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8 Ausbilden aus der Sicht der Lehrbetriebe

Eine spannende Frage bei jedem Reformprojekt lautet: Wie wird der Bildungsplan in der beruflichen Praxis umgesetzt? In diesem Abschnitt erhalten Sie Antworten auf diese Frage aus der Sicht von drei Lehrbetrieben im Berufsfeld Verkehrswegbau.

Den anteilmässig grössten Teil der Ausbildungszeit verbringen die Lernenden im Lehrbetrieb. Die Lehrbetriebe sind es, die die Lernenden rekrutieren und ihnen Gelegenheit geben, den gewünschten Beruf zu erlernen. Sie sind die Vertragspartner der Lernenden und ihrer gesetzlichen Vertreter. Verändern sich die Ausbildungsgrundlagen (Bildungsverordnung und Bildungsplan), wie in den vorangehenden Kapiteln beschrieben, hat dies unweigerlich Auswirkungen auf die Ausbildung in den Lehrbetrieben.

Um die Sicht der Lehrbetriebe möglichst authentisch zu erfassen, wurde zweieinhalb Jahre nach Einführung der Reform mit drei Ausbildungsverantwortlichen je ein halbstandardisiertes Interview durchgeführt. Die Interviews zeigen, wie sich ein Gross- (G), ein Mittel- (M) und ein Kleinbetrieb (K) der Aufgabe des Ausbildens stellen.


G1700 Mitarbeitende; total 81 Lernende, davon 48 Strassenbauer (40 EFZ, 8 EBA)
Interviewdatum: 14. September 2016
M300 Mitarbeitende (davon 120 im Bausektor); total 15 Lernende, davon 11 Strassenbauer (9 EFZ, 2 ZAB Zusatzausbildung)
Interviewdatum: 7. September 2016
K160 Mitarbeitende; total 14 Lernende, davon 9 Strassenbauer (8 EFZ, 1 EBA)
Interviewdatum: 21. September 2016

Die Antworten der Interviewpartner gehen zum Teil über die gestellten Fragen hinaus und vermitteln dadurch einen tieferen Einblick in die Ausbildungsrealität der beruflichen Grundbildung.

8.1 Der neue Bildungsplan und seine Auswirkungen auf die betriebliche Ausbildung

Seit dem Schuljahr 2014/15 werden die Lernenden nach dem kompetenz­orientierten Bildungsplan 2014 ausgebildet. Welche Auswirkung haben die Neuerungen für den Lehrbetrieb?

G: Ich bin im Betrieb seit sechs Jahren für die Nachwuchsförderung zuständig und habe somit den Wechsel zum neuen Bildungsplan sehr bewusst miterlebt. Ich hatte mich gerade in meine neue Aufgabe eingelebt, als auf den neuen Bildungsplan umgestellt wurde. Bei meinem Amtsantritt vor sechs Jahren stellte ich fest, dass die Ausbildung zu wenig konkret war und es keinen Leitfaden für die betriebliche Umsetzung gab. Zudem wurde die betriebliche Ausbildung nicht überprüft. Also habe ich ein internes Ausbildungskonzept entwickelt, das den Polieren auf der Baustelle als Leitfaden diente. Damit verfügten wir für jeden einzelnen Lernenden über ein Instrument zur Überprüfung der betrieblichen Ausbildungsqualität. Dieses interne Ausbildungskonzept wurde jedes Semester überprüft und ausgewertet; so wusste jeder Lernende und auch der zuständige Polier über den jeweiligen Ausbildungsstand Bescheid.

Wenn wir einen Lernenden zur Prüfung schicken, wollen wir sicher sein, dass er besteht. Kaum hatte ich das System in der Firma eingeführt, kam der Wechsel auf die neue Bildungsverordnung und den neuen Bildungsplan. Sie können sich vorstellen, dass ich nicht besonders begeistert war.

M: Wir haben ganz klar gemerkt, dass der neue Bildungsplan zu einem zeitlichen Mehraufwand bei der Betreuung der Lernenden führt. Dieser Mehraufwand ist durch die Kontrolle zusätzlicher Arbeiten vor und nach den Blockkursen begründet.

K: Bei einer Revision der Bildungsverordnung ändern sich die Strukturen des Bildungsplans. Der Lehrbetrieb muss diesen Strukturwandel zur Kenntnis nehmen und sich anpassen. Im vorliegenden Fall war sicher die Lerndokumentation ein neues Element, an das sich die Lehrbetriebe anpassen mussten. Da brauchten wir einige Zeit, bis wir verstanden, welche Leistungen erwartet werden. Ich habe die Verantwortung für die Lernenden vor anderthalb Jahren übernommen, also genau in der Zeit, als der alte und neue Bildungsplan parallel geführt wurden. Das alte System lief aus, das neue wurde eingeführt. Ich arbeite seit neuneinhalb Jahren in der Firma als Bauführer, von daher kannte ich die alten Ausbildungsunterlagen.

Als Bauführer betreue ich vier Baustellen und bin Verantwortlicher für die Lehrlingsausbildung. Ich habe keine besonderen Stellenprozente dafür ausgeschieden, es ist einfach ein Teil meiner Arbeitstätigkeit. Ich arbeite gerne mit jungen Leuten. Früher war ich im Fussball-Nachwuchsbereich tätig, heute nehme ich die Aufgabe als Verantwortlicher für die Berufsbildung wahr; das erhält jung! Es macht mir Spass, mit jungen Erwachsenen zu arbeiten, und ich kümmere mich gerne um sie. Sie kommen auch mit Problemen aus dem Privatleben zu mir. Das nehmen sie in Anspruch, und wenn wir im Gespräch nicht mehr weiterkommen, weiss ich, wo sich der Lernende weitere Hilfe holen kann. Ich sehe jeden Lernenden zweimal in der Woche persönlich, am Anfang der Woche und am Donnerstag.

Welches sind für Sie die wesentlichen Neuerungen der Revision?

G: Mit dem neuen Bildungsplan und der Lerndokumentation hat jeder Betrieb, egal, wie gross er ist, einen guten Überblick, welche Inhalte pro Semester zu vermitteln sind. Die Ausbildungsziele wurden aufgeteilt, müssen aber durch den Betrieb kontrolliert werden. Der Nachbearbeitungsauftrag bedingt, dass ganz bewusst eine beschriebene Ausbildungssequenz eingeplant werden muss. Da ist wesentlich mehr Verbindlichkeit entstanden. Die Ausbildung ist besser vernetzt und besser dokumentiert. Die Arbeiten werden kriterienorientiert bewertet; zudem müssen Ausbildner und Lernende reflektieren, was gelungen ist und wo noch einmal nachgefasst werden muss. Die Ausbildung ist für den Betrieb aufwendiger geworden.

Der Aufbau nach der «Baulogik» ist sicher sinnvoll [vgl. Kapitel 4]; dass die Lernenden sich zuerst mit den Gefahren auf dem Bau auseinandersetzen und dann allmählich Schritt für Schritt mit anspruchsvolleren Aufgaben konfrontiert sind.

M: Neben der Vor- und Nachbereitung war für die Lernenden neu, dass der Unterricht nicht fächer-, sondern themengegliedert ist. Wechsel erzeugen Unsicherheiten, nicht nur bei den Lernenden, sondern auch bei den betrieblichen Ausbildnern. Wir alle sind ja an fächergegliederten Unterricht gewöhnt, auch die Lernenden. Aber das wird sich in naher Zukunft ändern, auch in der beruflichen Weiterbildung (Vorarbeiter- und Polier-Ausbildung).

Der Aufbau der Themen ist logisch, die Reihenfolge sinnvoll, trotzdem haben die Lernenden oft Mühe, sich zu orientieren und zu entscheiden, welche Unterlagen sie in den Blockkurs mitnehmen müssen. Je weiter die Ausbildung fortschreitet, desto mehr Material müssen sie mit sich führen.

K: Wie gesagt, sind die Nachbereitungsaufträge, die zu einem Eintrag in die Lerndokumentation führen, die wesentlichste Neuerung für die Lehrbetriebe. So richtig verstanden habe ich das erst, als ich im zweiten Jahr den Einführungstag in Sursee besuchte. Weil wir sowohl EBA- wie EFZ-Lernende beschäftigen, besuchte ich die Einführung zweimal; die Lehrerin am Vormittag erklärte die Funktion der Lerndokumentation wesentlich klarer als ihr Kollege am Nachmittag. Ich hatte das Gefühl, er war selbst noch unsicher. Ich habe dann gleich zwei Lerndokumentationen mitgenommen, und nach gründlicher Lektüre des Dokuments war mir die Sache klar.

Bedingte die Revision eine Anpassung der betrieblichen Ausbildungsgrundlagen? Wenn ja, in welcher Weise?

G: Ich habe zur Einführung Schulungen für Vorarbeiter und Poliere angeboten und sie auf die Änderungen vorbereitet. Jetzt, nach zwei, drei Jahren, beginnen die Massnahmen zu greifen, und die Ausbildner in der beruflichen Praxis haben Tritt gefasst. Die Veränderungen brachten Unsicherheit mit sich, was nicht alle im Betrieb als positiv erlebten. Ich musste mich auch zuerst einlesen, um die Dokumente zu verstehen und zu begreifen, wie sie in der Praxis angewendet werden. Ich sehe mich vor allem in der Rolle des Übersetzers vom Bildungsplan in die Praxis. Der Wechsel auf die neuen Ausbildungsgrundlagen braucht zwei bis drei Jahre, bis sich das Neue eingespielt hat, und dann noch einmal eine gleiche Zeitspanne zur Konsolidierung. Grundsätzlich bilden wir aber ja immer noch Strassenbauer aus. Der neue Bildungsplan brachte mit der Kompetenzorientierung einfach eine neue Sichtweise und eine veränderte Ausbildungssystematik.

M: Der Wechsel zur neuen Bildungsverordnung bedingte keine grundsätzlichen Veränderungen in der betrieblichen Ausbildung. Das handwerkliche Können ist auch im neuen Bildungsplan enthalten; wir konnten deshalb die Art und Weise, wie wir ausbilden, beibehalten: die Lernenden einem Polier auf einer Baustelle zuzuteilen, der die Ausbildung beaufsichtigt.

K: Zuerst habe ich einmal die Informationen für die Lernenden und für die Poliere aufbereitet. Es musste ihnen klar werden, dass Lernende vor jedem Blockkurs einen Vorbereitungsauftrag zu erledigen haben und nach dem Kurs einen Nachbereitungsauftrag und dass dieser Nachbereitungsauftrag zu einem Eintrag in die Lerndokumentation führt. Das einmal als Grundinformation.

Wir haben im Betrieb für die Lernenden ein Bonussystem. Mit Einsatzwillen, Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und guten Leistungen kann der Lernende im Monat 200 Franken mehr verdienen. Die Lernenden werden am Ende jedes Semesters beurteilt. Ein Beurteilungskriterium sind die Einträge in unser betriebsinternes Arbeitsbuch. Der Bonus hängt von der erreichten Punktzahl ab und ist in Beträgen von zwanzig Franken abgestuft. Wir haben die Einträge in die Lerndokumentation in dieses Bonussystem integriert.

 

8.2 Zur Vernetzung der Lernorte

Ein wichtiges Ziel der Revision war die Vernetzung der drei Lernorte. Wie erleben Sie als betrieblicher Ausbildungsverantwortlicher diese Vernetzung?

G: Ich erlebe die Zusammenarbeit mit Schule und üK sehr gut. Die Kommunikation stimmt. Wenn ich Fragen habe, bekomme ich eine kompetente Antwort. Ich habe Einblick in die Kooperation zwischen Berufsfachschule und üK, die Türen sind jederzeit offen.

M: Vernetzung und Kommunikation sind noch nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Beispielsweise bekommen wir zwar den Ordner mit der Lerndokumentation und dem Überblick über die Aufträge, aber wir haben den Schulstoff nicht, auf den sich die Aufträge beziehen.

K: Wir pflegen mit der Berufsfachschule einen sehr guten Kontakt. Sie melden sich, wenn mit einem Lernenden unserer Firma etwas nicht in Ordnung ist, andererseits gehen sie auf begründete Wünsche unsererseits ein, zum Beispiel wenn ein Lernender aus triftigen Gründen einen Kurs verschieben muss. Da zeigen sie sich auch kurzfristig als sehr flexibel. Das schätzen wir. Bei Anfragen bekomme ich immer eine kompetente Antwort. Ich war, bevor ich in die Schweiz kam, schon in Deutschland Ausbildner und muss sagen, dass die Verbindung Betrieb – Berufsfachschule in der Schweiz enger ist.

Wie leben Sie als Ausbildungsbetrieb diese Lernortkooperation?

G: Die Verantwortlichen und Ausbildner der Berufsfachschule und des üK-Zentrums sind interessiert, wie wir in den Betrieben ausbilden. Wenn ich telefoniere, bin ich nicht einfach eine Nummer, man kennt mich und nimmt mein Anliegen ernst. Das ist wirklich gelebte Lernortkooperation: Ich kann mit den Lehrpersonen und den üK-Instruktoren über die Leistung unserer Lernenden diskutieren. Sie nehmen sich Zeit und geben kompetent Auskunft. Der Austausch klappt im Vergleich zu andern Berufen hervorragend.

M: Wir besuchen die von der Berufsfachschule angebotenen Veranstaltungen, so zum Beispiel die Veranstaltung für die Lehrbetriebe in der Einführungswoche des ersten Lehrjahres. Dort wurden wir in die Lerndokumentation eingeführt. Ich muss sagen, die Einführung war klar; Lernende und Ausbildner bekamen die gleichen Informationen. Ich kenne meine Aufgabe als betrieblicher Ausbildner.

Hier scheint mir noch eine Lücke in der zeitlich verkürzten Zusatzausbildung für Lernende zu bestehen, die Strassenbauer als Zweitberuf lernen.

K: Wir besuchen die von der Berufsfachschule angebotenen Informationsveranstaltungen (zum Beispiel in der Einführungswoche). Da ergibt sich am Rande der Veranstaltung das eine und andere Gespräch, und allmählich kennt man sich gegenseitig. Beziehung ist die Grundlage für Kooperation.

8.3 Zu den Vorbereitungsaufträgen

Die Lernenden erhalten vor jedem Blockkurs einen Vorbereitungsauftrag. Informieren die Lernenden Sie über diese Aufträge?

G: Ich muss die Poliere auf der Baustelle darauf aufmerksam machen, dass Lernende vor jedem Blockkurs einen Vorbereitungsauftrag ausführen müssen. Ich möchte, dass Lernende und Ausbildner darüber sprechen: Was ist der Auftrag? Wie kann ich ihn möglichst gut realisieren? Das kann auf der Baustelle in der Znünipause oder über Mittag geschehen, aber ich möchte, dass darüber diskutiert wird.

M: Das ist unterschiedlich. Eigentlich wissen alle, dass sie für jeden Blockkurs einen Vorbereitungsauftrag und einen Nachbereitungsauftrag haben, aber nicht alle Lernenden sind gleich zuverlässig. Einige «vergessen» diese Aufträge nur allzu gerne. Wir stellen grosse Unterschiede fest: Während die einen ihre Arbeitsaufträge vor und nach den Blockkursen selbstgesteuert und gewissenhaft ausführen, müssen andere gemahnt und unterstützt werden, damit sie ihre Pflichten erfüllen. Auffallend ist, dass sie auf der Baustelle wesentlich zuverlässiger sind als in der Berufsfachschule. Aber auch hier muss bei etlichen Lernenden die «Zuverlässigkeit» Schritt für Schritt aufgebaut werden.

Keine Probleme haben wir in dieser Hinsicht mit den Lernenden der Zusatzausbildung, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben. Sie haben eine hohe Leistungsmotivation und sind auch entwicklungsmässig reifer als ihre Kollegen. Sie sind aber auch auf der Baustelle top und werden geschätzt.

K: Die Lernenden kommen mit Fragen zum Vorbereitungsauftrag eher zu mir als zu den Polieren auf der Baustelle, vor allem wenn sie irgendwelches Material oder Pläne mitbringen müssen. Ich muss sagen, mit diesen Vor- und Nachbereitungsaufträgen ist die Verbindung zur Berufsfachschule enger geworden. Gestützt auf den Vorbereitungsauftrag, habe ich Hinweise, welche Themen im Blockkurs ausgebildet werden.

Brauchen die Lernenden für das Lösen der Aufträge Unterstützung? Wenn ja, in welcher Art?

G: Ich fordere die Mitarbeiter immer wieder auf, die Lernenden zu unterstützen, wenn sie denn Unterstützung brauchen. Der Bedarf ist unterschiedlich. Jeder Polier verfügt über ein Tablet, er kann sich also die Vorbereitungsaufträge auf der Website der Schule herunterladen und sie ansehen. Ich habe noch nie gehört, dass der Vorbereitungsauftrag zu Problemen führte. Ich finde diese Vorbereitungsaufträge sinnvoll, die Lernenden befassen sich vor dem Blockkurs mit den Inhalten, die sie bearbeiten werden. Im Weiteren sind die Vorbereitungsaufträge ein gutes Mittel, um die Zuverlässigkeit der Lernenden zu schulen.

M: Bei einem Teil der Lernenden kontrollieren wir die Vorbereitungsaufträge. Wir haben einen guten Namen als Ausbildungsbetrieb, und wir wollen nicht, dass unsere Lernenden in den Blockkursen negativ auffallen. Es gibt aber Lernende, die in ihrem bisherigen Leben noch nicht mitbekommen haben, dass Zuverlässigkeit im Wirtschaftsleben ein wichtiger Wert ist.

Wenn die Lernenden Materialien aus der Firma mitbringen sollen, dann unterstützen wir das selbstverständlich. Bis jetzt liefen all diese Arbeiten über den Bildungsverantwortlichen der Firma. In Zukunft müssen aber die Poliere auf der Baustelle die Kontrolltätigkeit bis zu einem gewissen Grad übernehmen. Als Verantwortlicher für die Lehrlingsausbildung kann ich 25 Prozent meiner Arbeitszeit für diese Aufgabe einsetzen – also ca. einen Arbeitstag pro Woche.

K: Nach unserer Erfahrung in den letzten zwei Jahren braucht auch der Vorbereitungsauftrag eine gewisse Begleitung. Ich weise die Lernenden schon bei der Einführung bei Lehrbeginn darauf hin, dass sie sich frühzeitig melden sollen, wenn sie etwas brauchen, und das hat sich ganz gut eingespielt. Zudem bauen wir den Vor- und Nachbereitungsauftrag ins Lohnbonussystem ein. Damit berücksichtigt unser betriebliches Anreizsystem drei Elemente der anderen Lernorte: Vorbereitungsauftrag, Leistungen in der BFS und im üK und Nachbereitungsauftrag.

Ich kommuniziere mit den Lernenden auch über WhatsApp, das ist ihre Kommunikationsform. Erwachsene kommunizieren mit Mails, die Jungen über WhatsApp. Ich erkundige mich kurz, wie sie den Blockkurs erlebt haben, oder mache darauf aufmerksam, dass für den bevorstehenden Blockkurs ein Vorbereitungsauftrag zu leisten ist. Ich bin mit ihnen dauernd in einem locker gehaltenen Austausch. Der Vorbereitungsauftrag hat sich bei den Lernenden etabliert, der verursacht im Betrieb keinen grossen Aufwand.

8.4 Zu den Nachbearbeitungsaufträgen

Nach jedem Blockkurs bringen die Lernenden einen Nachbereitungsauftrag mit. Wie integrieren Sie die Lernenden nach den Blockkursen wieder in den Betrieb?

G: Der Nachbereitungsauftrag verursacht im Betrieb mehr Aufwand, da kommen die Poliere auf den Baustellen zum Einsatz. Ich muss den Lernenden auf eine Baustelle einteilen, wo er den Nachbereitungsauftrag umsetzen kann. Das erfordert Einsatzplanung. Dann muss ich die Umsetzung des Auftrags mit dem Polier und dem Lernenden vorbereiten. Der Polier erteilt den Auftrag und beurteilt am Schluss zusammen mit dem Lernenden die Ausführung. Die einzelnen Arbeitsschritte hat der Lernende in der Berufsfachschule kennengelernt und im überbetrieblichen Kurs ein erstes Mal ausgeführt. Mit diesen Unterlagen sollte er in der Lage sein, die geforderte Arbeit selbstständig auszuführen. Ich fordere die Lernenden auf, das Lehrmittel und die Lerndokumentation auf die Baustelle mitzunehmen; es gibt immer wieder tote Zeiten oder schlechtes Wetter, wo in der Baubaracke die Lerndokumentation nachgeführt werden kann.

M: Wir haben alle Lernenden in einem WhatsApp-Chat zusammengefasst, das ist unser Kommunikationsmittel. Am Donnerstagmittag, wenn das Bauprogramm für die nächste Woche geklärt ist, bekommen die Lernenden eine Nachricht, bei welchem Polier sie sich am Montagmorgen melden sollen. Sie bekommen seine Telefonnummer und die Baustelle bezeichnet. So ist das auch für die Lernenden im Blockkurs geregelt. Wir teilen die Lernenden auf Baustellen ein, wo sie eine bestimmte berufliche Tätigkeit lernen können. Wir müssen wissen, in welchen Kursen welche Lernthemen erarbeitet werden. Darüber gibt das Ausbildungsprogramm in der «Lerndokumentation» Auskunft. So können wir die Lernenden zielgerichtet einsetzen. Am Montag nach einem Blockkurs beginnt also wieder der normale Arbeitsalltag mit dem Wissen, dass die Lernenden uns jederzeit kontaktieren können, wenn sie etwas brauchen, zum Beispiel für den Nachbereitungsauftrag.

Klein- und Mittelbetriebe haben vielleicht nicht immer gerade die für den Nachbearbeitungsauftrag nötigen Arbeiten im Bauprogramm, da muss man ein bisschen vor- und nachgeben können.

K: Die Lernenden geben das betriebsinterne Arbeitsbuch jeden Monat an einem bestimmten Termin ab, und ich kontrolliere die Dokumente. Jeden zweiten Monat geben sie zudem die Lerndokumentation ab. Wer den Abgabetermin verpasst, hat eine Karenzfrist von drei Tagen, danach gibt es Abzug in der Zuverlässigkeit. Nach jedem halben Jahr besprechen wir mit den Lernenden den Bildungsbericht und geben ihm die Einstufung im Bonussystem bekannt. Im Moment sind zwei Lernende auf der höchsten Bonusstufe (plus 200 Franken pro Monat), einer liegt auf der Stufe zwanzig Franken, der Rest verteilt sich dazwischen.

Wie setzen Sie mit den Lernenden die Nachbereitungsaufträge um?

G: Der Begleitungs- und Betreuungsaufwand für den einzelnen Lernenden ist äusserst unterschiedlich. Wir haben Lernende, die den Vorbereitungsauftrag schon nach dem zweiten Kurs absolut selbstständig und ohne Probleme erledigen. Sie machen auch den Polier über den anstehenden Nachbearbeitungsauftrag aufmerksam. Aber wir haben auch welche, die ihre Selbst- und Methodenkompetenz noch wenig entwickelt haben. Die brauchen dann Führung, Nachhaken und Kontrolle, damit sie zu einem verwertbaren Arbeitsergebnis kommen – dies, obschon sie wissen, dass sie beim Besprechen des Bildungsberichtes am Ende eines Ausbildungssemesters ihre nachgeführte Lerndokumentation zur Kontrolle vorlegen müssen.

Es ist aber auch bei den Polieren so, dass die einen sich mehr darum kümmern und andere weniger; auch bei ihnen gibt es noch Verbesserungspotenzial. Lernende und Berufsbildner bekommen in der Einführungswoche die gleichen Informationen. Die Lernenden müssen mir anschliessend an der Veranstaltung in eigenen Worten erklären, was sie verstanden haben und wo es noch Fragen zu klären gibt.

Im Ordner ist gut erklärt, wer mit dem Nachbereitungsauftrag welche Arbeit zu erledigen hat. Die Dokumente sind auf der Homepage der BFS VWB jederzeit abrufbar. Das wissen in unserer Firma sowohl die Lernenden als auch die Poliere. Wir haben im Betrieb schon diskutiert, ob wir für die Strassenbauer eine «Ausbildungs-App» schaffen wollen, die noch einfacher zu bedienen ist als die Homepage der Berufsfachschule. Im Moment erachte ich das aber als unnötig, da alles im Netz abrufbar ist. Lernende und Poliere müssen sich einfach damit befassen. Technisch sind sie auf der Baustelle ausgerüstet, jeder Polier verfügt über ein Tablet, das er auch zum Rapportieren der Arbeit braucht. Die Information ist verfügbar. Ich vertrete die Meinung, dass es sich da für den Lernenden und die Poliere um eine Holschuld handelt, das ist unsere Betriebskultur.

 

Ich wünsche mir, dass der Nachbereitungsauftrag Gespräche und Diskussionen zwischen dem Polier und dem Lernenden auslöst.

M: Ein Teil der Lernenden weiss mit dem Nachbereitungsauftrag wenig anzufangen. Das ist zum Teil auf die beschränkte Sprachkompetenz der Lernenden zurückzuführen, aber wir stellen auch fest, dass die Einführung in den Nachbereitungsauftrag von unterschiedlicher Qualität ist. Wir benötigen als Ausbildungsverantwortliche eine Orientierungsmail, damit wir wissen, was die Lernenden zu erledigen haben. Nicht alle Lernenden sind so zuverlässig, dass sie den Auftrag als Bringschuld ansehen. Es besteht bei weniger Motivierten die Gefahr, dass sie den Nachbereitungsauftrag in den Kursunterlagen «vergessen».

Die Lehrpersonen der Blockkurse müssen vermehrt darauf achten, dass die Nachbereitungsaufträge am richtigen Ort im Ordner eingeordnet werden. Ein Teil der Lernenden muss auch noch lernen, diese Aufträge sorgfältig zu erfüllen.

K: Ich kenne die Baustellen der Firma. Wenn nun ein Lernender aus dem Blockkurs zurückkommt, setze ich ihn so ein, dass er auf der betreffenden Baustelle den Nachbereitungsauftrag ausführen kann. Dazu spreche ich mich vorher mit dem Polier der Baustelle ab. Er beurteilt die Ausführung der Arbeit, und ich kontrolliere dann den Eintrag in der Lerndokumentation. Die Ausbildung der Lernenden ist auch immer wieder Thema in den regelmässig durchgeführten Polierschulungen. Die Poliere auf der Baustelle verlangen von den Lernenden viel, die Umstellung von der obligatorischen Schulzeit in die Berufswelt ist enorm; die meisten brauchen vier Monate der Angewöhnung. Dies muss ich den Polieren von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen, dass die Jugendlichen noch in Ausbildung sind.