Das Monster im Schatten

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16. Kapitel

Die junge Frau hatte das Gesicht eines Engels. Ihre Kleidung war ein wenig auffällig gehalten. Denn sie trug auf ihrem Rücken einen Kampfstock und ein silbernes Schwert in einem silbern beschlagenem Futteral.

Auch sonst machte sie einen reichlich verwirrenden Eindruck. Die Kleidung, die sie unter der schweren Rüstung mit dem Zeichen eines Mietschwertes trug, sah abgerissen und einfach aus. Doch der Mantel, den sie darüber trug, zeichnete sie als gute Kämpferin aus. Die Rüstung war eindeutig mehrlagig und die oberste Schicht bildeten kleine Metallplättchen, die fein miteinander verbunden waren.

Doch am hervorstechendsten waren das Katana und das Wakizaki, welches sie in ihrem Hosengurt trug. Beide Schwerter wiesen darauf hin, daß sie aus einer guten Familie zu stammen schien, oder wenigstens das eine solche in ihrer Schuld stand. Denn die Schwerter selbst trugen die Zeichen eines weit im Norden liegenden Hauses.

Solche Mietschwerter verirrten sich selten an die westliche Küste. Noch seltener in die Gegend zwischen Osaka und Aishi. An ihrem gesamten Auftreten merkte man, daß sie auch kein einfaches Mietschwert war, sondern eine junge Frau war, die sehr genau wußte, weshalb es sie in eine bestimmte Gegend zog.

Ihre halblangen hellbraunen Haare und ihre haselnußbraunen Augen verbarg sie unter einem einfachen Reisstrohhut. Über ihrem Kampfstab und dem silbernen Schwert trug sie ein schweres Bündel, in dem sich wohl alles zu befinden schien, was ein Mietschwert auf Reisen so benötigte.

Die Frau durchwanderte ohne Hast und Angst den Bambuswald, da sie von der Straße aus Richtung Osaka kam. Natürlich entgingen ihr nach den ersten kurvigen Biegungen nicht die Blutreste auf der Straße, die nur schwach verdeckt worden waren. Ihrem fachkundigem Blick entgingen auch nicht weitere Details.

So erkannte sie, daß in diesem Bambuswald zwei Bären ihr Unwesen trieben, die Blutspuren jedoch nicht auf diese Tiere hinwiesen, sondern eher darauf, daß hier noch eine andere Gefahr lauerte.

Das Mietschwert schritt furchtlos weiter, erreichte die Stelle an der der Weg abfiel und hinunter auf das südliche Tor von Takumoru führte. Ohne Furcht zu zeigen, schritt sie weiter, bis sie vor dem verschlossenem Tor stand.

Dann rief sie mit lauter Stimme: »Eine Reisende erbittet Einlaß und ein Lager für die Nacht!«

Es dauerte einen Moment, dann öffnete sich die eine Torhälfte und ein Wachmann trat heraus. Der Soldat musterte sie von oben bis unten, dann trat er höflich einen Schritt beiseite. Der Mann hatte die Kennzeichen eines Mietschwertes gut erkannt.

Hinter dem Tor wurde sie sofort von drei Bogenschützen umstellt, bis ein Herr mittleren Alters in der Uniform eines Hauptmannes vor sie trat.

»Mietschwerter sieht man selten in dieser Gegend!«, begann er das Gespräch.

Die junge Frau lächelte ihn gewinnend an, dann entgegnete sie ruhig: »Ich bin nicht hier, um Schwierigkeiten zu machen. Ich bin auch kein gewöhnliches Mietschwert, wie ihr mich zu bezeichnen gedenkt. Ich bin eine Dämonenjägerin.«

Der Hauptmann lachte amüsiert auf.

»Eine Dämonenjägerin. Und was verschlägt Euereins in unsere Lande?«

Die junge Frau verbeugte sich höflich.

»Mein Name ist Ayana. Ich stamme aus einem der nördlichen Häuser, und weil mein Vater es gerne sieht, daß ich Kampferfahrung sammle, wurde ich ausgeschickt, mir einen Namen als Mietschwert zu machen. Ich stelle keine Gefahr für den Kriegsherrn Takumoru dar. Ich bin hier, um euch bei eurem Problem zu helfen!«

Nun mußte Hauptmann Asano offen und laut lachen.

»Wir haben hier also ein dämonisches Problem?«, wollte er dann wissen.

Die junge Frau nickte zustimmend.

»Wenn ich mir die Blutspuren auf dem Weg in Richtung Osaka anschaue, muß ich sagen, daß dieses Monster bereits Übel gewütet haben muß. Ich gehe einmal davon aus, daß die letzten Opfer die Gauklerinnen waren, die seit Tagen in Osaka erwartet werden!«

Nun war der Hauptmann wirklich beeindruckt.

»Eure Kenntnisse über die Vorgänge in unserer Gegend sind herausragend. Obwohl ich davon ausgehe, daß es immer wieder Gerüchte gibt und geben wird, wenn Gaukler nicht dort erscheinen, wo sie ihr Kommen angekündigt haben!«

Jetzt war es an dem Mietschwert zu lächeln.

»Nun, die Herrschaft in Osaka, die sie fest gebucht hatte, erwartete eine Nachricht eures Shoguns. Jene kam eindeutig nicht an. Für mich bedeutet dies, daß ihr das Hab und Gut jener Gaukler nicht entsprechend durchsucht habt, sonst wäre euch ja eine derartige Botschaft in die Hände gefallen.«

Hauptmann Asano nickte.

Dabei fiel ihm jetzt erst auf, daß diese junge Frau durchaus kampfbereit war. Zwar würde sie gegen seine Schwertkünste und drei Pfeilen kaum etwas ausrichten können, doch es bestand durchaus die Gefahr, daß jemand außer dem Mietschwert zu Schaden kam. Mit einer Geste befahl er seinen Bogenschützen ihre Pfeile wieder von den Bögen zu nehmen. Sogleich entspannte sich die junge Kriegerin wieder.

»Ich gebe zu, wir haben wirklich das Hab und Gut der Gaukler nicht durchsucht, weil unser Herr mit Anderem abgelenkt war. Doch wir haben die Sachen noch hier, falls ihr danach suchen wollt.«

Ayana schüttelte entschieden den Kopf.

»Euer Shogun wird einen neuen Boten entsenden müssen. Und diesmal über die längere Straße, die über das Gebiet eurer Rivalen führt. Denn die Straße von Takumoru ist nicht mehr sicher.«

Hauptmann Asano nickte zustimmend.

»Wir hatten bisher vier Opfer. Eine junge Frau aus dem Nachbardorf, und die drei Gauklerinnen, die noch nicht einmal die Möglichkeit hatten, ihr Können im Dorf zu zeigen. Dabei haben wir hier dringend Aufmunterung nötig.«

Das Mietschwert nickte zustimmend.

»Die Hälfte eurer Soldaten lebt in Angst, und die andere Hälfte scheint einem stärkeren Angriff nicht gewachsen. Selbst wenn euer Herr hier wäre, wäre dieses Dorf keinen Tag zu halten. Wie es ausschaut, seid ihr auf meine Fähigkeiten angewiesen.«

Dem Hauptmann gefiel es nicht sonderlich, aber die junge Frau hatte Recht.

Ihre Situation hier war absolut nicht so, wie sie sein sollte.

Es fehlte immer noch an allem.

Nur mit sehr viel Glück würde der Kriegsherr mit guten Nachrichten aus der Festung des Shoguns kommen. doch dies konnte noch Tage dauern. Jetzt würde also das Dorf auch noch ein Mietschwert unterbringen müssen. Dabei hatten sie noch nicht einmal eine Taverne, geschweige denn ein Gasthaus.

Das Dorf Takumoru war nur noch ein Abklatsch seines alten Glanzes.

Das Mietschwert schien die Situation sofort zu erfassen.

»Erlaubt mir mit den hiesigen Handwerkern zu sprechen. Es könnte sein, daß ich deren Hilfe brauche, bei dem, was ich hier zu tun gedenke.«

Der Hauptmann nickte und schickte mit einem kurzen Befehl die Soldaten wieder an ihre Aufgaben. »Ihr habt Erlaubnis im Dorf zu bleiben. Solange wir ihr es euch leisten könnt. Wenn ihr wirklich eine Hilfe seid, wird es sich für euch lohnen.«

Das Mietschwert nickte.

»Ich bin eine ehrenvolle Kriegerin. Und ich gedenke, irgendwann wieder zu meinem Vater zurückzukehren, um ihn von meinen Abenteuern zu berichten. Habt ihr hier einen Schrein, den ich nutzen kann?«

Hauptmann Asano lächelte schief.

»Einen Schrein haben wir hier durchaus. Aber er ist nicht besetzt. In den nächsten Tagen wird ein Mönch erwartet. Falls er euch unterwegs nicht begegnet ist, befindet er sich noch auf dem Weg aus der Hauptstadt.«

Die junge Frau nickte verstehend und nahm ihr Bündel wieder auf.

Dann trat sie mit festen Schritten auf das Haus des Schmiedes zu.

Hauptmann Asano erkannte, daß diese Kriegerin durchaus eine Bereicherung sein konnte. Doch würde er zuerst ihr Kommen der Herrin melden müssen.

Abermals streifte sein Blick die schwarze Festung und abermals beschlich ihn das Gefühl, daß in deren Mauern nur noch der Tod zu finden war.

17. Kapitel

Kriegsherr Takumoru hatte die letzten Tage damit verbracht, Fisch zu zählen.

Keine angenehme Beschäftigung für einen Kriegsmeister im Dienste eines Shgouns. Doch es war leider notwendig geworden. Die Fischer kooperierten dieses Mal. Man war auch schon weit gekommen.

Die Zahl der getrockneten Fische und Tintenfische überstieg sogar diesmal die Ausbeute des vergangenen Monats. Es war also mehr als genug Fisch für alle da. Also requirierte er von dem getrockneten Fisch und den Tintenfischen nur ein Viertel, deutlich weniger als dem Shogun oder ihm als Kriegsherr zustand.

Dafür ergab die Zählung der Fässer mit eingesalzenem Fisch auch einen sehr guten Ertrag, von dem er wirklich nur jenen Anteil abziehen brauchte, der für den Shogun und für seinen eigenen Bedarf gerechnet werden mußte. Den Fischern blieb also bereits an eingesalzenem Fisch mehr als in den Jahren zuvor.

Der frische Fisch jedoch ergab nur durchschnittliche Zahlen, obwohl die Fischer nach dem Ende des Gewittersturms wieder ausgefahren und mit vollen Netzen heimgekehrt waren. An Beifang waren genug Spezialitäten dabei, so das es sich für den Shogun lohnen würde.

Diesen Monat würde er keine weitere Aktion mehr gegen die Fischer befehlen.

Kriegsherr Takumoru sah zu dem greisen Dorfvorsteher.

»Ihr wißt, für euer freches Mundwerk zu anfangs müßte ich euch abstrafen. Doch wer würde dann euer Dorf so gut führen? Ich schlage euch deshalb einen Ehrenhandel vor. Euer Dorf liefert dem Shogun und dem Meinem regelmäßig die in diesen Tagen festgelegte Menge Fisch und Tintenfisch, und dafür verbürge ich mich, daß ihr nie wieder Repressalien durch unseren Fürsten erdulden müßt. Ich stelle euch unter meinen persönlichen Schutz und werde diese Maßnahme auch gegenüber unserem Herrn vertreten.«

 

Der Greis sah ihn amüsiert an.

»Kriegsherr, ihr bewegt euch sehr eng an der Grenze zur Meuterei. Euer Shogun mag kein guter Mensch sein. Er ist ein harter Herrscher, der die Macht, die er errungen hat, nicht mehr abgeben möchte. Natürlich wird er auf euch hören, weil frischer Fisch in einem Landstrich, in dem man kaum Nutztiere halten kann, sehr wertvoll ist. Aber die Bauern in den anderen Dörfern bedürfen auch eures Schutzes, denn unser Herr unterscheidet selten zwischen seinen eigenen Leuten und denen der Nachbarn. Seine Behandlung, die er uns bisher durch euch angedeihen ließ, steigert nicht eben das Vertrauen. Ihr berieft euch aber auf eure Tochter, die euch diesen Ratschlag gab. Also werde ich als guter Dorfvorsteher das mögliche Tun, um das Leben meiner Leute zu schützen. Solange uns sinnlose Gewalt erspart bleibt, werden wir euch folgen und den von euch vorgeschlagenen Handel auch einhalten.«

Takumoru reichte dem alten Mann die Hand.

»Ihr habt mein Wort als Samurai und auch als Kriegsherr, daß ihr nun unter meinem Schutz steht. dieser Handel gilt auch nach außen. Denn nur so wird er von Dauer sein.«

Der Greis nickte zustimmend.

»Meine Leute werden sich darüber freuen, wenn die Abgaben nicht mehr ganz so hoch sind, und wir euch auch getrockneten Fisch bringen dürfen, den wir bisher nur für uns herstellten.«

Der Kriegsherr lächelte wohlwollend.

»Ich wollte immer ein guter Herr sein. Doch seitdem mir mein Herr die Verantwortung für euer Dorf auftrug und mir Befehle gab, die ich gezwungen war, zu befolgen, habe ich vieles in neuem Licht sehen gelernt.«

Der alte Mann lächelte ihn wieder wissend an.

»Ich habe gehört, in eurem Dorf lebt ein Mädchen, welches Gesichter hat, und Dinge sieht, die sonst keiner sieht.«

Der Kriegsherr nickte zustimmend.

»Sie ist keine Legende, wie das, was man über die schwarze Festung erzählt!«

Der Greis sah ihn mit einem Mal erschreckt an.

»Sagt nun nur nicht, daß ihr auf Befehl unseres Shoguns wirklich die schwarze Festung bezogen habt?«

Takumoru nickte zustimmend.

»Es war sein Geheiß. Ich mußte dem Befehl Folge leisten, weil ein Kriegsherr standesgemäß wohnen muß. Ihr selbst kennt die Regeln, und dies, obwohl ihr nur ein einfacher Soldat wart.«

Der alte Mann nickte nun ebenfalls.

»Ja, Befehle. Sie richten so viel Schaden an!«

Der Kriegsherr horchte auf.

»Was könnt ihr mir über die Festung erzählen?«

Der alte Mann lächelte nun nicht mehr.

Sein Blick wurde kalt und hart.

»Vor Jahrhunderten residierte in dieser Festung das Übel. Sie wurde auf Blut und Stein erbaut. Doch es half nicht, das Böse zu vertreiben. Angeblich sollen eine Handvoll Mönche ein Sakrileg begangen haben, um das Böse aufzuhalten. Es heißt, wenn der Shogun wieder in der Festung weilt, wird der Tod eine reiche Ernte halten.«

Der Kriegsherr war nun wirklich ein wenig verwirrt.

»Warum ist der Shogun hierbei so wichtig?«, wollte er wissen.

Der alte Mann zuckte leicht bei dieser Frage zusammen.

»Die Familie unseres Herrn hat diese Festung einst errichten lassen. Sein Ahn hielt blutig Ernte in seinem Land und eroberte sogar Osaka, bevor eine der hohen Familien aus dem Umfeld des Kaisers die Stadt wieder zurückerlangen konnte. Doch der Blutzoll war viel zu hoch. Damals verfluchten viele hohe Familien die unseres Herrn, und banden sein Leben an die schwarze Festung. Wenn er sie das nächste Mal betritt, wird er sterben. Und alle, die ihm bis dahin treu gedient haben.«

Kriegsherr Takumoru mußte laut auflachen.

»Ihr amüsiert mich alter Mann. Warum sollte der Shogun seine alte Familienfeste wieder aufsuchen wollen? Schon seit Jahren wurde er nicht mehr nach Osaka oder in die Kaiserstadt eingeladen. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß er während meiner Herrschaft über seine alte Familienburg dort noch einmal auftaucht.«

Der Greis zitterte immer noch.

»Herr, ich gewähre euch Obdach, so lange ihr wollt. Doch ich bitte euch, wenn unser Herr euch besuchen möchte, sagt unter irgendeinem Vorwand ab. Rettet euer eigenes Leben und das eurer Familie.«

Takumoru lächelte abermals.

»Macht euch keine Sorgen. Meine Familie ist in der Festung sicher. Und mag sie noch einen so schlechten Ruf haben, sind ihre Mauern stärker als die Palisaden, die ich um das Dorf zu ihren Füßen errichten lassen kann. Sorgt euch nicht um mich, ich bin nicht umsonst einer seiner Kriegsherren.«

Der alte Mann nickte zustimmend, wenn auch nicht mehr lächelnd.

Irgendwie sah der alte Mann zwar nicht seinen baldigen Tod voraus, aber den des Kriegsherrn schon, wenn jener nicht auf die Ratschläge jener hörte, die diese Gegend hier ein wenig besser als er kannten.

18. Kapitel

Ayana ließ sich vom Schmied zeigen, zu welchen Kunststücken er mit dem Eisen fähig war, bevor sie sich schließlich entschied, ihm eine entscheidende Frage zu stellen. Das Mietschwert lebte inzwischen einige Tage in der kleinen Gemeinde, und war auch sofort anerkannt worden, weil sie sich ein wenig um den von Mariko angelegten Tempel kümmerte. Dadurch war die junge Kriegerin sehr rasch mit den wenigen Mädchen Takumorus in Kontakt gekommen.

Irgendwie schien der Kontakt der Tochter des Hauptmanns gut zu tun. Sie versteckte sich nicht weiter in ihrem Haus, sondern ging mit Suda. Yuki und Asuka hinaus und Kräuter zu sammeln. Jedenfalls waren die nächtlichen Schreie im Haus des Hauptmanns endlich verstummt.

»Seid ihr auch in der Lage, beschworenes Eisen in eine neue Form zu bringen? Ich habe hier genug Rohmaterial mitgebracht, welches ich in der Form einer Stablanze benötige.«

Der Schmied schaute die junge Frau abschätzend an.

»Eine solche Arbeit werdet ihr euch nicht leisten können. Weder von mir, noch von einem anderen Schmied, falls ihr einen weiteren im Umkreis findet.«

Ayana nickte.

»Ich habe mit einer solchen Antwort gerechnet. Doch verfüge ich über eine volle Geldkatze und kann damit auch umgehen. Wenn ihr wollt, bekommt ihr von mir kein Silber, sondern echtes Gold, welches euch ermöglicht, diesen unseligen Ort ein für alle Mal zu verlassen.«

Der Schmied lächelte schief.

»Kriegsherr Takumoru würde mich foltern und vierteilen lassen, wenn er von eurem Angebot wüßte. Ich kann hier nicht weg. Ich bin der einzige Schmied, den dieses Dorf noch hat. Ich repariere die alten verbrauchten Waffen der Wachen und die Werkzeuge der wenigen Bauern, die wir hier noch haben.«

Das Mietschwert nickte verstehend.

»Also denkt ihr auch, daß der Angriff vor einem Jahr, der das halbe Dorf entvölkerte und verwüstete, nur ein Zufall war!«

Der Schmied nickte.

»Warum sollte es kein Angriff auf der Tat heraus gewesen sein? Unser Shogun ist schon nicht eben sonderlich beliebt. Weder beim Adel in Osaka, noch bei unseren Nachbarn. Unsere Rivalen wollen ihn unbedingt stürzen. Da ist natürlich der Ort, an dem sein erfolgreichster Kriegsherr residiert, ein optimales Ziel.«

Ayana lachte amüsiert auf.

»Wenn dem so wäre, warum wurden dann gezielt jene Familien im Dorf getötet, die etwas für seine Verteidigung tun konnten. Warum verlort ihr euren Zugang zu den Göttern?!«

Der Schmied sah die junge Frau fest an.

»Ihr scheint euch ja mit diesem Dorf sehr genau auszukennen.«

Dabei sah er sich mißtrauisch um, ob eine der Wachen seine Worte hatte vernehmen können.

Das Mietschwert nickte ihm zu.

»Bevor ich irgendwohin reise, mache ich mich schlau. Diese Gegend hier steht schon seit Jahrhunderten unter einem schlechten Omen. Wenn man nach den Fakten geht, die man in einigen alten Schriften findet, wurde die Burg von einem Monster geschaffen. Dieses Monster lechzt immer und immer nach Blut. Bis es schließlich aufgehalten wurde. Doch nicht so, wie es sich diejenigen dachten, die es stoppten. Euer Shogun ist ein direkter Nachfahre dieses Monsters. Und dennoch wütet ein anderes Monster, mindestens genauso schlimm wie jenes, welches hier einst residerte, in eurem Bambuswald und sorgt mit dem vergossenen Blut dafür, daß der Wald unheimlich schnell wächst.«

Der Schmied sah die junge Frau erneut fest an.

»Ich hörte Hauptmann Asano schon davon sprechen, daß das Wachstum des Bambuswaldes ungewöhnlich ist. Es aus eurem Munde zu hören, verunsichert mich.«

Ayana lächelte ein letztes Mal.

»Macht für mich das Lanzenschwert, nehmt mein Gold, und helft mir dabei, diesen grausigen Spuk zu beenden. Denn wenn diese Kreatur noch mehr Opfer erhält, wird sie nur mächtiger. Ich habe ähnliche Kreaturen schon durch andere Dörfer verfolgt, und dabei erlebt, zu wach sie fähig sind. Manche lassen sich einfach stoppen, andere wiederum verlangen nach beschworenem Eisen, weil alles andere an ihrer Haut zerbricht.«

Der Schmied nickte verstehend.

»Ich fertige für euch die Klinge, die ihr von mir verlangt. Aber ich weiß nicht, ob sie rechtzeitig fertig wird.«

Das Mietschwert nickte zustimmend. Ihr Blick war ernst und wurde erneut kalt.

»Gut, ich bringe euch morgen das Material.«

Mit diesen Worten drehte sie auf ihren Absätzen um und ging wieder hinüber zu dem kleinen Schrein, den Mariko nach dem Massaker im vergangenen Jahr errichtet hatte. Dort würde sie beten und ausharren, bis sie in der Lage war, herauszufinden, mit was sie es diesmal zu tun hatte.

19. Kapitel

Wenn man dem kleinen Bach folgte, der vom Brunnen im Bambuswald herunterkam, erreichte man einen nicht minder kleinen See. Seine Oberfläche war nicht sehr groß, aber es reichte, um das kleine Gewässer durchaus einen See zu nennen. Er maß vielleicht zehn mal zehn Meter. Mehr war es nicht.

An diesem See hatten sich an diesem Nachmittag die Töchter der Dörfler getroffen. Suda, Yuki, Mariko und Asuka.

Doch standen sie nicht umsonst am Ufer des kleinen Sees. Alle hatten eine Nachricht von Hara, der Zofe Fumikos erhalten. Der kleine See lag durch ein paar Bäume durch die Blicke von der Festung geschützt. Aber einen richtigen Schutz gab es nicht wirklich. Man war hier schon relativ ungeschützt.

Asuka hatte deshalb eines der Schwerter aus der Kollektion ihres Vaters mitgebracht, mit dem sie umzugehen wußte. Hara war den Mädchen aus dem Dorf ein wenig unheimlich, weil sie sehr neugierig war, und sich grundsätzlich dort aufhielt, wo sie nichts zu suchen hatte.

Es dauerte eine kleine Weile, bis die Zofe endlich auftauchte. Sie kam aus einem Gebüsch unterhalb der schwarzen Festung und sie trug nur einfache Kleidung. Nichts, was auf ihren Status im Haus des Kriegsherrn hinwies.

Die Mädchen wollten ihr entgegen kommen, doch mit einer barschen Bewegung ließ sie diese stoppen. Als sie schließlich unter den Bäumen in deren Schatten eingetroffen war, nahm sie ihre leichte Kapuze ab, deutete eine Verbeugung an, und sagte: »Ich kenne die Probleme der Dorfbewohner. Ich weiß aber auch, daß Hauptmann Asano den letzten Befehl unseres Herrn noch nicht an die Dörfler weitergegeben hat.«

Yuki lächelte sie schief an.

»Was will eine, wie du, uns weismachen? Das du mehr über die Handlungen des Kriegsherrn Bescheid weiß, als der Hauptmann seiner Garde?«

Hara lächelte bei den Worten der Bauerntochter.

»Eigentlich möchte der Kriegsherr eure Familien nicht in der Festung haben. Nicht, daß ihr dort nicht besser zu verteidigen seid. Die schwarze Festung ist nicht auf lange Belagerungen eingerichtet. Und wir haben sowieso Nahrungsprobleme. Die Bauern erwirtschaften nicht genug auf ihren Feldern, und von einer Wirtschaft kann man in unserem Dorf auch nicht eben sprechen. Jeder gibt jedem, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, weil alle hier überleben wollen.«

Suda nickte zustimmend.

»Trotzdem sind wir auf den Schutz unseres Herrn angewiesen. Denn die Rivalen unseres Herrn machen keinen Unterschied zwischen einem Gemeinen und einem Soldaten. Alles, was auch nur halbwegs in der Lage ist, eine Klinge zu tragen oder zu benutzen, wurde beim letzten Angriff ermordet. Wir Übriggebliebene hängen nun einmal an unserem Leben. Doch unsere Heimat zu verlassen, kommt für uns auch nicht in Betracht.«

 

Hara nickte zustimmend.

»Ich hätte deshalb einen Vorschlag an euch zu machen, der euch gefallen wird.«

Asuka warf der Zofe einen giftigen Blick zu.

»Zofe, du bist nicht in der Lage, irgendwelche Vorschläge zu unterbreiten. Du dienst selbst unserem Herrn. Aber du beweist nicht eben Loyalität, wenn du uns mit Vorschlägen kommst.«

Hara nickte verstehend.

»Genau aus diesem Grund ist mein Anliegen an euch so wichtig. Im Hof der Festung könnt ihr nicht bleiben, dort würden eure Familien nur den Soldaten im Weg stehen. Es gibt auch nicht genug Gemächer für alle, um euch halbwegs vernünftig unterzubringen. Allein aus diesem Grunde wäre mein Vorschlag nicht einmal so abwegig, sondern vielleicht wirklich eine Hilfe. Es würde euch ermöglichen, alle zu retten. Nicht nur jene, die unser Herr ausersehen hat!«

Yuki lächelte böse.

»Also schlägst du uns einen Handel vor?«

Hara nickte zustimmend und ernst.

»Dieser Handel wird alle retten. Ihr Mädchen werdet als Retterinnen eures Dorfes gefeiert werden, und unser Herr hat seine Pflicht euch gegenüber erfüllt!«

Nun wurde sogar Suda hellhörig.

»Euer Plan wirkt durchdacht, Zofe!«

Hara lachte böse auf.

»Ich weiß, daß ihr mich nicht leiden könnt, und mich nur ertragt, weil ich die Zofe unserer Herrin bin. Doch sie wird nicht immer Herrin auf der schwarzen Festung sein. Irgendwann wird sie einen Adligen finden, der sie heiraten will. Danach werde ich als ihre Zofe nicht mehr gebraucht. Doch ihr und eure Familien werden immer von unserem Herrn gebraucht!«

Jetzt begriff Asuka erst.

»Du hast Angst um deine Stellung?«

Hara nickte ehrlich.

»Mit eurer Fürsprache, ob ihr mich nun leiden könnt, wäre es mir möglich, daß unser Herr mich in einen Status erhebt, der mit dem seiner Tochter gleichbedeutend ist. Damit wäre ich auch später noch in der Lage, euch jederzeit zu helfen.«

Die Tochter des Schmieds mußte nicht lange überlegen.

»Dies hört sich für mich wie ein fauler Handel an.«

Jetzt erst meldete sich Mariko zu Wort.

»Dies ist, glaube ich, nicht unser einzigstes Problem. Ihr alle kennt meine nächtlichen Visionen und welche Ängste sie mir bereiten. Ich könnte wirklich deutlich besser schlafen, wenn ich wüßte, daß alle Dörfler vor dem nächsten Angriff sicher sind.«

Hara nickte wissend.

»Ich habe in der Burg einen solchen Ort gefunden. Ich kam gerade von dort. Doch auch auf dieser Seite ist er durch eine schwere Tür gesichert, die nicht einmal fünfzig Mann mit guten Werkzeugen so einfach aufbrechen können.«

Asuka sah die Zofe abfällig an.

»Wo ist der Haken daran?«

Die Zofe lächelte wieder.

»Unser Handel lautet dahingehend, daß ihr bei unserem Kriegsherrn ein gutes Wort für mich einlegt, und dafür sorgt, daß ich in meinem Stand erhoben werde. Dafür werde ich euch jene Pforte öffnen, wenn ein Angriff bevorsteht. Ihr müßt also nicht mehr tun, als die Dorfbewohner auf die hintere Seite der Burg führen, wo ich euch einlassen kann. Damit wären alle gerettet, nicht nur die auserwählten Familien unseres Herrn.«

Asuka machte immer noch ein wütendes Gesicht.

»Freunde, ich halte mich hier heraus. Entscheidet ihr, was das Beste ist. Ich möchte mit diesem faulen Handel nichts zu schaffen haben.«

Suda, Yuki und Mariko sahen einander an, dann entschied Mariko.

»Gut, Hara. Der Handel gilt. Solltest du uns aber verraten wollen, wirst du dafür hinterher mit deinem eigenen Leben bezahlen. Wir werden uns von dir diesen Ort zeigen lassen. Damit wir wissen, wohin wir die Leute zu bringen haben.«

Die Zofe nickte zustimmend.

Dann führte sie die vier Freundinnen mit ruhigen schritten hinüber zu dem Berghang unterhalb der Feste zu dem Gebüsch, aus dem sie eben erst gekommen war. Sie bog die Äste ein wenig beiseite und eine stabile und äußerst massive Holztür starrte den jungen Frauen entgegen.

Selbst Asuka wurde sprachlos.

Diese Tür war von einem Meister gefertigt.

Sie erkannte an dem Schließmechanismus, daß er von außen nicht zu knacken war. Nur wenn man das entsprechende Werkzeug bei sich führte. Und selbst dann bot dieses Schloß ausreichend Widerstand, daß man nicht so einfach durchbrechen konnte. Wenn man ehrlich war, stellte diese Tür allein schon ein unüberwindliches Hindernis dar. Es war nur eben merkwürdig, daß bisher niemanden bekannt gewesen war, daß diese Pforte überhaupt existierte.

Auch wenn die versammelten Mädchen so weit die Legenden um die schwarze Festung kannten, in keiner der ihnen bekannten Geschichten war von einer hinteren Pforte der schwarzen Festung auch nur ein Wort erwähnt worden.

Hara huschte durch die geöffnete Tür hindurch in den großen Raum, der sich dahinter öffnete. Die Mädchen folgten ihr. Staunend sahen sie die sich selbstentzündenden Fackeln an, sowie das gewaltige silberne Schild, welches unter der Treppe thronte, und irgendwie unnahbar wirkte. Fast schien es, als ginge von diesem Schild eine unheimliche, aber trotzige Macht aus.

Man mußte kein Prophet sein, um zu erkennen, daß Hara die Wahrheit gesprochen hatte. In diesem Raum konnten die Dörfler mehrere Tage ausharren, ohne Angst zu haben, von den Angreifern entdeckt und getötet zu werden.

Suda fiel sofort die gemauerte Stelle neben der Treppe auf.

Die Steine wirkten massiv und alt. Nicht zu durchbrechen.

Die Tochter des Seifensieders erkannte auch die Handschrift dieser Baukunst. Wenn Asuka einen Blick für Schmiedearbeiten besaß, so besaß sie ihn für Mauerwerk. Diese schwarze Mauer hier war erst einige Jahre nach der schwarzen Festung gefertigt worden. Sie wirkte auch nicht so massiv wie der Rest, obwohl sie durchaus den Eindruck erwecken sollte, sehr massiv zu sein.

Nachdem sich die Mädchen einen Überblick verschafft hatten, verließen sie gemeinsam wieder die Halle, während Hara hinter sich die Türe wieder abschloß. Gemeinsam traten sie wieder unter die Bäume am See.

Mariko schien Asukas Gedanken zu erraten.

»Ich weiß, es ist ein fauler Handel. Andererseits wird er all unsere Freunde in unserem Dorf retten. Es ist sogar genug Platz für Yuki und ihren Vater. Selbst das wenige Vieh, welches er noch besitzt, könnte man dort ohne weiteres mit unterstellen.«

Yuki nickte.

»Immerhin wären dann alle in Sicherheit. Unser aller Überleben wäre gesichert.«

Suda sah die Freundinnen fest an. Dann merkte sie an: »Aber dieses Mauerwerk in der Halle sieht so aus, als sollte es etwas gefangen halten.«

Asuka nickte.

»Der silberne Schild wurde in einer der alten Legenden erwähnt. Mein Vater hat die Geschichte eines solchen Schildes schon einmal gehört. Ich müßte ihn fragen, welche Bewandtnis es damit hat. Aber ich kann nicht versprechen, daß wir etwas erreichen können.«

Suda lächelte zustimmend.

»Hara ist nicht zu trauen. Sie ist genauso auf Macht aus, wie der Kriegsherr. Mich würde es nicht wundern, wenn sie vorhat, die Stelle seiner Tochter oder sogar die seiner toten Frau einzunehmen. Sie ist ehrgeizig. Hara ist brandgefährlich. Wir sollten ihr jedenfalls nicht allzu weit trauen. Zumindest nicht weiter, als wir ihr trauen würden, gehörte sie zum Gefolge des Shogun.«

Mariko und Asuka lachten amüsiert.

»Du hast merkwürdige Wertvorstellungen, Suda!«

Yuki jedoch pflichtete der Freundin bei.

»Hara hätte diesen Handel mit uns nicht geschlossen, wenn sie nicht Ambitionen hätte. Ihr Ziel ist ein völlig anderes. Wir wissen nur leider nicht, welches Ziel sie genau hat. Ihr zu trauen könnte ein Fehler sein, der uns alle unter ein Fallbeil bringen kann.«

Asuka nickte traurig zustimmend.

»Wenn ich die Wahl habe, zwischen dem Überleben meiner Familie und meiner Freunde zu wählen, und dem eigenen Tod auf einem Richtblock, werde ich den Richtblock vorziehen, solange ich sicher bin, daß meine Familie sicher ist.«