Völkerrecht

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1. Zollverbot

Zölle sind von jeher das offensichtlichste Hindernis für einen freien Warenverkehr. Sie wurden und werden gerade erhoben, um das freie, grenzüberschreitende Zirkulieren von Waren zu erschweren. Zoll lässt sich definieren als eine Abgabe, die ein Staat gerade wegen der Einfuhr (Einfuhrzoll) oder der Ausfuhr (Ausfuhrzoll) einer Ware erhebt, ohne dass eine entsprechende Abgabe für gleichartige inländische Erzeugnisse besteht. Das Ziel, eine Verteuerung ein- oder ausgeführter Waren innerhalb der Freihandelszone zu verhindern, kann allerdings nur erreicht werden, wenn neben den offensichtlichen Zöllen auch solche Abgaben untersagt werden, welche die gleiche Wirkung wie Zölle haben (Abgaben gleicher Wirkung).

2. Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen

Mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sind das zweite offensichtliche Hemmnis für einen freien Warenverkehr. Unterschieden werden Ein- und Ausfuhrverbote, welche die Ein- oder Ausfuhr einer bestimmten Ware oder Warengruppe völlig untersagen, und Kontingentierungen, welche die Ein- oder Ausfuhr von Waren nur teilweise, z. B. in bestimmter Menge oder in einem bestimmten Wert, erlauben. Auch hier ist der Freihandel allerdings nur dann gewährleistet, wenn neben den eigentlichen mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen auch Maßnahmen untersagt sind, die eine gleiche Wirkung haben wie diese. Ausnahmen vom Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung sind üblicherweise z. B. aus Gründen der öffentlichen Moral, der öffentlichen Gesundheit, zum Schutz nationaler Kulturgüter oder geistigen Eigentums zugelassen (z. B. Art. 13 EFTA-Konvention).

III. Institutionelle Strukturen und Streitschlichtung

Bloße Freihandelszonen verfügen anders als etwa Gemeinsame Märkte meist über eine nur lockere institutionelle Struktur. Im Zentrum steht die Gewährleistung des Zollverbotes und des Verbotes mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, was z. B. regelmäßig kein parlamentsartiges Organ erfordert. Wichtig ist indes die Bereitstellung von Streitschlichtungs- und Streitentscheidungsmechanismen. Immer wieder kommt es zu einer offensichtlichen Verletzung der zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen. Zusätzlich bestehen oft Unklarheiten und Meinungsunterschiede, was z. B. genau eine Abgabe gleicher Wirkung oder eine Maßnahme ist, welche die gleiche Wirkung hat wie eine Ein- oder Ausfuhrbeschränkung. Freihandelsabkommen sehen daher meist Streitbeilegungsmechanismen vor, die z. T. auch institutionelle Regelungen enthalten (z. B. Art. 46 ff. EFTA-Konvention).

IV. Wichtige Freihandelszonen

1. EFTA

Die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association, EFTA) wurde am 4.1.1960 von Dänemark, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich gegründet; später traten der EFTA Finnland, Liechtenstein und Island bei. Die auf einen Freihandel zentrierte Assoziation war eine Reaktion auf die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zum 1.1.1958 und sollte anders als diese auf eine reine Freihandelszone beschränkt bleiben. Ein Großteil der EFTA-Staaten ist allerdings nach und nach in die heutige EU übergewechselt, so dass die EFTA heute nur noch vier Mitgliedstaaten hat (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz). Bis auf die Schweiz sind die EFTA-Staaten zudem über die vertiefte Freihandelszone des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) eng mit der EU assoziiert und partizipieren daher an deren Gemeinsamem Markt.

Rechtsgrundlage der EFTA ist die EFTA-Konvention (Convention Establishing the European Free Trade Association) vom 4.1.1960. In institutioneller Hinsicht verfügt die EFTA primär über den Rat, der als höchstes EFTA-Organ regelmäßig einmal monatlich tagt und in dem jedem Mitgliedstaat eine Stimme zukommt (Art. 43 Abs. 2 EFTA-Konvention), und das die täglichen Geschäfte führende Sekretariat, dem ein Generalsekretär vorsteht und dessen ca. 100 Mitarbeiter in Genf, Brüssel und Luxemburg ansässig sind. Hinzu kommen die EFTA-Überwachungsbehörde in Brüssel, welche die Einhaltung des EWR-Abkommens durch Island, Liechtenstein und Norwegen überwacht, und der 1994 eingerichtete EFTA-Gerichtshof in Luxemburg, der die gerichtliche Kontrolle über das EWR-Abkommen in Bezug auf Island, Liechtenstein und Norwegen ausübt.

Während Art. 3 ff. EFTA-Konvention Zölle und Abgaben gleicher Wirkung untersagen, verbietet Art. 7 mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung. Art. 20 ff. EFTA-Konvention enthalten Regelungen über den freien Personenverkehr, Art. 23 ff. über die freie Niederlassung von Unternehmen sowie den Kapitalverkehr und Art. 29 ff. über die Dienstleistungsfreiheit.

2. NAFTA

Die Nordamerikanische Freihandelszone entstand mit Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA; Sart. II, Nr. 145) vom 17.12.1992 am 1.1.2004 und umfasst die USA, Kanada und Mexiko. Ziel ist es u. a., Handelsschranken zu beseitigen, die grenzüberschreitende Bewegung von Waren und Dienstleistungen zu erleichtern, die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb zu fördern und die Investitionsmöglichkeiten in den Gebieten der Mitgliedstaaten zu verbessern (Art. 102 NAFTA). Obwohl der Nordamerikanischen Freihandelszone nur drei Staaten angehören, ist sie, was das kombinierte Bruttosozialprodukt ihrer Mitgliedstaaten angeht, die größte Freihandelszone der Welt.

In institutioneller Hinsicht sieht NAFTA lediglich die Freihandelskommission (Free Trade Commission) und das Sekretariat vor (Art. 2001 f. NAFTA). Der für grundlegende Fragen wie die Fortentwicklung des NAFTA zuständigen Kommission gehört je ein Repräsentant der Mitgliedstaaten auf Kabinettsebene an. Sie trifft sich mindestens einmal jährlich und entscheidet im Consensus-Verfahren. Das von der Kommission eingerichtete Sekretariat unterstützt die Kommission in ihrer Arbeit und koordiniert vor allem die Streitbeilegungsmechanismen. Es besteht aus drei nationalen Sektionen, die in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten angesiedelt sind und denen jeweils ein von der entsprechenden nationalen Regierung ernannter Sekretär vorsteht.

Kernstück des NAFTA sind die Art. 300 ff. über den freien Warenverkehr. Art. 302 Abs. 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, existierende Zölle für Waren der Mitgliedstaaten nicht zu erhöhen und keine neuen Zölle einzuführen, während Art. 302 Abs. 2 i. V. m. Anhang 302.2 Verpflichtungen enthält, bestehende Zölle nach und nach abzubauen. Dies betrifft vor allem den Handel mit Mexiko, da die Zölle zwischen den USA und Kanada bereits bei Inkrafttreten von NAFTA weitgehend abgebaut waren. Art. 309 Abs. 1 NAFTA untersagt mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, ausgenommen solche, die mit Art. XI GATT (Sart. II, Nr. 510) vereinbar sind.

3. AFTA

Die ASEAN-Freihandelszone wurde durch Abschluss des ASEAN-Freihandelsabkommens (ASEAN Free Trade Agreement) am 28.1.1992 in Singapur gegründet. Nach den Gründerstaaten Brunei, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand traten 1995 Vietnam, 1997 Laos sowie Myanmar (Burma) und 1999 Kambodscha bei, so dass AFTA heute zehn Mitgliedstaaten mit einer Gesamtbevölkerung von ca. 600 Mio. Einwohnern umfasst. Das ASEAN-Freihandelsabkommen, das aus lediglich zehn grundlegenden Artikeln besteht, wird u. a. durch das Rahmenabkommen über die Vertiefung der ASEAN-Wirtschaftszusammenarbeit (Framework Agreement on Enhancing ASEAN Economic Cooperation) vom 28.1.1992 und das Rahmenabkommen über die Erleichterung des Transits von Gütern (ASEAN Framework Agreement on the Facilitation of Goods in Transit) ergänzt.

Ähnlich wie die nordamerikanische Freihandelszone ist AFTA nur schwach institutionalisiert. Das ASEAN-Freihandelsabkommen sieht einen Rat und ein Sekretariat vor (Art. 7). Dem für grundlegende Fragen zuständigen Rat gehören je ein Repräsentant jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene und der Generalsekretär des ASEAN-Sekretariates an. Das Sekretariat unterstützt den Rat bei der Überwachung und Umsetzung des ASEAN-Freihandelsabkommens. Art. 4 ASEAN-Freihandelsabkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einer schrittweisen Reduzierung ihrer Zölle, während Art. 5 eine Verpflichtung zum Abbau mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen aufstellt. Anders als die meisten Freihandelsabkommen enthält das ASEAN-Freihandelsabkommen keine Regelungen über Streitbeilegungsmechanismen, so dass eine Streitbeilegung in der Praxis regelmäßig auf bilateraler Ebene zwischen den beteiligten Staaten stattfindet.

4. COMESA

Der Gemeinsame Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA) wurde durch Abschluss des COMESA-Übereinkommens (Agreement Establishing the Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA) am 5.11.1993 als Nachfolgeorganisation einer seit 1981 bestehenden präferentiellen Handelszone mit dem Ziel gegründet, bis zum Jahr 2000 alle Zölle und sonstigen Handelsbarrieren zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen. Nach einigen Beitritten und Austritten gehören COMESA heute 20 Mitgliedstaaten, darunter allerdings nicht Südafrika, als wichtigste Wirtschaftsnation des südlichen Afrikas, an.

Dass COMESA über die bloße Freihandelszone hinausgehend als Projekt zur Gründung eines Gemeinsamen Marktes im südlichen und östlichen Afrika angelegt ist, kommt nicht nur im Namen der Organisation, sondern v.a. auch in der hochintegrierten institutionellen Struktur zum Ausdruck, welche Art. 7 ff. COMESA-Übereinkommen vorsehen. Zu den nicht weniger als acht Organen des Gemeinsamen Marktes zählen danach neben einer „Authority“ auch ein Rat, ein Gerichtshof und ein Sekretariat. Bislang bleibt die Rechtswirklichkeit allerdings noch hinter dem zurück, was im COMESA-Übereinkommen vorgesehen ist, und hat COMESA daher eher den Charakter einer Freihandelszone als denjenigen eines Gemeinsamen Marktes.

 
V. Freihandelszonen und WTO-Recht

1. Grundproblem der Sektorierung des internationalen Wirtschaftsrechts

Bedeutet die Gründung einer Freihandelszone, dass sich eine Gruppe von Mitgliedstaaten Vorzugsbedingungen im zwischenstaatlichen Handel, insbes. durch das Verbot von Zöllen und mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, garantiert, steht dies in einem Spannungsverhältnis zum Gesamtsystem des internationalen Wirtschaftsrechts, das primär durch die WTO-Rechtsordnung geprägt wird. Da die meisten Staaten, die sich an einer Freihandelszone beteiligen, zugleich auch zu den Mitgliedstaaten der → Welthandelsorganisation (WTO) zählen, stellt sich primär die Frage, inwieweit Freihandelszonen mit den Verpflichtungen aus WTO-Recht vereinbar sind.

2. Freihandelszonen im Lichte des WTO-Rechts

Durch die Vereinbarung präferentieller Handelsbedingungen stehen Freihandelszonen im Widerspruch zum Prinzip der Meistbegünstigung, das zu den Kernregelungen der drei großen materiellrechtlichen WTO-Abkommen zählt (Art. I:1 GATT, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS). Gleichzeitig bringen bspw. Art. XXIV:4 S. 1 GATT und die Präambel der Vereinbarung zur Auslegung jenes Artikels jedoch zum Ausdruck, dass die Herbeiführung größerer Freiheit des Handels auf der Basis regionaler Vereinbarungen, worunter die meisten Freihandelszonen fallen, wünschenswert ist. Die damit bestehende Ambivalenz des WTO-Rechts gegenüber Freihandelszonen wird gem. Art. XXIV:5 GATT durch eine Reihe von Anforderungen in den einzelnen Übereinkommen aufgelöst, unter denen Freihandelsabkommen im Lichte des WTO-Rechts gerechtfertigt und damit zulässig sind. Die Anforderungen laufen darauf hinaus, dass zum einen durch Notifizierungspflichten Transparenz über den Inhalt von Freihandelsabkommen geschaffen wird, und diese gleichzeitig durch materielle Verpflichtungen so ausgestaltet werden, dass nachteilige Auswirkungen auf den Handel anderer Mitgliedstaaten der WTO minimiert werden.

Was den Warenhandel angeht, finden sich die wesentlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen in Art. XXIV GATT sowie in der Vereinbarung zur Auslegung jenes Artikels, die gem. Ziff. 1 lit. c Nr. iv des einführenden Textes zum GATT 1994 Bestandteil des GATT 1994 ist. Das formelle Erfordernis aus Art. XXIV:7 GATT i. V. m. Ziff. 7 – 11 der Auslegungsvereinbarung, Freihandelsabkommen, an denen mindestens ein WTO-Mitglied beteiligt ist, frühzeitig der WTO zu notifizieren, soll nicht nur allgemein die Transparenz im Weltwirtschaftsrecht erhöhen, sondern auch der WTO und ihren Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, die Vereinbarkeit des Abkommens mit WTO-Recht zu überprüfen. Was die materiellen Anforderungen angeht, verlangt Art. XXIV:8 lit. b GATT im Hinblick auf die interne Dimension der an der Freihandelszone teilnehmenden Staaten, dass sich die Beseitigung von Zöllen und beschränkenden Handelsvorschriften auf annähernd den gesamten Handel („substantially all the trade“) mit den aus den teilnehmenden Gebieten stammenden Waren bezieht. Während dies bei Freihandelszonen, anders als etwa bei präferentiellen Handelsabkommen, meist der Fall ist, ist es im Einzelfall indes bis heute umstritten, wann genau eine Liberalisierung annähernd des gesamten Handels vorliegt. Im Verhältnis zu anderen, der Freihandelszone nicht angehörenden Staaten verlangt Art. XXIV:5 lit. b GATT, dass die Zölle und Handelsvorschriften gegenüber Drittstaaten nicht höher oder einschränkender sein dürfen als die entsprechenden Zölle und Handelsvorschriften, die in den nunmehr als Freihandelszone geltenden Vertragsstaaten vorher bestanden. Was den Handel mit Dienstleistungen angeht, finden sich die Anforderungen für die Rechtfertigung von Freihandelszonen in Art. V GATS.

F › Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches (Burkhard Schöbener)

Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches (Burkhard Schöbener)

I. Allgemeines

II. Historische Entwicklung

1.Neer-Fall

2.Calvo-Doktrin

III. Gewährleistungen des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechts

1.Pflichten bei Einreise und aufenthaltsbeendenden Maßnahmen

2.Pflichten während des Aufenthaltes

IV. Durchsetzung des völkergewohnheitsrechtlichen Fremdenrechtes

Lit.:

J.A. Frowein/T. Stein (Hrsg.), Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, 1987; J. Griebel, Internationales Investitionsrecht, 2008, 2. Kapitel, 14 – 26; K. Hailbronner (Hrsg.), Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, 2000; A. Roth, The Minimum Standard of International Law applied to Aliens, 1949; B. Schöbener, Der menschenrechtliche Schutz des privaten Eigentums im universellen Völkerrecht – eine Zwischenbemerkung, FS für K. Stern, 2012, 901; C. Tomuschat, Der fremdenrechtliche Mindeststandard im Völkerrecht, Handbuch der Grundrechte, VI/2, 2009, § 178 .

I. Allgemeines

Unter Fremdenrecht versteht man im Völkerrecht ganz allgemein die Rechtsbeziehungen zwischen dem Heimatstaat einer natürlichen oder juristischen Person und deren Aufenthalts- bzw. Gaststaat, also dem → Staat, in dem sich diese Person als Ausländer (Fremder) aufhält. Diese Rechtsbeziehungen können sowohl durch völkervertragliche als auch durch völkergewohnheitsrechtliche Regelungen geprägt sein. Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht verlangt von den Staaten bei der Ausübung von Hoheitsgewalt gegenüber Ausländern die Einhaltung bestimmter Mindeststandards (sog. fremdenrechtlicher Mindeststandard); dieser ist heute inhaltlich weithin identisch mit dem → menschenrechtlichen Mindeststandard (s. u., III.2.). Neben das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht tritt in den letzten Jahrzehnten immer stärker vor allem der bi- und multilaterale Schutz fremder Investitionen; das auf annähernd 3.000 völkerrechtlichen Verträgen beruhende → Internationale Investitionsrecht geht dann regelmäßig als lex specialis dem gewohnheitsrechtlichen Fremdenrecht vor, wird aber gleichzeitig auch von diesem inhaltlich weiterentwickelt.

II. Historische Entwicklung

Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht entwickelte sich zu einer Zeit, als dem Individuum im Völkerrecht mangels → Völkerrechtssubjektivität noch keine eigenen Rechtspositionen zuerkannt wurde (→ Individuum, Rechtsstellung). Die Verletzung fremdenrechtlicher Völkerrechtsnormen durch den Gaststaat wurde nicht als Rechtsverletzung gegenüber dem Individuum angesehen, sondern als Verletzung der Rechtspositionen von dessen Heimatstaat. Dieser Völkerrechtsverstoß erlaubte es dem Heimatstaat des davon Betroffenen, → Gegenmaßnahmen zu ergreifen (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche). Diese Gegenmaßnahmen konnten durchaus militärischer Natur sein, wie etwa das Beispiel des britisch-spanischen Kriegs (1739 – 1742) um „Jenkins Ohr“ verdeutlicht, in dem Großbritannien Genugtuung für das angeblich von einer spanischen Küstenpatrouille abgeschnittene Ohr des britischen Handelskapitäns Robert Jenkins forderte. Erst mit dem in der UN-Charta enthaltenen → universellen Gewaltverbot ist seit 1945 die Anwendung militärischer Gewalt nicht mehr erlaubtes Mittel einer Gegenmaßnahme (Repressalie).

1. Neer-Fall

Im 19. Jahrhundert erhöhte sich die Anzahl fremdenrechtlicher Streitfälle, weil sich aufgrund des fortschreitenden ökonomischen Aufschwungs und der damit einhergehenden Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen immer mehr Ausländer in fremden Staaten aufhielten und in diesen wirtschaftlich tätig wurden. Die hierdurch ausgelösten Dispute zwischen den Staaten wurden regelmäßig auf friedlichem Wege, insbesondere durch die Anrufung von Schiedsgerichten, gelöst. Die wohl bis heute in Bezug auf den fremdenrechtlichen Mindeststandard meistzitierte Aussage dürfte im sog. Neer-Fall (LFH Neer and Pauline Neer [US v. Mexico, 1926] 4 RIAA) aus dem Jahr 1926 ergangen sein. Die USA warfen Mexiko vor, nur unzureichende Maßnahmen zur Aufklärung und Bestrafung eines in Mexiko verübten Mordes an einem US-Staatsbürger eingeleitet und hierdurch gegen das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht verstoßen zu haben. Zwar wurde der Klage der USA nicht stattgegeben, aber die Kommission entwickelte Kriterien zur Feststellung eines Verstoßes gegen den fremdenrechtlichen Mindeststandard. Demnach ist von einer Missachtung des Gebots auszugehen, wenn „the treatment of an alien [. . .] amount[s] to an outrage, to bad faith, to wilful neglect of duty, or to an insufficiency of governmental action so far of international standards that every reasonable and impartial man would readily recognize its insufficiency“ (LFH Neer and Pauline Neer [US v. Mexico, 1926] 4 RIAA 60, pp. 61 – 62). Auch heute noch wird diese Definition zur Feststellung eines Verstoßes gegen den fremdenrechtlichen Mindeststandard herangezogen. Das völkergewohnheitsrechtliche Fremdenrecht, wie es insbesondere in der Definition des Neer-Falls zum Ausdruck kommt, gewährt einen autonomen Standard, den die Staaten gegenüber Fremden einzuhalten haben, unabhängig davon, wie sie ihre eigenen Staatsangehörigen behandeln.

2. Calvo-Doktrin

Eine andere Betrachtungsweise wurde lange Zeit vor allem von den latein-amerikanischen Staaten vertreten. Diese befürworteten die nach dem argentinischen Diplomaten Carlos Calvo (1824 – 1906) benannte Doktrin, nach der Ausländern nur die gleiche Behandlung zuteilwerden muss wie den eigenen Staatsangehörigen. Dieser Ansatz wurde insbesondere von den europäischen Staaten nie anerkannt, da er keine Gewähr dafür bietet, dass den fremden Staatsangehörigen gewisse Mindestrechte zustehen. Die Rechte der fremden Staatsangehörigen sind nach der Calvo-Doktrin davon abhängig, wie gut bzw. schlecht der betreffende Staat seine eigenen Staatsangehörigen behandelt. Die Doktrin konnte sich angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten im Völkerrecht nicht durchsetzen und wird auch von den latein-amerikanischen Staaten nicht mehr ernsthaft vertreten, nachdem diese erkannten, dass sie hierdurch den Zugang von ausländischen Investoren zu ihren Ländern erschwerten. Auch der Versuch einzelner latein-amerikanischer Staaten, die Doktrin durch die Vereinbarung entsprechender Vertragsklauseln in → internationalen Staatskontrakten (state contracts) mit den ausländischen Investoren rechtlich abzusichern (Calvo-Klauseln), indem die fremden Investoren auf den → diplomatischen Schutz durch ihren Heimatstaat verzichteten, war kein Erfolg beschieden. Da es sich nach h.M. sowohl bei den fremdenrechtlichen Ansprüchen als auch beim Anspruch auf diplomatischen Schutz nicht um eine subjektive Rechtsposition des Fremden handelt, kann dieser auch nicht wirksam auf diese Rechtsposition verzichten.