Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt

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3 Grundlagen Angebotsseite

AngebotsseiteAuch wenn die Schwerpunkte tourismusgeographischer Ansätze nicht so sehr im Bereich der touristischen Unternehmen (= Touristik) liegen, sondern stärker auf die sozialwissenschaftlichen Aspekte der Nachfrageseite und die Perspektive auf das Destinationsmanagement ausgerichtet sind, soll im Rahmen dieser Einführung in die Tourismusgeographie doch auch in kompakter Form auf ausgewählte Aspekte der privaten touristischen Leistungsträger entlang der touristischen Leistungskette eingegangen werden. Detailliertere Ausführungen zu diesem Aspekt finden sich in stärker betriebswirtschaftlich ausgerichteten Einführungen in den Tourismus, wie z. B. FREYER 2011a.

Lernziele

In diesem Kapitel werden folgende Fragen beantwortet:

 Welche Entwicklungstendenzen kennzeichnen die zentralen Glieder der touristischen Leistungskette?

 Welche Rolle kommt den spezifischen Eigenschaften von touristischen Produkten im Hinblick auf das Marketing zu?

 Welche Grundprinzipien des Marketings sind im Tourismus relevant?

 Welche Funktion haben Marken im Tourismus?

 Welche Herausforderungen stellen sich durch die Entwicklungen im Social Web?

3.1 Die touristische Leistungskette

touristische LeistungsketteEin zentrales Grundprinzip von touristischen Dienstleistungen (vgl. auch Merkmale von Dienstleistungen in Kap. 3.2.1) ist, dass es sich um vergleichsweise komplexe Dienstleistungen handelt. Von der Potentialphase, d. h. der Vorbereitung der eigentlichen Dienstleistungsinanspruchnahme mit der Information und der Buchung (vgl. Abb. 31), über die konkrete Reise mit Transport, Aufenthalt vor Ort bis hin zur Nachbetreuung zerfällt eine touristische Dienstleistung üblicherweise in mehr Einzelschritte als z. B. ein Friseurbesuch oder auch eine medizinische Behandlung beim Hausarzt. Die Komplexität wird insbesondere dadurch gesteigert, dass die Dienstleistung an einem anderen Standort als dem Wohnstandort (bzw. auch an wechselnden Standorten) nachgefragt wird.

Abb. 31:

Die touristische Leistungskette (Quelle: eigener Entwurf nach FREYER 2011b, S. 83)

Damit sind sowohl im Quellgebiet (z. B. Reisebüro oder Reiseveranstalter) als auch im Zielgebiet (Beherbergungseinrichtungen oder Anbieter von touristischen Aktivitäten) touristische Leistungsträger involviert. Darüber hinaus werden auch beim Transport zwischen Quell- und Zielgebiet zusätzliche Leistungen nachgefragt. Zwar versuchen integrierte Tourismuskonzerne wie z. B. die TUI teilweise, eine Vielzahl von Teilleistungen – vom Vertrieb in eigenen Reisebüros über den Transport mit eigenen Airlines und die Unterbringung in eigenen Hotels bis hin zur Betreuung durch eigene Incoming-Agenturen –, das Produkt „Reise“ möglichst aus einer Hand anzubieten. Üblicherweise sind es aber mehrere touristische Leistungsträger, die am Produkt „Reise“ beteiligt sind. Insbesondere in den Destinationen handelt es sich dabei oftmals auch um kleinere Unternehmen, sodass die Tourismusbranche insgesamt von einer Vielzahl klein- und mittelständischer Unternehmen (KMU) geprägt ist.

3.1.1 Reiseveranstalter

Innerhalb der touristischen Leistungs- bzw. Servicekette übernehmen die ReiseveranstalterReiseveranstalter eine zentrale Rolle. Von ihnen wird üblicherweise das „Paket“ Reise geschnürt aus den Angeboten mehrerer anderer Dienstleister – insbesondere in den Zielgebieten –dem Endkunden angeboten.

Der Reiseveranstaltermarkt zeigt damit ein im Tourismus auch in anderen Bereichen typisches Merkmal: einerseits ein hohes Maß an Konzentration und andererseits eine Vielzahl von sehr kleinteiligen Veranstaltern. Etwas vereinfachend kann gesagt werden, dass das standardisierte Volumengeschäft von wenigen großen Veranstaltern abgewickelt wird, während eine Vielzahl von kleineren Anbietern insbesondere Spezial- und Nischenangebote anbietet.

Als die drei traditionellen großen deutschen Reiseveranstalter sind anzusprechen:

1 Die TUITUI (Touristik Union International), die 1968 aus einem Zusammenschluss von mehreren unabhängigen Veranstaltern (Touropa, Scharnow-Reisen, Hummel-Reisen und Dr. Tigges-Fahrten) gegründet worden ist. Das Unternehmen mit Sitz in Hannover ist damit der klassische Vertreter des Konzentrationsprozesses in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts und war lange auch eindeutig die Nummer 1 im deutschen Markt mit einer klaren Ein-Marken-Strategie. Die TUI kann als hochgradig vertikal integrierter Reisekonzern angesprochen werden, der über eigene Reisebüros, eine eigene Fluglinie, eigene Hotels und Incoming-Agenturen sowie sogar eine eigene Kreuzfahrttochter verfügt. Gleichzeitig ist die TUI mit einer Reihe von Tochterfirmen in unterschiedlichsten Ländern nicht nur in Europa, sondern global tätig.

2 Der Reiseveranstalter NeckermannNeckermann übernahm nach mehreren anderen Unternehmen 2001 auch den traditionellen englischen Reiseveranstalter Thomas CookThomas Cook (vgl. Kap. 1.2.1). Seit der Fusionierung werden beide Namen (als klassische Zwei-Marken-Strategie) geführt (neben den Marken anderer kleinerer ebenfalls übernommener Unternehmen wie z. B. Öger Tours). Auch Thomas Cook/Neckermann kann bis zur Insolvenz 2019 als weitgehend integrierter Reiseveranstalter angesprochen werden.

3 Die REWE als eigentlich klassisches Einzelhandelsunternehmen hat sich durch Aufkäufe – zuletzt im Jahr 2015 durch Kauf des Schweizer Reiseveranstalters Kuoni – zum drittgrößten Reiseveranstalter Deutschlands entwickelt. Dass die Tourismusunternehmen zum Konzernumsatz etwa 10 % beitragen ist deshalb oftmals nicht bewusst, da die ursprünglichen Reiseveranstalter (u. a. IST, Jahn Reisen, Tjaereborg, DERTOUR, Meiers Weltreisen, ADAC Reisen) lange Zeit in einer Mehrmarkenstrategie separat geführt wurden. 2013 wurde allerdings damit begonnen, die einzelnen Veranstalter unter der Dachmarke bzw. Gruppenmarke der „DER Touristik“ DER Touristik zusammenzufassen. Auch die REWE-GruppeREWE-Gruppe verfügt über eigene Hotelmarken und teilweise eigene Incoming-Agenturen in den ausländischen Destinationen.

Bezogen auf den Umsatz (vgl. Abb. 32) vereinigen diese drei Reiseveranstalter zusammen mit dem vierten Unternehmen, der FTI Group etwa die Hälfte des Umsatzes der deutschen Reiseveranstalter in Höhe von etwa 36 Mrd. € im Jahr 2018 (fvw 2019, S. 7). Damit dokumentieren sie den hohen Grad an Konzentration in der Branche. Gleichzeitig ist der relative Anteil (bei insgesamt steigenden Umsätzen) in den letzten Jahren – trotz mehreren Zukäufen – gesunken. 2005 konnten die beiden Veranstalter TUI und Neckermann noch fast die Hälfte des Veranstalterumsatzes auf sich vereinigen. Dies bedeutet, dass die kleineren – oftmals stärker spezialisierten Veranstalter – insgesamt gesehen eine höhere Wachstumsdynamik aufwiesen als die großen Pauschalreiseveranstalter. Und dies trotz deren Bemühen, neben den klassischen Pauschalreisen (mit einem Schwerpunkt beim Badetourismus) eine Diversifizierungsstrategie zu verfolgen und auch verstärkt mit Spezialangeboten (Wellness, Studienreisen etc.) und bei sog. Bausteinreisen tätig zu werden. Letztendlich spiegelt sich damit auch im ReiseveranstaltermarktReiseveranstaltermarkt die Parallelität von fordistisch geprägten, den sog. „Economies of ScaleEconomies of Scale“ (= Skalenvorteile) folgenden Produktionsweisen und den tendenziell eher post-fordistischen „Economies of ScopeEconomies of Scope“ (= Verbundvorteile), d. h. einer Produktionsweise, bei der die zentralen Wettbewerbsvorteile in den Interaktionen zwischen kleinen flexiblen Unternehmen gesehen werden. Für diese These spricht auch der Marktaustritt von Thomas Cook/Neckermann im Jahr 2019.

Abb. 32:

Der deutsche Veranstaltermarkt: Umsatzanteile 2018 (Quelle: eigene Darstellung nach Daten DRV 2019, S. 14)

Entsprechend dem klassischen Lebenszyklusansatz (vgl. Kap. 1.2.2.1) erlauben innovative, spezialisierte Produkte höhere Erträge als in der Reifephase befindliche – und damit stärker standardisierte Produkte. Auch wenn die Erträge der Unternehmen pro Pax (Reisegast) nicht verfügbar sind, erlauben zumindest die Umsätze je verkaufter Reise einen Hinweis auf unterschiedlich hohe Deckungsbeiträge. Während eine durchschnittliche Reise bei hochpreisigen Spezialreiseveranstaltern zwischen 2.000 und 5.000 € kostet (fvw 2019, S. 12ff.), liegen klassische Pauschalreiseveranstalter eher im Bereich 400 bis 800 € pro verkaufter Reise.

Die genaue Zahl der über Reiseveranstalter gebuchten Reise ist – aufgrund der diversen Internetplattformen und -portale und damit einer Flexibilisierung des Buchungsverhaltens – nicht mehr exakt anzugeben. Die Ergebnisse der Reiseanalyse, das von Deutschen ca. 40 % der (längeren Urlaubs-) Reisen als Pauschal- oder Bausteinreise gebucht werden (FUR 2019, S 39) spiegelt gleichwohl in etwa die Bedeutung der Veranstalter im Reisemarkt.

Die Entwicklung des Verhältnisses von PauschalreisenPauschalreisen (erst ab 2005 werden auch Bausteinreisen bei einem Anbieter mit erfasst) und individuell organisierten Reisen wird in der ReiseanalyseReiseanalyse seit 1970 (allerdings nur für längere Urlaubsreisen und nicht für Kurzurlaubsreisen) erfasst (vgl. Abb. 33). Während früher die selbst organisierte Reise (oftmals mit Pkw-Anreise und direkter Buchung eines Quartiers in der Destination) dominierte, hat Ende des 20. Jahrhunderts der Anteil von bei Reiseveranstalter gebuchten Reisen deutlich zugenommen. Verbunden ist dies auch mit der Zunahme von Flugreisen in weiter entfernt liegende Destinationen (vgl. Kap. 2.1.2). Seit der Jahrtausendwende stagniert der (relative) Anteil von Pauschalreisen bzw. ist leicht rückläufig (auch wenn die absolute Zahl der bei Reiseveranstalter gebuchten Reisen nach wie vor ansteigt, wobei dies wohl auch auf die zunehmende Zahl der über Reiseveranstalter gebuchten Kurzreisen zurückzuführen ist). Damit zeigen sich auch hier die im Tourismusmarkt immer wieder auftretenden Veränderungen und Herausforderungen für die Anbieter. Einer der zentralen Hintergründe für die (relative) Abnahme von Veranstalterreisen ist die Tatsache, dass in den letzten Jahren der direkte Vertrieb über das Internet deutlich an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Kap. 3.1.4)

 

Abb. 33:

Entwicklung des Anteils organisierter Urlaubsreisen und von Individualreisen seit 1970 (Quelle: eigene Darstellung nach Daten FUR div. Jahrgänge)

Über das Internet werden zwar auch nach wie vor Veranstalterreisen gebucht. Gleichzeitig ist aber der direkte Zugriff auf Flüge oder Übernachtungsmöglichkeiten über die entsprechenden Plattformen für den Endkunden deutlich einfacher geworden. Damit wird die Einschaltung von zwischengeschalteten Reiseveranstaltern (und auch Reisemittlern), die dem Kunden entsprechende Pauschalpakete schnüren, weniger notwendig. Eine weitere Rolle mag auch die Flexibilisierung und Individualisierung der Nachfrageseite spielen (vgl. Kap. 2.2.3). Das Gefühl, sich individuell einen Urlaub (im Internet) zusammenzustellen, statt eine vorgefertigtes standardisiertes Reiseprodukt „von der Stange“ zu konsumieren, ist für einen Teil der Reisenden ebenfalls ein relevantes Motiv.

Die Reiseveranstalter stehen damit nicht nur im Spannungsfeld zwischen dem Trend zur Konzentration und der Spezialisierung auf klar identifizierte spezifische Teilsegmente. Gleichzeitig stellen neben dem Multi-Channel-Vertrieb auch eine klare Kundenorientierung (vgl. Kap. 2.3) und eine Konzentration auf spezielle unverwechselbare Angebotsbündel eine der zentralen Herausforderungen für die Branche dar.

3.1.2 Übernachtungsbetriebe

Auch die Entwicklung bei den ÜbernachtungsbetriebenÜbernachtungsbetriebe weist eine Entwicklungsdynamik auf, die vom Wechselspiel zwischen Konzentrationstendenzen und Spezialisierung geprägt ist. Damit verbunden sind auch das Spannungsverhältnis von Convenience und Standardisierung versus Individualisierung und Erlebnisorientierung.

Abb. 34:

Betriebsarten im Beherbergungswesen (Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an FREYER 2011a, S. 145)


Betriebe Betten Auslastung
Insgesamt 50.685 3.702.882 39,8 %
Klassische Hotellerie 31.727 1 846 611 45,3 %
Hotels (ohne Hotels garnis) 12.924 1.154.629 47,3 %
Hotels garnis 7.105 402.202 48,7 %
Gasthöfe 6.603 168.613 30,7 %
Pensionen 5.095 121.167 35,4 %
Parahotellerie (inkl. Ferienzentren, ohne Camping) 14.252 732.459 34,8 %
Ferienzentren 1.602 124.071 33,9 %
Erholungs- und Ferienheime 115 64.700 48,7 %
Ferienhäuser und Ferienwohnungen 10.657 381.528 31,8 %
Jugendherbergen und Hütten 1.878 162.160 37,1 %
Campingplätze 2.979 894.560 14,7 %
Sonst. tourismusrelevante Unterkünfte 1.727 229.252 70,1 5
Vorsorge- und Rehabilitationskliniken 866 153.374 85,8 5
Schulungsheime 861 75.878 38,3 5

Tab. 3:

Beherbergungsbetriebe, Betten und Auslastung in Deutschland 2018 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2019)

Das gewerbliche BeherbergungswesenBeherbergungswesen kann grob unterteilt werden in den Bereich der klassischen Hotellerie und die sog. Parahotellerie (vgl. Abb. 34). Ferienzentren stehen als eine Art Zwischenkategorie zwischen den beiden Hauptformen. Innerhalb der Hotellerie wird zwischen den Betriebsformen Hotel, Hotel garni (ohne Restaurant), Pension und Gasthof unterschieden. Auch wenn es keine definitorischen Größenordnungen für die einzelnen Betriebsformen gibt, sind Pensionen, Gasthöfe und Hotel garnis eher von kleineren Betriebsgrößen geprägt, während Hotels im Durchschnitt über mehr Betten verfügen. Die Vielfalt der touristisch relevanten Übernachtungsangebote zeigt sich insbesondere im Bereich der Parahotellerie, bei der unterschiedlichste Größenklassen (von der einzelnen Ferienwohnungen und Privatzimmern bis zu großen Kurkliniken), ein breites Spektrum an Preisklassen und auch die Ausrichtung an unterschiedlichsten Zielgruppen und Tourismusformen deutlich wird.

Insgesamt werden in der Bundesrepublik (2018) von gut 50.000 Betrieben etwa 3,7 Mio. Betten angeboten (vgl. Tab. 3; ein Stellplatz auf einem Campingplatz zählt dabei wie 4 Betten). Auf die klassische Hotellerie entfallen dabei nur 57 % der Betten und auf die Hotels i. e. S. nur gut ein Drittel. Damit wird deutlich, dass die Vielfalt der Übernachtungsangebote auch stark von den der Parahotellerie zugerechneten Betriebsformen mit geprägt werden, die oftmals in der Diskussion nur begrenzt wahrgenommen werden.

Ein Blick auf die Auslastungsquoten dokumentiert eine breite Streuung, wobei insbesondere auch die kleineren Betriebe (Gasthöfe, Pensionen, Ferienwohnungen; Privatzimmervermietung unter 9 Betten wird in der amtlichen Statistik nicht erfasst) mit den – offiziell gemeldeten – Auslastungsquoten von weniger als einem Drittel unterhalb des Bereichs liegen der als Faustformel für den Break Even, d. h. das Erreichen der Gewinnschwelle notwendig ist.

Dementsprechend ist bei diesen Betriebsformen in den letzten Jahren auch eine deutliche Abnahme der Anbieter zu verzeichnen, während gleichzeitig das Bettenangebot insgesamt steigt. Der Konzentrationsprozess im Beherbergungswesen weist damit ähnliche Merkmale auf, wie z. B. der Strukturwandel im Einzelhandel. Bei traditionellen Betriebsformen, die nur noch partiell die Rentabilitätsschwelle überschreiten, werden – oftmals im Zuge des Generationenübergangs – Betriebe aufgegeben, während andere Angebotstypen an Bedeutung zunehmen. Im Beherbergungswesen sind dabei – wie auch bei anderen Gliedern der touristischen Leistungskette – wiederum zwei teilweise gegenläufige Entwicklungen zu konstatieren.

1 Eine Zunahme im Bereich der standardisierten Kettenhotellerie. Hier werden Wettbewerbsvorteile entsprechend der fordistischen Produktionsweise über Standardisierung, relativ große Betriebe und eine hohe Marktpräsenz generiert. Die überproportionale Größe von Kettenhotels dokumentiert sich darin, dass diese etwa 12 % der Hotelbetriebe aber etwa 40 % der Hotelbetten stellen. Die von den Kettenhotels realisierte überdurchschnittliche Auslastung kann daraus abgeleitet werden, dass auf diese geschätzte 50 % des Umsatzes im Hotelgewerbe entfallen (Quelle: IHA 2015, S. 226). In eine ähnliche Richtung, d. h. Realisierung von Kostenvorteilen und Synergieeffekten beim Einkauf und der Vermarktung zielen auch Hotelkooperationen (wie z. B. Best Western) ab.

2 Den Weg der Spezialisierung und des Abhebens vom Massenmarkt schlagen demgegenüber (zumeist inhabergeführte) Hotels ein, die mit Thematisierung oder der Ausrichtung als Designhotels versuchen, sich eine entsprechende Nachfragenische zu schaffen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass insbesondere die individuelle Kundenansprache und die nichtstandardisierte Atmosphäre ein Positionierungsmerkmal von inhabergeführten Hotels sein kann. In eine ähnliche Richtung zielen z. B. auch die Angebote im ruralen Tourismus (wie die Fincas auf Mallorca) oder auch sog. „Hôtel de charme“ bzw. „Gîtes“ in Nordafrika ab (vgl. KAGERMEIER 2015, siehe auch Kap. 7.2.2 und 7.2.4).

Box 7 | Die Hotelkette Accor Accor als Beispiel für eine klar differenzierte Markenstrategie differenzierte Markenstrategie

Als exemplarisch für eine klare Markenpositionierung im Bereich der Kettenhotellerie kann die Unternehmensgruppe Accor genannt werden. Diese deckt mit ihren insgesamt 15 Marken systematisch vom hochpreisigen Luxussegment (Sofitel, MGallery, Pullman), über das mittlere (Novotel & Mercure, Mercure Suite) bis hin zum Economy-Segment ab. Das Economy-Segment wurde früher von den Marken Ibis, Etap, Formule 1 und All Seasons, gebildet, die inzwischen unter der Ibis-Dachmarke (mit Ibis, Ibis budget und Ibis styles) zusammengefasst worden sind.

Mit der Adressierung unterschiedlicher Zielgruppen und einer systematischen Positionierung in unterschiedlichen Destinationen zählt der Konzern 2019, der weltweit über 4.900 Hotels mit 720.000 Zimmern verfügt, zu den führenden Hotelunternehmen weltweit. In Deutschland verfügt Accor über etwa 360 Hotels mit gut 45.000 Zimmern (zur Website:www.accor.com).

 

Als jüngste Herausforderung für das Übernachtungsgewerbe werden aktuell die in den letzten Jahren boomenden Angebote im Bereich der Share Economy angesehen. Mit Internetplattformen wie Couchsurfing oder Airbnb ist das tra-ditionelle VFR-Segment (Visit Friends and Relatives; vgl. 2.1.3) um eine neue Dimension erweitert worden. Der Match-Making-Prozess über die Internetplattformen erlaubt es nicht mehr, nur im direkten Bekanntenkreis zu übernachten, sondern ermöglicht das Zueinanderfinden von Personen, die über ungenutzte Übernachtungsmöglichkeiten verfügen und Gästen, die Unterkünfte – insbesondere in Städten – suchenMarkenstrategie.

Insbesondere in Berlin werden die Auswirkungen dieser Share Economy-Angebote intensiv diskutiert (vgl. auch Kap. 6.3.3). Allerdings erscheint die Diskussion – auch wenn in einzelnen Quartieren Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt durchaus vorhanden sind – mehr als ein Sturm im Wasserglas, wenn die aktuellen Verhältnisse genauer betrachtet werden. Da Sharing ja kein neues Phänomen ist, sondern lediglich über die Internetplattformen eine zusätzliche Dynamik erfahren haben, nehmen sich die ca. 10.000 bei Airbnb 2014 registrierten Anbieter mit insgesamt ca. 250.000 Gästen (vgl. KAGERMEIER, KÖLLER & STORS 2015) aber eher gering aus im Vergleich zu den 26,2 Mio. Übernachtungen im traditionellen VFR-Segment (Tourismus & Kongress GmbH, 2012, S. 6) und den im Jahr 2017 in gewerblichen Übernachtungseinrichtungen registrierten gut 31 Mio. Nächtigungen (Statistisches Bundesamt 2018). Auch wenn sicherlich in manchen Vierteln das Phänomen konzentrierter ist, erscheint die Diskussion symptomatisch für viele Diskussionen im Tourismus. Statt sich der Herausforderung von Marktinnovationen offensiv zu stellen und insbesondere die Motive der Airbnb-Gäste nach individuellen und auf ihre spezifischen Bedürfnisse ausgerichteten Übernachtungsmöglichkeiten (genauer bei KAGERMEIER, KÖLLER & STORS 2015) proaktiv zu reagieren, werden – ähnlich wie bei der Bettensteuer (vgl. Kap. 4.4.2) – fast reflexartig abwehrende Schutzmechanismen aktiviert, die auf eine Erhaltung des Status quo abzielen. Teilweise erinnert die protektionistische Grundhaltung an die Konkurrenz reduzierende Ständeordnung früherer Jahrhunderte. Den Herausforderungen und der Dynamik im Tourismusmarkt wird nach wie vor von vielen Akteuren oftmals noch nicht positiv und proaktiv begegnet.

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