Völkerrecht

Текст
Из серии: Grundbegriffe des Rechts
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

III. Gewährleistungen des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechts

Aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht ergeben sich für die Staaten bestimmte Pflichten, die sie bei der Aufnahme, dem Aufenthalt und der Ausweisung von Fremden zu beachten haben.

1. Pflichten bei Einreise und aufenthaltsbeendenden Maßnahmen

Die völkergewohnheitsrechtlichen Pflichten, die die Staaten bei Einreise bzw. aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber Fremden zu beachten haben, sind gering. Es steht im freien Ermessen der Staaten, unter welchen Umständen sie fremde Staatsangehörige in ihr Staatsgebiet einreisen lassen. Auch bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen unterliegen die Staaten nur wenigen völkergewohnheitsrechtlichen Beschränkungen. Sie haben lediglich den → menschenrechtlichen Mindeststandard zu beachten, der heute jedoch mit dem fremdenrechtlichen Mindeststandard, soweit dieser im Völkergewohnheitsrecht gründet, im Wesentlichen identisch ist.

2. Pflichten während des Aufenthaltes

Der hauptsächliche Anwendungsbereich des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechts betrifft Maßnahmen, denen Fremde während ihres Aufenthalts in einem Gaststaat ausgesetzt sind. Die wichtigsten Pflichten, welche die Staaten hierbei einzuhalten haben, sind u. a. das Recht des Fremden auf Rechtsfähigkeit, dessen Recht auf Leben (d. h. Verbot willkürlicher Tötung), körperliche Unversehrtheit und Schutz der Person, dessen Recht auf ein geordnetes gerichtliches Verfahren und rechtliches Gehör, dessen Recht, vor willkürlicher Freiheitsentziehung geschützt sowie nur nach Maßgabe besonderer Voraussetzungen enteignet zu werden.

Die meisten der vorgenannten Rechte werden heute auch durch menschenrechtliche Gewährleistungen erfasst. Darüber hinaus enthält der → menschenrechtliche Mindeststandard des Völkergewohnheitsrechts aber auch die Verbote des → Völkermordes, des Sklavenhandels, der Folter und anderer unmenschlicher Behandlung sowie der massiven Rassendiskriminierung; umstritten ist das → Selbstbestimmungsrecht der Völker. Diese Rechte besitzen zudem → erga omnes-Wirkung und den Rechtscharakter von → ius cogens. Der grundlegende Unterschied zwischen den menschenrechtlichen und den fremdenrechtlichen Gewährleistungen besteht vor allem in dem geschützten Personenkreis. Während der durch die Menschenrechte verbürgte Schutz unterschiedslos allen Personen zusteht, die von der Hoheitsgewalt dieses Staates erfasst werden, erstreckt sich der fremdenrechtliche Mindeststandard ausschließlich auf fremde natürliche und juristische Personen.

Einzig dem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Fremdenrecht, nur unter besonderen Voraussetzungen enteignet zu werden, kommt heute noch eine eigenständige Bedeutung neben den menschenrechtlichen Gewährleistungen zu. Dies rührt daher, dass sich ein völkerrechtlich anerkannter menschenrechtlicher Eigentumsschutz bislang nicht durchgesetzt hat, auch wenn in der Literatur zunehmend Stimmen laut werden, die einen solchen befürworten. Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht verbietet zwar grundsätzlich nicht, fremdes Eigentum zu enteignen. Es gebietet den Staaten jedoch, Enteignungen gegenüber Fremden nur unter bestimmten Voraussetzungen durchzuführen. Enteignungen sind völkerrechtlich nur dann zulässig, wenn sie einem öffentlichen Interesse dienen, ohne Diskriminierung durchgeführt werden und insbesondere eine Entschädigung gezahlt wird, die nach der sog. Hull-Formel „prompt, effective and adequate“ sein muss (→ Enteignungsrecht, internationales).

Genauerer Betrachtung bedarf die Frage, inwiefern sich aus dem fremdenrechtlichen Mindeststandard auch ein allgemeines Diskriminierungsverbot ableiten lässt. Unbestritten ergibt sich aus dem fremdenrechtlichen Mindeststandard die Pflicht der Staaten, Fremden gleichen Zugang zu den Gerichten zu gewähren und die Gleichheit vor dem Gesetz zu wahren. Staaten sind allerdings nach allgemeinem Völkerrecht nicht gezwungen, über die genannten Fälle hinaus Fremde gegenüber ihren eigenen, aber auch im Verhältnis zu anderen Staatsangehörigen, gleich zu behandeln. Staaten unterscheiden etwa im politischen Bereich (z. B. Wahlrecht) seit jeher zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen. Auch auf wirtschaftlichem Gebiet hat sich ein allgemeines völkergewohnheitsrechtliches Diskriminierungsverbot nicht durchgesetzt. Die Staatenpraxis zeigt vielmehr, dass Staaten zur Gleichbehandlung von eigenen und fremden Staatsangehörigen (→ Inländergleichbehandlung) oftmals nur dann bereit sind, wenn sie sich hierzu völkervertraglich verpflichtet haben, z. B. im Rahmen eines bilateralen Investitionsschutzabkommens (→ Investitionsrecht, Internationales).

IV. Durchsetzung des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechtes

Beim völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht handelt es sich historisch bedingt um ein Recht, das den Staaten zusteht und im Gegensatz zu menschenrechtlichen Gewährleistungen nicht primär das Individuum zu schützen beabsichtigt. Ungeachtet der Tatsache, dass ein allgemein zugängliches internationales Streitbeilegungsverfahren für Streitigkeiten zwischen Staaten und Individuen bislang nicht existiert (zu den Besonderheiten im internationalen Investitionsrecht → ICSID), stehen schon aus dogmatischen Gründen dem Einzelnen bei Verstößen gegen das Fremdenrecht daher keine eigenen Möglichkeiten zur Sanktionierung und Wiedergutmachung zur Verfügung. Der Einzelne ist daher auf das Handeln seines Heimatstaates angewiesen (→ diplomatischer Schutz). Lediglich dieser kann, da es sich bei dem Verstoß gegen das Fremdenrecht um einen Fall der Staatenverantwortlichkeit handelt, intervenieren (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche).

F › Friendly Relations-Deklaration (1970) (Burkhard Schöbener)

Friendly Relations-Deklaration (1970) (Burkhard Schöbener)

I. Allgemeines

II. Deklarations-Text und Problembereiche

III. Rechtliche Würdigung

1.Beschlüsse der Generalversammlung als Empfehlungen

2.Völkerrechtlicher Vertrag

3.Völkergewohnheitsrecht

a)Staatenpraxis

b)Rechtsüberzeugung (opinio iuris)

4.Allgemeine Rechtsgrundsätze

5.Autoritative/authentische Auslegung der UN-Charta

IV. Ausblick

Lit.:

G. Arangio-Ruiz, The Normative Role of the General Assembly of the United Nations and the Declaration of Principles of Friendly Relations, RdC 137 (1972), 419; S. Bocek, Die völkerrechtlichen Wirkungen einseitiger Erklärungen der UN-Generalversammlung, 2011; B. zu Dohna, Die Grundprinzipien des Völkerrechts über die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten, 1973; J.A. Frowein, Der Beitrag der internationalen Organisationen zur Entwicklung des Völkerrechts, ZaöRV 36 (1976), 147; H. Keller, Friendly Relations Declaration (1970), EPIL 2013; R. Rosenstock, The Declaration of Principles of International Law Concerning Friendly Relations: A Survey, AJIL 65 (1971), 713; Chr. Tomuschat, Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten – Zur Gestaltungskraft von Deklarationen der UN-Generalversammlung, ZaöRV 36 (1976), 444.

I. Allgemeines

Die Friendly Relations-Deklaration (GA Res. 2625 [XXV]; Sart. II Nr. 4) gehört neben der → Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) und der → Uniting for Peace-Resolution (1950) zu den Beschlüssen der → UN-Generalversammlung, die für das Selbstverständnis der → Vereinten Nationen in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens von besonderer Bedeutung waren. Verabschiedet wurde sie am 24.10.1970 im Consensus-Verfahren, d. h. ohne förmliche Abstimmung, aber auch ohne ausdrückliche Gegenstimmen. Vorausgegangen waren seit 1964 insgesamt sechs Sitzungsperioden des 1963 von der Generalversammlung gegründeten Special Committee on Principles of International Law. Ergebnis der Beratungen des Sonderausschusses war die Declaration on Principles of International Law Concerning Friendly Relations and Co-operation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, kurz: Friendly Relations-Deklaration (FRD) bzw. Prinzipien-Erklärung.

 

Dem Sonderausschuss stellte sich die äußerst schwierige Aufgabe, in Zeiten des Kalten Krieges einen Entwurf auszuarbeiten, der sowohl die Akzeptanz der westlichen Demokratien als auch der kommunistischen → Staaten finden sollte. In der Konsequenz führte dies gerade in den besonders umstrittenen Fragen zu mehrdeutigen Formelkompromissen, die von beiden Seiten nach Maßgabe des je eigenen (Vor-) Verständnisses ausgelegt werden konnten. In wesentlichen Fragen aber gelang es, trotz der wenig ermutigenden weltpolitischen Rahmenbedingungen, einen Konsens über bestimmte Kerngehalte der einzelnen Grundsätze zu erzielen, der es dem → IGH politisch erleichterte, sich auf die FRD zu berufen (s. unten, IV.), ohne dass die zugrunde liegenden Rechtsfragen damit allerdings bereits als geklärt angesehen werden können (s. unten, III.).

II. Deklarations-Text und Problembereiche

Insgesamt sieben grundlegende Prinzipien der Völkerrechtsordnung, die zudem Aufnahme in die UN-Charta gefunden haben, werden in der FRD näher spezifiziert:


1. Prinzip: → universelles Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.);
2. Prinzip: Gebot → friedlicher Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3 UN-Ch.);
3. Prinzip: → Interventionsverbot (Art. 2 Ziff. 1 und Ziff. 7 UN-Ch.);
4. Prinzip: Kooperationsgebot (Art. 1 Ziff. 3, Art. 55 ff. UN-Ch.);
5. Prinzip: Grundsatz der Gleichberechtigung und → Selbstbestimmung der Völker (Art. 1 Ziff. 2 UN-Ch.);
6. Prinzip: Grundsatz der souveränen Staatengleichheit (Art. 2 Ziff. 1 UN-Ch.) (→ Gleichheitsprinzip);
7. Prinzip: Grundsatz der Erfüllung der Pflichten aus der UN-Charta nach Treu und Glauben (Art. 2 Ziff. 2 UN-Ch.).

Alle Prinzipien waren in ihrem Kerngehalt bereits zum Zeitpunkt der Verabschiedung der FRD für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verbindliches Vertragsrecht (UN-Charta). Bis auf das Kooperationsgebot handelte es sich bei den Grundsätzen zudem um Inhalte des universellen → Völkergewohnheitsrechts, wenngleich dies damals für das Selbstbestimmungsrecht der Völker von den westlichen Staaten noch regelmäßig in Zweifel gezogen wurde. In ihrer Schlussbemerkung erhebt die Deklaration zudem den Anspruch, in allen ihren Aussagen das geltende Völkergewohnheitsrecht wiederzugeben, wenn sie betont, „dass die Grundsätze der Charta, die in diese Erklärung eingegangen sind, Grundprinzipien des Völkerrechts darstellen.“

Im Mittelpunkt der Diskussionen über die rechtliche Tragweite der FRD (s. unten, III.) standen das universelle Gewaltverbot, das Interventionsverbot sowie das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Gerade bei diesen Grundsätzen blieben nicht wenige Fragen unbeantwortet:

So war es im Hinblick auf das → universelle Gewaltverbot nicht möglich, die Ein- oder Ausgrenzung politischen und ökonomischen Zwangs aus dem Gewaltbegriff zu klären. Auch der für das → Interventionsverbot maßgebliche Begriff der Intervention konnte – bis auf die Nennung einzelner, nicht abschließender Beispiele (z. B. die sog. subversive Intervention) – in der FRD keiner Definition zugeführt werden. Deshalb ist es gerade im Bereich der → Wirtschaftssanktionen gegen einzelne Staaten oftmals von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren abhängig, ob (noch) ein völkerrechtlich erlaubter wirtschaftlicher Druck oder (schon) ein völkerrechtswidriger wirtschaftlicher Zwang vorliegt.

Das → Selbstbestimmungsrecht der Völker war bis dahin in seiner völkerrechtlichen Existenz und Tragweite höchst umstritten, da es gem. Art. 1 Ziff. 2 UN-Ch. lediglich als Zielvorgabe für die Vereinten Nationen galt und im Übrigen eine völkervertragsrechtliche Absicherung nur in Art. 1 Abs. 2 IPbpR/IPwskR gefunden hatte. Beide UN-Pakte, 1966 unterzeichnet, traten aber erst 1976 in Kraft (→ Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; → Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Obwohl es an einer Definition des „Volkes“ fehlt, ist doch aus der umfassenden Formulierung „haben alle Völker das Recht“ zu schließen, dass es nicht auf Kolonialvölker beschränkt sein sollte, wie dies von den Ostblockstaaten bis dahin regelmäßig behauptet worden war. Außerdem – und das war seinerzeit ein Novum – stellte die FRD das Selbstbestimmungsrecht in einen direkten Zusammenhang zum Recht eines Volkes auf Sezession (→ Staatennachfolge).

Neben der Mehrdeutigkeit einzelner Formulierungen trugen auch die am Ende der Deklaration aufgeführten Auslegungsmaßgaben zu einer weiteren Relativierung der substanziellen Aussagen bei, weil „bei ihrer Auslegung und Anwendung […] die vorstehenden Grundsätze voneinander abhängig [sind]; jeder Grundsatz ist im Zusammenhang mit den anderen Grundsätzen zu verstehen.“

III. Rechtliche Würdigung

1. Beschlüsse der Generalversammlung als Empfehlungen

Die FRD hat – wie auch andere Beschlüsse der Generalversammlung (→ Allgemeine Erklärung der Menschenrechte; → Uniting for Peace-Resolution) – grundsätzlich nur den rechtlich unverbindlichen Charakter einer „Empfehlung“ (vgl. Art. 10 ff. UN-Ch.). Daran ändern auch die jeweils gewählten unterschiedlichen Bezeichnungen nichts, in denen regelmäßig von einer Resolution oder Erklärung (Deklaration) die Rede ist, hin und wieder aber auch der besonders feierliche Begriff der Charta gewählt wird (z. B. Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, 1974). Auf der Konferenz von San Francisco (April – Juni 1945), die zur Gründung der Vereinten Nationen führte, hatten sich die Delegierten mit überwältigender Mehrheit gegen Legislativbefugnisse der Generalversammlung ausgesprochen.

Aufgrund gewisser Besonderheiten ihrer Entstehung und ihres Inhalts wird jedoch bereits seit ihrer Verabschiedung diskutiert, ob die FRD – deklaratorisch – die in Bezug genommenen völkerrechtlichen Grundprinzipien inhaltlich zutreffend widergibt oder – konstitutiv – als Teilaspekt der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht oder der Herausbildung eines Allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu verstehen ist. Auch der konkludente Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages kommt in Betracht.

2. Völkerrechtlicher Vertrag

Die Abstimmung in einem internationalen Organ kann zwar durchaus als Abschluss eines → völkerrechtlichen Vertrages verstanden werden; eine derartige Konsequenz wird jedoch in der Regel damit nicht verbunden. Grundvoraussetzung wäre der Wille der Abstimmenden, über das Zustandekommen des Beschlusses der → Internationalen Organisation hinaus zumindest für alle zustimmenden (ggf. auch für die widersprechenden) Staaten eine vertragliche Bindung an den Beschlussinhalt zu begründen. Dem steht aber, soweit es die UN-Generalversammlung betrifft, bereits der von der UN-Charta explizit hervorgehobene lediglich empfehlende Charakter des Beschlusses, d. h. eines einseitigen Rechtsaktes, entgegen. Ohne eine ausdrückliche Klarstellung im Vorfeld der Abstimmung, dass diese ausnahmsweise zu einer völkerrechtlichen Bindung führen soll, kann eine solche Rechtswirkung nicht begründet werden. Es kommt hinzu, dass die Staatenvertreter regelmäßig auch gar nicht zu einem Vertragsabschluss bevollmächtigt sind und völkerrechtliche Verträge, die weitreichende Bindungswirkung für die Vertragsstaaten entfalten sollen, regelmäßig einer Ratifikation bedürfen (zur Ratifikationsnotwendigkeit im sog. mehrphasigen Verfahren → Völkervertragsrecht).

Bei der FRD kommt hinzu, dass diese im Consensus-Verfahren verabschiedet worden ist (s. oben, I.). Dieses Verfahren, das eine förmliche (positive) Abstimmung nicht vorsieht, sondern schon dann zur Annahme des Rechtsaktes führt, wenn kein Staat explizit widerspricht, sollte den gegenüber dem Resolutions-Inhalt kritisch eingestellten Staaten eine einvernehmliche Verabschiedung ermöglichen, ohne sich insoweit ausdrücklich für oder gegen den konkreten Inhalt aussprechen zu müssen. Für die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag ist aber die Verlautbarung eines staatlichen Erklärungswillens erforderlich; das Schweigen des Staatenvertreters ist insoweit jedenfalls nicht ausreichend.

3. Völkergewohnheitsrecht

Diskutiert wird der mögliche Beitrag von Resolutionen der Generalversammlung zur Bildung von → Völkergewohnheitsrecht sowohl im Hinblick auf (a) die objektive Staatenpraxis als auch (b) die subjektive Rechtsüberzeugung.

a) Staatenpraxis

Zum Beleg für eine bestimmte Staatenpraxis können neben Realakten zwar auch Willenserklärungen der Staaten herangezogen werden. Einmaligen Beschlüssen der Generalversammlung fehlt aber regelmäßig bereits die erforderliche Einheitlichkeit und Dauerhaftigkeit der Staatenpraxis, auf die schon aus Gründen einer gewissen Sicherheit in der Rechtserkenntnis bei der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht grundsätzlich nicht verzichtet werden kann. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass es sich nach traditionellem Verständnis um eine auf konkrete und reale Sachverhalte bezogene Staatenpraxis handeln muss, was bei abstrakt-generell formulierten Resolutionsinhalten – wie bei der FRD – gerade nicht gegeben ist. Insoweit kommt allenfalls in Betracht, dass entsprechende (auch einmalige) Beschlüsse der Generalversammlung eine kontinuierliche Staatenpraxis zu ersetzen vermögen, also ein gleichberechtigtes Aliud zur Staatenpraxis darstellen.

b) Rechtsüberzeugung (opinio iuris)

Einer Qualifizierung des Resolutions-Textes als Ausdruck der Überzeugung der Staaten vom Bestehen eines bestimmten Rechtssatzes des Völkergewohnheitsrechts steht grundsätzlich der für sich genommen völkerrechtlich unverbindliche Charakter der Resolution entgegen. Doch wird in einzelnen Formulierungen der FRD ausdrücklich von einem Recht (right) oder einer Pflicht (duty) gesprochen. Und seit den 1960er Jahren ist es immer wieder vorgekommen, dass Staaten einen förmlichen Vorbehalt gegen einzelne Resolutionsbestimmungen erklärt haben, was nur dann Sinn macht, wenn die Resolution grundsätzlich rechtliche Verbindlichkeit beansprucht. Auch der IGH scheint in diesem Zusammenhang eine Berücksichtigungsfähigkeit von Resolutionsinhalten zu sehen (s. unten, IV.).

 

4. Allgemeine Rechtsgrundsätze

Eine Qualifizierung der FRD-Inhalte als → Allgemeine Rechtsgrundsätze gem. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut scheitert schon daran, dass es sich bei dieser Rechtsquelle um ursprünglich innerstaatlich geltende Rechtsnormen handelt, die auf die Ebene des Völkerrechts übertragen werden, soweit sie auch dort (lückenfüllend) problemadäquate Resultate hervorzubringen vermögen. Hingegen stellen die FRD-Grundsätze (mit Ausnahme des Prinzips von Treu und Glauben) originär und spezifisch völkerrechtliche Prinzipien dar, die ihren Ursprung im Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht finden. Als „Allgemeine Rechtsgrundsätze“ in einem weiten Verständnis zeichnen sie sich allein dadurch aus, dass sie inhaltlich besonders vage und konturenarm sind und deshalb der permanenten Konkretisierung bedürfen. Eine entsprechende, auf rechtliche Verbindlichkeit angelegte „Konkretisierungsbefugnis“ kommt der Generalversammlung in Ermangelung legislativer Befugnisse aber weder generell noch im Einzelfall zu.