Völkerrecht

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IV. Wirkung der Entscheidungen des EGMR zur EMRK

Die Entscheidungen des EGMR zur EMRK sind völkerrechtlich verpflichtend; derjenige Staat, gegen den ein Urteil gerichtet ist, hat, wird eine Konventionsverletzung festgestellt, eine eventuell festgesetzte Kompensationszahlung zu leisten und, soweit möglich, mit individuellen Maßnahmen (z. B. Wiederaufnahme eines Gerichtsverfahrens) der festgestellten Menschenrechtsverletzung abzuhelfen. Darüber hinaus kann es notwendig sein, die zugrunde liegenden nationalen Gesetze oder die Rechtspraxis zu ändern. Bei systemischen Menschenrechtsverletzungen kann der Gerichtshof in Pilotverfahren einen bestimmten Zeitrahmen zur Behebung des Problems vorgeben. Der Ministerrat überwacht die Umsetzung der Urteile des Gerichtshofs.

E › Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Angelika Nußberger)

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Angelika Nußberger)

I. Gründung, Ausarbeitung und Änderung der Rechtsgrundlagen

1.Vorbereitungsphase vom Inkrafttreten der EMRK bis zum Arbeitsbeginn des Gerichtshofs

2.Koexistenz von Gerichtshof und Kommission (1959 – 1998)

3.Wirken als ständiger Gerichtshof (seit 1998)

4.Reformperspektiven

II. Organisation und Verfahrensordnung

1.Strukturelle Einbindung in den Europarat

2.Zusammensetzung und Arbeitsweise des Gerichtshofs

3.Individualbeschwerdeverfahren

4.Staatenbeschwerdeverfahren

III. Bedeutung der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Weiterentwicklung des Völkerrechts

Lit.:

E. Bates, The Evolution of the European Convention on Human Rights: From its Inception to the Creation of a Permanent Court of Human Rights, 2011; C. Grabenwarter/K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 2012; A. Nußberger, Europäische Menschenrechtskonvention, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HStR, Band X (Deutschland in der Staatengemeinschaft), 3. Aufl., 2012, 135.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist der weltweit einzige internationale Gerichtshof, der auf der Grundlage eines → völkerrechtlichen Vertrags bindende Urteile in sowohl unmittelbar von → Individuen gegen → Staaten als auch von Staaten gegen Staaten gerichteten Beschwerden, in denen Menschenrechtsverletzungen gerügt werden, treffen kann. Er ist organisatorisch in den Europarat eingebunden und damit für die 47 Mitgliedstaaten des Europarats zuständig. Seiner Jurisdiktion sind gegenwärtig etwa 800 Millionen Menschen unterworfen.

I. Gründung, Ausarbeitung und Änderung der Rechtsgrundlagen

1. Vorbereitungsphase vom Inkrafttreten der EMRK bis zum Arbeitsbeginn des Gerichtshofs

Mit der Ausarbeitung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (→ EMRK), die 1950 von 13 Mitgliedstaaten des 1949 neu gegründeten Europarats unterzeichnet wurde und die nach Ratifikation von zehn Staaten am 3.9.1953 in Kraft trat, war die Errichtung sowohl einer Europäischen Kommission für Menschenrechte als auch eines Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorgegeben. Während die Kommission von den der Jurisdiktion der Mitgliedstaaten unterstehenden Bürgern unmittelbar angerufen werden konnte, war der Zugang zum Gerichtshof selbst nach der ursprünglichen Konzeption beschränkt. Voraussetzung für eine gerichtliche Entscheidung war eine entsprechende allgemeine Unterwerfungserklärung des betroffenen Staates unter das Individualbeschwerdeverfahren sowie für den jeweiligen konkreten Fall eine positive Entscheidung der Kommission über die Zulässigkeit der Beschwerde und eine Verweisungsentscheidung entweder der Kommission oder des Staates, gegen den die Beschwerde gerichtet war.

Nachdem Island als achter Staat am 3.9.1958 die Unterwerfungserklärung zum Individualbeschwerdeverfahren abgegeben hatte, waren die Voraussetzungen für die Errichtung des Gerichtshofs gegeben. Nach der Wahl der Richter durch die Beratende Versammlung des Europarats im Januar 1959 fand die erste Sitzung vom 23. – 28.2.1959 statt. Der erste Fall, bei dem der Gerichtshof am 1.7.1961 in der Sache entschied, war Lawless v. Irland.

2. Koexistenz von Gerichtshof und Kommission (1959 – 1998)

In der Zeit von 1959 bis 1998 beruhte das konventionsrechtliche Kontrollsystem auf drei Pfeilern: der Kommission, dem Gerichtshof und dem Ministerrat und war damit vergleichsweise komplex. In den Anfangsjahren wurde dem neuen System zum Schutz der Menschenrechte nur relativ wenig öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. In den späten 1970er Jahren trat der Gerichtshof dann aber mit mehreren als spektakulär angesehenen Urteilen, etwa zur Unmenschlichkeit der Prügelstrafe (Tyrer v. Großbritannien), zur konventionswidrigen Ungleichbehandlung von nicht-ehelichen Kindern (Marckx v. Belgien) und zum Zugang auch Mittelloser zum Gericht (Airey v. Irland) aus seinem Schattendasein.

Mit dem Beitritt auch der ehemals zum kommunistischen Machtbereich gehörenden Staaten Mittel- und Osteuropas in den 1990er Jahren veränderte sich die Rolle des Gerichtshofs grundlegend; zum einen wurde seine Rechtsprechung zu einem zentralen Orientierungspunkt im auf Rechtsstaatlichkeit ausgerichteten Transitionsprozess, zum anderen wurde er aber auch zunehmend bei gesellschaftlich kontroversen Fragen mit der Aufgabe betraut, europäische Standards zu definieren. Die explosiv ansteigende Zahl an Beschwerden – im Jahr 1978 wurden 335 Beschwerden, im Jahr 1998 bereits 5981 Beschwerden registriert – waren im Rahmen des historisch gewachsenen Systems, das die staatliche Souveränität in den Vordergrund stellte und keinen unmittelbaren Zugang zum Gerichtshof gewährte, nicht mehr zu bewältigen. Mit der auf dem 11. Zusatzprotokoll beruhenden Reform von 1998 wurde das gesamte System grundlegend neu gestaltet, die Kommission abgeschafft und ein permanent tätiger, unmittelbar für den Einzelnen zugänglicher Gerichtshof geschaffen.

3. Wirken als ständiger Gerichtshof (seit 1998)

Mit dem elften Zusatzprotokoll waren die Reformen allerdings nicht abgeschlossen; vielmehr trat der Gerichtshof in eine andauernde Reformphase, deren wichtigste weitere Zäsur das Inkrafttreten des 14. Zusatzprotokolls darstellte, das bereits 2004 ausgearbeitet worden war, nach der verzögerten Ratifikation durch die Russische Föderation aber erst 2010 in Kraft treten konnte. Wichtigste Neuerung war die Einführung von Unzulässigkeitsentscheidungen durch Einzelrichter (Art. 27 EMRK), die es ermöglichte, weit über 90 Prozent der Beschwerden in einem wenig aufwändigen Verfahren schnell abzuhandeln und sich damit auf die inhaltlich schwierigen Beschwerden zu konzentrieren.

4. Reformperspektiven

Auf den der Reform des Gerichtshofs gewidmeten Regierungskonferenzen in Interlaken, Izmir und Brighton in den Jahren 2010, 2011 und 2012 wurden Vereinbarungen sowohl zu kurz- als auch zu langfristigen Maßnahmen zur weiteren Reform des Gerichtshofs getroffen. Gegenwärtig befindet sich ein Protokoll zur Änderung der Konvention (Protokoll Nr. 15) sowie ein Fakultativprotokoll zur Einführung eines von nationalen Höchstgerichten initiierten Gutachtenverfahrens (Protokoll Nr. 16) in Vorbereitung. Die mit Protokoll Nr. 15 geplanten Textänderungen betreffen insbesondere die Präambel, in die der Grundsatz der Subsidiarität sowie des Ermessensspielraums der nationalen Entscheidungsträger – beides vom Gerichtshof erarbeitete Konzepte – explizit aufgenommen werden sollen, um die Eckpunkte für das Verhältnis zwischen EGMR und Mitgliedstaaten zu fixieren.

Ein weiterer wesentlicher Reformschritt ist der in Art. 6 Abs. 2 EUV vorgesehene Beitritt der EU zur EMRK, zu dessen Vorbereitung gegenwärtig entsprechende Detailregelungen ausgearbeitet werden.

II. Organisation und Verfahrensordnung

1. Strukturelle Einbindung in den Europarat

Der Gerichtshof ist ein auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrags gegründetes selbstständiges Organ, zugleich aber strukturell und organisatorisch in den Europarat einbezogen. Alle Mitgliedstaaten des Europarats haben die EMRK ratifiziert und sich damit der Rechtsprechung des EGMR unterworfen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats ist zuständig für die Wahl der Richter. Die Kanzlei des Gerichtshofs ist dem Generalsekretär des Europarats unterstellt. Der Ministerrat des Europarats ist für die Überwachung der Vollstreckung der Urteile verantwortlich.

 

2. Zusammensetzung und Arbeitsweise des Gerichtshofs

Die Anzahl der Richter entspricht der Anzahl der Konventionsstaaten; gegenwärtig sind es 47, nach einem Beitritt der EU wären es 48 Richterinnen und Richter. Kandidaten für das Richteramt werden von den jeweiligen Regierungen vorgeschlagen und von der Parlamentarischen Versammlung für eine einmalige Amtszeit von neun Jahren gewählt. Amtssprachen am Gerichtshof sind Englisch und Französisch.

Der Gerichtshof entscheidet in vier verschiedenen Formationen: als Einzelrichter, Komitee von drei Richtern, Kammer von sieben Richtern und Große Kammer von 17 Richtern (Art. 26 Abs. 1 EMRK). Einzelrichter können keine Konventionsverletzungen feststellen, sondern lediglich offensichtlich unzulässige Beschwerden abweisen (Art. 27 EMRK). Komitees von drei Richtern entscheiden gleichermaßen über offensichtlich unbegründete, aber auch über offensichtlich begründete Beschwerden (Art. 28 EMRK). Die fünf Sektionen des Gerichtshofs, deren Zusammensetzung die regionalen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in ausgeglichener Weise widerspiegeln soll, entscheiden in der Regel ohne Anhörung in allen sonstigen Fällen (Art. 29 EMRK). Dabei ist derjenige Richter, der aus dem Staat kommt, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, von Amts wegen in das Verfahren eingebunden, um sicherzustellen, dass die Besonderheiten des jeweiligen Rechtssystems richtig verstanden und gewürdigt werden (Art. 26 Abs. 4 EMRK). Die Große Kammer setzt sich aus 17 Richtern zusammen. Sie fungiert entweder als eine Art zweite Instanz, wenn sich die Regierung oder der Beschwerdeführer gegen ein Urteil der Kammer wendet und die entsprechende Beschwerde von einem Vorprüfungsausschuss von fünf Richtern zugelassen wird (Art. 43 EMRK), oder sie tritt an die Stelle der Kammer, wenn diese eine Sache aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder wegen potentieller Widersprüche zur gefestigten Rechtsprechung abgibt (Art. 30 EMRK).

Aufgrund seiner Verfahrensautonomie hat sich der Gerichtshof eine Verfahrensordnung (Rules of the Court) gegeben, die sowohl mit Blick auf die durch die neuen Zusatzprotokolle vorgegebenen Änderungen als auch mit Blick auf die innere Reform der Ablaufprozesse am Gerichtshof einem andauernden Anpassungsprozess unterworfen ist. Die Verfahrensordnung wird vom Plenum des Gerichtshofs verabschiedet (Art. 25 lit. d EMRK).

3. Individualbeschwerdeverfahren

Das wichtigste Verfahren vor dem EGMR ist das Individualbeschwerdeverfahren. Beschwerden können nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs innerhalb einer Frist von sechs Monaten eingelegt werden (Art. 35 EMRK); mit dem 15. Zusatzprotokoll soll die Frist auf vier Monate verkürzt werden. Der Beschwerdeführer muss geltend machen, Opfer einer Verletzung der in der EMRK oder der dazu ergangenen Zusatzprotokolle zu sein (Art. 34 EMRK). Zur Steigerung der Effizienz der Arbeit des Gerichtshofs werden die formalen Voraussetzungen zur Einreichung einer Beschwerde im Rahmen der Reformbemühungen zunehmend strikter gefasst; nur Beschwerden, die den Voraussetzungen entsprechen, werden registriert. Ist eine Beschwerde zulässig und begründet, endet das Verfahren in der Regel mit einem Kammerurteil, in dem die Konventionsverletzung festgestellt sowie eine gerechte Entschädigung festgelegt wird (Art. 41 EMRK); ausnahmsweise kann der Gerichtshof auch nach Art. 46 EMRK die sich aus dem Urteil für den Staat ergebenden Pflichten genauer bestimmen oder in einem Pilotverfahren ein strukturelles Problem monieren und in einem bestimmten Zeitrahmen eine Lösung einfordern (Rule 61 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs). Grundsätzlich gelten die Urteile nur inter partes; allerdings sind sie um der Effektivität des menschenrechtlichen Schutzes willen auch von den anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (Orientierungswirkung). Die Überwachung der Durchführung der Urteile des Gerichtshofs obliegt dem Ministerkomitee des Europarats (Art. 46 Abs. 2 EMRK).

4. Staatenbeschwerdeverfahren

Neben dem Individualbeschwerdeverfahren gibt es das in der Praxis sehr viel seltenere Staatenbeschwerdeverfahren, bei dem ein Mitgliedstaat eine Verletzung der Konvention oder der dazu ergangenen Protokolle in einem anderen Mitgliedstaat rügen kann (Art. 33 EMRK). Das Verfahren unterscheidet sich nur in Details vom Individualbeschwerdeverfahren. Gegenwärtig sind zwei Staatenbeschwerdeverfahren von Georgien gegen die Russische Föderation beim Gerichtshof anhängig.

III. Bedeutung der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Weiterentwicklung des Völkerrechts

Die Rechtsprechung des EGMR umfasst mittlerweile knapp 70.000 auf der Datenbank des Gerichtshofs gespeicherte Zulässigkeitsentscheidungen („decisions“) und Sachurteile („judgments“), die vom Strafprozessrecht bis zum Arbeitsrecht und vom Familienrecht bis zum Presserecht nahezu alle Rechtsmaterien berühren. Da die Urteile verbindlich sind und in den Konventionsstaaten ins nationale Recht umgesetzt werden müssen, hat die Rechtsprechung europaweit eine Vielzahl umfassender Reformen angestoßen; dies insbesondere, aber keineswegs ausschließlich in den Transitionsstaaten, für die es galt, die aus der kommunistischen Ära stammenden Gesetze einem modernen Menschenrechtsverständnis entsprechend neu zu formulieren. In Deutschland hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs in jüngster Zeit wichtige Reformen im Bereich der Sicherungsverwahrung sowie im Bereich des Familienrechts, speziell mit Blick auf die Verbesserung der Stellung der biologischen Väter, erforderlich gemacht.

Ferner hat der Gerichtshof die allgemeine Menschenrechtsdoktrin entscheidend weiterentwickelt. Ausschlaggebend dafür ist der interpretatorische Ansatz, die Konvention als lebendiges Instrument („living instrument“) zu verstehen und den sich wandelnden Gegebenheiten und Anschauungen in den europäischen Gesellschaften anzupassen, zugleich aber auch den Staaten einen mehr oder weniger weiten Ermessensspielraum bei der Regelung gesellschaftspolitisch kontroverser Fragen einzuräumen, insbesondere, wenn sich europaweit bei bestimmten Fragen kein Konsens abzeichnet.

Die Existenz eines internationalen Menschenrechtsgerichtshofs, der auf völkervertraglicher Grundlage für die Staaten verbindliche Urteile erlässt und für den Einzelnen unmittelbar zugänglich ist, hat zudem entscheidende Impulse für eine Änderung oder Neuakzentuierung der Doktrin des allgemeinen Völkerrechts in vielen Bereichen bewirkt. So ist dem Einzelnen notwendigerweise eine zumindest partielle → Völkerrechtssubjektivität zuzuerkennen, soweit er vor dem EGMR prozessrechtlich gleichberechtigt einem Staat gegenübertreten kann; die bisher allgemein akzeptierte Vorstellung einer Mediatisierung des → Individuums im Völkerrecht ist insofern nur mehr eingeschränkt gültig (→ Menschenrechte, allg.). Auch zu Fragen des Umfangs der staatlichen Hoheitsgewalt („jurisdiction“) und der damit verbundenen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen außerhalb des Hoheitsgebiets sowie zu Fragen der Berücksichtigung → staatlicher Immunität bei Menschenrechtsverletzungen hat der EGMR wegweisende Urteile erlassen. Dabei berücksichtigt der EGMR relevante Entscheidungen nationaler und internationaler Gerichte sowie völkervertragliche und gewohnheitsrechtliche Regelungen und achtet auf die Konsistenz der Rechtsprechung zu den Menschenrechten; für die authentische Auslegung der EMRK trägt der Gerichtshof dabei die alleinige Verantwortung.

F Inhaltsverzeichnis

Freihandelszone

Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches

Friendly Relations-Deklaration (1970)

F › Freihandelszone (Martin Willl)

Freihandelszone (Martin Willl)

I. Wesen der Freihandelszone

II. Hintergründe und Kernregelungen

1.Zollverbot

2.Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen

III. Institutionelle Strukturen und Streitschlichtung

IV. Wichtige Freihandelszonen

1.EFTA

2.NAFTA

3.AFTA

4.COMESA

V. Freihandelszonen und WTO-Recht

1.Grundproblem der Sektorierung des internationalen Wirtschaftsrechts

2.Freihandelszonen im Lichte des WTO-Rechts

Lit.:

S. Boysen, Regionale Handelsabkommen, in: M. Hilf/S. Oeter (Hrsg.), WTO-Recht – Rechtsordnung des Welthandels, 2. Aufl., 2010, 662; C. Freund/E. Ornelas, Regional Trade Agreements, World Bank Policy Research Working Paper 5314, May 2010; K. Nowrot, in: C. Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, 118; WTO, World Trade Report 2011: The WTO and Preferential Trade Agreements: From Co-existence to Coherence, <www.wto.org/english/res_e/booksp_e/anrep_e/world_trade_report11_e.pdf>.

I. Wesen der Freihandelszone

Eine Freihandelszone ist ein mindestens zwei, meist aber wesentlich mehr Mitgliedstaaten umfassendes Gebiet, in dem Zölle und andere (nichttarifäre) Handelshemmnisse möglichst weitgehend beseitigt sind.

Die Freihandelszone ist die wichtigste Form internationaler Wirtschaftsintegration. In der Hierarchie der Integrationstypen regionaler Ökonomien ordnet sie sich zwischen der Präferenzzone und der → Zollunion ein. Während sich die Präferenzzone durch zumeist nur auf einzelne Wirtschaftssektoren begrenzte Marktzugeständnisse auszeichnet, weist eine Zollunion alle Charakteristika der Freihandelszone auf, umfasst allerdings zusätzlich auch die Vereinbarung eines gemeinsamen Außenhandelszolls. Ein Gemeinsamer Markt wie die EU geht schließlich über die Zollunion z. T. deutlich hinaus, indem hier bspw. auch eine Harmonisierung des Binnenrechts der Mitgliedstaaten angestrebt wird. Zollunionen und Gemeinsame Märkte enthalten also „auch“ eine Freihandelszone, während Freihandelszonen im engeren Sinn (oder „Nur“-Freihandelszonen) solche Zusammenschlüsse sind, die über (noch) keinen gemeinsamen Außenzoll verfügen.

 

Wichtige Beispiele solcher Freihandelszonen im engeren Sinn sind die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Asscociation, EFTA; Sart. II, Nr. 300), der Europäische Wirtschaftsraum (EWR), die Nordamerikanische Freihandelszone auf der Grundlage des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA), der Gemeinsame Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA) und die ASEAN-Freihandelszone (ASEAN Free Trade Area, AFTA).

II. Hintergründe und Kernregelungen

Der Gründung einer Freihandelszone von zwei oder mehr Staaten liegt meist eine ökonomische Motivation zugrunde, die oft durch politische Faktoren ergänzt wird. In ökonomischer Hinsicht soll die Freihandelszone durch einen freien Fluss der Güter den Wohlstand der beteiligten → Staaten fördern. Eine Freihandelszone ist nicht eben selten die Vorstufe zu einer intensiveren Integration, die dann weitere ökonomische und – früher oder später – auch politische Faktoren einbeziehen kann. Während es seit Jahrhunderten Freihandelszonen gibt, ist deren Zahl seit dem Zusammenbruch des früheren Ostblocks Anfang der 1990er Jahre deutlich angestiegen. Dabei gehen die früher meist zwischen Nachbarstaaten abgeschlossen oder zumindest regional verhafteten Abkommen immer öfter über den unmittelbaren geographischen Zusammenhang hinaus und beziehen über den freien Warenverkehr hinaus immer öfter auch weitere Gebiete wie den Dienstleistungsverkehr oder den freien Kapitalverkehr ein.

Das Ziel, den Wohlstand der beteiligten Staaten durch eine Freihandelszone zu fördern, wird primär dadurch verwirklicht, dass sich die teilnehmenden Staaten oder Staatenzusammenschlüsse in dem zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vertrag verpflichten, die Hemmnisse zu beseitigen, die einem freien Warenverkehr zwischen ihnen entgegenstehen. Dies bedeutet primär, dass Zölle und mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen abgeschafft werden. Oft wird die Freihandelszone auch auf weitere Aspekte der Ökonomie wie den freien Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalfluss erweitert. Auch hier werden dann die entsprechenden Hemmnisse untersagt.