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6.4 Von der Inhaltsorientierung zur Kompetenzorientierung im Unterricht

Wie in Kapitel 2 dargestellt, bringt der Wechsel von der Inhalts- zur Kompetenzorientierung tief greifende Veränderungen. Während in Zeiten der Inhaltsorientierung das Fachwissen im Zentrum stand, sind im kompetenzorientierten Unterricht die weiteren Kompetenzdimensionen als gleichbedeutend einzustufen:

Haltung, Einstellung und Motivation sind für das Erreichen eines qualitativ guten Arbeitsergebnisses zentral, sie sind das Fundament, auf dem die weiteren Kompetenzdimensionen aufbauen. Defizite in diesem Bereich wirken sich nachteilig auf die anderen Dimensionen aus (vgl. Grassi et al., 2014, Kapitel 3, «Voraussetzungen gelingenden Lernens»).

Metakognition und Reflexionsfähigkeit sind Kompetenzdimensionen, die in der heutigen Arbeitswelt unverzichtbar sind. Beide Dimensionen beziehen sich auf eine bewusst aufgebaute Distanz zum unmittelbaren Geschehen und Verhalten. In beiden geht es um die Fähigkeit, eine «Adlerperspektive» auf das unmittelbare Geschehen und das eigene Handeln einzunehmen. Dabei meint Metakognition die für die Arbeitswelt zentralen Tätigkeiten wie vorausschauen (antizipieren), planen, überwachen und kontrollieren. Reflexionsfähigkeit betont die Fähigkeit, aus einer gewissen Distanz, auf das eigene Handeln, die eigene Leistung zurückzublicken, um daraus Folgerungen für die Zukunft abzuleiten.

Umsetzungspotenzial

Kompetenzorientierung meint auch den Wechsel von der Input-Orientierung (welche Inhalte wurden vermittelt bzw. erarbeitet?) zur Output-Orientierung in der Ausbildung. Kompetenz zeigt und bewährt sich in konkreten Handlungen. Lernende sollen immer wieder berufliche Situationen meistern, indem sie ihre Ressourcen (Kenntnisse, Fähigkeiten, Haltungen) situationsgerecht bündeln und einsetzen, um Situationen zu meistern. Wir sprechen deshalb von «beruflicher Handlungskompetenz» und meinen damit, dass es nicht genügt, die Kompetenz «an Bord zu haben». Vielmehr kommt es darauf an, sie in einer konkreten Situation auch tatsächlich zu zeigen.

Auch bei der Dimension des Wissens ergeben sich durch die Kompetenz­orientierung Veränderungen: Einerseits gilt es, Wissen nicht einfach zu reproduzieren, sondern die Inhalte zu verstehen und bei konkreten Beispielen anzuwenden, Wissensinhalte zu vergleichen und nötigenfalls anzupassen. Andererseits sind Wissensinhalte zueinander in Bezug zu setzen, das heisst zu vernetzen. Gefestigtes und gut vernetztes Fachwissen ist die unabdingbare Basis der beruflichen Handlungskompetenz.

6.5 Kompetenzorientierter Unterricht an der Berufsschule

Diesen Veränderungen gilt es an allen drei Lernorten Rechnung zu tragen. Das pädagogisch-didaktische Konzept gibt sowohl für die Fachkurse als auch für die überbetrieblichen Kurse eine Aufbaustruktur vor.


Abbildung 6-14: Aufbaustruktur der Fachkurse

Die zeitlichen Anteile der einzelnen Lernphasen betragen prozentual:

•Einstieg und Vorwissen aktivieren: ca. 10 Prozent,

•Unterricht: ca. 30 Prozent,

•Projekte und Arbeitsaufträge: ca. 30 Prozent,

•Begleitetes individuelles Lernen: ca. 15 Prozent,

•Lerndokumentation, Prüfungen, Lernstandskontrollen und Feedback: ca. 15 Prozent.

Es liegt in der didaktischen Freiheit der Lehrperson, wie sie die einzelnen Strukturelemente gestaltet und in welche Abfolge sie sie bringt. Auf der elektronischen Plattform der Schule steht ihr zur Planung und Realisierung des Unterrichts das «Skript für die Lehrperson» zur Verfügung. In Teamarbeit wurde für jeden Fachkurs ein Skript erarbeitet, das Lehrpersonen für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts nutzen können. Es zeigt, welche Lerninhalte zu erarbeiten sind, welche Zeit dafür ungefähr benötigt wird und welche Hilfs- und Anschauungsmittel zur Verfügung stehen. Skript und Anschauungsmittel sind auf der Informationsplattform abgelegt.


Abbildung 6-15: Übersicht über das Unterrichtsmaterial für den Fachkurs 1.51

Zu den einzelnen Strukturelementen der Fachkurse (gemäss Abbildung 6-14):

Einstieg in den Fachkurs (1)

Wie bereits erklärt, erhalten die Lernenden vor dem Blockkurs einen Vorbereitungsauftrag (s. oben, S. 98f.). Die Lehrperson stellt zum Einstieg Zielsetzung und Ablauf des Fachkurses vor, gibt einen Überblick über die zu erarbeitenden Inhalte, zeigt die Bedeutung des Vorbereitungsauftrags auf und demonstriert, wie die Produkte der Lernenden in den Unterricht einfliessen werden. Der Einstieg in den Fachkurs ist nach etwa einer Lektion abgeschlossen.

Unterricht (2)

Mit dem Vorbereitungsauftrag wurde bereits Vorwissen aktiviert. Die Lehrperson wird diese Phase des Unterrichts ausbauen, je weiter fortgeschritten die Lernenden in der beruflichen Grundbildung sind und auf je mehr Vorwissen und Vorerfahrungen sie zurückgreifen können.

Beim Vermitteln oder Erarbeiten der Inhalte besteht Methodenfreiheit. Die Lehrperson entscheidet, ob sie ein direktes (Lehrperson vermittelt die Lerninhalte in didaktisch unterschiedlichen Formen) oder indirektes (Lehrperson leitet an, wie die Inhalte von den Lernenden selbst erarbeitet werden können) Vorgehen anwenden will.

Einführung in das Projekt (3) – «Projekt»-Arbeit

Nachdem im «Unterricht» die Informationen von der Lehrperson vermittelt oder von den Lernenden selbst erarbeitet wurden, gilt es in «Projekten», diese Inhalte besser zu verstehen, zu vertiefen und zu vernetzen. Mit «Projekt» sind Einzel oder Gruppenarbeiten gemeint, die durch einen Arbeitsauftrag initiiert und gesteuert werden. Die Einführung am ersten Tag des Fachkurses dient der Klärung des Auftrags einschliesslich Durchführung und Bewertung. Nach der Einführung am ersten Tag ist an den folgenden Tagen Zeit vorgesehen, in der die Lernenden einzeln oder in Gruppen ihr Projekt weiter vorantreiben können. Arbeitsorganisation und Arbeitsteilung bleibt den Lernenden überlassen. Die Lehrperson übernimmt die Rolle des Lernbegleiters und Coaches, sie unterstützt die Gruppen bei Bedarf und erkundigt sich am Ende des Tages nach dem Stand der Arbeit.

Unter «Projekt» werden also kleinere und grössere Arbeitsaufträge verstanden, die mehr oder weniger Bearbeitungszeit verlangen. Nachfolgend zwei Beispiele von «Projektaufträgen» mit unterschiedlicher Bearbeitungsdauer.

Beispiel 1: Bodenaufbau.


Abbildung 6-16: Projektauftrag Bodenaufbau

Bei jeder Auftragserteilung bekommen die Lernenden auch die Beurteilungskriterien für die zu erbringende Leistung.


Abbildung 6-17: Beurteilungskriterien zum Projektauftrag Bodenaufbau

Beispiel 2: Bei einer ortsnahen Zufahrt soll die Strasse verbreitert werden.



Abbildung 6-18: Bilder zum Projekt Kurs 1.51

Aufgrund dieser Ausganglage kann die Lehrperson Aufgabenstellungen unterschiedlichen Umfangs und unterschiedlicher Komplexität erteilen.

Werden in einem Fachkurs mehrere «Projekte» bearbeitet, bleibt es der Lehrperson überlassen, welche Leistungen sie mit einem differenzierten Feedback beurteilt und welche sie mit einer Note bewerten will.

Begleitetes individuelles Lernen (4)

An jedem Tag des Fachkurses bekommen die Lernenden Zeit für begleitetes individuelles Lernen – sei es am Ende des Tages, sei es im Laufe der Tagesarbeit. Ausgehend von einem kognitiv-konstruktivistischen Lernverständnis, sind sich die Lehrpersonen bewusst, dass Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung individuelle Prozesse sind, die in unterschiedlichem Tempo ablaufen.

Im begleiteten individuellen Lernen erhalten die Lernenden Gelegenheit, die Unterrichtsinhalte zu festigen, indem sie

•das Lehrmittel konsultieren und die bearbeiteten Inhalte nachlesen und verarbeiten (z. B. Zusammenfassungen schreiben – in konventioneller Form oder in einer selbst gewählten Mapping-Technik);

•die im Lehrmittel enthaltenen Repetitionsfragen beantworten und ihre Antworten selber kontrollieren;

•individuelle Arbeitsaufträge bearbeiten;

•die «Projektarbeit» vorantreiben;

•ihre Lerndokumentation nachführen;

•sich auf die am Ende des Fachkurses vorgesehene Lernstandskontrolle vorbereiten.

Das individuelle Lernen wird durch die Lehrperson begleitet: Sie ist also anwesend und hat einen offenen Blick und ein offenes Ohr für die Anliegen der Lernenden. Was während des begleiteten individuellen Lernens bearbeitet werden soll, gehört aber in die Verantwortung jedes einzelnen Lernenden; die Lehrperson nimmt die Rolle des Lernbegleiters/der Lernbegleiterin ein.

 

Präsentation der «Projekte» (5)

Am letzten Tag des Fachkurses präsentieren die Lernenden die Arbeitsergebnisse ihrer «Projekte». Da die Beurteilungskriterien beim Erteilen des Auftrags von Anfang an bekannt sind, sind die Lernenden in der Lage, eine Selbstbeurteilung ihrer Leistung und des Arbeitsprozesses vorzunehmen, bevor eine Fremdbeurteilung durch die Lehrperson erfolgt. Die offene Art der Präsentation und der Beurteilung hilft den Lernenden, ihren Arbeitsprozess und ihr Arbeitsergebnis mit anderen Gruppen der Klasse zu vergleichen.


Abbildung 6-19: Auszug eines Arbeitsergebnisses zum Projektauftrag Bodenaufbau

Selbsteinschätzung und Lerndokumentation (6)

Ebenfalls am letzten Tag des Fachkurses wird, wie bereits dargestellt, der Eintrag in die Lerndokumentation besprochen. Im Laufe der Woche fassen die Lernenden wichtige Inhaltselemente zusammen und formulieren Merkpunkte, Aspekte, die sie besonders beachten wollen. Nun, am Ende des Fachkurses, nehmen sie die Selbsteinschätzung ihres Lernstands vor, immer im Wissen darum, dass sie anschliessend die standardisierte Lernstandskontrolle zu bearbeiten haben.

Prüfungen (7)

Die Prüfungen am Ende jedes Lernthemas sind standardisiert: Alle Lehrpersonen verwenden dieselben, von einem Fachteam formulierten Lernstandskontrollen. Nachdem die Lernenden ihren Lernstand zunächst selbst eingeschätzt haben, folgt die Fremdkontrolle. Die standardisierte Form lässt klassenübergreifende Vergleiche zu. Die Lernenden bekommen die Ergebnisse zu Beginn des darauffolgenden Fachkurses eröffnet, sie erhalten also eine Rückmeldung, in welchem Mass ihre Selbsteinschätzung realistisch war. Nachdem im Projekt oft eine Gruppenleistung bewertet wird, wird die standardisierte Lernstandskontrolle in Einzelarbeit durchgeführt.

Feedback Lernende/Lehrperson (8)

Jeder Fachkurs schliesst mit gegenseitigem Feedback ab. Die Lernenden teilen mit, wie sie die Ausbildungseinheit erlebten. Die Lehrperson gibt ihre Sicht des Erlebten wieder. Die Form des gegenseitigen Feedbacks kann von der Lehrperson gewählt werden. Im Laufe der Ausbildungseinheiten zur Einführung des neuen Bildungsplans wurden die Lehrpersonen in verschiedene Feedbackmethoden eingeführt.

6.6 Kompetenzorientierung im überbetrieblichen Kurs

Wenn es die Raumorganisation zulässt, finden die überbetrieblichen Kurse unmittelbar anschliessend an die Fachkurse statt. Wie die Fachkurse weisen auch die überbetrieblichen Kurse eine klare Ablaufstruktur auf.


Abbildung 6-20: Aufbaustruktur überbetrieblicher Kurs

Die Anteile der einzelnen Lernphasen betragen:

•Einstieg und Aktivierung der Grundlagen: ca. 15 Prozent,

•Training und Anwendung: ca. 70 Prozent,

•Selbsteinschätzung, Lerndokumentation und Feedback: ca. 15 Prozent.


Abbildung 6-21: Übersicht über die Kurswoche

Zu den einzelnen Strukturelementen der überbetrieblichen Kurse und zum Ablauf:

Einstieg in den üK (1)

Zu Beginn geben die Leitenden Thema und Zielsetzung des Kurses bekannt und erklären Ablauf und Inhalte im Überblick. Ausgangspunkt des Kurses ist eine konkrete Arbeitssituation, die an erlebte Berufssituationen der Lernenden anknüpft.

Aktivierung der Grundlagen (2)

Die Kursleitenden aktivieren Erkenntnisse der Lernenden zu den im Fachkurs erarbeiteten Grundlagen. Sie weisen auf die entsprechenden Inhalte im Fachbuch hin, geben Hinweise zu Sicherheitsbestimmungen, Arbeitsgeräten und Maschinen u. a. m.

Die Lernenden wissen mit zunehmender Erfahrung, dass im überbetrieblichen Kurs die im Fachkurs erworbenen Kenntnisse exemplarisch in die Praxis übertragen werden. In einem ersten Schritt gilt es, nicht nur die im Fachkurs aufgebauten Vorwissensinhalte, sondern auch die im Lehrbetrieb gemachten Erfahrungen zu aktivieren, um anschliessend den Weg vom Wissen zum Tun zurückzulegen.

Dabei bedienen sich die Kursleitenden unterschiedlicher Methoden:



Abbildung 6-22: Arbeitssituationen in überbetrieblichen Kursen

Training/Anwendung (3)

Wie im Fachkurs erhalten die Lernenden schriftliche Arbeitsaufträge, die es in der Halle oder in der Umgebung des Kurslokals umzusetzen gilt.

Aufbauend auf den im Fachkurs erworbenen Kenntnissen, werden diese in praxisnahen Projekten in Handlung umgesetzt.

Im Auftrag enthalten ist auch die Kriterienliste mit der die Arbeiten bewertet werden. Dies erlaubt den Lernenden, ihre Selbsteinschätzung zu schärfen und ihre Leistung an den vorgegebenen Kriterien zu messen.

Reflexion (4)

Bei Bedarf schalten die Leitenden immer wieder Lernstopps ein. Die gestellten Aufgaben lassen sich auf verschiedene Weise realisieren, jedes Vorgehen hat Vor- und Nachteile – dies bewusst zu machen, ist das Ziel der Lernstopps.

Lernstopps sind Phasen, in denen die Lernenden in ihrem Handeln innehalten, um nachzudenken, zu begründen, vorauszuschauen, zu planen oder zu kontrollieren. Bei Lernstopps zeigt sich das Geschick der Leitenden, die Lernenden durch geschickte Aufforderungen oder durch offene und geschlossene Fragen zur Reflexion anzuregen. Dazu ein paar Beispiele:

•Wie sind Sie vorgegangen, nachdem Sie den Arbeitsauftrag gelesen haben?

•Welche Überlegungen haben Sie zu diesem Vorgehen bewogen?

•Können Sie Ihr Vorgehen begründen?

•Welche Argumente sprechen für Ihre Vorgehensweise?

•Welche Vor- und welche Nachteile hat das gewählte Vorgehen?

•Könnte man das auch anders angehen?

•Haben Sie eine ähnliche Situation schon in der Praxis erlebt?

•Welche Arbeitsschritte müssen Sie jetzt planen, um das Ziel zu erreichen?

Es ist offensichtlich, dass die Kursleitenden verschiedene Rollen einnehmen: Einerseits sind sie Instruktoren, die vorzeigen und anleiten; bei Lernstopps, also in Phasen der Reflexion, sind sie Moderatoren, die das Gespräch mit den Lernenden einleiten, vorantreiben und lenken.

Auf den Tag zurückblicken (5)

Am Ende des Tages füllen die Lernenden den Tagesrapport aus. Rapportieren ist ja auch eine wichtige Tätigkeit auf der Baustelle, die es erlaubt, die Arbeit (einschliesslich benutzter Maschinen und Geräte und des verwendeten Materials) nachzuvollziehen. In vielen Fällen sind die Arbeitsrapporte wichtige Grundlagen für die Rechnungsstellung.

Zum andern muss der Lernende beim Ausfüllen des Tagesrapports den Tag noch einmal Revue passieren lassen und sich fragen, ob es angezeigt ist, gewisse Tätigkeiten in der Lerndokumentation festzuhalten.

Es stellen sich dem Lernenden zentrale Fragen wie:

•Was habe ich heute gemacht?

•Was ist mir gelungen? Was habe ich dazu beigetragen, dass es mir gelungen ist?

•Wo lagen die Herausforderungen und Schwierigkeiten? Wie habe ich darauf reagiert? Was habe ich unternommen, um sie zu überwinden?

Am letzten Tag werden die Arbeiten abgeschlossen und für die Präsentation und Beurteilung bereitgestellt.

Selbsteinschätzung der geleisteten Arbeit und Ausfüllen der Lerndokumentation (6)

Gemäss dem oben bereits dargestellten Grundsatz erfolgt zuerst die Selbsteinschätzung der geleisteten Arbeit durch die Lernenden, gestützt auf die bekannten Beurteilungskriterien. Die Selbsteinschätzung ist, wie bereits dargestellt, Bestandteil der Lerndokumentation.

Bewertung des Produkts (7)

Nach der Selbsteinschätzung der geleisteten Arbeit durch die Lernenden erfolgt die Fremdbeurteilung durch die Kursleitenden. Sie zeigen, wie sie die Beurteilungskriterien anwenden, welchen Wert sie der geleisteten Arbeit beimessen und wo sie Verbesserungspotenzial feststellen.

Der offene Bewertungsprozess schärft die Wahrnehmung der Lernenden und fördert ihr Verständnis für die Qualität einer Arbeit. Im Weiteren können sie in dieser Phase die eigene Arbeitsleistung mit der Leistung ihrer Berufskolleginnen und -kollegen vergleichen.

Feedback Lernende – üK-Leitende (8)

Wie der Fachkurs endet auch der überbetriebliche Kurs mit gegenseitigem Feedback. Obschon die Arbeitsaufträge weitgehend standardisiert sind, läuft doch jeder Kurs nach ganz eigenen Gesetzen ab. Was sich im einen Kurs als erfolgreiches Vorgehen bewährt, kann in einem nächsten, parallelen Kurs zum Stolperstein werden.

Wie in der Anfangsphase die Lernenden emotional auf den Kurs eingestimmt werden, so gibt die Feedbackphase zum Schluss des Kurses Gelegenheit, das Geschehen auch emotional abzuschliessen.

6.7 Kompetenzorientierung in der beruflichen Praxis

Die Ausbildung am Lernort «berufliche Praxis» ist und war immer schon kompetenzorientiert in dem Sinn, dass Lernende sehr häufig in den Produktions- oder Dienstleistungsprozess ihres Lehrbetriebs eingebunden sind. In der beruflichen Praxis herrscht meist die «Ernstfall-Situation». Dies verlangt von den Ausbildnerinnen und Ausbildnern ein gutes Einschätzungsvermögen, für welche Arbeiten Lernende bereits eingesetzt werden können

Fünf Stationen auf dem Weg zur Kompetenz

Der Kompetenzaufbau erfolgt kontinuierlich, indem immer wieder der Zy­klus der fünf Stationen des Konzepts der kognitiven Berufslehre (Cognitive Apprenticeship, vgl. Collins, A., Brown, J. S. & Newman, S. E., 1987) durchlaufen wird:

1. Station: Vorzeigen

Der Berufsbildner oder die Berufsbildnerin demonstriert ein konkretes Vorgehen und zeigt dabei auf, was er denkt, worauf er achtet, wo er Klippen oder Gefahren sieht und welche Punkte für ein professionelles Vorgehen wichtig sind. Auf diese Weise werden die (verborgenen) kognitiven Prozesse des Experten/der Expertin für die Teilnehmenden beobachtbar.

Sehr oft unterbleibt indessen dieser tätigkeitsbegleitende Kommentar, weil die Berufsbildenden die vorgezeigte Tätigkeit bei sich selbst längst automatisiert haben. Für die Wahrnehmung der Lernenden geht das Vorzeigen oft zu schnell, und ohne Anleitung wissen sie nicht, worauf es zu achten gilt.

2. Station: Unterstützte Eigentätigkeit

Sind die Lernenden in die Aufgabe eingeführt und ist eine Lösungsmöglichkeit vorgezeigt, wird die Aufgabe übergeben: Die Lernenden legen nun selbst Hand an. Sie üben und stossen bei ihren eigenen Lösungsversuchen auf Schwierigkeiten und Probleme. Dabei ist die Begleitung und Unterstützung durch den Berufsbildner/die Berufsbildnerin wichtig. Die Unterstützung richtet sich nach den Lernvoraussetzungen der Lernenden.

3. Station: Hilfe allmählich zurücknehmen

Die Berufsbildnerin reduziert nach und nach die Angebote zur Anleitung und Hilfestellung und zieht sich allmählich zurück. Sie fordert die Lernenden auf, bei auftauchenden Schwierigkeiten mehr und mehr selbstständig eine Lösung zu finden, und greift erst ein, wenn die Lernenden wirklich nicht allein weiterkommen. Die Lernbegleitung wird allmählich lockerer.

4. Station: Hilfe und Unterstützung auf Abruf

Die Rolle der Berufsbildenden verändert sich in dieser Phase von der Lernbegleitung zum Coaching. Dazu gehört auch, dass Lernende bei auftauchenden Schwierigkeiten Hilfe und Unterstützung anfordern lernen.

 

5. Station: Immer wieder Lernstopps einschalten

Die Lernenden sollen vor allem zu Beginn des Lernprozesses «laut denken», das heisst: ihr eigenes Handeln in Worten kommentieren, bei Zwischenstopps nach Gründen des Handelns und erreichten Lösungen fragen, kritisch zu bisherigen Lösungen Stellung nehmen.

Eine Reflexion der Handlungen und Lösungen sichert zwischendurch und am Ende eines Lernprozesses die gemachten Fortschritte. Ins selbe Kapitel gehört insbesondere auch ein Vergleich mit den Vorgaben der Berufsbildenden und deren idealtypischen Lösungen. Expertenhandlungen und Handlungen der Lernenden sollen einander angenähert werden, ohne dass Berufsbildenden ihren Wissens- und Erfahrungsvorsprung gegen die Lernenden ausspielen. Es kommt vielmehr darauf an, zu betonen, was die Lernenden sich bereits als Lösungen erarbeitet haben und wie sehr diese einer Musterlösung für das (begrenzte) Problem entsprechen können.

Ressourcenorientierung versus Defizitorientierung

Berufsbildnerinnen und Berufsbildner haben die Wahl, ihr Augenmerk entweder auf die bereits aufgebauten Ressourcen (Wissen, Können und Haltung) zu legen oder zu betonen, was noch fehlt, was noch nicht korrekt ist, was noch besser werden könnte.

Defizitorientierung trägt die Gefahr der «Schwachstellenschnüffelei» in sich. Diese Haltung ist eine erhebliche Belastung für die emotionale Basis des Lernens und stört die persönliche Beziehung zwischen Berufsbildenden und Lernenden.

Rückmeldungen geben – aber wie?

Rückmeldungen (Feedback) an die Lernenden sind für den Aufbau einer realistischen Selbsteinschätzung ihrer beruflichen Handlungskompetenz sehr wichtig.

Dabei ist die Qualität des Feedbacks von entscheidender Bedeutung. Pauschales Lob (Gut so! Weiter so!) mag zwar kurzfristig motivierend wirken, ist aber für die Optimierung künftiger Tätigkeiten wenig verwertbar und regt zum unreflektierten Kopieren von Handlungen an.

Wichtig ist der Informationsgehalt, die Differenzierung der Rückmeldung: Warum finde ich die Arbeit schon gut gelungen? Was finde ich gut an dieser Arbeit? Was hat zum Gelingen der Arbeit beigetragen? Worauf gilt es künftig zu achten? Was kann noch optimiert werden?

Eine positive Feedbackkultur ist ein wesentlicher Beitrag zu guter Ausbildungsqualität.