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1.4 Klare Strukturen und Zuständigkeiten

Eine transparente Struktur mit klaren Zuständigkeiten erleichterte die Revisionsarbeit wesentlich. Als Steuerungsgremium wurde die bereits existierende Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität (B&Q) für das Berufsfeld Verkehrswegbau eingesetzt. Die operative Leitung der Revision wurde an ein Projektteam aus vier Personen delegiert. Ihnen stand ein professionelles Beratungsunternehmen zur Seite, die Ectaveo AG Zürich, der vor allem die pädagogischen, formellen und administrativen Aufgaben übertragen wurden.

1.4.1 Kommission für Berufsentwicklung und Qualität

Oberstes Organ der Totalrevision von Bildungsverordnungen und Bildungsplänen ist gemäss Berufsbildungsverordnung (Art. 12 BBV) die erwähnte Kommission für Berufsentwicklung und Qualität für das Berufsfeld Verkehrswegbau (Kommission B&Q). Sie setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Organisationen der Arbeitswelt (OdA), der Sozialpartner, der Fachlehrerschaft, der Kantone und des Bundes zusammen. Bei einem Berufsfeld ist es besonders wichtig, dass sämtliche Berufe und alle Sprachregionen in der Kommission B&Q angemessen vertreten sind. Weil die Kommission ein gros­ses, repräsentatives und breit abgestütztes Gremium ist, eignet sie sich vorzüglich als oberstes Steuerungsorgan eines Revisionsprojekts. Zudem hat sie die notwendigen Kompetenzen, um strategische Entscheide zu fällen.

Der wichtigste Beschluss stand ganz am Anfang des Revisionsprojekts. Die Kommission B&Q muss nämlich jeweils entscheiden, ob eine Revision der Bildungsverordnung und des Bildungsplans aufgrund wirtschaftlicher, technologischer, ökologischer oder didaktischer Entwicklungen überhaupt notwendig ist. Falls ja, ersucht sie die involvierten Organisationen der Arbeitswelt (OdA), dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI einen entsprechenden Änderungsantrag zu stellen. Der zweite wichtige Entscheid ist dann die Genehmigung der Bildungsverordnung und des Bildungsplans zuhanden des SBFI. Sitzungen in regelmässigen Abständen während der Revision dienen dazu, die involvierten Kreise zu informieren, Arbeiten genehmigen zu lassen und das weitere Vorgehen zu bestimmen.

1.4.2 Projektteam

Das Projektteam, das die Revision operativ leitete, wurde auf möglichst wenige Personen beschränkt. Dazu gehörte je eine Vertretung der beteiligten OdA, der Fachlehrerschaft, der Kantone und des Bundes. Die Vertreter der Kantone und des Bundes stellten sicher, dass die Beschlüsse den gesetzlichen Vorgaben entsprachen und von den Behörden mitgetragen wurden. Die OdA-Vertreter kannten die Aufgaben und Kompetenzen, die ihre Firmen von ausgebildeten Fachleuten erwarten. Nur mit diesem Wissen konnten die Tätigkeits- und Qualifikationsprofile erarbeitet werden.

Die Leitung des Projektteams musste unserer Ansicht nach ein OdA-Vertreter innehaben. Er führte das Projekt operativ, leitete die Teamsitzungen, tauschte sich intensiv mit der pädagogischen Beratung aus und pflegte einen direkten Kontakt zu Personen der Branche und der praktischen Ausbildung.

1.4.3 Pädagogische Beratung

Das Projektteam wusste dank der OdA-Vertreter, welches Fachwissen in der Grundbildung vermittelt werden muss. Über spezifisches Wissen, wie eine Bildungsverordnung und ein Bildungsplan heutzutage entwickelt und geschrieben werden, verfügten die OdA-Vertreter nicht. Aus diesem Grund wurde eine spezialisierte Beratungsfirma beigezogen. Sie wurde mit grosser Sorgfalt ausgewählt, denn es war wichtig, dass sie zum einen über Erfahrung mit solchen Reformen verfügt und zum andern die Vorgaben und Prozesse des SBFI genau kennt. Zu bedenken war dabei auch, dass die Vorstellungen, welche Strukturen oder Formulierungen in den Bildungsverordnungen und -plänen richtig sind, von Beratungsunternehmen zu Beratungsunternehmen variieren.

1.5 Verschiedene Anforderungen unter einen Hut bringen

Bei der Berufsbildung treffen erfahrungsgemäss die unterschiedlichsten Vorgaben, Anforderungen und Wünsche aufeinander:

•Die Lehrbetriebe möchten eine Ausbildung, die ihnen nützt und die möglichst kurz ist, damit die Lernenden nicht allzu häufig abwesend sind.

•Bei den Lehrpersonen stehen vor allem pädagogisch-didaktische und ab und zu auch ganzheitlich-humanistische Aspekte im Vordergrund.

•Ausbildungsstätten bevorzugen umfangreiche Ausbildungen, damit sie ihren Lehrauftrag möglichst vollumfänglich erfüllen und dabei auch ihre Infrastrukturen auslasten können.

•Den Verwaltungen von Bund oder Kantonen sind formale und juristische Faktoren wie auch die Kosten wichtig.

•Die Berufsverbände schliesslich wollen eine kostengünstige Ausbildung.

Die Vorgaben der Branche – beispielsweise die Anzahl der Tage für die überbetrieblichen Kurse – wollten wir möglichst früh festlegen. Damit ein effizienter Projektablauf möglich war, sollten diese Vorgaben später nicht mehr verändert werden. Wir hielten deshalb alle Entscheide schriftlich fest. Auch die Kommission B&Q diskutierte in einer sehr frühen Phase Rahmen und Ziele der Revision. Auch ihre Beschlüsse wurden konsequent schriftlich festgehalten.

Gesetzliche Vorgaben von Bund und Kantonen sind zwingend einzuhalten. Dazu gehört beispielsweise die Anzahl der Lektionen in den Fachkursen. Bei der Revision können diese Vorgaben natürlich nicht verändert werden. Indem die mit der Revision betrauten Gremien frühzeitig über nicht veränderbare Randbedingungen informiert wurden, konnten unnötige Diskussionen vermieden werden.

1.6 Eine Revision ist nicht gratis zu haben

Das SBFI unterstützt die Revision von Bildungsverordnungen und Bildungsplänen finanziell mit einem Pauschalbetrag. Doch dieser vermochte die Projektkosten bei Weitem nicht zu decken, denn es wurden die Ausbildungspläne für insgesamt neun Berufe revidiert und für einen Beruf vollständig neu entwickelt. Wichtig war darum, dass die OdA ihrerseits über ausreichend finanzielle Mittel und Personalressourcen verfügten.

1.7 Das Geheimnis des Erfolgs

Eine Revision der Bildungspläne und Bildungsverordnungen ist ein grosses Unterfangen und hat für die Lehrbetriebe und Bildungseinrichtungen mitunter weitreichende Konsequenzen. Die Schweizer Infrastrukturbauer und Infra Suisse haben die aktuelle Revision erfolgreich bewältigt. Rückblickend haben sich folgende Elemente als zentral erwiesen:

Einen allen bekannten Handlungsspielraum schaffen. Die Revision einer Bildungsverordnung und von Bildungsplänen erfolgt im Rahmen gesetzlicher Vorgaben. Es gibt Randbedingungen, die gegeben sind und daher auch nicht ständig infrage gestellt oder ausufernd diskutiert werden müssen. Es gibt zudem Punkte, die vom Steuerungsausschuss frühzeitig entschieden werden und später nur im Ausnahmefall abgeändert werden dürfen.

Experten aus der Praxis beziehen. Jede Revision orientiert sich an der Berufspraxis. Es war uns darum wichtig, die Lehrbetriebe möglichst früh in den Prozess einzubeziehen und ihre Meinungen und Erfahrungen zu nutzen, beispielsweise in Workshops. Während der Revisionsarbeit ergaben sich immer wieder folgende Fragen: Welche Kompetenzen braucht unsere Branche wirklich? Was muss eine Fachperson an ihrem ersten Arbeitstag nach dem Lehrabschluss wirklich können?

Lehrkräfte und Instruktoren beziehen. Die Ausbildnerinnen und Ausbildner an Berufsfachschulen und in überbetrieblichen Kursen verfügen über einen grossen Erfahrungsschatz. Eine Revision, die dieses Wissen miteinbezieht, hat es bei der praktischen Umsetzung leichter.

Beratung von aussen holen. Wissen, das bei den OdA oder in der Kommission B&Q nicht vorhanden ist, muss zugekauft werden. Es war wichtig, dass die beigezogenen Berater die Prozesse einer Revision kennen und beim Formulieren von Arbeitssituationsbeschreibungen und Kompetenzen überzeugen. Zudem mussten sie ein gewisses Verständnis für den Arbeitsalltag unserer Berufe mitbringen.

Sich auf das Wesentliche beschränken. Die Gefahr, dass mit jeder Revision der Anforderungskatalog an die Grundbildung wächst, ist gross. Eine Bildungsverordnung oder ein Bildungsplan wird nie komplett oder gar perfekt sein. Es ist darum ratsam, bei jeder Kompetenz zu überlegen, ob sie von einem Berufseinsteiger erwartet werden darf oder muss. Was Aufgabe des Kaders ist, hat in einer Grundbildung nichts zu suchen. Diese Einsicht verlangt von allen Mut zur Lücke und eine realistische Einschätzung des Arbeitsalltags.

Ein gut organisiertes und geführtes Projektteam garantieren. Eine speditive und effiziente Reform ist für alle Beteiligte motivierend und führt nicht selten auch zu besseren Ergebnissen. Die Organisation des Projektteams ist dabei entscheidend. Damit es effizient arbeiten kann, muss das Team gut geführt und sein Zuständigkeitsbereich klar geregelt sein.


2 Von Inhaltskatalogen zu beruflichen Handlungskompetenzen

Weg von Inhaltskatalogen, hin zu beruflichen Handlungskompetenzen – das erklärte Ziel der vorliegenden Reform. Doch was verbirgt sich überhaupt hinter dem Begriff «Handlungskompetenz»? Und welchen Weg muss man gehen, damit man zu einer handlungsorientierten Grundbildung kommt?

In der beruflichen Grundbildung ist es in den letzten anderthalb Jahrzehnten zu einem Paradigmenwechsel gekommen, der sich auch in den curricularen Grundlagen spiegelt. Während Ausbildung und Qualifikationsverfahren früher durch Inhaltskataloge und Lernziele gesteuert wurden, stehen heute die Handlungskompetenzen im Mittelpunkt.

 

2.1 Grundlagen des Paradigmenwechsels

Gesetzliche Basis für die berufliche Grundbildung bildet das Berufsbildungsgesetz vom 13. Dezember 2002 (BBG, in Kraft seit dem 1. Januar 2004). Folgendes ist in Artikel 15 zu lesen:

«Die berufliche Grundbildung dient der Vermittlung und dem Erwerb der Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten (nachfolgend Qualifikationen), die zur Ausübung einer Tätigkeit in einem Beruf oder in einem Berufs- oder Tätigkeitsfeld (nachfolgend Berufstätigkeit) erforderlich sind.

Sie umfasst insbesondere die Vermittlung und den Erwerb

a.der berufsspezifischen Qualifikationen, welche die Lernenden dazu befähigen, eine Berufstätigkeit kompetent und sicher auszuüben;

b.der grundlegenden Allgemeinbildung, welche die Lernenden dazu befähigt, den Zugang zur Arbeitswelt zu finden, darin zu bestehen und sich in die Gesellschaft zu integrieren;

c.der wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Kenntnisse und Fähigkeiten, welche die Lernenden dazu befähigen, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen;

d.der Fähigkeit und der Bereitschaft zum lebenslangen Lernen sowie zum selbstständigen Urteilen und Entscheiden.»

Um dem Anspruch gerecht zu werden, initiierte das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT, Anfang 2013 im SBFI aufgegangen) eine umfassende Reform der beruflichen Grundbildung und unterstützte sie mit verschiedenen Massnahmen und Dokumenten.

Ein zentrales Dokument ist dabei das «Handbuch Verordnungen – Schritt für Schritt zu einer Verordnung über die berufliche Grundbildung». Dort wird die neue Richtung noch einmal klar auf den Punkt gebracht: «Ziel der beruflichen Grundbildung ist die Aneignung von beruflichen Handlungskompetenzen, um die Anforderungen im Beruf und Alltag zu meistern» (BBT 2007).

Nach Absicht der zuständigen Bundesstellen sollen für jede berufliche Grundbildung die Grundlagendokumente so strukturiert werden, dass die beruflichen Handlungskompetenzen im Mittelpunkt stehen. Auf dieses Ziel sind alle Standards und Vorlagen des BBT bzw. des SBFI ausgerichtet. Die Organisationen der Arbeitswelt (OdA) standen damit vor der Herausforderung, ihre Berufe entsprechend zu reformieren. Im Zuge der Umsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes ist seit 2004 ein Grossteil der beruflichen Grundbildungen systematisch angepasst worden. Bei einer solchen Reform sind alle Akteure in der beruflichen Grundbildung gefordert.

2.2 Herausforderungen des Reformvorhabens «Verkehrswegbau»

Eine der zentralen Herausforderungen des ganzen Reformprozesses war und ist die Umsetzung der Kompetenzorientierung – die Ausrichtung auf berufliche Handlungskompetenzen.

Was ist nun aber unter beruflicher Handlungskompetenz zu verstehen, und worin unterscheidet sich die Kompetenzorientierung von einem thematischen Zugang zu Bildungsinhalten im Sinne einer Fächerlogik? Wir versuchen im Folgenden, die Frage systematisch zu klären.

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass die Förderung von Handlungskompetenz als übergeordnete Zielsetzung von Aus- und Weiterbildungsmassnahmen von höchster Bedeutung ist. Eine einheitliche Definition oder Abgrenzung des Begriffs der «Handlungskompetenz» fehlt jedoch bisher. «Handlungskompetenz» wird von Praktiker/-innen und selbst von Wissenschaftler/-innen sehr unterschiedlich verwendet. Um es etwas pointiert zu formulieren: In der Berufsbildung wird der Begriff mit unterschiedlichsten Bedeutungen versehen und sehr heterogen verwendet. Auch in dieser Publikation werden unterschiedliche Zugänge zum Kompetenzbegriff erkennbar – wie in der Realität. Auf eine Homogenisierung haben wir bewusst verzichtet. In der Folge ein kleines Beispiel zur Illustration, wie der Begriff praktisch ausgelegt werden kann.

2.2.1 Exkurs zur Illustration

Stellen Sie sich vor, Sie sind Serviceleiter/-in in einem Viersternehotel. Sie werden von einer Stellvertreterin unterstützt. Teil Ihres Teams sind zusätzlich drei Servicemitarbeitende mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis und vier Praktikant/-innen aus verschiedenen Hotelfachschulen. Jedes Wochenende erstellen Sie den Tischplan für die Gäste und den Einsatzplan für die Mitarbeitenden. Diese Woche ist die Aufgabe besonders heikel. Familie Rauh und Familie Müller sind angereist, Stammgäste und «Freunde» der Inhaber des Hotels. Beide Familien haben klare Vorstellungen und Wünsche zu ihrem Aufenthalt im Hotel. Sie selbst wissen, dass die Rauhs und die Müllers oft auch kurzfristig und unangemeldet Freunde mitbringen, was den Ablauf ganz schön durcheinanderbringen kann. Zudem ist gerade eine Mitarbeiterin krank, und ein Praktikant hat schon wegen der vielen Überstunden reklamiert. Sie erstellen die Arbeitspläne für die nächste Woche und merken, dass schon wieder Überstunden angesagt sind. Den freien Tag Ihrer Stellvertreterin, der für nächste Woche vorgesehen wäre, müssen Sie rückgängig machen. Das könnte zu einem Konfliktgespräch führen.

Die Handlungskompetenzen, die in dieser Situation gefragt sind, umfassen namentlich folgende Komponenten (und die Liste ist selbstverständlich nicht erschöpfend):

•Sie müssen den Einsatzplan so erstellen, dass der Serviceablauf gewährleistet werden kann.

•Sie müssen die Planung so vornehmen, dass Sie die Grundlagen des Arbeitsrechts berücksichtigen.

•Sie müssen Ihrem Team den Einsatzplan so mitteilen, dass es motiviert an die Arbeit geht.

•Sie müssen allfällige Konflikte mit einzelnen Mitarbeitenden so lösen, dass es zu möglichst wenigen Spannungen im Team kommt.

Sie benötigen also u. a. Fähigkeiten und Wissen aus folgenden Fachbereichen:

•Gestaltung von Serviceabläufen,

•Grundlagen des Arbeitsrechts,

•Grundlagen der Kommunikation,

•Konfliktgespräche führen.

Dieses Wissen und Können gilt es situationsgerecht in der oben beschriebenen Situation einzusetzen.

Die Logik traditionellen Unterrichts ist oftmals darauf ausgerichtet, Wissensbestände einzelner Fachdisziplinen möglichst vollständig und nach der Logik des «Fachs» zu vermitteln bzw. zu erlernen.

So beinhaltet das Fach «Arbeitsrecht» zum Beispiel folgende Themenschwerpunkte:

•Stellenbeschreibungen und Bewerbungsgespräch,

•Arbeitsvertrag,

•Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis,

•Haftung des Arbeitnehmers,

•Kündigung,

•Arbeitsschutz,

•usw.

Oft erschöpft sich der Unterricht nun in der Vermittlung dieses Fachwissens. Die interdisziplinäre Anwendung der verschiedenen Wissensbestände in der Praxis bleibt den Lernenden selbst überlassen.

•Was mache ich genau, wenn meine Stellvertreterin oder mein Stellvertreter auf ihrem/seinem freien Tag beharrt?

•Welche Möglichkeiten bestehen, wenn ich an die Grenzen der Überstundenregelung komme?

•usw.

Diese Fragen sind ausnahmslos in der praktischen Umsetzung zu meistern und werden im Unterricht oft nicht einmal gestreift.

Die folgende Übersicht zeigt die Unterschiede zwischen einer Fachorientierung und einer Kompetenzorientierung im Unterricht auf:


FachorientierungKompetenzorientierung
Betrachtungs gegenstandFachdisziplinPraxis
AusgangspunktSystematisch geordnete, theoretische InhalteErfassung der relevanten Arbeitssituationen/Tätigkeiten und kritischen Erfolgsfaktoren in der Arbeitsausübung
Gütekriterium der ArbeitVollständige Abbildung aller relevanten InhalteAbbildung von passenden und hilfreichen Inhalten für die professionelle Praxis
Übergeordnete Zielsetzung der AusbildungAufbau eines konsistenten Wissensbestands und eines fundierten Verständnisses innerhalb der FachdisziplinAufbau von Kompetenzen zur Bewältigung der beruflichen Tätigkeiten
Bevorzugte Vermittlungsart in der Ausbildung•Fachbücher•Vorträge•Lehrgespräch•usw.•Vermittlung von ausgesuchtem, praxisorientiertem Wissen•Trainings•Anwendungen•Transferaufgaben für die Praxis•Reflexionsaufgaben•usw.

Abbildung 2-1: Fachorientierung und Kompetenzorientierung in vergleichender Übersicht

Im Folgenden wird das Konstrukt «Handlungskompetenz» theoretisch noch etwas präziser beleuchtet. Darauf aufbauend werden die Herausforderungen für die Reform im Berufsfeld Verkehrswegbau abgeleitet.

2.2.2 Welche Facetten beinhaltet der Begriff «Handlungskompetenz»?

Um genauer zu verstehen, was «Handlungskompetenz» umfassen könnte, lohnt sich ein Blick in die Expertiseforschung. Gerade bei Experten und Expertinnen, zum Beispiel bei erfahrenen Pilotinnen oder Lokführern, Anästhesistinnen oder Sterneköchen, lassen sich besondere Merkmale von Handlungskompetenz identifizieren. Die Handlungskompetenz von Expertinnen und Experten zeichnet sich nach Gruber et al. (2006) durch vier Besonderheiten aus:

•Expertinnen und Experten verfügen über ein umfangreiches und im Gedächtnis hervorragend strukturiertes Erfahrungswissen. Dabei handelt es sich nicht um Fachwissen in einem konventionellen Sinn, sondern um Wissen, das berufsspezifisch ist und in der Auseinandersetzung mit Lern- und Handlungsgelegenheiten im Beruf sukzessive aufgebaut wird.

•Expertinnen und Experten verfügen über eine hohe Problemlöse- und Entscheidungsfähigkeit: Sie sind in der Lage, ihr umfangreiches Wissen rasch in Handlungen umzusetzen. Sie demonstrieren eine ausgeprägte Analysefähigkeit, ein angemessenes Problemverständnis und eine hohe Flexibilität im Einsatz von Lösungsstrategien. Dies versetzt sie in die Lage, mit neuartigen oder unvorhergesehenen Anforderungen kompetent und flexibel umzugehen. Solche Anforderungen ausserhalb jeder Routine sind in der heutigen Berufswelt häufig, sie unterscheiden sich deutlich von den «akademischen» Problemstellungen, mit denen man es als Lernende/r oder Studierende/r zu tun hatte. Praxisprobleme sind meistens schlecht definiert, lückenhaft, auf verschiedenartigen Wegen lösbar, während «akademische Probleme» bereits vorformuliert, klar und vollständig umschrieben und so auch linear lösbar sind (vgl. Sternberg et al., 2000).

•Expertinnen und Experten sind mit einer Vielzahl von Situationen in ihrem Handlungs- und Wissensbereich bestens vertraut. Sie verfügen zumeist über ein reiches Repertoire an erfolgreichen Handlungsroutinen. Solche Routinen erfordern wenig Aufmerksamkeit, dennoch überprüfen und kontrollieren Expertinnen oder Experten sie relativ häufig. Durch ihre Handlungsroutinen sind sie in der Lage, mit wiederkehrenden Anforderungen sehr effizient und ressourcenschonend umzugehen. Um Routinen zu erwerben, braucht es intensive Übung, die nicht nur aus einer umfangreichen Sammlung von Praxiserfahrungen besteht. Erforderlich ist auch der gezielte, oft mühevolle Aufbau von routinierten Handlungen.

•Neben ihren besonderen, individuellen Merkmalen – wie umfangreiches Wissen, exzellente Problemlösefähigkeit und erfolgreiche Handlungsroutinen – zeichnen sich Expertinnen und Experten auch dadurch aus, dass sie häufig mit anderen Expertinnen und Experten im Austausch stehen. Zur Entwicklung von Expertise und Handlungskompetenz wird daher empfohlen, Lernenden auch das Hineinwachsen in Expertengemeinschaften zu ermöglichen.

Auch wenn Expertise und Handlungskompetenz nicht unbedingt das Gleiche bedeuten, so zeigt die Aufstellung oben auf, wie komplex wir uns den Prozess vorstellen müssen, den wir als «Kompetenzentwicklung» bezeichnen.