodynamischen Verfahren ist nicht primär die Symptombeseitigung, sondern unbewusste Konflikte und Motive aufzudecken und strukturelle Defizite auszugleichen. Aus der klassischen Psychoanalyse, die mehrmals pro Woche stattfindet und bei welcher der Psychoanalytiker hinter dem auf einer Couch liegenden Patienten sitzt, haben sich zahlreiche praktikablere psychodynamische Verfahren entwickelt: Hierzu zählt man ursprünglich die Individualpsychologie nach Alfred Adler, die analytische Psychologie Carl Gustav Jungs, die analytische Gruppentherapie, psychoanalytische Kurzzeittherapieverfahren, die Transaktionsanalyse nach Eric Berne und die katathym imaginative Psychotherapie nach Hanscarl Leuner. Neu hinzugekommen sind beispielsweise die psychoanalytisch orientierte Psychotherapie, die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference Focused Therapy, Otto Kernberg und John F. Clarkin) oder die Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (MBT, nach Antony W. Bateman und Peter Fonagy). Indikationen für eine psychodynamische Therapie sind bei motivierten PatientInnen Angststörungen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen. Zur Behandlung von PatientInnen mit schweren psychischen Störungen, wie etwa der Schizophrenie, liegen noch keine Empfehlungen vor. Es hat sich jedoch gezeigt, dass psychoanalytisch ausgebildete PsychotherapeutInnen ein besonders hohes Verständnis für psychotisches Erleben haben, was sich auf den Therapieverlauf günstig auswirkt.

3.3.2Verhaltenstherapie

Die Grundannahme der Verhaltenstherapie besagt, dass sowohl der Erwerb als auch die Veränderung von Verhalten auf Lernvorgängen beruht. Damit kann menschliches Verhalten auch wieder verlernt werden, was mit speziellen Methoden und Techniken in der Therapie genutzt werden kann. Um der Komplexität der Beschreibung und Theorie von psychischen Erkrankungen gerecht zu werden, werden Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie, der Lerntheorie, der Sozialpsychologie und aus anderen Gebieten der Psychologie integriert. Entscheidend ist die empirisch-experimentelle Orientierung, die theoretische und praktische Konzepte überprüft und modifiziert. Die Verhaltenstherapie gilt daher als die psychotherapeutische Methode mit dem höchsten wissenschaftlichen Anspruch. Zur Anwendung kommen u. a. Strategien wie operantes Konditionieren, Desensibilisierung, Expositionsverfahren, Selbstsicherheitstraining und Methoden zur kognitiven Umstrukturierung. Operante Verfahren basieren auf Belohnungs- und Bestrafungssystemen mit positiver oder negativer Verstärkung, mit der Zielsetzung der Verhaltensänderung. Die Methode der Desensibilisierung wird u. a. bei AngstpatientInnen angewandt, wobei sich die Betroffenen durch ein Entspannungsverfahren den angstauslösenden Reizen in abgestufter Intensität auszusetzen haben. Durch Exposition und Konfrontation mit einem angstauslösenden Stimulus kommt es durch Gewöhnung zum Angstabbau, was sich z. B. bei PatientInnen mit Zwangserkrankungen bewährt hat. Beim Selbstsicherheitstraining werden Problemlösungsstrategien erlernt und der Erwerb sozialer Kompetenz gefördert. Im Rahmen der kognitiven Umstrukturierung (kognitive Therapie nach Beck) sollen Einstellungen, Haltungen oder Gedanken aufgedeckt und analysiert und in einem zweiten Schritt im Sinne einer Veränderung „umstrukturiert“ werden. Weitere Elemente der Verhaltenstherapie sind die paradoxe Intervention oder Aversionstherapie. In der Praxis ist eine Verhaltenstherapie wesentlich kürzer als ein psychodynamisches Verfahren konzipiert. Indikationen sind mittlerweile fast alle psychischen Störungen, wobei die meisten Arbeiten und wissenschaftlichen Studien über Angststörungen, Zwangserkrankungen, Essstörungen, Abhängigkeitssyndrome, affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen und somatoforme Störungen vorliegen.

3.3.3Humanistische Psychotherapieverfahren

Unter dem Begriff „humanistische Therapieverfahren“ versteht man eine große Gruppe verschiedener Therapiemethoden, die in Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie entwickelt wurden. Sie bildet die dritte Hauptrichtung innerhalb der Psychotherapie. Der theoretische Hintergrund findet sich in den Konzepten der humanistischen Psychologie. Diese in den 1930er- bis 1950er-Jahren entstandene Bewegung rückte vom cartesianischen Wissenschaftsverständnis ab, betrachtete den Menschen als Einheit von Leib und Seele und prägte den Begriff der Ganzheitlichkeit. Das Menschenbild ist von Sinnbezogenheit und Begegnung bestimmt. In der Psychotherapie häufig verwendete Begriffe wie Ganzheit, persönliche Entwicklung, zwischenmenschliche Beziehungen, Selbstregulation, Akzeptanz, Wertschätzung oder Echtheit sind aus der Humanistischen Psychologie abzuleiten. Beeinflusst von der Existenzphilosophie, der Phänomenologie und der Gestaltpsychologie entstanden heterogene Therapieverfahren, die größeren gesellschaftspolitischen Einfluss hatten, statt konsistente und praxisbezogene Therapietechniken hervorzubringen. Zu den Verfahren zählt man die Gestalttherapie nach Fritz Perls, die personenzentrierte Gesprächstherapie nach Carl Rogers, die Existenzanalyse und Logotherapie nach Viktor Frankl sowie das Psychodrama nach Jacob Levy Moreno. Für die Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen liegen nur wenige wissenschaftliche Arbeiten über die Effizienz von humanistischen Therapieverfahren vor. Dies hängt u. a. mit der wissenschaftskritischen Haltung von manchen VertreterInnen der therapeutischen Schulen zusammen, die beispielsweise klassisch psychiatrische Diagnosekonzepte ablehnen. Andererseits forderte bereits Charlotte Bühler den Menschen als Ganzes wissenschaftlich zu betrachten und plädierte für einen interdisziplinären Ansatz.

3.3.4Systemische Psychotherapie

Systemische Psychotherapie ist eine theoriegeleitete Erfahrungswissenschaft ohne einheitlichen theoretischen Hintergrund. Der Ansatz integriert verschiedene Wissenschaften, wie Soziologie, Kybernetik, Chaostheorie, Informations- oder Kommunikationstheorie. Die Therapie wurde darüber hinaus von den Entwicklungen der Familientherapie geprägt, welche zu Beginn stark psychoanalytisch beeinflusst war. Im Zentrum der Betrachtung steht das Individuum als Bestandteil eines sozialen Systems mit seinen Beziehungsstrukturen und Kommunikationsformen. Eine wichtige Annahme in der Systemtherapie ist das Konzept der Zirkularität oder der sich selbst erhaltenden Prozesse. Im Gegensatz zur linearen Kausalität besagt Zirkularität in der systemischen Betrachtungsweise, dass in komplexen Prozessen, etwa innerhalb einer Familie, keine klaren Unterscheidungen zwischen Ursache und Wirkung getroffen werden können. Symptome oder Verhaltenszüge von einer Person wirken auf andere Familienmitglieder in gegenseitiger Wechselwirkung, sodass die Frage „Wie“ wichtiger wird als das „Warum“. So kann das gestörte Verhalten einer Person als Ausdruck einer Störung des ganzen Systems aufgefasst werden, wo der Betroffene zum Symptomträger wird. In der Therapie sollen Interaktionen zwischen den Personen verändert und Verbesserungen in der Problembewältigung erzielt werden. Als Techniken der systemischen Therapie kommen spezielle Fragetechniken, Arbeit mit Metaphern, positive Konnotationen und das Aufstellen von Familienskulpturen zur Anwendung. Die problem- und lösungsorientierte Methode wird als Kurzzeittherapie, entweder als Einzel- oder als Familien- und Partnertherapie angeboten. Verbreitung findet die systemische Therapie nicht nur in der Psychiatrie, sondern zunehmend auch in der Organisationsberatung und im Rahmen von Supervisionen.

3.3.5Entspannungsverfahren

Entspannungsverfahren werden oft von den klassischen Psychotherapiemethoden abgegrenzt, da nur psychophysiologische Effekte erzeugt werden. Die Elemente sind aber nur ein Bestandteil der Therapie und viele Verfahren sind wissenschaftlich geprüft. Angeleitet werden die Übungen auch von PhysiotherapeutInnen, die daneben auch Gymnastik, Massage, Elektrotherapie und rehabilitatives Training anbieten. Zu den klassischen Entspannungsverfahren zählen Hypnose, Autogenes Training, progressive Muskelentspannung und Biofeedback.

Die Hypnose ist vermutlich die älteste Methode der psychotherapeutischen Einflussnahme auf den Menschen. In der modernen Form führt der Therapeut durch Suggestion einen entspannten schlafähnlichen Zustand bei dem Patienten herbei und leitet einen Trancezustand mit Bewusstseinseinengung ein. Durch Veränderung der Willkürmotorik, der vegetativen Funktionen, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses kann es zu einem psychophysischen Entspannungszustand kommen. Hypnotische Verfahren haben sich u. a. zur Schmerzbewältigung, bei Tinnitus und bei Angsterkrankungen bewährt. Ob die Methode auch zur Wiedererinnerung traumatischer Erlebnisse genutzt werden soll, ist umstritten, da durch Suggestion bei manchen PatientInnen, z. B. jenen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen, verzerrte und falsche Erinnerungen wachgerufen werden können.

 

Das Autogene Training (nach Johannes Heinrich Schultz) ist ein einfaches Entspannungsverfahren, bei dem der Patient sich selbst zum „Hypnotiseur“ macht, indem er den Entspannungszustand eigenständig herbeiführt. Durch spezielle Übungen und eigens verwendete Formulierungen („Mein rechter Arm ist ganz schwer …“) kann das vegetative Nervensystem beeinflusst werden. Die Indikationen entsprechen jenen der anderen Entspannungsverfahren.

Bei der progressiven Muskelentspannung (nach Edmund Jacobson) werden die Muskeln willkürlich angespannt und entspannt, was zu einer generellen Entspannung führt und noch leichter als das Autogene Training durchzuführen ist. Dieses meist in der Gruppe praktizierte Verfahren eignet sich für stationäre PatientInnen als Zusatzmethode bei Angsterkrankungen und somatoformen Störungen.

Biofeedback ist eine mit Apparaten unterstütze Methode, bei der vegetative Veränderungen und Vorgänge, wie Atmung, Hauttemperatur, Durchblutung und Muskelspannung, in sicht- oder hörbare Signale umgewandelt und der bewussten Wahrnehmung zugänglich gemacht werden. Ziel ist, dass rückgemeldete Körpersignale in die therapeutisch gewünschte Richtung verändert werden und der Betroffene mehr willentliche Kontrolle über biologische Vorgänge erhält, die für ihn bislang nur schwer beeinfluss- und wahrnehmbar waren. Klinische Anwendungsgebiete sind allgemeine Schmerzen, Spannungskopfschmerzen, Migräne, Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen oder Angsterkrankungen.

3.3.6Sonstige Therapieverfahren

Kunsttherapie ist ebenso ein wirksames Therapieverfahren, bei welchem PatientInnen ohne Verwendung der Sprache innere Wahrnehmungen und Bilder der Psyche ausgestalten können und somit eigenes Erleben und Erkenntnis aktivieren. Gearbeitet wird mit Medien der bildenden Kunst, wie Malen, Zeichnen, Bildhauern, Textil oder Fotografie.

Musiktherapie ist eine kreativitätsbezogene Therapiemethode, die unterschiedliche Formen und Techniken beinhaltet, deren Gemeinsamkeit der Einsatz – sowohl rezeptiv als auch aktiv – von Musik zur Behandlung von psychisch erkrankten Menschen ist. Theoretische Grundlage dieser sehr wirksamen Methode ist die Annahme, dass über vorsprachliche Darstellung unbewusste Prozesse, Ängste oder Motivationen eine Ausdrucksform finden und so wahrgenommen und verarbeitet werden können.

4Ergotherapie und Soziotherapie
4.1Ergotherapie

Der Begriff „Ergotherapie“ wird fälschlicherweise mit Beschäftigungstherapie gleichgesetzt. Ergotherapie ist einerseits ein Oberbegriff für alle Maßnahmen im Rahmen der Arbeits- und Beschäftigungstherapie und anderseits ein spezielles Verfahren, welches dem Patienten kreative Tätigkeit zur Wiedererlangung seiner Alltagsfähigkeiten unter Anleitung ermöglicht. Moderne Ergotherapie beinhaltet daher weit mehr als reine Beschäftigung oder handwerkliche Übungen und betont die handlungsorientierte Interaktion zwischen dem Patienten und seiner Umwelt. In der Krankheitsphase, etwa während einer depressiven Episode, sollen durch Malen, Basteln, Schneidern oder handwerkliche Tätigkeiten Ausdrucks- und Wahrnehmungsmöglichkeiten gefunden werden. Die eigentlichen Ziele der Ergotherapie sind aber das Üben von Alltagstätigkeiten (Haushaltstraining, Kochen, Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln etc.), das Fördern von Ausdauer, Selbstständigkeit und Konzentration, die Erarbeitung von Kompensationsstrategien sowie die Diagnostik und Befunderhebung von allgemeinen Fähigkeiten. Arbeitstherapie, Belastungserprobung und Freizeitaktivitäten mit PatientInnen sind weitere Aufgaben der Berufsgruppe der ErgotherapeutInnen. Die Therapie, welche sowohl als einzelfall- als auch als gruppenbezogene Behandlung durchgeführt werden kann, ist im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich eine etablierte Methode der modernen Psychiatrie und stellt ein Basisprogramm für alle psychischen Störungen dar.

4.2Soziotherapie

Neben der Psychopharmakotherapie und der Psychotherapie stellt „Soziotherapie“ die dritte Behandlungssäule der Psychiatrie dar. Soziotherapie sind alle Verfahren oder Methoden, die in erster Linie die Umgebung und die interaktiven Prozesse von PatientInnen fokussieren. Eine schwere psychische Störung wie eine Schizophrenie oder Demenz stellt immer auch ein soziales Problem für den Betroffenen selbst und dessen Angehörige dar. Da zwischenmenschliche Beziehungen und die soziale Umgebung wesentliche Faktoren für den Verlauf psychischer Störungen sind, sind soziotherapeutische Maßnahmen entscheidend, um dem sozialen Abstieg vorzubeugen, ihn zu bremsen oder gänzlich anzuhalten. Durch soziale Aktivitäten sollen die Fähigkeiten zu Kommunikation und eigenverantwortlichem Handeln gefördert werden. Der Begriff „Soziotherapie“ umfasst neben den bereits erwähnten Maßnahmen vor allem die psychiatrische Rehabilitation. Hier besteht das Ziel einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Störungen, d. h. einer Rehabilitation in eine geregelte Tagesstruktur oder im günstigsten Fall in Erwerbstätigkeit und Beruf. Obwohl fast alle Berufsgruppen in psychiatrischen Institutionen an soziotherapeutischen Handlungen beteiligt sind, zeichnen sich SozialarbeiterInnen mit der größten Fachkompetenz auf diesem Gebiet aus. Existenzsichernde Maßnahmen sowie materielle, soziale und berufliche Hilfestellungen werden etwa durch Einbeziehung der Familie oder Begleitung bei Ämter- und Behördengängen gegeben. Zum Bereich des Tätigkeitsprofils von SozialarbeiterInnen gehören auch Pflegeheimunterbringungen, Abklären von Pensionsansprüchen, Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern, Hilfe bei Wohnungssuche, das Stellen von Rehabilitationsanträgen etc.

IVUrsachen von psychischen Störungen

A. Karwautz

In diesem Kapitel sollen

1.Grundbegriffe der Ursachenlehre erklärt,

2.die bekannten Ursachen bzw. Vorbedingungen psychischer Störungen dargestellt und

3.Modelle, mit denen versucht wird, die bekannten, zur Entstehung der Störungen beitragenden Faktoren in Zusammenhängen zu erfassen, beschrieben werden.

Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Ursachen fast aller psychischer Störungen sind weitgehend unbekannt. Psychiatrische Störungen werden als komplexe Erkrankungen verstanden, die verschiedene Ursachenfelder in ihrer Vorgeschichte vereinen. Diese tragen unterschiedlich stark dazu bei, dass eine Person erkrankt.

1Begriffsdefinition

Die Pathogenese (von griech. pathos, das Leiden, Erleiden und griech. genesis, Entstehung) beschreibt die Mechanismen, wie jemand erkrankt. Pathogenetische Modelle beziehen alle relevanten Faktoren ein, die zur Entstehung einer Krankheit beitragen und setzen sie in Beziehung zueinander.

Die Pathoplastik (von griech. pathos, das Leiden, Erleiden und griech. plastein, formen, bilden) beschreibt diejenigen Faktoren, die eine Erkrankung im Verlauf und in ihrer Ausprägung und individuellen Gestaltung formen (z. B. wirken Persönlichkeit, Lebenssituation und die Qualität sozialer Beziehungen pathoplastisch auf den Verlauf der Erkrankung).

Die Ätiologie (griech. ätia, Ursache und griech. logos, Lehre) beschreibt die Ursachen einer Erkrankung.

Der veraltete Begriff „endogen“ (griech. endo, aus sich selbst heraus und griech. genesis, Entstehung) bedeutet „von innen aus dem Organismus kommend“ und soll jene psychischen Störungen charakterisieren, bei denen keine erkennbare somatische Ursache vorliegt, jedoch eine „im Körper“ vorhandene Krankheitsursache angenommen wird. Zu den endogenen Störungen zählte man u. a. die Schizophrenie und die affektiven Psychosen. In der Depressionsforschung war die Unterscheidung zwischen endogener, psychogener und neurotischer (griech. psyche, Seele; griech. genesis, Entstehung; neurotisch bedeutet: bedingt durch innerseelischen Konflikt) üblich. Dies führte zum triadischen System, welches lange Zeit große Bedeutung im Krankheitsverständnis von psychischen Erkrankungen hatte (siehe Kapitel V, 3.1). In der ICD-10, deren Klassifikation nicht ursachenorientiert konzipiert ist, wurde diese Differenzierung aufgegeben. Der Konflikt zwischen Anhängern der endogenen und der psychogenen bzw. neurotischen Ursachentheorien wird heutzutage wissenschaftlich nicht mehr ernsthaft geführt.

Risikofaktor: Das Vorliegen eines Risikofaktors erhöht die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Der Faktor geht der Erkrankung zeitlich voraus und zeigt eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je mehr Risikofaktoren auf ein Individuum treffen, desto eher kommt es zum Ausbruch einer Erkrankung. Die in verschiedenen Bereichen (biopsychosozial) vorkommenden Umstände können kumulieren und sich in ihrer Wirkung potenzieren wie z. B. bei gleichzeitig bestehendem Alkoholkonsum, Übergewicht, Bewegungsmangel und Nikotinabusus. Risikofaktoren werden im Gruppenvergleich zwischen gesunden und erkrankten Probanden verrechnet und mittels Odds Ratio (OR) bzw. Risikoratio (RR) beschrieben. Sie stellen dar, um wie viel höher das Risiko ist, sich bei Vorliegen von Risikofaktoren in der erkrankten und nicht in der gesunden Gruppe wiederzufinden. Sie sind rein beschreibend und geben keine direkte Auskunft über ursächliche Zusammenhänge.

Die Prädisposition ist eine genetische (ererbte) Anlage oder Neigung bzw. Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen oder Symptome. Prädisponierende Faktoren können biologisch, psychologisch oder psychosozial sein. Ein zur Prädisposition gehöriger Begriff ist die Vulnerabilität (lateinisch: vulnerabel: verletzlich, neigend zu).