Heinrich der Seefahrer

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Siebtes Kapitel

Dieses Kapitel befasst sich mit den Kanarischen Inseln, zehn an der Zahl, und ihren Namen.

Nach Verlassen der Insel Madeira setzten wir unsere Reise in Richtung Süden fort, bis wir die Kanarischen Inseln erreichten, die ungefähr 320 Meilen von Madeira entfernt liegen. Diese Inselgruppe besteht aus zehn Inseln, von denen sieben bewohnt und drei öde und menschenleer sind. Folgende sind bewohnt: Lanzaroto, Forteventura, Gran Canaria, Teneriffa, Giemera, La Palma und Ferro. Von diesen sieben Inseln werden vier von Christen bewohnt, und zwar Lanzaroto, Forteventura, Giemera und Ferro. Auf den anderen drei leben nur Heiden. Der Herrscher über die vier christlichen Inseln heißt Ferrera, ein aus Sevilla stammender Edelmann und Ritter, der dem spanischen König untersteht.

Die Nahrung dieser Christen besteht, soweit sie von den Inseln selbst stammt, in der Hauptsache aus Gerstenbrot und in ausreichendem Maß aus Fleisch und Milch, und zwar vor allem von Ziegen, von denen sie hier viel besitzen. Auf Wein und Korn können sie dagegen nicht zurückgreifen, es sei denn, dass solches von anderswoher beschafft wird. Früchte haben sie ebenfalls nicht viel. Und überhaupt verfügen sie über nur sehr wenige Dinge von Wert.

Die einzelnen Inseln liegen 40 bis 50 Meilen auseinander, wobei sie alle auf einer Linie aufgereiht sind, und zwar in Ost-West-Richtung.

Achtes Kapitel

Es handelt von den Pflanzen, die auf den Kanarischen Inseln wachsen, von einem Kraut namens Oricello, aus dem man eine sehr schöne braune Farbe herstellt. Und von einem guten Leder, genannt Corduan. Weiter von den Ungläubigen, die auf den drei Inseln wohnen; und von einer Insel, die wegen ihrer hohen Gebirge wohl einzigartig auf der Welt ist. Außerdem von den dortigen Fürsten und der seltsamen Sitte der Eingeborenen, keine Frau zu heiraten, die noch Jungfrau ist und die vorher noch nicht mit dem Fürsten geschlafen hat, und schließlich von der Fruchtbarkeit der genannten Inseln.

Auf den erwähnten Inseln wächst in großen Mengen ein Kraut namens Oricello99, mit dem man wollene Tücher färbt. Dieses Gewächs wird in großem Umfang nach Cades100 im Reich Sibilia101 ausgeführt, von wo aus es an die verschiedensten Orte in Ost und West weiterbefördert wird.

Ebenfalls in großen Mengen wird auf diesen Inseln ein Leder hergestellt, das corduan102 genannt wird; es ist von hoher Qualität und Festigkeit und wird in großen Stücken angeboten. Außerdem handelt man hier noch mit Talg und wohlschmeckendem Käse.

Die Bewohner dieser vier Inseln heißen Kanarier. Sie sprechen so unterschiedliche Sprachen, dass sie sich untereinander kaum verständigen können. Auf diesen Inseln gibt es keine von Mauern umgebenen Städte, sondern lediglich kleinere Dörfer. Diese liegen aber in den Bergen, die hier sehr hoch sind. Die Ortschaften sind zudem mit stark befestigten Brücken und Zugängen versehen, damit sie von niemandem überfallen oder gar erobert werden können. Letzteres droht ihnen nur von einer Belagerung und dem damit einhergehenden Mangel an Nahrungsmitteln.

Die kleinste der vier Inseln hat einen Umfang von ungefähr 50 Meilen. Die anderen drei Inseln, auf welchen die Ungläubigen wohnen, sind weit größer und viel dichter besiedelt, besonders zwei: Gran Canaria mit rund 8000 und Teneriffa, die größte der drei Inseln, mit ungefähr 15000 Einwohnern. Palma hingegen ist fast unbewohnt, dafür aber sehr schön.

Auf diesen Inseln stehen, um sie notfalls gegen Übergriffe verteidigen zu können, viele Männer unter Waffen. Da die Inseln außerdem noch sehr gebirgig und mit vielen befestigten Orten versehen sind, konnte man sie bislang nicht erobern und so niemals dem Christentum zuführen.

Eine der Inseln [gemeint ist hier Teneriffa] gilt als eine der höchst gelegenen der ganzen Welt. Sie ist bei klarem Wetter bereits aus einer Entfernung von 60 bis 70 spanischen Meilen, das entspricht 250 italienischen Meilen, zu sehen, denn in ihrer Mitte befindet sich ein Berg,103 der sehr hoch ist und wie ein Diamant dauernd leuchtet. Christen, die hier in Gefangenschaft geraten sind, versichern, dass dieser Berg von seinem Fuß bis zur Spitze 15 portugiesische, also 60 italienische Meilen misst. Diese Insel wird von neun Fürsten beherrscht, die Duchi, d.h. Herzöge, genannt werden. Diese üben ihre Macht nicht aufgrund des natürlichen Gesetzes, wonach der Sohn seinem Vater nachfolgt, sondern nach dem Recht des Stärkeren aus. Sie führen deshalb auch von Zeit zu Zeit Kriege gegeneinander, wobei sie sich wie Vieh abschlachten. Als Waffen besitzen sie nur Steine und speerförmige Knüppel, die an der Spitze – anstelle von Eisen – mit einem scharfen Hornstück versehen sind; und mit diesen schlagen sie aufeinander ein. Abgesehen von den Waffen, die sie mit sich tragen, gehen sie in der Regel völlig nackt – außer einigen, die vorne und hinten mit einem Ziegenfell bekleidet sind. Ihre Körper schmieren sie sich mit Geißbockfett ein, das mit dem Saft eines Krauts vermischt wird. Davon bekommen sie eine grobe und dicke Haut, die sie vor der Kälte, die in dieser südlichen Gegend freilich nicht schlimm ist, schützen soll.

Sie besitzen weder gemauerte Häuser noch Strohhütten, sondern wohnen ausschließlich in Berghöhlen. Hauptsächlich leben sie von Gerste, Fleisch und Ziegenmilch; außerdem essen sie in großen Mengen allerlei Früchte, insbesondere Feigen. Wegen des warmen Klimas wird das Getreide in den Monaten März und April geerntet.

Sie haben weder einen Glauben noch einen Gott. Einige von ihnen beten indes auf absonderliche und abgöttische Weise die Sonne an, andere den Mond und die Planeten.

Ihre Frauen sind zwar kein Gemeingut, aber jeder kann sich so viele nehmen, wie er will. Sie heiraten keine Frauen, die noch Jungfrau sind, sondern nur solche, die bereits eine Nacht mit dem Fürsten verbracht haben, was hier als eine große Ehre gilt.

Die Bewohner der vier christlichen Inseln überfallen auf ihren Schiffen bei Nacht von Zeit zu Zeit die Inseln der Ungläubigen, um heidnische Kanarier, Männer wie Frauen, einzufangen, die sie dann nach Spanien bringen, um sie dort als Sklaven zu verkaufen. Manchmal kommt es vor, dass bei diesen Überfällen einige der Christen in Gefangenschaft geraten. Diese werden von den Eingeborenen allerdings nicht getötet, sondern lediglich gezwungen, Ziegen zu schlachten und zu Fleisch zu verarbeiten. Dies hat folgenden Grund: Das Metzgerhandwerk gilt den Ungläubigen nämlich als die unwürdigste und verachtenswerteste Tätigkeit. Um ihnen Schmach anzutun, lassen sie ihre Gefangenen diese Arbeit so lange ausführen, bis diese auf irgendeine Art losgekauft werden. Und eben von solchen in Gefangenschaft geratenen Christen habe ich diese Tatsache in Erfahrung gebracht.

Die Eingeborenen haben noch einen anderen sonderbaren Brauch: Wenn einer ihrer Fürsten neu eingesetzt wird, bietet einer von ihnen freiwillig an, zu Ehren der neuen Herrschaft und zum Lob des neuen Fürsten zu sterben. Daraufhin begibt sich alles zu einer tiefen Schlucht, in die sich der Betreffende, nachdem er eine bestimmte Zeremonie vollzogen und einige Worte gesprochen hat, hinabstürzt und so in Stücke zerschlagen wird. Der Fürst ist dann verpflichtet, die Verwandten des Toten in Ehren zu halten und mit großen Pfründen auszustatten. Dieser viehische und unvernünftige Brauch ist von den Christen, die auf oben beschriebene Weise auf diesen Inseln in Gefangenschaft geraten und gegen Lösegeld wieder freigelassen worden waren, beobachtet und als wahr überliefert worden.

Die Kanarier sind zart gebaut und außergewöhnlich gute Läufer und Springer, denn aufgrund des felsigen und hügeligen Geländes, das auf ihren Inseln vorherrscht, sind sie es gewohnt, mit dem Geschick und der Leichtigkeit einer Gämse barfuß von Stein zu Stein zu springen, wobei sie Sprünge von unglaublicher Weite vollführen. Auch vermögen sie Steine äußerst zielgenau und mit großer Kraft sehr weit zu werfen. Sie haben so kräftige Arme, dass sie ein Schild mit wenigen Hieben in Stücke schlagen können. Auf Medera [Madeira] konnte ich einen christlichen Kanarier beobachten, der wettete, dass er, wenn er und drei andere Männer je zwölf Pomeranzen104 in die Hand nähmen, er die drei Männer auf acht oder zehn Schritt Entfernung mit jeder seiner zwölf Pomeranzen treffen würde, ohne dass diese umgekehrt in der Lage wären, ihn ihrerseits mit ihren Pomeranzen zu treffen – außer an seinen Händen, mit denen er ihre Würfe abzuwehren versuchen würde. Niemand ging jedoch auf diese Wette ein, denn alle wussten, dass der Kanarier dies mit Leichtigkeit, ja sogar noch besser, als er angegeben hatte, tun konnte. Aus dieser Geschichte mag man entnehmen, dass diese Menschen die geschickteste und flinkste Rasse sind, die man auf der Welt zu Gesicht bekommt.

Ferner bemalen sich die Kanarier ihre Körper mit einer grünen, roten und gelben Paste, die aus Kräutern gewonnen wird. Sie halten diese Bemalung für eine wunderbare Sache und schätzen sie mehr als wir das Weiß unserer schönsten Kleider.

Ich, Aloisius Cà da Mosto, war auf zwei der Kanarischen Inseln, auf Gomera und Ferro, die beide christianisiert sind. Ich legte auch in Palma an, ging dort aber nicht an Land, weil ich meine Reise fortzusetzen wünschte.

99 Pflanze, aus der man braunen Farbstoff gewinnt.

100 Die heutige Hafenstadt Cádiz in Südspanien.

101 Das Herzogtum Sevilla im damaligen Königreich Kastilien.

102 Es handelt sich hier um Ziegenleder.

103 Hierbei handelt es sich um den Pico de Teide, der 3716 m hoch ist.

104 Alter Ausdruck für Orange.

 

Neuntes Kapitel

Es beschreibt das Kap Blanco und die ihm nahe gelegenen Inseln, die da sind: Argim, Bianca, Garza und Cori. Außerdem ist hier die Rede von Wüstengegenden sowie von einem Ort namens Hoden, der von Leuten aus Barbaria aufgesucht wird.

Südwärts Richtung Mohrenland segelnd, verließen wir diese Insel und erreichten nach einigen Tagen das Kap Blanco, das ungefähr 770 Meilen [in Wirklichkeit sind es nur 570 Meilen] von den Kanarischen Inseln entfernt liegt. Bei diesem Kap zieht sich die Küste landeinwärts zurück und formt so einen Golf, der Forna Dargin [Golf von Arguim] heißt – nach einer kleinen Insel, die in diesem Golf gelegen ist und von den Eingeborenen Argim genannt wird. Nach weiteren 50 Meilen gelangt man zu drei weiteren Inseln, welchen die Portugiesen folgende Namen gegeben haben: Bianca – wegen des dortigen weißen Sandbodens; Garza [Herons-Insel] – nach einem Meeresvogel gleichen Namens, von dem die Portugiesen, als sie diese Insel zum ersten Mal entdeckten, so viele Eier fanden, dass sie damit zwei Boote beladen konnten; und schließlich Cori [Insel Cuori]. Alle drei Inseln sind sehr klein, sandig und völlig unbewohnt. Nur auf Argim findet man ausreichend Süßwasser, nicht jedoch auf den anderen Inseln.

Entlang der Küste – vom Kap Cantin bis zum Kap Blanco – erstreckt sich eine große Wüstengegend, die im Norden von den Bergen [Atlas-Gebirge] begrenzt wird, die unsere Barbarei [Marokko] von Tunis und den anderen Küstenstädten an der Mittelmeerküste abschneiden. Von den Berbern wird diese Wüste Sarra [Sahara] genannt. Im Süden stößt sie an das Land der Neger in Niederäthiopien.

Es handelt sich hierbei um eine sehr große Wüste, die zu durchqueren gut berittene Männer 50 bis 60 Tage in Anspruch genommen werden – an manchen Stellen etwas mehr, an anderen etwas weniger. Die Grenze zu dieser Wüste bildet die Atlantikküste, die hier überall weißsandig, vollkommen ausgetrocknet und eben ist bis hin zu besagter Insel Bianca, die so heißt, weil die Portugiesen, die sie entdeckten, hier nur weißen Sand ohne jedes Anzeichen von Kräutern und Bäumen vorfanden. Diese Insel ist ein sehr schöner Ort, der die Form eines Dreieckes hat, wobei die drei Eckpunkte jeweils eine Meile auseinander liegen.

Entlang der ganzen Küste hier befinden sich ausgedehnte Fischgründe, in denen es von großen und ausgezeichneten Fischen der verschiedensten Arten nur so wimmelt. Das Wasser ist im Golf von Forna Dargin überall nicht sehr tief und voll von Sand und Felsbänken. Außerdem stößt man hier auf äußerst starke Meeresströmungen, sodass man hier nur bei Tage segeln kann, immer das Lot zur Hand, um so die Wassertiefe stets messen zu können. Zwei Schiffe sind auf solchen Bänken bereits zerschellt.


Der Leser sollte ferner wissen, dass auf der Höhe der Insel Bianca 60 Tagesreisen auf dem Kamel landeinwärts ein Ort liegt namens Hoden105. Dieser Ort ist von keiner Mauer umgeben. Er wird von Arabern häufig besucht, denn hier befindet sich ein Markt, bei dem die Karawanen, die von Tanbutu [Timbuktu] kommen, zu rasten pflegen. Auch von anderen Orten des Mohrenlandes kommen Leute auf dem Weg in unsere Barbarei hier durch. Die Bewohner von Hoden ernähren sich vor allem von Datteln und Gerste, wovon sie eine Menge haben. Beides wächst auch an anderen Orten dieser Gegend, freilich nicht im Überfluss. Zum Trinken haben diese Leute nur Milch von Kamelen und anderen Tieren; Wein gibt es hier keinen. In ihrem Besitz sind auch Kühe und Ziegen, freilich nicht sehr viele, weil das Land hier sehr trocken ist. Deshalb sind diese Tiere, gemessen an den unsrigen, auch sehr klein.

Als Mohammedaner sind die Bewohner dieser Gegend den Christen sehr feindlich gesinnt. Sie lassen sich an keinem Ort auf Dauer nieder, sondern ziehen unablässig von Ort zu Ort durch die Wüste, unter anderem auch in das Land der Mohren und in unsere Barbarei. Auf den vielen Kamelen, die sie besitzen, befördern sie Kupfer und Gold, das sie in der Barbarei erworben haben, nach Tanbutu und in das Mohrenland. Von dort bringen sie dann Gold und Pfeffer in die Barbarei. Die Hautfarbe dieser Menschen ist braun. Bekleidet sind sie mit einem weißen Mantel, den sie auf der nackten Haut tragen; er reicht bis zum Nabel und ist mit einem roten Streifen umsäumt. Auf die gleiche Art sind ihre Frauen bekleidet – ohne jede Eleganz. Die Männer tragen, wie es im Land der Mohren Sitte ist, zudem noch einen Turban auf dem Kopf. Und sie gehen immer barfuß. In diesen sandigen Gebieten leben viele Löwen, Leoparden und Strauße, deren Eier ich oft gegessen habe und die mir gut geschmeckt haben.

Man muss auch wissen, dass besagter Prinz Heinrich die Insel Argim für zehn Jahre christlichen Kaufleuten überlassen hat, sodass außer denen, die hierfür eine ausdrückliche Erlaubnis haben, niemand hierher kommen kann, um mit den Arabern Handel zu treiben. Diese Kaufleute haben hier Wohnhäuser und Manufakturen aufgebaut, in denen sie mit den Arabern Handelsgeschäfte tätigen. Die Araber kommen hierher an die Küste, um Handelsgüter der verschiedensten Art zu erwerben, z.B. wollene Kleider, Baumwolle, Silber, alchezeli106, Mäntel, Teppiche und manches andere mehr, vor allem aber Getreide, denn sie leiden dauernd unter Nahrungsmangel. Im Tausch dafür verkaufen sie Sklaven, die sie sich aus dem Land der Mohren besorgen107, und Goldstaub.

Um diese Handelsgeschäfte auf Dauer wirksam schützen zu können, hat Prinz Heinrich auf dieser Insel ein Schloss bauen lassen [gebaut im Jahr 1448]. Aus demselben Grund wird diese Insel seitdem Jahr für Jahr von portugiesischen Karavellen angelaufen.

Die Araber besitzen auch viele Berberpferde, die sie in das Mohrenland bringen, um sie den dortigen Fürsten im Tausch gegen Sklaven zu verkaufen. Je nach seiner Qualität erbringt eins dieser Pferde 10 bis 15 Sklaven. Um Sklaven sowie Gold in die Hand zu bekommen, schlagen sie im Mohrenland neben Silber und anderen Gütern auch Seidenstoffe um, die dem Geschmack der Mohren entsprechen und die in Granada und Tunis in der Barbarei hergestellt werden.

Die dafür eingehandelten Sklaven bringen die Araber zunächst auf den Markt von Hoden, wo diese dann aufgeteilt werden: Ein Teil kommt in die Berge von Barcha [Barca in der Cyrenaika] und dann weiter nach Sizilien oder an andere Orte an der Mittelmeerküste; der andere Teil wird auf die Insel Argim gebracht, um dort an die portugiesischen Kaufleute verkauft zu werden. Auf diese Weise werden von hier aus jährlich bis zu 1000 Sklaven nach Portugal befördert.

Bemerkenswert ist, dass zuvor, als der Sklavenhandel noch nicht so vonstattenging, bewaffnete portugiesische Karavellen, manchmal vier, manchmal aber auch mehr, in den Golf von Argim fuhren, deren Besatzungen bei Nacht an Land gingen, um dort die Fischerdörfer zu überfallen und das Land anschließend verwüstet zurückzulassen. Auf diese Weise brachten sie Männer wie Frauen der hier lebenden arabischen Bevölkerung in ihre Gewalt, die sie dann als Handelsware nach Portugal verschleppten. Derartige Überfälle verübten die Portugiesen entlang eines Küstenabschnitts, der vom Kap Blanco bis zum Reich Senega [Senegal] reicht.

105 Wadan, wichtigster Handelsplatz in der West-Sahara, 350 Meilen östlich vom Golf von Argium gelegen.

106 Kleidungsstück aus grobem Stoff.

107 Zur Sklavenjagd in den Nachbargebieten waren sie von den Portugiesen

angestiftet worden.

Zehntes Kapitel

Dieses Kapitel handelt vom Reich Senega und den Sitten der dortigen Eingeborenen.

Durch das Reich von Senega fließt ein großer Fluss, der das Stammesgebiet der Azanaghi108 gegen das nördliche Königreich der Mohren abgrenzt. Die Azanaghi haben eine bräunliche Hautfarbe, eher dunkel- als hellbraun, und sie leben in Orten entlang der Küste unterhalb von Kap Blanco, viele auch zerstreut über die hier beginnende Wüste. Sie sind Nachbarn der oben erwähnten Araber von Hoden.

Die Azanaghi ernähren sich hauptsächlich von Datteln, Gerste und Kamelmilch, außerdem noch von Hirse und anderen Gemüsen, wie z.B. Bohnen, die sie sich im nahe gelegenen Mohrenland einhandeln. Überhaupt sind sie Menschen, die mit sehr wenig Essen auszukommen vermögen und Hunger gut aushalten können: Ihnen reicht den ganzen Tag über eine Schüssel Gerstenbrei. Sie haben auch gar keine andere Wahl wegen des hier allenthalben herrschenden Nahrungsmittelmangels.

Von den Portugiesen werden die Azanaghi auf die oben beschriebene Art ebenfalls als Sklaven gehandelt, zumal sie hierfür besser geeignet sind als die Mohren. Seit einiger Zeit aber herrscht zwischen ihnen und den Portugiesen Friede und ein reger Handelsaustausch. Prinz Heinrich duldet nämlich keine derartigen Überfälle auf die Azanaghi mehr, weil er hofft, dass diese im friedlichen Zusammenleben mit den Christen eines Tages zu unserem Glauben bekehrt werden können – und dies ohne größere Schwierigkeiten, weil dieses Volk von den Lehren Mohammeds bislang noch weitgehend unberührt ist, mit Ausnahme dessen, was es darüber vom Hörensagen weiß.

Die Azanaghi haben auch einen seltsamen Brauch: Auf ihrem Kopf tragen sie eine Art Taschentuch109, das sie nach vorne über ihr Gesicht ziehen, um so den unteren Teil der Nase und den Mund zu bedecken. Sie sagen nämlich, dass der Mund ein missgestalteter Körperteil sei, aus dem nur schlechte Gerüche strömten. Deshalb gehöre er bedeckt und nicht zur Schau gestellt, vor allem dann, wenn man sich anderen Leuten zuwende. Es ist wahr – schließlich habe ich viele von ihnen gesehen –, dass sie diesen Körperteil stets bedeckt halten, es sei denn, dass sie essen.

Es gibt bei ihnen keine richtigen Fürsten, wohl aber wird den Wohlhabenderen unter ihnen von den übrigen Stammesmitgliedern bis zu einem gewissen Grade Gehorsam entgegengebracht. Der Großteil dieser Menschen lebt in großer Armut. Und obendrein sind sie große Lügner und die schlimmsten Diebe, die man auf der Welt findet. Es sind Menschen von durchschnittlicher Größe, außerdem sind sie sehr mager. Sie haben krauses Haar, das ihnen bis zur Schulter reicht. In dieser Beziehung ähneln sie übrigens sehr den Deutschen, freilich ist ihr Haar im Unterschied zu diesen schwarz. Ferner schmieren sie es jeden Tag mit Fischfett ein, weshalb sie übel stinken, was sie jedoch für ein Zeichen großen Wohlstands halten.

108 Historisch wichtigster Stamm der Tuareg, weit verbreitet über die West-Sahara.

109 Es handelt sich hier um das »litham«, das von den Tuareg noch heute getragen wird.

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