Völkerrecht

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Из серии: Grundbegriffe des Rechts
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2. Anwendung/Androhung von Gewalt

Dem Begriff der Gewalt (force) kommt bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Gewaltverbots eine zentrale Bedeutung zu. Die → Generalversammlung der Vereinten Nationen hat 1970 in der → Friendly Relations Declaration u. a. den Versuch unternommen, diesem Begriff klarere Konturen zu verleihen. Die Deklaration ist zwar rechtlich unverbindlich, spiegelt in Teilbereichen jedoch die Rechtsüberzeugung der Staaten wider. Neben der Friendly Relations Declaration kann auch die 1974 ebenfalls von der Generalversammlung verabschiedete Aggressionsdefinition (Definition of Aggression) als Auslegungshilfe für die Bestimmung des Anwendungsbereiches des Gewaltverbots herangezogen werde, obwohl diese Definition eigentlich den Begriff der Angriffshandlung (act of aggression) im Sinne von Art. 39 UN-Ch. näher bestimmen soll.

a) Beschränkung auf Waffengewalt

Nach den Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit hat man bei der Formulierung des Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. bewusst auf die Verwendung des Rechtsbegriffs „Krieg“ verzichtet, um einer Differenzierung zwischen „Krieg“ und „bewaffneter Repressalie“ von vornherein den Boden zu entziehen; das Verbot sollte jegliche Form der militärischen Gewaltanwendung in den zwischenstaatlichen Beziehungen verbieten. Erfasst werden von dem Verbot nicht nur sämtliche Formen von Waffengewalt in einem technischen Sinn, sondern auch bakteriologische, biologische und chemische Waffen.

b) Direkte/indirekte Gewalt

Der IGH hat im Nicaragua-Fall (ICJ Reports 1986, 14) neben der direkten Gewaltanwendung, die von in den jeweiligen Staat eingegliederten Einheiten vorgenommen wird, den Anwendungsbereich des Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. ausdrücklich auch auf Formen der indirekten Gewaltanwendung erstreckt, wie etwa die Entsendung von Banden, Gruppen, Söldnern oder Freischärlern, die in einem anderen Staat mit Waffengewalt agieren. Zudem kann die Unterstützung von Aufständischen durch eine direkte militärische oder logistische Hilfeleistung einen Verstoß gegen das Gewaltverbot darstellen, während die bloße Finanzierung die Schwelle zur Gewalt i. S. v. Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. noch nicht überschreiten soll (ICJ Reports 1986, 14/118 f.). Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass eine gewisse Gewaltintensität erreicht wird; selbst sog. measures short of war bzw. low intensity conflicts werden vom universellen Gewaltverbot erfasst.

c) Intervention auf Einladung

Äußerst umstritten in ihrer völkerrechtlichen Zulässigkeit ist die Intervention auf Einladung, bei der ein ausländischer Staat mit militärischen Mitteln auf Seiten der Regierung oder von Aufständischen in einen Bürgerkrieg eingreift. Liegt diesem Eingreifen ein ausdrückliches Ersuchen der Regierung zugrunde, dann ist darin kein Verstoß gegen das Gewaltverbot zu sehen, wie der IGH im Nicaragua-Fall (ICJ Reports 1986, 14/126) festgestellt hat. Die „legale“ Regierung ist nämlich befugt, anderen Staaten eine militärische Gewaltanwendung auf ihrem Staatsgebiet zu gestatten. Anders ist dies bei den Aufständischen, die nicht berechtigt sind, den Willen des betroffenen Staates auszudrücken und deshalb eigentlich einer gewaltsamen Intervention dritter Staaten nicht zustimmen können. Eine im Vordringen begriffene Ansicht geht allerdings davon aus, dass im Falle eines Bürgerkrieges auch die Einwilligung der Regierung nicht zum Ausschluss des Gewaltverbotes führt. Ob eine ausdrückliche Einwilligung vorliege, sei oftmals ebenso schwierig festzustellen wie die Qualifizierung einer bestehenden Regierung als „legal“. Angesichts derartiger Unklarheit käme es dann aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit, die schon fast zu einer Art Dispositionsfreiheit einzelner Staaten über das universelle Gewaltverbot führe. Dies sei mit Sinn und Zweck dieses Verbotes nicht zu vereinbaren.

d) Androhung von Gewalt

Die Androhung von Gewalt ist der Anwendung von Gewalt gleichgestellt. Wird die Anwendung von militärischer Gewalt konkret in Aussicht gestellt, liegt also bereits ein Verstoß gegen das universelle Gewaltverbot vor. Dabei besteht die besondere Schwierigkeit darin, ggf. auch zu Zwecken der Abschreckung ergriffene allgemeine Rüstungsmaßnahmen von einer konkreten Androhung militärischer Gewaltanwendung abzugrenzen. Verallgemeinerungsfähige Abgrenzungskriterien sind nicht ersichtlich.

3. Problemfälle des Gewaltbegriffs

Dass Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. ausschließlich auf militärische Gewalt bezogen ist, wird immer wieder mit dem Argument bestritten, dass es auch andere Mittel der Einflussnahme auf einen Staat gibt, die in ihrer Wirkung nicht hinter der Anwendung militärischer Gewalt zurückbleiben.

a) Wirtschaftlicher/politischer Zwang

Die Frage, ob auch wirtschaftlicher oder politischer Zwang, der nicht mit militärischen Maßnahmen einhergeht (z. B. die Verhängung von → Wirtschaftssanktionen), dem universellen Gewaltverbot unterfällt, wird ganz überwiegend negativ beantwortet. Die h.M. folgert aus dem systematischen und teleologischen Kontext des Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch., dass allein bewaffnete Formen der Gewaltanwendung gemeint sein können. Zudem spricht die Entstehungsgeschichte gegen eine Einbeziehung wirtschaftlichen oder politischen Zwangs. Auch der IGH hat sich im Nicaragua-Fall indirekt gegen eine Ausweitung des Schutzbereiches auf wirtschaftliche Maßnahmen ausgesprochen, indem er diese Problematik nicht im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gewaltverbot erörterte (ICJ Reports 1986, 14/116). Zudem wird dieses Ergebnis durch die Friendly Relations Declaration (vom 24.10.1970) gestützt, die Formen wirtschaftlichen und politischen Zwangs nicht dem Gewaltverbot, sondern dem → Interventionsverbot zuordnet.

b) Nichtmilitärischer physischer Zwang

Diese Fallgruppe kann in sehr unterschiedlichen Konstellationen auftreten. Eine typische Situation ist das Herbeiführen einer verheerenden Überschwemmung in einem Staat (Unterliegerstaat) durch einen höher gelegenen Staat (Oberliegerstaat) durch das unkontrollierte Ablassen des Wassers aus einem Staudamm. Stellt man mit der h.M. allein auf das angewendete Mittel ab, dann fehlt es an dem Erfordernis militärischer Gewalt, so dass Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. nicht verletzt ist.

c) „Cyber attacks“

Ein gänzlich neues Bedrohungsszenario bilden Angriffe auf Computernetzwerke, wenn diese von staatlicher Seite initiiert und durchgeführt werden, um z. B. über E-Mails Computerviren in den Verteidigungsnetzwerken eines anderen Staates zu installieren und dessen militärische Infrastruktur dadurch auszuschalten, zumindest aber zu beeinträchtigen. Ganz überwiegend werden „cyber attacks“ bislang nicht als Anwendung militärischer Gewalt angesehen, weil sie nicht mit Waffen im herkömmlichen Verständnis ausgeführt werden. Doch zeigt gerade diese Fallgruppe, dass insb. neuartige technische Handlungsformen möglicherweise eine Anpassung des Begriffs der militärischen Gewalt erforderlich machen. Auch der Einsatz von Computerviren – oder die gezielte Herbeiführung einer Überschwemmungskatastrophe (s. o.) – lässt sich durchaus als Einsatz einer „Waffe“ bzw. als „militärische Maßnahme“ qualifizieren; er steht zumindest in der Intensität seiner Zerstörungskraft nicht hinter einem bewaffneten Angriff zurück. Damit wäre auch das Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 UN-Ch.) des beeinträchtigten Staates aktiviert, so dass dieser ggf. mit militärischen Mitteln reagieren dürfte. Geht man diesen Schritt nicht, dann verstoßen insb. cyber attacks zwar gegen das → Interventionsverbot (Art. 2 Ziff. 1 UN-Ch.); die Möglichkeit des beeinträchtigten Staates zu → Gegenmaßnahmen sind jedoch von vornherein begrenzt, weil eine militärische Antwort völkerrechtlich nicht zulässig wäre.

4. Zwischenstaatliche Dimension

Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. stellt zudem klar, dass das universelle Gewaltverbot für die Normadressaten nur „in ihren internationalen Beziehungen“ zur Anwendung kommt. Es bedarf also stets eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. Innerhalb der eigenen Grenzen (→ Staatsgebiet) kann sich der Staat hingegen auf das ihm zustehende (innerstaatliche) Gewaltmonopol berufen. Er kann auf diese Weise seine → Gebietshoheit auch mit militärischer Gewalt durchsetzen. Dasselbe gilt für das → stabilisierte De facto-Regime. Deshalb wird ein Bürgerkrieg, solange er nicht auf andere Staaten übergreift, nicht vom universellen Gewaltverbot erfasst.

5. Irrelevanz der Merkmale „territoriale Integrität“ und „politische Unabhängigkeit“

Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. verbietet die militärische Gewaltanwendung mit der Maßgabe, dass diese „gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates“ gerichtet „oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar“ ist. Bei einem unbefangenen Wortlautverständnis lassen sich diese Kriterien durchaus als tatbestandliche Einschränkungen des Gewaltverbotes deuten. Diesem Verständnis widersprechen jedoch der historische Entstehungszusammenhang sowie Sinn und Zweck des Gewaltverbotes: Die Einfügung dieser Textpassage geht nämlich auf einen Vorschlag kleiner und mittlerer Staaten auf der Konferenz von San Francisco zurück, die sich davon eine klarstellende Wirkung versprachen, da es sich bei der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit um besonders schutzbedürftige Ausprägungen der staatlichen Souveränität handelt. Eine Ausgrenzung von mit einer anderen Absicht verbundener militärischer Gewaltanwendung aus dem Verbotstatbestand war hingegen nicht beabsichtigt. Das ergibt sich schon aus der nachfolgenden Formulierung „oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“. Zu den „Zielen der Vereinten Nationen“ gehört insb. das Gebot der → friedlichen Streitbeilegung (Art. 1 Ziff. 1, Art. 2 Ziff. 3, Kap. VI UN-Ch.), das durch jede Form militärischer Gewaltanwendung konterkariert wird.

 

IV. Ausnahmen

Nach Maßgabe der UN-Charta bilden Zwangsmaßnahmen des → Sicherheitsrates nach Kapitel VII UN-Ch. (→ System kollektiver Sicherheit) sowie Maßnahmen individueller und kollektiver → Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Ch.) die ausdrücklichen Ausnahmen vom universellen Gewaltverbot. Die „Feindstaatenklauseln“ (Art. 53 und Art. 107 UN-Ch.), welche die dritte Ausnahme vom Gewaltverbot darstellten, sind durch den Abschluss von Friedensverträgen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Aufnahme der ehemaligen Feindstaaten in die UNO rechtlich obsolet geworden.

Ob darüber hinaus weitere Ausnahmen vom Gewaltverbot bzw. Rechtfertigungsgründe für die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt bestehen, ist äußerst umstritten. Diskutiert wird dies insb. für die → humanitäre Intervention. Unklar ist die Rechtslage zudem bei der Rettung eigener Staatsangehöriger im Ausland. In dieser Konstellation entsendet ein Staat militärische Einheiten zu einem gezielten, punktuellen Einsatz auf fremdes Staatsgebiet, um sich dort befindende eigene Staatsangehörige – ggf. auch die Angehörigen befreundeter Staaten – aus einer gefährlichen, regelmäßig sogar lebensbedrohlichen Situation zu befreien. Das ist dann völkerrechtlich zulässig, wenn insoweit die ausdrückliche Einwilligung des von der Intervention betroffenen Staates vorliegt. Derartige Einsätze hat es bereits häufiger gegeben (z. B. Rettung deutscher und anderer Staatsangehöriger in Albanien durch die Bundeswehr im Rahmen der Operation Libelle 1997). Liegt keine Einwilligung vor, dann ist grundsätzlich von einem Verstoß gegen Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch. auszugehen (wie bei der Aktion israelischer Militäreinheiten 1976 in Entebbe (Uganda), bei der Passagiere eines von Terroristen entführten Flugzeuges befreit wurden). Das Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 UN-Ch.) scheidet als Rechtfertigungsgrund aus, da die Bedrohung eigener Staatsangehöriger im Ausland keinen bewaffneten Angriff gegen den intervenierenden Staat darstellt. Allerdings hat die Staatengemeinschaft solche offensichtlich der Rettung von Einzelpersonen dienenden Maßnahmen bislang weithin akzeptiert, also nicht den Vorwurf der Verletzung des universellen Gewaltverbotes erhoben. Mit diesem politischen Akzeptieren einer für alle einsehbaren militärischen Notwendigkeit geht jedoch noch nicht die Begründung eines neuen, im → Völkergewohnheitsrecht wurzelnden Rechtfertigungsgrundes einher. Dafür fehlt es insb. am nötigen Rechtsbindungswillen der Staaten. Außerdem wäre ein solcher Rechtfertigungsgrund in seinen inhaltlichen Anforderungen kaum zu präzisieren, wodurch die Gefahr des politischen Missbrauchs deutlich gesteigert würde.

G › Gleichheitsprinzip (Martin Winkler)

Gleichheitsprinzip (Martin Winkler)

I. Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten

1.Grundlagen

2.Rechtsgleichheit

3.Volle Souveränität

4.Pflicht zur Achtung der Rechtspersönlichkeit anderer Staaten

5.Unverletzlichkeit der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit

6.Recht zur freien Wahl des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Systems

7.Pflicht zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen

II. Kein allgemeines völkerrechtliches Diskriminierungsverbot

III. Exkurs: Das Gleichheitsprinzip in Menschenrechtsabkommen

Lit.:

R. P. Anand, Sovereign Equality of States in International Law, RdC 197 (1986), 9; J. Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, 2007; B. Boutros-Ghali, Le principe d’égalité des Etats et des organisations internationales, RdC 100 (1960-II) 1.

I. Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten

1. Grundlagen

Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten kann als Strukturprinzip des gegenwärtigen Völkerrechts bezeichnet werden. Dabei handelt es sich jedoch um ein Strukturprinzip nur formeller Natur, da es keinen Anspruch auf Herstellung politischer und wirtschaftlicher Gleichheit in Form eines allgemeinen Gleichbehandlungsgebots beinhaltet. Vielmehr ist der Grundsatz der souveränen Gleichheit als formale Chancengleichheit aller Staaten zu verstehen. Er verbietet nicht, Präferenzpositionen vertraglich zu begründen (→ Völkervertragsrecht). So kennt beispielsweise das Wirtschaftsvölkerrecht besondere vertragliche Gebote der wirtschaftlichen Gleichbehandlung in Form des → Meistbegünstigungsgebotes und der → Inländergleichbehandlung. Auch im Bereich der Entwicklungshilfe ist es mit dem Grundsatz der souveränen Gleichheit vereinbar, dass in internationalen Verträgen zwischen bestimmten Gruppen von Staaten differenziert wird und daran unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden.

Das Adjektiv „souverän“ unterstreicht die Verbindungslinie zwischen dem Grundsatz der Gleichheit der Staaten und dem Prinzip der → Souveränität. Gerade weil jeder Staat für sich souverän ist, kann er nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis zu einem anderen Staat stehen.

Der Grundsatz der souveränen Gleichheit ist sowohl in Art. 2 Ziff. 1 UN-Ch. als auch in der → Friendly Relations Declaration (1970) verankert. Außerdem zählt dieses Strukturprinzip zu dem → Völkergewohnheitsrecht.

In der Friendly Relations Declaration werden die nachfolgenden Untergrundsätze des Grundsatzes der souveränen Gleichheit aufgezählt:

2. Rechtsgleichheit

Rechtsgleichheit bezieht sich auf die Gleichheit vor dem Recht, aber nicht im Recht. Daraus folgt zunächst das Einstimmigkeitsprinzip, wonach jeder Staat ungeachtet seiner Größe, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung in der Staatengemeinschaft eine Stimme hat („one State, one vote“). Rechtliche Ungleichheiten, wie beispielsweise das Vetorecht der ständigen Mitglieder im → UN-Sicherheitsrat, können nur durch Vereinbarung unter rechtlich Gleichen begründet werden. Aus dem Prinzip der Rechtsgleichheit folgt des Weiteren der Grundsatz der → Staatenimmunität (par in parem non habet imperium – ein Gleicher hat über einen Gleichen keine Hoheitsgewalt). Auch das → Interventionsverbot zählt zu den Ausprägungen des Untergrundsatzes der Rechtsgleichheit. Weiterhin folgt aus diesem Untergrundsatz, dass jeder Staat prinzipiell frei ist, ob er Hoheitsakten anderer Staaten, wie beispielsweise der Erteilung gewerblicher Schutzrechte, auch auf dem eigenen Hoheitsgebiet Wirksamkeit verschafft.

3. Volle Souveränität

Dieser Untergrundsatz bedeutet, dass ein Staat in der Regelung seiner inneren und äußeren Angelegenheiten keinem anderen Staat untergeordnet ist; er schließt jedoch nicht die freiwillige Unterordnung eines Staates in Bezug auf das Völkerrecht aus. Angesichts der Demokratisierungstendenzen des gegenwärtigen Völkerrechts und der zunehmenden Bedeutung universeller Menschenrechte ist jedoch eher von einer relativen Souveränität auszugehen.

4. Pflicht zur Achtung der Rechtspersönlichkeit anderer Staaten

Dieser Untergrundsatz beinhaltet die Pflicht, das Existenzrecht anderer Staaten zu respektieren. Ein Recht auf → Anerkennung durch einen anderen Staat folgt daraus hingegen nicht.

5. Unverletzlichkeit der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit

In der Regel stellen Verletzungen der territorialen Integrität Verstöße gegen das → Gewaltverbot und Verletzungen der politischen Unabhängigkeit Verstöße gegen das → Interventionsverbot dar.

6. Recht zur freien Wahl des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Systems

Dieses Recht bedeutet zunächst, dass nach allgemeinem Völkerrecht keine Pflicht zur Demokratie oder zur Marktwirtschaft besteht. Allerdings wird dieses Recht durch universelle Menschenrechte, welche die Staaten zu einer menschenrechtskonformen Ausgestaltung ihres Verfassungssystems verpflichten, begrenzt. Zu den universell geltenden Menschenrechtsverträgen zählen der → Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der → Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Daneben existieren Menschenrechtsabkommen auf regionaler Ebene wie die → Europäische Menschenrechtskonvention.

7. Pflicht zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen

Diese Pflicht spiegelt sich in dem in Art. 26 WVRK verankerten Grundsatz pacta sunt servanda wider. Die Kehrseite dieser Pflicht ist die Verantwortlichkeit der Staaten für die Nichterfüllung ihrer Pflichten (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche).

II. Kein allgemeines völkerrechtliches Diskriminierungsverbot

Das Völkergewohnheitsrecht enthält weder einen generellen Anspruch der Staaten auf wirtschaftliche Gleichbehandlung mit anderen Staaten noch ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Das Wirtschaftsvölkerrecht beinhaltet nur auf der Grundlage konkreter völkervertraglicher Regelungen besondere Gebote der wirtschaftlichen Gleichbehandlung in Form des Gebotes der → Meistbegünstigung und der → Inländergleichbehandlung. Dadurch wird der Grundsatz der Marktgleichheit im Rahmen bi- und multilateraler Abkommen im internationalen Handelsrecht, insbesondere durch das Recht der → WTO, und im → Internationalen Investitionsrecht garantiert.

 

III. Exkurs: Das Gleichheitsprinzip in Menschenrechtsabkommen

Die vorstehenden Ausführungen betreffen das Gleichheitsprinzip im zwischenstaatlichen Verhältnis. Im Folgenden soll auf die Gewährleistungen des Gleichheitsgrundsatzes im Verhältnis zwischen → Staat und → Individuum, insbesondere im Bereich des Menschenrechtschutzes eingegangen werden. Auf universeller Ebene garantiert der → Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Art. 26 die Gleichheit vor dem Gesetz und in Art. 3 die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung der Paktrechte. Zu erwähnen ist außerdem die Regelung in Art. 27 IPbpR, die über das Gleichheitsprinzip hinausgeht und eine Schutzvorschrift für Angehörige von → Minderheiten enthält. Außerdem legt der → Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in Art. 2 Abs. 2 ein Verbot der Diskriminierung bei der Gewährleistung der Paktrechte fest.

Auf regionaler Ebene beinhaltet Art. 14 EMRK ein Diskriminierungsverbot, jedoch nur bei Ausübung der EMRK-Rechte (sog. akzessorisches Gleichheitsrecht). Demgegenüber verbietet das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK Diskriminierungen auch dann, wenn sie außerhalb des Schutzbereichs eines EMRK-Rechts auftreten (sog. nicht-akzessorisches Diskriminierungsverbot).