Völkerrecht

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5. Versuch und Vorbereitungshandlungen

Art. 8 bis kriminalisiert die Planung, Vorbereitung, Einleitung und Durchführung eines staatlichen Aggressionsaktes. Soweit die Planung und Vorbereitung eines Aggressionsaktes als strafbare Handlungen normiert werden, ist dies schon grundsätzlich problematisch, weil das Schadensprinzip und die Rechtsgutlehre zur Rechtfertigung einer strafrechtlichen Sanktion für ein Verhalten die tatsächliche Schadensverursachung bzw. Verletzung des geschützten Rechtsguts fordern, die bloße Schaffung von Risiken oder Gefahren für Rechtsgüter aber in der Regel nicht ausreichen lässt. Im Ergebnis muss also der staatliche Aggressionsakt zumindest eingeleitet („initiation“) worden sein, also das Versuchsstadium erreicht haben, um eine Strafbarkeit auch einer Vorbereitungshandlung begründen zu können. Dies wird durch die ebenfalls in Kampala verabschiedeten „elements of crimes“ bestätigt, die die Durchführung des Aggressionsaktes ausdrücklich verlangen („The act of aggression – the use of armed force by a State against the sovereignty […] – was commited“; vgl. Res. 6 Annex II „Elements“, 3.). Eine der in Art. 8 bis Abs. 1 enthaltenen individuellen Tathandlungen kann also eigentlich nur dann strafrechtlich relevant werden, wenn eine qualifizierte („character, gravity and scale“) staatliche Aggressionshandlung bereits stattgefunden hat. Da außerdem die allgemeinen Regeln zur Strafbarkeit des Versuchs nach Art. 25 Abs. 3 lit. f gelten, fragt sich, ob die Strafbarkeit von Versuchs- und Vorbereitungshandlungen zwar normiert wurde, im Ergebnis aber wohl ohne praktische Relevanz bleiben wird, weil ohne die Durchführung eines Aggressionsaktes die folgenlosen Versuchs- und Vorbereitungshandlungen praktisch gar nicht bestraft werden können, da es insoweit an einem wesentlichen „element of crime“ fehlt.

6. Beteiligung

Zur Bestimmung möglicher Beteiligungsformen beim Verbrechen der Aggression ist entscheidend, wie weit man die Führungseigenschaft in die in Art. 25 Abs. 3 geregelten Beteiligungsformen hineinreichen lässt. Aus rechtssystematischen Gründen soll zwar der gesamte allgemeine Teil des IStGH-Statuts auch für das Verbrechen der Aggression gelten. Der Effekt dieses Ansatzes wird allerdings durch die Einfügung des neuen Art. 25 Abs. 3 bis praktisch auf Null reduziert, da danach für das Verbrechen der Aggression bestimmt wird, dass die übrigen Bestimmungen des Art. 25 nur auf solche Personen anwendbar sind, die eine effektive Kontrolle oder die Leitung über die politischen oder militärischen Handlungen eines Staates ausüben, so dass alle „extranei“ von der Strafbarkeit ausgenommen werden. Die Konsequenz der umfassenden Straflosigkeit aller, die nicht dem unmittelbaren Führungszirkel eines aggressiven Staates angehören, ist bei Vorliegen eines Aggressionsverbrechens durchaus fragwürdig.

IV. Innere Tatseite

Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen gelten die allgemeinen Regeln des Art. 30. Überlegungen zur möglichen Einführung einer besonderen „Aggressionsabsicht“ haben sich nicht durchgesetzt. Der Täter muss also z. B. hinsichtlich des Umstandes „Führungseigenschaft“ das Bewusstsein für seine tatsächliche Position effektiver Kontrolle und Lenkung der aggressiven Handlungen seines Staates besitzen; ferner muss die Person sich über die staatliche Aggressionshandlung und ihren verbrecherischen Charakter im Klaren sein. Hierzu reicht aber wie bei den anderen Völkerrechtsverbrechen das Bewusstsein der tatsächlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit – Rechtskenntnisse oder gar eine zutreffende rechtliche Bewertung sind nicht erforderlich.

V. Ausübung der Gerichtsbarkeit

Das Verhandlungsergebnis von Kampala kann insofern als Erfolg bewertet werden, als die Autonomie des IStGH gegenüber dem Sicherheitsrat gewahrt wurde. Durch die Abkoppelung der Verbrechensdefinition von den Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit konnte erreicht werden, dass alle schon vorgesehenen Überweisungsmechanismen an den Gerichtshof auch beim Tatbestand der Aggression gelten und entgegen den Bestrebungen der fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder nicht der UN-Sicherheitsrat allein über die Einleitung eines Verfahrens wegen des Verbrechens der Aggression befinden kann. Auch ein Verfahren wegen des Verbrechens der Aggression kann somit i.E. durch Staatenüberweisung („State referral“) oder den Ankläger (proprio motu – Art. 15 bis) bzw. den UN-Sicherheitsrat („Security council referral“ – Art. 15 ter) eingeleitet werden.

VI. Der doppelte In-Kraft-Setzungs-Mechanismus

Die Zuständigkeit des IStGH zur Befassung mit Sachverhalten, die ein Verbrechen der Aggression darstellen, ist vom Zusammenspiel zweier Faktoren abhängig, deren Wirkung derzeit nicht genau vorhergesagt werden kann: Nach Art. 15 bis Abs. 3 und Art. 15 ter Abs. 3 darf der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression erst dann ausüben, wenn die Versammlung der Vertragsstaaten zu einem Zeitpunkt nach dem 1.1.2017 eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Andererseits darf der Gerichtshof diese neue Zuständigkeit nach Art. 15 bis Abs. 2 und Art. 15 ter Abs. 2 ausüben, nachdem ein Jahr nach der Ratifizierung oder Annahme der Vertragsänderungen von Kampala durch den dreißigsten Vertragsstaat vergangen ist. Welche der beiden Bedingungen früher eintritt und auf der Grundlage welcher Vertragsänderungsvorschriften die fraglichen Entscheidungen getroffen werden müssen, ob also eine Zweidrittelmehrheit nach Art. 121 Abs. 3, eine Siebenachtelmehrheit nach Art. 121 Abs. 4 oder die bloße Hinterlegung der Ratifikationsurkunden nach Art. 121 Abs. 5 ohne besondere Mehrheiten (allerdings mit Wirkung nur für die beitretenden Vertragsstaaten) das maßgebliche Verfahren sein soll, ist bisher nicht abschließend geklärt. Bisher (Stand: Juni 2013) haben sieben Staaten die Vertragsänderungen zum Aggressionsverbrechen ratifiziert, und zwar Botswana, Estland, Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Samoa sowie Trinidad und Tobago.

VII. Ausblick

Anerkannte Rechtfertigungslagen für den Einsatz grenzüberschreitender staatlicher Gewalt wie eine Selbstverteidigungssituation nach Art. 51 UN-Ch. oder eine vom UN-Sicherheitsrat angeordnete Kapitel VII-Zwangsmaßnahme fallen a priori aus dem Tatbestand des Aggressionsverbrechens heraus, ebenso solche Lagen, die offensichtlich die de minimis-Schwelle des Art. 8 bis Abs. 1 nicht erfüllen (vereinzelte Grenzscharmützel, sporadische Gewaltakte). Nur staatliche Aggressionsakte können ein Aggressionsverbrechen sein; Terrorakte, die keinem Staat zugerechnet werden können, sind vom Tatbestand ebenso wenig erfasst wie alle anderen nicht-staatlichen Gewaltakte. Der Kompromiss von Kampala leidet ferner darunter, dass er ohne Berücksichtigung strafrechtlich wichtiger Vorgaben wie der lex certa-Regel aus einer politischen Auslegungsempfehlung der UN-Generalversammlung für den Sicherheitsrat eine materiell-strafrechtliche Bestimmung gemacht hat, deren offenkundige Mängel (nicht geklärte Unstimmigkeiten über den Inhalt der Begriffe „act of aggression“ und „armed attack“, fehlende Auseinandersetzung mit der Rechtfertigung grenzüberschreitender staatlicher Gewalt) Zweifel an ihrer Geeignetheit als Strafbestimmung hervorrufen. Die Interpretationsspielräume, die die de minimis-Regel eröffnet, der zufolge eine offenkundige UN-Charta-Verletzung vorliegen muss, um die mögliche Strafbarkeit eines aggressiven Staatenaktes zu begründen, die jedoch durch den Vortrag von Rechtfertigungsgründen durch eine beachtliche wissenschaftliche Minderheit beseitigt werden kann, führen zu zusätzlichen Unklarheiten. Ungeklärt ist zudem, wann die Vertragsänderungen von Kampala in Kraft treten werden und auf welchem Wege. Dem völkerrechtspolitisch anerkennenswerten und wichtigen Versuch, den Tatbestand des Aggressionsverbrechens ebenso wie die drei anderen Völkerrechtsverbrechen abschließend zu definieren und in Kraft zu setzen, hätte man aus strafrechtlicher Sicht sicherlich ein materiell-rechtlich besseres Ergebnis gewünscht. So wird dem IStGH eine Fülle von Detailfragen verbleiben, die in einem Strafverfahren wegen des Tatverdachts eines Verbrechens der Aggression zu klären sein werden; viele davon dürften schon wegen ihrer baren Existenz eine Steilvorlage für jeden versierten Strafverteidiger sein.

A › Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) (Gilbert H. Gornig)

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) (Gilbert H. Gornig)

I. Entwicklung

II. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

1.Bedeutung

2.Inhalt

a)Allgemein

b)Rechte des Individuums

c)Rechte zur Gewährleistung der persönlichen Sicherheit

d)Rechte der politischen Teilhabe

 

e)Wirtschaftliche und soziale Rechte

f)Bewegungsfreiheit und Rechte des Soziallebens

3.Schranke

4.Auslegung

Lit.:

W. Bausback, 50 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – Politisches Dokument mit rechtsgestaltender Wirkung?, BayVBl. 1999, 705; G. Gornig, Äußerungsfreiheit und Informationsfreiheit als Menschenrechte, 1988; T. Irmscher, Die Behandlung privater Beschwerden über systematische und grobe Menschenrechtsverletzungen in der UN-Menschenrechtskommission. Das 1503-Verfahren nach seiner Reform, 2002; W. Karl, Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, BDGV, 33 (1994), 83; A. Kiss, The Role of the Universal Declaration of Human Rights in the Development of International Law, in: Bulletin of Human Rights, Special Issue, 1988; E. Klein, Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003; M. Nettesheim, Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und ihre Rechtsnatur, HGR VI/2, 2009, § 173; F.O. Nolde, Freedomʼs Charter: The Universal Declaration of Human Rights, 1949; B.G. Ramcharan, Human Rights, Thirty Years after the Universal Declaration: Commemorative Volume on the Occasion of the Thirtieth Anniversary of the Universal Declaration of Human Rights, 1979; N. Robinson, The Universal Declaration of Human Rights, 2. Aufl. 1958.

I. Entwicklung

Bei der Erörterung völkerrechtlicher Probleme auf globaler Ebene steht heute die Charta der → Vereinten Nationen an erster Stelle. Untersucht man sie aber im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Menschenrechtsschutz, so wird man enttäuscht sein. In der Präambel der Charta der Vereinten Nationen bekräftigen die Mitgliedstaaten ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Art. 1 Ziff. 3 UN-Ch. erklärt die internationale Zusammenarbeit zum Zwecke der Förderung und Festigung, der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu einem der Ziele der UNO. Art. 13 UN-Ch., der sich mit Einzelmaßnahmen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und der Kodifizierung des Völkerrechts befasst, verpflichtet die → Generalversammlung, Untersuchungen zu veranlassen und Empfehlungen abzugeben, um zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion beizutragen. Eine ähnliche Formulierung findet sich wieder in Art. 55 lit. c UN-Ch. bei der Aufzählung der wirtschaftlichen und sozialen Ziele der UNO. Die geringe Ausbeute an menschenrechtlichen Aspekten in der Charta der Vereinten Nationen ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Schutz der → Menschenrechte zu den Hauptzielen der Vereinten Nationen gehört.

Ein Teil der Völkerrechtslehre betrachtet diese Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen als bloße Prinzipien-Erklärungen, die rechtlich unverbindlich seien. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Charta ein multilateraler Vertrag ist, den die Gründungsmitglieder abgeschlossen haben und dem die weiteren Mitglieder beigetreten sind. Auch wenn die Charta kein internationales Organ für den Menschenrechtsschutz vorsieht, das unmittelbar aufgrund der Charta mit Befugnissen gegenüber den einzelnen Mitgliedstaaten ausgestattet wäre, kann doch kein Zweifel bestehen, dass die Bestimmungen der Charta den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegen, einzeln und gemeinsam für die Achtung der Menschenrechte einzutreten. Der Text der Charta selbst umreißt allerdings mit keinem Satz den Inhalt eines Menschenrechts. Daher spricht einiges für die Skepsis der Völkerrechtler, die den Wert der Menschenrechtsbestimmungen der Charta gering achten. Hinzu kommt das nahezu vollständige Fehlen von Durchsetzungsmöglichkeiten. Alle Bemühungen, ein zentrales Organ für die effektive Durchsetzung der Menschenrechte auf globaler Ebene zu schaffen, sind bislang gescheitert. Gleichwohl haben die Vereinten Nationen auf der schmalen Grundlage, die ihnen die Charta bot, bald begonnen, einen internationalen Menschenrechtsschutz aufzubauen. Zuständig dafür ist der → Wirtschafts- und Sozialrat, der gemäß Art. 62 UN-Ch. Empfehlungen abgeben kann, um die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle zu fördern. Art. 68 UN-Ch. gibt ihm die Befugnis zur Einsetzung von Kommissionen zu den dort näher bezeichneten Zwecken, darunter auch zur Förderung der Menschenrechte.

Der Wirtschafts- und Sozialrat gründete mit Resolution vom 16.2.1946 die Menschenrechtskommission, die 1947 ihre Tätigkeit aufnahm. Bei ihr gingen alsbald Informationen und Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen aus aller Welt ein, auf die aber nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert werden konnte, so dass das von den Vereinten Nationen errichtete Petitionssystem als der „größte Papierkorb der Welt“ bezeichnet wurde. In einer Reihe von Resolutionen regelte jedoch der Wirtschafts- und Sozialrat das Verfahren für die Behandlung der bei ihm auflaufenden Menschenrechtsbeschwerden. Eine grundlegende Neuregelung brachte dann die Resolution 1503 (XLVII) des Wirtschafts- und Sozialrates vom 27.5.1970. Durch diese Resolution wurde die Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und Minderheitenschutz der UN-Menschenrechtskommission ermächtigt, eine Arbeitsgruppe mit der Aufgabe einzusetzen, einmal jährlich in nicht öffentlichen Sitzungen alle Mitteilungen über behauptete schwere Verletzungen der Menschenrechte, die beim UN-Generalsekretär eingegangen sind, einschließlich der Stellungnahmen der Regierungen zu prüfen und darauf die Aufmerksamkeit der genannten Unterkommission zu lenken, sofern „a consistent pattern of gross and reliably attested violations of human rights and fundamental freedoms“ (Nr. 1) besteht.

II. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

1. Bedeutung

Die Tatsache, dass die Menschenrechtsbestimmungen der Charta der Vereinten Nationen wirkungslos blieben, solange die Menschenrechte inhaltlich nicht umrissen sind, bewog die UNO frühzeitig, einen Menschenrechtskatalog auszuarbeiten. Bereits am 10.12.1948 wurde daher die AEMR (Sart. II, Nr. 15) von der → Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Sie besitzt keine rechtliche Bindungswirkung, sondern ist wie alle Resolutionen der Generalversammlung nur eine Empfehlung. Trotzdem kann argumentiert werden, dass die AEMR ein Indiz für die Rechtsüberzeugungen der → Staaten ist, die in Bezug auf die Menschenrechte in allen Teilen der Welt vertreten werden. Die politisch-moralische Wirkung dieser allgemeinen Erklärung kann auch nicht bestritten werden. Trotz fehlender juristischer Bindungswirkung bedeutet sie einen großen Schritt in der Entwicklung der Menschenrechtsidee.

Manche Autoren neigen dazu, Resolutionen der Generalversammlung von der moralischen und politischen Wirkung zur rechtlichen aufzuwerten. Es wird die Auffassung vertreten, Resolutionen der Generalversammlung seien dann verbindlich, wenn es sich um einstimmige oder beinahe einstimmige normative Entschließungen von besonderer Tragweite in besonders feierlicher Form handele, wie es etwa bei der AEMR der Fall sei. Ein Staat würde treuwidrig handeln, wenn er sich entgegen einer von der Generalversammlung einmütig vertretenen Ansicht verhielte. Weiter wird zur Begründung der rechtlichen Verbindlichkeit von Resolutionen vorgetragen, dass sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen aus Regierungsvertretern zusammensetze, so dass ihre Beschlüsse als Bestandteile des Entstehungsprozesses von Gewohnheitsrecht verstanden werden könnten, das einer Staatenpraxis und einer dazutretenden Rechtsüberzeugung bedarf. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass es sich bei gewissen Entschließungen der Generalversammlung um authentische Auslegungen der Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen handele, die mit der Charta gleichermaßen verbindlich seien. Eine bemerkenswerte Theorie ist die Theorie der Rezitation, wonach eine Resolution grundsätzlich zwar unverbindlich sei, aber durch ständig wiederholte Zitierung in den Präambeln späterer Resolutionen zur Rechtsquelle werde. So sei die ursprünglich nicht rechtsverbindliche AEMR durch spätere zustimmende Erklärungen der Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden und dies umso mehr, als der → IGH in seinem Gutachten vom 21.6.1971 über die „Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970)“ alle Diskriminierungen von Rasse, Farbe und Abstammung als „flagrant violation of the purposes and principles of the Charter“ erklärt und damit implizit deren Ziele und Grundsätze als rechtsverbindlich anerkannt habe.

Die Charta der Vereinten Nationen unterscheidet jedoch zwischen verbindlichen Entscheidungen und Beschlüssen einerseits und unverbindlichen Empfehlungen andererseits. Die Resolutionen der Generalversammlung gehören zu den unverbindlichen Empfehlungen, und überhaupt gibt die Charta der Vereinten Nationen der Generalversammlung keine Befugnis, über Fragen des internen Organisationsrechts hinaus allgemein verbindliche Völkerrechtsnormen zu setzen. Schon wegen dieser eindeutigen Regelungen der Charta wird man der herrschenden Meinung auch den Vorzug geben müssen und Resolutionen als unverbindlich bewerten. Diese Auffassung wird auch durch die Praxis der Vereinten Nationen bestätigt, die nach Verkündung feierlicher Resolutionen auf den Abschluss entsprechender Konventionen drängt. Die Resolutionen der Generalversammlung sind auch keine → Rechtsquellen des Völkerrechts, da sie in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut, der die Rechtsquellen abschließend aufführt, nicht erwähnt sind. Drückt die Resolution jedoch bereits bestehendes → Völkergewohnheitsrecht oder → allgemeine Rechtsgrundsätze aus, so ist sie rein deklaratorisch. Als ein Anzeichen für eine opinio iuris kann sie allenfalls zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen. Schließlich ist die Generalversammlung bei ihrer gegenwärtigen Struktur ungeeignet, als Weltgesetzgeber zu fungieren, da in ihr lediglich politische Auffassungen ausgetauscht und taktische Positionen bezogen werden, nicht aber Recht gesetzt werden soll.

2. Inhalt

a) Allgemein

Die AEMR enthält 30 Artikel, von denen Art. 29 die Schranken umreißt und Art. 30 eine Auslegung entgegen der Ziele der AEMR verbietet. Sie basiert auf drei Grundpfeilern: erstens, alle Menschen sind frei geboren und gleich in ihren Rechten und ihrer Würde (Art. 1); zweitens, alle genannten Rechte gelten für jedermann ohne jegliche Form von Diskriminierung (Art. 2), und drittens, jedermann hat das Recht auf eine soziale und internationale Ordnung, welche die in der AEMR genannten Rechte und Freiheiten vollständig umsetzt (Art. 28).

Die Vielzahl der aufgeführten Rechte und Freiheiten lässt sich in fünf Gruppen unterteilen: die Rechte des Individuums, Rechte zur Gewährleistung der persönlichen Sicherheit, Rechte der politischen Teilhabe, wirtschaftliche und soziale Rechte und die Rechte des Soziallebens und der Bewegungsfreiheit.