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7 Kompetenzorientierte Prüfungen

Wenn man kompetenzorientiert ausbildet, dann liegt es nahe, auch kompetenzorientiert zu prüfen. Doch wie funktioniert das? Von den Grundlagen, über die Methoden bis hin zur Bewertung wird in diesem Abschnitt das kompetenzorientierte Prüfen erläutert. Sie erfahren zudem, wie die praktische Umsetzung für EBA und EFZ im Berufsfeld Verkehrswegbau aussieht.

Es gibt Erfahrungen, die wir alle teilen: Wer hat sich während seiner Schul-, Studien-, Aus- oder Weiterbildungszeit nicht unzähligen Prüfungen unterzogen? Wer kennt sie nicht, die kniffligen Fragen im naturwissenschaftlichen Unterricht: Welchem Teil eines Meters entspricht ein Nanometer? Oder die Fragen nach historischen Daten: In welchem Jahr wurde Sokrates zum Tode verurteilt? In Zeiten, in denen die Diskussion rund um den Bildungskanon durch populäre Sendungen wie «Wer wird Millionär?» mitbestimmt wird, scheint diese Art von Wissenstests wieder sehr aktuell zu sein.

In der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist allerdings das Abfragen von auswendig gelerntem Wissen keine geeignete Prüfungsmethode – so viel ist klar. Vielmehr muss der gesamte Lernprozess – einschliesslich des Prüfungssystems – auf Handlungskompetenzen ausgerichtet sein. Fakt ist, dass diesem Grundsatz noch viel zu wenig Rechnung getragen wird. Und damit bleibt leider auch die Erkenntnis ungenutzt, dass die Art der Prüfung das Lernverhalten massgeblich steuert.

Diese Einsicht gilt ganz besonders für kompetenzorientierte Bildungsgänge. Wird ein Lernprozess mit klassischen Wissens- und Verständnistests abgeschlossen, so werden sich die Kandidatinnen und Kandidaten in der Vorbereitung darauf auch nur Wissen und Verständnis aneignen. Sollen die Kandidatinnen und Kandidaten Kompetenzen trainieren, so müssen diese Kompetenzen in den Prüfungen auch bewertet werden. Dies ist mit entsprechenden Prüfungsformen möglich, etwa mit Fallstudien, Mini-Cases, Simulationen oder auch mit einem Gesellenstück oder einer konkreten Projektarbeit im Rahmen von berufsbegleitenden Ausbildungen.

Im Rahmen der Reform der Grundbildung im Berufsfeld Verkehrswegbau stand zum Abschluss die Frage nach der Ausgestaltung des Qualifikationsverfahrens im Zentrum der Betrachtung; die konkrete Umsetzung ist beim Erscheinen des Buchs noch in Bearbeitung.

Zum Thema der kompetenzorientierten Prüfungen folgen nun zunächst ein paar grundlegende Überlegungen.

7.1 Grundlagen der kompetenzorientierten Prüfungen
7.1.1 Anforderungen an kompetenzorientierte Prüfungen

Für kompetenzorientierte Prüfungen lassen sich überblicksmässig ein paar klare Anforderungen formulieren. Dabei unterscheiden wir zwischen einer klassischen Kompetenzdiagnostik und den formativen Prüfungen im Sinne einer Lernprozessbegleitung.


FragenAnforderungen
Wozu führe ich Prüfungen durch?(Funktion)Damit Prüfungen die Basis liefern, um diagnostizieren, fördern und entwickeln zu können, sollten sie im Ausbildungskontext regelmässig durchgeführt werden und Rückmeldungen zur Kompetenzentwicklung enthalten.Die klassische Aufgabe des Qualitätsverfahrens (QV) ist die Kompetenzdiagnostik, die Prüfung ist entsprechend auszugestalten.
Was will ich prüfen?(Inhalte)Wenn Prüfungen als Lernzielkontrolle eingesetzt werden, müssen sie die Lernziele der Ausbildung repräsentativ abbilden.Dienen sie zur Überprüfung der beruflichen Kompetenzen wie im QV, müssen sie sich ganz klar auf die Praxis beziehen und an den erforderlichen Kompetenzen ansetzen.
Wie will ich prüfen?(Prüfungsform)Bei der Lernprozessbegleitung wird auf einen abgestimmten Methodenmix geachtet. Neben Wissens- und Verständnisabfragen dienen Anwendungsaufgaben und Umsetzungs- bzw. Reflexionsaufgaben der gezielten «Förderung und Entwicklung» der Kandidatinnen und Kandidaten.Beim QV werden typische Arbeitssituationen simuliert und die darin enthaltenen Anforderungen zum Gegenstand der Prüfung gemacht (fachliche und theoretische Inhalte, Arbeitsmethodik, Umgang mit sich selbst und den Mitakteuren). Ausserdem wird die Reflexionsfähigkeit überprüft.
Wie will ich auswerten?(Beurteilung)Die Auswertung der Prüfungsleistungen erfolgt anhand von Beurteilungskriterien, die den Kandidatinnen und Kandidaten bekannt sind.
Wie genau will ich prüfen?(Qualitätsanspruch)Die Gültigkeit (Validität) der Prüfungsaufgaben ist bei kompetenzorientierten Prüfungen prioritär zu behandeln, da die Simulation der Praxis das zentrale Erfolgskriterium ist.

Abbildung 7-1: Übersicht formative und summative Prüfungen

7.1.2 Methodenmix

Mit dem Einbezug verschiedener Prüfungsmethoden kann die Aussagekraft des Qualifikationsverfahrens erhöht werden, da die zu prüfenden Kompetenzen in unterschiedlichen Kombinationen und Situationen gezeigt werden müssen, verschiedene Kompetenzfacetten überprüft bzw. eine Kompetenz durch mehrere Methoden erfasst werden kann.

Grundsätzlich kann zwischen den folgenden, für kompetenzorientierte Bildungsangebote zentralen Prüfungsmethoden unterschieden werden:

•Prozessbeobachtung – Produkt-/Ergebnisbeobachtung,

•Schriftliche Prüfungen – mündliche Prüfungen,

•Wissensprüfungen – praktische Prüfungen,

•Individuelle – kooperative Prüfungsformen

(vgl. Metzger 2005).

Prozessbeobachtung – Produkt-/Ergebnisbeobachtung

Wir unterscheiden Prüfungen, bei denen einerseits die Ausführung der Prüfungsaufgabe beurteilt wird – wir sprechen von «Prozessbeobachtung» –, und Prüfungen, bei denen das Ergebnis bewertet wird. Solche Prüfungen können sowohl in realen als auch in simulierten Situationen durchgeführt werden.

Der Unterschied wird anhand folgender Tabelle deutlich:


Handeln in realen SituationenHandeln in simulierten Situationen
Unmittelbare ProzessbeobachtungPraktische Prüfungen im BerufsalltagProjekteFallstudienRollenspiele
Produkt-/ErgebnisbeobachtungPraxisfallstudieProjektdokumentation bzw. -präsentationPräsentation didaktische FallstudieSituationsbezogene schriftliche Arbeit

Abbildung 7-2: Übersicht Prüfungsmethoden

Schriftliche Prüfungen – mündliche Prüfungen

Prüfungsmethoden können je nach Situation in schriftlichen oder mündlichen Prüfungen zum Einsatz kommen. Auch eine Kombination ist denkbar; zum Beispiel wird eine Projektdokumentation erstellt und anschliessend mündlich präsentiert. Bei der Entscheidung, ob eine Prüfung schriftlich oder mündlich durchgeführt werden soll, spielen vor allem die Kompetenzen bzw. die Arbeitssituationen, die beurteilt werden sollen, eine Rolle. Es ergibt zum Beispiel wenig Sinn, Korrespondenz in einer mündlichen Prüfung abzufragen oder eine kommunikative Situation, wie das Kundengespräch, schriftlich zu simulieren. Die Faustregel lautet, dass mündliche Prüfungen vor allem zur Bewertung von Kompetenzen in der Face-to-Face-Kommunikation eingesetzt werden – mit Präsentationen, Rollenspielen, Gesprächsführung, Moderationsaufträgen usw.

Situationen anderseits, die auch im Arbeitsalltag Schriftlichkeit verlangen, werden schriftlich geprüft.

Wissensprüfungen – praktische Prüfungen

Dass in kompetenzorientierten Bildungsangeboten das Schwergewicht auf praktischen oder praxisnahen Prüfungsmethoden liegt, versteht sich fast von selbst. Dennoch kann und soll auf Wissensprüfungen nicht verzichtet werden.

Individuelle – kooperative Prüfungsformen

In der Berufsbildung ist Teamarbeit in vielen Bereichen die Regel, es braucht also auch entsprechende Kompetenzen. Es ist deshalb sinnvoll, individuelle mit kooperativen Prüfungsformen zu kombinieren. Im Zentrum steht die Interaktion in der Gruppe, beurteilt wird in der Regel jedoch die individuelle Leistung. Sie können als schriftliche und/oder mündliche Prüfung durchgeführt werden. Es sind Prüfungen in realen und in simulierten Situationen denkbar.

Bei all diesen unterschiedlichen Prüfungsarten wird deutlich, dass der Mix der Prüfungsmethoden für die Qualität des Prüfungssystems entscheidend ist.

Berufliche Kompetenzen sind vielschichtig: Neben fundiertem Fachwissen sind zur erfolgreichen Bewältigung von beruflichen Aufgaben auch entsprechende Haltungen, analytische Fähigkeiten, methodisches Vorgehen oder ein umfassendes Problemlöseverhalten notwendig. Aufgrund ihrer Vielschichtigkeit sind berufliche Kompetenzen in Prüfungen nur schwer fassbar. Bei der Konstruktion der Prüfungen bewegen wir uns deshalb zwangsläufig in einem Spannungsfeld zwischen «Wünschenswertem» und «Machbarem».

Das Wünschenswerte

Die Kandidatinnen und Kandidaten zeigen ihre beruflichen Fähigkeiten direkt in der Praxis: live und in Farbe, mit all der Komplexität, die in der Realität steckt. Die Prüfungsexperten und -expertinnen beobachten und bewerten die gezeigten beruflichen Kompetenzen.

Ökonomisch betrachtet, ist das oftmals nicht machbar. Der Aufwand für ein solches Prüfungssetting würde ins Unermessliche steigen.

Das Machbare

Man trifft eine Auswahl aus den zu prüfenden Kompetenzen. Die berufliche Praxis wird im Prüfungssetting so realitätsnah wie möglich nachgebildet.

 

Die zu prüfenden Kompetenzen werden mithilfe verschiedener Methoden geprüft. Dabei erhöht ein breiter Mix an Prüfungsmethoden die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Vielschichtigkeit der beruflichen Kompetenz in ihrer Ganzheit erfassen.

Wer die Wahl, hat bekanntlich die Qual. Folgende Grafik stellt eine Systematisierungshilfe für die verschiedenen Prüfungsmethoden dar.


Fachwissenin praxisnahen Situationen abrufenAnwendungenin praxisnahen Situationen durchdenkenHandlungenin praxisnahen Situationen durchführenHandelnin der realen Berufspraxis zeigen
•Wissensfragen•…•Fallstudie•Mini-Case•Postkorb•…•Rollenspiel•Handlungssimulation•Erfolgskritische Situation•Gruppendiskussion•…•Projektarbeit•Integrierte Praxisaufgaben•Konzeptionelle Praxisarbeit•…

Abbildung 7-3: Kategorisierung von Prüfungsmethoden

7.1.3 Bewertungsansätze

Eine Prüfung zu planen, heisst auch zu entscheiden, wie die Prüfungsleistungen ausgewertet werden sollen: Wie will ich auswerten, wie sieht meine Beurteilung aus?

Bei Abschlussprüfungen, die der Kompetenzdiagnostik dienen, geht es um den qualifizierbaren und quantifizierbaren Nachweis von Leistungen, bezogen auf den zu beherrschenden Lehr- beziehungsweise Lernstoff, also um den Nachweis von bestimmten Handlungskompetenzen, die mit der Bildungsmassnahme aufgebaut werden sollten. Was eine gute Leistung ist, lässt sich nur mithilfe eines äusseren Referenzsystems bestimmen. Die Prüfenden geben vor, was es braucht, um eine bestimmte Note oder eine bestimmte Anzahl von Punkten zu erreichen. Je nach Referenzsystem ist eine Prüfung entweder normorientiert, setzt also das individuelle Prüfungsergebnis in Bezug zu den Resultaten der anderen Kandidatinnen und Kandidaten und bestimmt die Position eines einzelnen Ergebnisses innerhalb einer Gruppe. Oder sie ist kriterienorientiert, vergleicht also die individuelle Leistung der Kandidatinnen und Kandidaten mit einem von anderen Individuen unabhängigen Massstab – zum Beispiel vordefinierten Beurteilungskriterien.

Normorientierte Prüfungen

Normorientierung ist immer noch eine übliche Form der Bewertung. Vor allem in der schulischen Bildung sind normorientierte Prüfungen weit verbreitet. Dabei geht es darum, dass die Noten einer Klasse zum Beispiel der Gauss’schen Normalverteilung entsprechen müssen. Deshalb wird die Notenskala pro Prüfung und Klasse angepasst. Aus der Optik kompetenzorientierter Bildungskonzeptionen sind indes normorientierte Prüfungen wenig sinnvoll, da sie nur den Rang einer Kandidatin oder eines Kandidaten im Vergleich zu anderen Kandidatinnen und Kandidaten abbilden, nicht die Ausprägung der gewünschten Handlungskompetenz. Die Aussage «… ist verglichen mit der Referenzgruppe beziehungsweise der Klasse auf Rang 12 von 20 …» liefert keine Information über die berufliche Kompetenz.

Kriterienorientierte Prüfungen

In kriterienorientierten Prüfungen werden die Ausprägungen der Handlungskompetenzen anhand vordefinierter Kriterien bewertet. Es existiert also ein Massstab, es gibt konkrete Vorgaben, was als gute, mittelmässige oder schwache Ausprägung einer Handlungskompetenz aufgefasst wird. Kriterienorientierte Beurteilungen haben den Vorteil, dass man die Kandidatinnen und Kandidaten im Vorfeld der Prüfung über die Anforderungsdimensionen einer Prüfungsaufgabe informieren kann. Dadurch können sie sich bestmöglich auf die geforderten Dimensionen konzentrieren, weil sie sich im Klaren sind, worauf die Prüfungsexpertinnen und -experten jeweils achten.

7.2 Prüfungskonzept

Im Folgenden wird das Prüfungskonzept für EBA und EFZ im Berufsfeld Verkehrswegbau genauer beschrieben.

7.2.1 Ausgangssituation/Zielsetzungen

Wenn eine Ausbildung wirklich und ernsthaft auf Kompetenzen ausgerichtet ist, müssen auch im Qualifikationsverfahren aufgebaute Kompetenzen beurteilt werden. In der BFS VWB wird folgerichtig ein einheitliches, praxisnahes und handlungsorientiertes Prüfungskonzept umgesetzt, für das folgende Zielsetzungen definiert wurden:

•Das Konzept baut auf den Erfahrungen im QV EBA auf.

•Das Konzept soll die berufliche Lebenswelt der Lernenden miteinbeziehen.

•Das Kompetenzprofil der Lernenden wird ganzheitlich geprüft.

•Jeder Prüfungsbereich deckt schwerpunktmässig einen Teil der Handlungskompetenzen ab.

•Die Prüfungsbereiche sind inhaltlich aufeinander abgestimmt.

•Die Vorgaben aus der Bildungsverordnung und dem Bildungsplan werden berücksichtigt.

•Das Konzept zeigt unterschiedliche Methoden, wie kompetenzorientiert geprüft werden kann (= kein alter Wein in neuen Schläuchen).

•Die Lerndokumentation als Instrument der Lernortkooperation und die erstellten Lernunterlagen werden im Prüfungssetting miteinbezogen.

Mit dem Aufbau des Grundlagenkonzepts wurde die pädagogische Begleitung im Bereich Konzeption – die Firma Ectaveo – beauftragt. Die einzelnen Prüfungsaufgaben werden von internen Fachleuten erstellt. Die Schulung der Experten übernimmt die pädagogische Begleitung der Umsetzung, Andreas Grassi.

Prüfungsaufgaben und Schulung der Expertinnen und Experten sind bei Erscheinen des Buchs noch in Entwicklung.

7.2.2 Vorstellung des Prüfungskonzepts

Die folgende Grafik zeigt das Prüfungskonzept im Bereich der praktischen Arbeit und der Berufskenntnisse im Überblick auf:


Abbildung 7-4: Prüfungssystem Qualifikationsverfahren

Es wird im Prüfungssystem zwischen schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungsteilen unterschieden. Um möglichst ganzheitliche Aussagen über das Kompetenzprofil der Kandidatinnen und Kandidaten zu ermöglichen, werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Dabei wird zwischen folgenden Kompetenzbereichen unterschieden:

•Wissen/Verständnis,

•Analysefähigkeit,

•Motivation/Haltung,

•Umsetzungspotenzial.

7.2.3 Eingesetzte Prüfungsformen

Um Aussagen in den verschiedenen Kompetenzbereichen zu gestatten, wird ein Mix verschiedener Prüfungsmethoden eingesetzt:

Fallbeispiele oder Mini-Cases

Mini-Cases bezeichnen eine Prüfungsform, bei der kurze Beschreibungen («kleine Fallbeschreibungen») von praktischen Situationen im Hinblick auf das berufliche Handeln in der Situation analysiert werden. Die Kandidatinnen und Kandidaten setzen sich sowohl mit der Situation als auch mit dem möglichen Vorgehen in der Situation auseinander. Dabei nehmen sie eine bestimmte Rolle ein.

Mini-Cases sind geeignet, die Analysefähigkeit zu überprüfen. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden aufgefordert, die Situation oder das rollenkonforme Verhalten in einer Situation einzuschätzen.

Sie müssen

•Situationen analysieren,

•Schlüsse ableiten,

•Konsequenzen für das Handeln ableiten,

•vorzunehmende Handlungen aufzeigen.

Bei den Mini-Cases werden zwei Typen unterschieden:

Typ 1: «Finde den Fehler»

Die Praxissituation im Mini-Case beschreibt ein Ereignis oder eine Handlung, die bereits stattgefunden hat und in irgendeiner Form negative Auswirkungen hatte. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden mit Reflexionsfragen aufgefordert, Fehler zu erkennen und Handlungsalternativen durchzudenken, mit denen ein positiver Effekt in der Situation generiert werden könnte.

Typ 2: «Reflexion aktueller Handlungen oder Ereignisse»

Bei Typ 2 müssen die Kandidatinnen und Kandidaten anhand der Beschreibung einer Praxissituation in einem ersten Schritt das Problem erkennen bzw. die Situation analysieren und in einem zweiten Schritt Konsequenzen bzw. mögliche Handlungen aufzeigen.

Um die Praxissituationen möglichst realitätsnah darzustellen, werden Bilder, Fotos, Grafiken oder Kurzvideos eingesetzt.

Vorgegebene Praxisarbeit (VPA)

Im Rahmen der VPA lösen die Kandidatinnen und Kandidaten eine praktische Aufgabe unter möglichst realitätsnahen Bedingungen. Die Prüfung findet direkt in einem simulierten Praxisumfeld statt. Der Prüfungsexperte oder die Prüfungsexpertin beobachtet das Handeln und beurteilt es aufgrund von definierten Beurteilungskriterien. Bei der VPA wird, anders als bei vielen anderen Prüfungsformen, nicht nur das Arbeitsergebnis, sondern auch die Arbeitsdurchführung bewertet.

Mit einer VPA kann die Handlungskompetenz der Kandidatinnen und Kandidaten unter nahezu realen Bedingungen geprüft werden. Die Fähigkeit zum selbstständigen Bewältigen von Arbeitssituationen wird ermittelt. Das «Abprüfen» von Wissen entfällt, da ein erfolgreiches Handeln im Arbeitskontext ohne das entsprechende Grundlagenwissen gar nicht möglich ist. Die VPA ist eine aufwendige und anspruchsvolle, aber sehr zuverlässige Form des Prüfens.

Vor der Konstruktion der VPA wird festlegt, welche Handlungen die Kandidatinnen und Kandidaten zeigen sollen. Anschliessend wird ein entsprechender Prüfungsablauf definiert. In einem Beobachtungsbogen wird beschrieben, was beobachtet werden soll (Leitfragen) und was eine gute Leistung ausmacht (Kriterien und Fehler). Es wird ferner definiert, wie die Punktevergabe pro Leitfrage erfolgt.

Vor der Prüfung werden die Kandidatinnen und Kandidaten in den konkreten Ablauf eingeführt. Sie erhalten Informationen über ihre Aufgaben, die Rollen aller Beteiligten, zeitliche und inhaltliche Rahmenbedingungen, zur Verfügung stehende Hilfsmittel, die Kriterien, anhand derer ihre Leistung beurteilt wird usw. Idealerweise liegen diese Angaben schriftlich vor. Anschliessend führen die Prüflinge die entsprechenden Handlungen aus, werden dabei von den Prüfungsexpertinnen und -experten beobachtet und schliesslich auch bewertet.

Wissensfragen

Ein wichtiger Bestandteil von Handlungskompetenz ist, dass man über das relevante Grundlagenwissen verfügt und dieses auch verstanden hat. Wissensfragen sind eine Prüfungsform, mit der Wissen und Verständnis geprüft werden kann. Die Kandidatinnen und Kandidaten zeigen, ob sie relevante Wissensbestände abrufen und inhaltliche Zusammenhänge erkennen können. Bei sicherheitsrelevanten Themengebieten ist das Prüfen dieses grundlegenden Wissens beispielsweise unerlässlich.

Für die Durchführung der Prüfungen mit Wissensfragen gibt es neben der klassischen Methode einer schriftlichen Prüfung «auf Papier» auch die Möglichkeit, neue Technologien zu nutzen, beispielsweise mit Online-Tests am Computer.

Wissensfragen können auf unterschiedliche Art gestellt werden. Grundsätzlich wird zwischen offenen und geschlossenen Fragen unterschieden.

Offene Fragen sind Fragen, die ein weites Spektrum an korrekten Antworten zulassen. Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen die Antwort selbst «konstruieren». Solche Prüfungen müssen durch einen Experten oder eine Expertin korrigiert werden.

Geschlossene Fragen sind Fragestellungen, bei denen bestimmte Antwortmöglichkeiten zur Auswahl vorgegeben sind. In der Praxis ist häufig von Multiple-Choice-Aufgaben die Rede.