Völkerrecht

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2. Anerkennung von Regierungen

Vergleichbare Überlegungen gelten für die Anerkennung von Regierungen. Zwar interessiert sich das Völkerrecht im Regelfall nicht für die Frage, ob eine Regierung auf verfassungsmäßige Art und Weise in ihr Amt gelangt ist. Insbesondere nach revolutionären Umbrüchen kann sich aber das Bedürfnis nach einer Anerkennung der neuen Regierung stellen. Auch hier dient das Abstellen auf die Effektivität der Regierung dem Publizitätsgedanken. Mittelbar kommt wiederum der Gedanke der Friedenserhaltung zum Tragen: Indem eine revolutionär an die Macht gelangte Regierung nur und erst bei effektiver Ausübung der Herrschaftsgewalt anerkannt werden darf, wird vermieden, dass auswärtige Staaten in interne Konflikte einbezogen werden.

Eher in den Hintergrund rückt der Publizitätsaspekt dagegen bei der Anerkennung einer De facto-Regierung neben einer De jure-Regierung. Übt beispielsweise eine revolutionäre Gruppierung die effektive Herrschaftsgewalt zwar nicht über das gesamte Staatsgebiet, jedoch über einen Gebietsteil aus, so gebietet es das Interesse der Friedenssicherung, mit dieser Gruppierung völkerrechtliche Beziehungen aufzunehmen.

3. Entstehung von Völkergewohnheitsrecht

Als ein weiteres Beispiel für das Effektivitätsprinzip im hier verstandenen Sinne können die Anforderungen an das Entstehen von → Völkergewohnheitsrecht gelten. Bekanntlich muss hierfür neben dem Vorliegen einer entsprechenden Rechtsüberzeugung (opinio iuris) eine im Regelfall länger andauernde und von der überwiegenden Mehrheit der Staaten praktizierte Übung (consuetudo) hinzutreten.

Durch das Erfordernis der consuetudo wird zunächst einmal gewährleistet, dass das Völkergewohnheitsrecht mit der Rechtswirklichkeit im Wesentlichen übereinstimmt. Die Nähe zwischen Recht und Wirklichkeit erscheint gerade in einer dezentral organisierten, nicht über eigenständige Rechtsdurchsetzungsorgane verfügenden Rechtsordnung wesentlich, da auf diese Art und Weise die praktische Wirksamkeit des Völkerrechts (im oben erstgenannten Sinne) befördert wird. Wenn der parlamentarische Gesetzgeber bei der Setzung von Recht zugleich dessen Realisierungschancen berücksichtigt, so tut er dies aus einem Gebot politischer Klugheit heraus; die Nichtbefolgung einer Norm in der Rechtswirklichkeit nimmt dem jeweiligen Sollenssatz jedenfalls nichts von seiner Rechtsverbindlichkeit. Da das Völkerrecht über keinen zentralen Durchsetzungsmechanismus verfügt, untergrübe die Statuierung von Normen des Völkergewohnheitsrechts, die von vornherein nicht auf eine zumindest regelmäßige Befolgung in der Staatengemeinschaft bauen könnten, die Verbindlichkeit des Völkerrechts insgesamt.

Darüber hinaus tritt mit dem Element der consuetudo wiederum das Publizitätskriterium in den Vordergrund. Ohne das Erfordernis einer verbreiteten Übung könnten in einer ungeschriebenen Rechtsordnung, welche nicht über ein zentrales Publikationsorgan wie das Bundesgesetzblatt verfügt, je nach den eigenstaatlichen Interessen Rechtsregeln behauptet werden. Demgegenüber trägt derjenige Staat, der eine bestimmte Rechtsregel des Völkergewohnheitsrechts behauptet, die Beweislast für dessen Existenz. Das dient zugleich der Rechtssicherheit, indem die Behauptung nicht hinreichend belegbarer Rechtsregeln abgewehrt wird, und damit in einem weiteren Sinne wiederum der Friedenssicherung.

4. Gebietserwerb

Seine wohl deutlichste Ausprägung fand das Effektivitätsprinzip in der Zeit des klassischen Völkerrechts im Recht zur Annexion, indem der militärische Sieg über den gegnerischen Staat, die De facto-Inbesitznahme des feindlichen Territoriums mit dem Recht zu dessen Aneignung honoriert wurde. Heute steht diesem Aneignungstitel regelmäßig das → universelle Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.) entgegen (dazu unter IV. 1.).

Einen indirekten Beleg für die Publizitätsfunktion des Effektivitätsprinzips bietet in diesem Zusammenhang indes die sog. Uti possidetis-Doktrin: Nach dieser Regel, deren völkergewohnheitsrechtliche Geltung freilich bis heute umstritten ist, wurden für die südamerikanischen Staaten nach Erlangung der Unabhängigkeit die bisherigen Verwaltungsgrenzen zu Staatsgrenzen. Entsprechend wurde im Zuge der Dekolonialisierung Afrikas sowie beim Zerfall Jugoslawiens verfahren. Entscheidend für den vorliegenden Zusammenhang ist, dass primär auf die verwaltungsmäßig festgelegten Binnengrenzen abgestellt wurde, nicht auf die effektive Innehabung des Territoriums (uti possidetis iuris im Gegensatz zu uti possidetis de facto). Das lässt sich damit erklären, dass durch das Abstellen auf die Binnengrenzen einerseits das Publizitätserfordernis gewahrt war, andererseits aber das Entstehen staatsfreier Räume (terra nullius) vermieden werden konnte. In diesem Sinne war die Uti possidetis-Regel dem Effektivitätskriterium überlegen.

IV. Gegenläufige Tendenzen

Die vorstehend behandelten Beispiele betrafen sämtlich Fälle, in denen das Völkerrecht den faktischen Veränderungen neutral gegenüberstand: Nach allgemeinem Völkerrecht ist die Sezession eines Staates grds. nicht verboten. Auch ein Regierungswechsel, selbst wenn er auf revolutionäre Art und Weise erfolgt, verstößt grds. nicht gegen das Völkerrecht. Die Entstehung neuen Völkergewohnheitsrechts ist völkerrechtlich ebenfalls nicht verboten, wenngleich die Staaten in einer Übergangsphase (d. h. vor Etablierung der neuen Gewohnheitsrechtsnorm) gegen das bestehende Völkerrecht verstoßen. Schließlich erlaubte das klassische Völkerrecht die Kriegführung zur Durchsetzung eigener Interessen, ein damit einhergehender Gebietserwerb war daher ebenfalls nicht rechtswidrig. All dies kann als Beleg für den traditionell wertneutralen Charakter des Völkerrechts angesehen werden.

Bereits eingangs wurde indes darauf hingewiesen, dass in neuerer Zeit eine wertmäßige Aufladung des Völkerrechts erfolgt ist. Damit stellt sich die Frage, wie sich das Völkerrecht gegenüber Situationen, die unter Verstoß gegen die genannten Rechtswerte zustande gekommen sind, verhält. Hier gewinnt nun die Maxime „ex iniuria ius non oritur“ an Bedeutung: In dem Maße, wie das Völkerrecht mit materiellen Werten aufgeladen wird, erfolgt zugleich eine Zurückdrängung des Effektivitätsprinzips. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist und den das bestehende Spannungsverhältnis zwischen Legalitäts- und Effektivitätsprinzip kennzeichnet.

1. Das universelle Gewaltverbot

Zu den zentralen Errungenschaften des modernen Völkerrechts gehört die Überwindung des Kriegführungsrechts (ius ad bellum) durch die Statuierung des → universellen Gewaltverbots. Zwar setzt die Natur des Gewaltverbots als nicht allein vertraglich (Art. 2 Ziff. 4 UN-Ch.), sondern auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtsgrundsatz voraus, dass er von den Staaten akzeptiert und jedenfalls im Regelfall auch befolgt wird. In diesem Sinne stellen Verstöße gegen das Gewaltverbot keine Relativierung des Effektivitätsprinzips dar. Vielmehr bestätigt sich insoweit die über eine bloße Hinnahme des rein Faktischen hinausgehende Normativität des Völkerrechts.

Seine entscheidende Relativierung erfährt das Effektivitätsprinzip jedoch bei der Frage nach dem Umgang mit unter Verstoß gegen das Gewaltverbot herbeigeführten Rechtszuständen, also etwa hinsichtlich der Anerkennung gewaltsamer Gebietsveränderungen. Nach der Regel „ex iniuria ius non oritur“ folgt aus dem Verstoß gegen das Gewaltverbot ein umfassendes Anerkennungsverbot auch für Dritte. Dieser Gedanke kam in der sog. Stimson-Doktrin (1932) zunächst als politische Absichtserklärung der USA zum Ausdruck, wurde aber später durch → Friendly-Relations Declaration und Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung verstetigt und hat heute nach (freilich nicht unumstrittener) Ansicht den Status von Völkergewohnheitsrecht. Je länger der unter Verstoß gegen das Gewaltverbot herbeigeführte Zustand andauert, umso problematischer wird es allerdings, an der Nichtanerkennung uneingeschränkt festzuhalten. Beispiele hierfür sind die Frage der Fortdauer der baltischen Staaten nach ihrer Eingliederung in die Sowjetunion 1940 bis zur (Wieder-)Erlangung der Unabhängigkeit 1989/90, die Behandlung der von Israel im Sechstagekrieg von 1967 besetzten Palästinensergebiete oder des von China 1950 annektierten Tibet.

2. Ius cogens

In einem weiteren Sinne ist die materielle Aufladung des Völkerrechts durch die Anerkennung der Figur des → ius cogens erfolgt. Das Konzept des ius cogens hat sich zwar zunächst im Völkervertragsrecht durchgesetzt (Art. 53, 64 WVRK), wird aber heute umfassend im Sinne eines völkerrechtlichen ordre public verstanden, also von Rechtswerten, die im Interesse der Rechtsgemeinschaft insgesamt geschützt werden und von denen daher nicht abgewichen werden darf. Art. 41 Abs. 2 der ILC-Artikel über die Staatenverantwortlichkeit statuiert ein allgemeines Anerkennungsverbot für Situationen, die unter schwerwiegendem Verstoß gegen ius cogens zustande gekommen sind. Als Beispiel ist die Nichtanerkennung von Staaten zu nennen, die unter Verstoß gegen das → Selbstbestimmungsrecht der Völker (Südrhodesien), das Apartheidsverbot (südafrikanische Homelands) oder – abermals – das Gewaltverbot (Türkische Republik Nordzypern) entstanden sind.

 

E › Eigentumsschutz (Markus Perkams)

Eigentumsschutz (Markus Perkams)

I. Allgemein

II. Historische Entwicklung

III. Schutz ausländischen Eigentums im Fremdenrecht

IV. Eigentumsschutz in Investitionsförderungsverträgen

V. Menschenrechtlicher Eigentumsschutz

Lit.:

R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985; J.A. Kämmerer, Der Schutz des Eigentums im Völkerrecht, in: O. Depenheuer (Hrsg.), Eigentum – Ordnungsidee, Zustand, Entwicklung, 2005, 131; B. Kempen, Eigentum: ein universelles Menschenrecht?, WiVerw2 2009, 19; Chr. Ohler, Der Schutz privaten Eigentums als Grundlage der internationalen Wirtschaftsordnung, JZ 2006, 875; M. Ruffert, The Protection of Foreign Direct Investment by the European Convention on Human Rights, GYIL 43 (2000), 116; B. Schöbener, Der menschenrechtliche Schutz des privaten Eigentums – eine Zwischenbemerkung, FS für K. Stern, 2012, 901.

I. Allgemein

Der Schutz von Eigentum ist schon seit langem Bestandteil des Völkerrechts. Dennoch kann man aus zwei Gründen nicht von einem ausgeprägten völkerrechtlichen Eigentumsrecht sprechen. Erstens hat das Völkerrecht keine wirtschaftliche Gestaltungs- und Ordnungsfunktion, sondern dient lediglich der Koordinierung der Rechte und Pflichten der → Völkerrechtssubjekte. Dementsprechend beschäftigt sich das Völkerrecht nur mit solchen eigentumsrechtlichen Fragen, für die Koordinierungsbedarf besteht. Hier ist insbesondere die Behandlung von Enteignungen ausländischer Vermögenswerte (→ Enteignungsrecht, internationales) zu nennen. Zweitens gibt es im Völkerrecht verschiedene Rechtsgrundlagen für den Eigentumsschutz. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihres personellen und sachlichen Anwendungsbereichs sowie des vorhandenen Schutzniveaus teilweise erheblich voneinander. Die drei gegenwärtig wichtigsten Rechtsgrundlagen sind das im → Völkergewohnheitsrecht verankerte → Fremdenrecht (s. unten, III.), der völkervertragsrechtliche Investitionsschutz (s. unten, IV.) und der im Wesentlichen auf regionalen Menschenrechtskonventionen beruhende menschenrechtliche Eigentumsschutz (s. unten, V.). Da alle drei Rechtsgrundlagen zumindest verwandte Wurzeln haben, kann der Eigentumsschutz im Völkerrecht nur vor dem Hintergrund seiner historischen Entwicklung verstanden werden.

II. Historische Entwicklung

Der Beginn der Entwicklung des völkerrechtlichen Eigentumsschutzes kann in etwa auf das 18. Jahrhundert datiert werden. In diesem Jahrhundert setzte sich allmählich die Vorstellung durch, dass ein → Staat zwar darüber entscheiden könne, ausländisches Eigentum in seinem Territorium zuzulassen, er aber das einmal zugelassene Eigentum dann respektieren und schützen müsse. Die dogmatische Begründung hierfür legte der Schweizer Völkerrechtler Emer de Vattel (1714 – 1767) in seinem Werk Le droit des gens, ou Principes de la loi naturelle (1758). Vattel argumentierte, dass im Verhältnis der Staaten untereinander das Eigentum der Staatsbürger als Eigentum des jeweiligen Heimatstaates anzusehen sei. Dementsprechend sei ausländisches Eigentum zwar einerseits aufgrund der → Souveränität der Staaten den Rechtsvorschriften des Staates unterworfen, in dem es belegen ist, andererseits bleibe es aber weiterhin ein Vermögenswert des Heimatstaates des Ausländers, der diesem nicht ohne weiteres entzogen werden dürfe. Die Auflösung dieses Konflikts zwischen Anerkennung staatlicher Souveränität einerseits und Schutz staatlichen Eigentums andererseits bestand in der Praxis darin, dass das Recht zur Vornahme von Enteignungen als Teil der staatlichen Souveränität anerkannt wurde, der Staat aber bei einer Enteignung bestimmte Bedingungen einhalten musste. Die wichtigste Bedingung war die Zahlung einer Entschädigung an den Heimatstaat. Die Durchsetzung dieser Rechtslage erfolgte im Wesentlichen im Wege des → diplomatischen Schutzes, in dessen Rahmen auch häufig gemischte Schiedskommissionen zur Entscheidung eingesetzt wurden. Ein frühes Beispiel hierfür ist der Treaty of Amity, Commerce and Navigation between Great Britain and the United States (Jay Treaty) aus dem Jahr 1794, auf dessen Grundlage eine Schiedskommission über gegenseitige Ansprüche aus dem Unabhängigkeitskrieg entschied.

Ein weiteres wichtiges Ereignis im 18. Jahrhundert war die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26.8.1789, in der das Recht am Eigentum als unveräußerliches Menschenrecht anerkannt wurde (s. Art. 2 und Art. 17). Im Fokus stand damit nicht der Schutz ausländischen Eigentums als Teil des Rechtsverhältnisses zwischen den Staaten, sondern der Schutz des Eigentums von Individuen, unabhängig von der Herkunft des Berechtigten.

Der menschenrechtliche Ansatz setzte sich jedoch im 19. Jahrhundert nicht durch, so dass der Fokus im Völkerrecht weiter auf dem Schutz ausländischer Eigentumsrechte lag. Die einzige relevante abweichende Meinung zu der anerkannten Praxis wurde von dem argentinischen Völkerrechtler Carlos Calvo (1824 – 1906) im Rahmen der nach ihm benannten Calvo-Doktrin (→ Fremdenrecht, völkergewohnheitsrechtliches) vertreten. Demnach sollten Ausländer nur die Rechte genießen, die die nationalen Rechtsordnungen auch den Inländern gewährten. Darüber hinausgehende Ansprüche der Staaten auf eine bestimmte Behandlung ihrer Staatsbürger und deren Eigentumsrechte sollten nicht bestehen. Dieser Auffassung folgten insbesondere die lateinamerikanischen Staaten, ohne dass sie sich damit jedoch international durchsetzen konnten.

Wesentliche neue Entwicklungen ereigneten sich dann im 20. Jahrhundert. Zunächst führten die Russische Revolution, die Ausbreitung sozialistischer Wirtschaftssysteme und die Dekolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer ernsthaften Erschütterung der bis dahin anerkannten Rechtspraxis. Die sozialistischen Staaten und die neu entstandenen Staaten bestritten das Bestehen völkerrechtlicher Regeln zum Eigentumsschutz und insbesondere das Bestehen einer Entschädigungspflicht bei Enteignungen. Ein wichtiger Teilaspekt war dabei der Wunsch, die eigene Wirtschaftsordnung frei gestalten zu können, ohne daran von aus der Kolonialzeit stammenden Besitzverhältnissen gehindert zu sein. Die daraus resultierende Debatte wurde im Wesentlichen in der → Generalversammlung der → Vereinten Nationen geführt. Die wichtigsten dort verabschiedeten Resolutionen waren die Resolutionen 3201 und 3202 im Jahre 1974, in denen eine New International Economic Order gefordert wurde, sowie die ebenfalls 1974 verabschiedete Resolution 3281, die eine Charter of Economic Rights and Duties of States enthielt. Die letztgenannte Resolution stellte die Zahlung einer Entschädigung faktisch in das Ermessen des enteignenden Staates.

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme entspannte sich der Konflikt innerhalb der Staatengemeinschaft zum Ende des 20. Jahrhunderts jedoch deutlich. Viele Staaten liberalisierten ihre Volkswirtschaften und erkannten dabei die Wichtigkeit des Schutzes privaten Eigentums an. Gegenwärtig dürfte dementsprechend davon auszugehen sein, dass eine Pflicht zum Schutz ausländischen Eigentums im Völkergewohnheitsrecht und insbesondere eine Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung im Falle einer Enteignung weitgehend anerkannt sind. Aufgrund von zwei weiteren Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg hat der gewohnheitsrechtliche Schutz jedoch viel von seiner praktischen Relevanz verloren.

Erstens führten die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des gewohnheitsrechtlichen Eigentumsschutzes in den 1950er und 1960er Jahren dazu, dass die Staaten dazu übergingen, den Eigentumsschutz in bilateralen → völkerrechtlichen Verträgen explizit zu regeln. Hierzu wurde das Institut der Investitionsförderungsverträge entwickelt, von denen bis heute mehr als 2.500 Verträge auf bilateraler Ebene abgeschlossen wurden (→ Investitionsrecht, internationales). Der Gegenstand dieser Verträge richtet sich nicht nach dem Begriff des Eigentums, sondern nach dem der Investition bzw. Kapitalanlage. Investitionsförderungsverträge wurden im Wesentlichen zwischen Industriestaaten einerseits und Entwicklungsländern andererseits abgeschlossen. Der scheinbare Widerspruch zu dem Konflikt in der → Generalversammlung kann unter anderem damit erklärt werden, dass die Verträge auf die Zukunft gerichtet sind und von gleichberechtigten Partnern abgeschlossen werden.

Zweitens trat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch der Schutz des Eigentums als Menschenrecht wieder stärker in den Vordergrund. Die → Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 schützt Eigentum in Art. 17. Die in der Folgezeit vereinbarten regionalen Menschenrechtskonventionen in Europa, Amerika und Afrika enthalten ebenfalls eigentumsschützende Bestimmungen. Zu nennen sind hier insbesondere Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 21 der AMRK und Art. 14 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (s. unten, V.).

III. Schutz ausländischen Eigentums im Fremdenrecht

Wie bereits eingangs erwähnt, sind die Regeln für den Schutz ausländischen Eigentums im Fremdenrecht nur fragmentarisch. Der Eigentumsbegriff selbst ist nicht klar definiert. Sein konkreter Inhalt muss stets unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Rechtsordnung ermittelt werden. Grundsätzlich geschützt sind Grund- und Sacheigentum sowie alle dinglichen Rechte. Des Weiteren dürfte unbestritten sein, dass vertragliche Ansprüche, Anteilsrechte aller Art, geistige Eigentumsrechte und Konzessionen Schutz genießen. Knapp zusammengefasst kann man deshalb mit dem Iran-US Claims Tribunal (Amoco v. Iran, para 108) den Schutzbereich als grundsätzlich „any right, which can be the object of a commercial transaction“ umfassend bezeichnen. Einen Grenzbereich stellt der Schutz des Unternehmenswerts dar. Im Oscar Chinn Case (1934) verneinte der StIGH jedenfalls die Schutzwürdigkeit von Geschäftsbeziehungen und Goodwill.

Der Schutz des Eigentums besteht im Wesentlichen in der Reglementierung von Enteignungen. Demnach sind Enteignungen ausländischen Eigentums nicht verboten, sondern grundsätzlich erlaubt. Das Recht zur Enteignung ergibt sich dabei aus der staatlichen Souveränität. Allerdings müssen bei der Enteignung ausländischen Eigentums bestimmte Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen beachtet werden. Werden diese nicht eingehalten, ist die Enteignung illegal und stellt ein völkerrechtliches Delikt (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche) dar. Zu den Einzelheiten s. → Enteignungsrecht, internationales.