Waypoint FiftyNine

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»Jetzt lässt du auch noch einen fahren!«, rief Jörg.

»Wieso ich? Ich war das nicht!«

»Verarschen kann ich mich alleine. Das stinkt ja wie in den Dungeons von Kalypso VII.«

»Das war ich!«, sagte eine unbekannte Stimme, gefolgt von einem diabolischen Lachen.

Jörg und Günther zuckten zusammen, während sie die Flucht antraten.

»Ich hoffe, mein Gesprächspartner hat euch … nicht belästigt«, schmunzelte Harry.

»Äh …«, sagte Günther. »Welcher … was …?«

»Salgonen kommen mit biologischen Tarnfeldern auf die Welt. Man kann sie nicht sehen.«

»Dafür aber ziemlich gut riechen«, stöhnte Jörg, der sich langsam erholt hatte.

»Jetzt entschuldigt ihr mich.« Harry stieg in Rohr I und schloss das Schott.

»Viel Spaß mit deinem Stinker«, sagte Günther und hob das Glas Richtung Jörg. »Lass uns das hier abgeben und verschwinden. Ich hab noch einen kleinen Schotten im Handschuhfach.«

»Whisky?«

»Logo.«

Auf dem Rückweg zur Bar kam ihnen erneut die Riesenfrau mit dem Fell entgegen. An ihren Armen klebten zahlreiche, volle Bierkrüge. Im Schlepptau schwebten drei der autonomen Bierbrunnen.

Jörg wurde etwas rot. »Hallöchen. Das nächste Mal kostet es aber was.«

Die Frau verzog das Gesicht. »Steht mir nicht im Weg rum.«

Brachial drängte sie sich vorbei. Beinahe hätte sie die äußersten Bierkrüge an Jörgs und Günthers Köpfe gerammt. Fassungslos sahen sie ihr nach, wie sie hinter einer Biegung verschwand.

»Meintest du nicht, sie hätte mich angeglüht?«

»Huiuiui. Lieber eine Nacht in Jacks Waffencheck als eine Stunde mit der.«

Schweigend liefen sie weiter.

In der Bar tummelten sich mittlerweile ein paar Gäste mehr. Günther knallte das Glas auf den Tresen.

»Das Bier war lecker. Nur eure Bedienung ist uns zu launisch.«

»Mora?«, fragte Virginio.

»Na die mit den vielen Haaren.«

»Die Zwillinge haben beide Fell. Wahrscheinlich meinst du Mora. Kann schon mal vorkommen, dass sie einem Gast das Getränk mit einem sparsamen ›da!‹ serviert. Ihre Schwester Sora ist okay.«

Jörg schlug sich vor die Stirn. »Zwillinge.«

Günther zog ihn am Arm. »Wir hauen ab, bevor du dich restlos verliebst.«

»Wartet!«, rief Virginio. »Ich habe eine Botschaft für euch.« Er stellte einen Holoprojektor auf die Bar.

Jörg und Günther setzten sich auf zwei Barhocker und musterten das hellblaue Flackern, aus dem sich ein menschlicher Kopf formte.

»Ist das der Imperator?«, fragte Günther.

Jörg schüttelte den Kopf. »Sieht nicht so aus. Äh, Moment mal, jetzt erkenne ich ihn. Das ist Marc.«

Die Holoprojektion begann hastig zu sprechen. »Sorry, Jungs! Mit den Tantiemen ist was schiefgelaufen. Erklär ich ein anderes Mal. Hättet ihr Bock auf ein Geheimprojekt? Ihr schreibt was über das Waypoint FiftyNine. Wenn ihr fertig seid, geht euer Bier auf mich. Einen ganzen Tag lang. Alles, was ihr trinken wollt. Alles! Die Rohfassung muss allerdings bis morgen früh um Fünf auf dem Tisch liegen. Ihr könnt sogar die Herausgeber der Anthologie werden. Dann reichen die Tantiemen für einen Bierbrunnen – und zwar für jeden von euch. Wir sehen uns dann ja eh auf …« Die Projektion flackerte noch einmal kurz und verblasste.

»Pah!«, schrie Jörg außer sich. »Hat er schreiben gesagt? SCHREIBEN?«

»Hat er.«

»Der Hund weiß doch genau, dass wir eine Blockade haben.«

»Schrei es noch lauter«, knurrte Günther. »Aber ich komm mir auch ziemlich verarscht vor. Erst das mickrige Bier für zwei und dann sollen wir uns trotz unserer Blockade eine Geschichte aus den Fingern saugen. Bis um fünf! Sein Geheimprojekt kann er sich sonst wohin schieben. Lass uns abhauen, ich muss dringend auf’s Klo.«

»Von einem Bier, alter Mann? Hättest du mal lieber nicht alles allein ausgetrunken.«

»Quatsch nicht, es drückt.«

Missmutig traten Jörg und Günther in den Waffencheck vor ihrem Hangar. Hinter ihnen schloss sich die Tür.

»Sieh an«, hörten sie Security-Jacks Stimme. »Die beiden Klugscheißer sind wieder da. Braucht ihr noch ein paar Ampere?«

»Mist«, sagte Günther. »An den hatte ich gar nicht mehr gedacht.«

»Ich auch nicht.«

Hinter den Wänden summte es unheilverkündend. Wie in Zeitlupe fuhren die leidvoll bekannten Spieße aus ihren verborgenen Öffnungen. Zwischen den Enden sprühten und knallten leuchtend blaue Entladungen. Sie kamen bedrohlich näher.

Jörg und Günther stürmten durch eine winzige Lücke zum Schott der Innenseite und hämmerten ihre Fäuste gegen den Stahl.

»Nooovaaa!«

Das Wunder geschah. Das Schott öffnete sich und Nova Kazumi sah auf sie herab.

»Gott sei Dank!« Jörg wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Hast du ein Radar für Schwierigkeiten?«

Nova zog sie auf den Korridor. »Raus mit euch. Oder steht ihr auf die Reizstromnummer?«

Jörg und Günther schüttelten den Kopf.

»Und glaubt bloß nicht, ihr könntet mich durch einen der Waffenchecks vor den Dimensionsschleusen austricksen«, wetterte Security-Jack. »Dort kommt ihr auch nicht ungeschoren davon.« Beleidigt schloss er das Schott.

»Wir wollen uns ja echt nicht beschweren.« Jörg schielte auf Novas Schraubenschlüssel. »Aber Jack ist im FiftyNine Shades of Grey-Modus. Könnte man nicht …«

Nova verschränkte die Arme. »Dieser Blechkasper lässt sich nur was von Bick Mack sagen. Und der ist gerade … nicht zu sprechen. Amüsiert euch in der Bar und irgendwann, in hundert Jahren, renkt sich das mit Jack wieder ein. Er ist zwar eine Diva, aber bisher hat er sich noch jedes Mal beruhigt.«

Günther zappelte von einem Bein auf’s andere. »Ich muss jetzt wirklich dringend. Hängt der Batramorphier noch in der Schüssel?«

»Ich habe ihn runtergespült. War nicht zu vermeiden. Da lang«, sagte Nova.

Schon im Gehen, rief Günther über die Schulter: »Such uns einen Tisch aus! Viel Spaß in der Bar.«

»Ohne Geld?« Jörg zog eine Schnute. »Du mich auch, Scherzkeks!«

McGintleroy trinkt (von Dennis Frey)

Fitz McGintleroy saß mit hängendem Kopf am hintersten Tisch des Waypoint FiftyNine. Hier war das Licht noch ein wenig schummriger als vorne in der Nähe der Theke. Das kam ihm gerade recht. Er reizte heute zum dritten Mal in Folge die Öffnungszeiten aus. Saß in mehr oder weniger der gleichen Position am selben Tisch, aber solange ihm die Credits nicht ausgingen, schien sich niemand daran zu stören, dass er jedes Mal einen Platz für sechs belegte. Ab und an, wenn er das Gefühl hatte, dass die Kellnerinnen drauf und dran waren ihn zum Gehen aufzufordern, bestellte er eine neue Schale mit Erdnüssen, die er dann aber doch nicht anrührte. Mittlerweile stand der ganze Tisch voll mit Schälchen. Nur in dem Bereich, in dem er seine Arme aufstützte und zwischen denen ein Glas mit dem berühmt-berüchtigten FiftyNiner auf ihn wartete, konnte man überhaupt noch die Holzplatte sehen.

Fitz sah das als Investition in die Zukunft. Sollten irgendwann die Erdnussplantagen auf Fabaceae und mit ihnen die Erdnusspreise explodieren, war er bereit.

Eine Kakerlake rutschte ihm aus dem Gesicht und fiel mit rudernden Beinchen in das Glas. Eine der vielen Zutaten in dem FiftyNiner reagierte mit etwas, das auf dem Insekt klebte und die resultierende chemische Reaktion brachte das Getränk dazu, gelbliche Wölkchen auszustoßen. Mit einem tiefen Seufzer fischte Fitz das Tier aus dem Glas und setzte es auf seine Schulter. Für den Dienst als Nase musste die Kakerlake sich erst einmal von dem Schreck erholen – und wahrscheinlich ausnüchtern.

»Soll ich dir ein neues Glas bringen, Schätzchen?«, flötete Sora. Fitz schüttelte langsam den Kopf, ohne den Blick von seinem Drink zu lösen. »Passt schon«, murmelte er undeutlich, weil er seinen Mund nicht zu weit aufmachen wollte. Trotz der Vorsicht entwischte ein mittelgroßer Tausendfüßler und krabbelte in Richtung Fußboden. Das freche Ding. Kakerlaken, Mistkäfer … alle anderen waren eigentlich recht leicht zu kontrollieren. Es war ja auch nicht so, als würde Fitz sie zwingen mit ihm zu arbeiten! Aber unter den verfluchten Tausendfüßlern waren einfach zu viele Individualisten. Wenn sie nicht so nützlich gewesen wären, hätte er sie längst rausgeschmissen. Das wussten sie natürlich ganz genau. Als die einzigen unter Fitz’ Kollegen, die über ein starkes Gift verfügten, konnten sie nicht ausgetauscht werden. Ihre Fähigkeiten waren so unersetzlich wie die der Ameisen, nur dass die kleineren Kerle trotz allem die Bescheidenheit in Person waren.

»Was ist denn überhaupt los?«, fragte Sora und zog sich einen Stuhl heran, während sie Fitz den Tausendfüßler reichte, den sie auf dem Boden eingefangen hatte. »Den hier musst du wieder einpacken Fitzi. Hygieneverordnungen, du verstehst.«

Fitz legte den Kopf schief, als sei er einfach zu schwer geworden und er müsse ihn ausruhen. »Hast du mich mal angesehen?«, nuschelte er. Das war nicht wirklich der Grund für seine Laune, konnte nach einem Blick in sein entstelltes Gesicht aber durchaus glaubwürdig klingen. Fitz hatte nur noch ein Auge, das linke, und die leere Augenhöhle des rechten diente den fetten Fliegen als Landeplatz. Seine Nase fehlte ebenfalls, weswegen er immer eine der Kakerlaken bat sich daraufzusetzen. Es war ihm unangenehm, wenn ihm jemand bei einem Gespräch in die ausgefransten Löcher starrte.

»Ach komm schon, McGintleroy«, schnarrte Mora und trat ebenfalls an seinen Tisch. »Du warst doch noch nie hübscher. Also?«

Das war so nicht ganz wahr. Fitz McGintleroy war sogar sehr viel hübscher gewesen, aber das war, bevor er starb … versuchte zu sterben. Nein, nicht absichtlich.

 

Sein Vater hatte ihm immer erzählt, was für ein Versager er war und er musste Recht gehabt haben. Selbst mit Hilfe einer ungewöhnlich aggressiven Krankheit bekam Fitz das mit dem Sterben nicht richtig hin und er wachte nach ein paar Tagen in seinem Grab wieder auf. Da sich niemand die Mühe gemacht hatte ihm einen Sarg zu zimmern und er nur in der aufgeweichten Pappkiste lag, in der Vaters Stereoanlage geliefert worden war, hatten Würmer bereits seine Nase gefressen. Wahrscheinlich war sie köstlich gewesen und er hatte das den kriecherischen Bastarden bis heute nicht verziehen. Seine Nase hatte ihm sehr am Herz gelegen. Einmal hatte er sogar einen Preis dafür gewonnen! Da er sich kaum rühren konnte, hatte er einen Deal mit den Insekten um ihn herum geschlossen und sie hatten ihn ausgegraben. Danach hatte Fitz die Insektenfamilien in seinem Innern einfach behalten und war mit ihrer Hilfe zu einem der erfolgreichsten Kopfgeldjäger des bekannten Universums geworden. Die Tatsache, dass er das mit dem Sterben auch weiterhin nicht richtig hinbekam, war dabei sogar hilfreich, obwohl es stetig an seinem Stolz fraß. Es konnte doch nicht so schwer sein, wenn sogar Billy-Bob Bärserker Bendoza es hinbekommen hatte! Der Typ war nicht gerade die hellste Leuchte gewesen, wobei man ihm wohl Extrapunkte dafür anerkennen musste, dass er sich alles selbst beigebracht hatte. Und es gab nicht viele Bären, die wussten, wie man im Waypoint FiftyNine einen anständigen Humpen am Bierbrunnen zapfte.

Eigentlich eine Schande, dass der haarige Kerl bei dem Versuch gestorben war, einen dreizehn Meter langen aliosischen Lachs zu fangen. Er hatte noch so viel, für das es sich zu leben gelohnt hätte. Auf jeden Fall mehr als Fitz.

Das war auch der wirkliche Grund hinter seiner schlechten Laune. Fitz hatte in den vergangenen Jahren jede Todesart ausprobiert, die ihm eingefallen war, doch nie hatte er es geschafft, mehr als ein paar Stunden tot zu bleiben. Sein Vater hatte Recht: Er war ein Versager. Und wenn er im Waypoint FiftyNine nach Hilfe fragte, mochte er vielleicht jemanden finden, der sich mit dem Sterben auskannte, doch jeder hier würde wissen, wie nutzlos er war. Aber jetzt starrten ihn die beiden Schwestern an und einige Silberfische flitzten über seine Stirn, um den klammen Schweißfilm zu entfernen. Spürte er das Ziehen der Angst, oder war das nur eine besonders große Brut Maden in seinem Brustkorb? War jetzt der richtige Zeitpunkt, um zu fragen?

Fitz räusperte sich. Schlürfte den beinahe entschlüpften Tausendfüßler wie eine Spaghetti zurück in den Mund und senkte die Stimme. Die beiden Schwestern beugten sich in seine Richtung, um ihn besser verstehen zu können.

»Ich weiß nicht, wie man stirbt«, murmelte er und Mora lachte rau auf.

»Also bitte, McGintleroy. Alleine hier im Raum sehe ich gute hundert Möglichkeiten zu sterben. So schwer ist das nicht. Sollen wir dir helfen?«

Die Art, wie sie den leeren Bierkrug in ihrer Hand hielt, hatte plötzlich etwas Bedrohliches. Und Fitz dachte über ihr zuvorkommendes Angebot nach, obwohl er nicht glaubte, dass sie eine bahnbrechend neue Idee hatte, ihn umzubringen. Sora zischte ihre Schwester an und schickte sie mit einer wedelnden Handbewegung an einen überfüllten Tisch. Dort spielten einige alte Männer mit spitzen Hüten ein Trinkspiel, bei dem es darum ging, kleine bemalte Figuren von halbnackten, muskelstrotzenden Helden über ein Feld voller Monsterfiguren zu bewegen. Jedes Mal wenn einer von ihnen einen Humpen leeren musste, grölten die anderen wie ein ganzes Stadion voller Laserball-Fans. Und als einer aus der Runde unter den Tisch kotzte, steigerten sie die Lautstärke sogar noch.

»Hör nicht auf sie, Fitzi. Sie ist heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden.« Sora hob die Stimme gerade genug, um sicherzustellen, dass ihre Schwester die nächsten Worte verstehen konnte. »So wie jeden Tag.«

»Aber sie hat ja Recht«, murmelte der untote Kopfgeldjäger und trommelte mit den Fingerspitzen unrhythmisch auf den Tisch. »Ich bin ein Versager. Es gibt nichts Einfacheres im Universum und ich bekomme es nicht hin.«

»Aber warum willst du denn sterben?«

Fitz sah sie mit großem Auge an. Eine besonders fette Fliege startete aus der leeren Augenhöhle und ihr Brummen durchbrach die Pause vor seiner Antwort.

»Ich muss doch beweisen, dass ich es kann. Dass ich wenigstens das kann. Wie sonst sollte ich Vaters Meinung über mich widerlegen?«

Sora wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, überlegte es sich aber anders, bevor ihre Fellhärchen sich an irgendwelchen Insekten festsaugen konnten. »Ist die Meinung deines Vaters wirklich so wichtig? Was denkst du denn über dich?«

Fitz drehte den Kopf, um sich ihr richtig zuzuwenden, anstatt sie nur aus dem Augenwinkel zu betrachten. Seine Nackenmuskeln knarrten dabei. Er vermied solche Bewegungen normalerweise, weil er Angst hatte, dass ihm der Kopf irgendwann abfallen würde, aber der Moment schien richtig.

Soras Frage konnte er allerdings nicht beantworten. Er hatte immer nur die Meinung von anderen auf sich bezogen. Seine Schultern hoben sich ratlos und er spürte wie die Ameisen, die in seinen Achselhöhlen wohnten hin und her wuselten. Normalerweise warnte er sie vor, bevor er die Arme bewegte.

Die Kellnerin lächelte. »Ich weiß, dass du einer der besten Kopfgeldjäger bist. Wie du damals Prexo für mich ausgeschaltet hast …« Sie sah mit einem fast schon verträumten Lächeln auf die Plakette an der Wand, die den unechten Kopf eines Kuranariers hielt. Darauf saß das sehr echte Toupet von Prexo, der genauso schnell rennen konnte, wie man es von so einem schleimigen Widerling erwartet hätte.

Fitz erinnerte sich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Überhaupt war sein Erinnerungsvermögen sehr gut geworden, seit man ihn das erste Mal begraben hatte. Er vergaß keine Beleidigung, keine unfreundliche Geste – und abgesehen von seinem Vater hatte er sich an jedem gerächt, der es seiner Meinung nach verdient hatte.

»Ich bin keine gute Person«, sagte er zögernd und legte dabei eine Hand vor den Mund, um weitere Ausbrecher aufzuhalten.

Sora zuckte mit den Schultern. »Wer ist das schon?«

Prexo ganz sicher nicht. Der Kuranarier hatte seine geschuppten Finger in mehr finsteren Geschäften gehabt, als Fitz Lust hatte zu zählen. Und immer hatte er sich herausreden oder fliehen können.

Bis er versucht hatte, Sora als Sicherheit für ein Darlehen an interstellare Sklavenhändler zu verkaufen.

Die Kellnerin war ein liebenswürdiges … Wesen, aber das hatte sie Prexo übel genommen. Und weil sie im Waypoint FiftyNine zu viel zu tun hatte, um dem Ganoven eine Lektion zu erteilen, hatte sie Fitz angeheuert, der sich damals schon einen ganz ordentlichen Ruf erarbeitet hatte.

Dass er jetzt nichts sagte, schien Sora als Aufforderung zu sehen weiterzusprechen.

»Wahrscheinlich wärst du nicht so gut darin schlechte Personen zu fangen, wenn du eine völlig gute Person wärst.«

Fitz zeigte keine sichtbare Reaktion auf ihre Worte, doch er dachte über sie nach.

Prexo war vor ihm so ziemlich jedem Kopfgeldjäger mindestens einmal entwischt. Man machte Witze darüber, dass jemand einen Prexo gezogen hatte, wenn derjenige sein Ziel verlor und es nicht wiederfinden konnte. Auf den Kuranarier waren Kopfgelder von achtzehn verschiedenen Stellen ausgeschrieben gewesen, darunter so prestigereiche Institutionen wie dem Amt für Konstellationskoordination, der Akademie für umgekehrte Ernährung und dem Fischereiverein von Sabylus III. Fitz hatte sie alle eingestrichen, aber warum hatte er etwas geschafft, bei dem jeder andere versagt hatte?

Vielleicht einfach nur, weil er so unsagbar stur war. Zu dumm, um aufzugeben, wie sein Vater sicher gesagt hätte.

Egal wie schnell man rennen konnte, das brachte nicht viel, wenn man vor Fitz McGintleroy floh, der niemals müde wurde und niemals aufgab. Irgendwann musste man sich ausruhen. Schlafen. Selbst ein Roboter musste seine Batterien aufladen. Und wenn man dann aufwachte, oder aus seinem Ladezyklus bootete, sah diese zerfallene Ruine von einem Gesicht aus einem einzelnen, milchigen Auge auf einen herab.

Selbst gestandene Söldner und Piraten hatten bei so einem Erwachen schon die Kontrolle über ihre Blase verloren, was Fitz’ insektoide Passagiere jedes Mal mit überschwänglicher Begeisterung erfüllte. Er fand es doch ein klein wenig beunruhigend, wie gerne sie größere Rassen in Angst sahen. Wenn Fitz begonnen hätte, Leute mit einem Schuh umzubringen, hätten sie ihn wahrscheinlich zu einem Propheten ernannt.

Das war es doch. Er machte Verbrechern Angst. Er, Fitz McGintleroy, war der dunkle Schatten, mit dem Weltraumpiraten ihren Kindern beim zu Bett bringen Respekt einflößten. Die Gestalt am Horizont, die den Sklavenhändler noch einmal überlegen ließ, ob er sich nicht lieber selbst verkaufen sollte.

Fitz straffte sich, so gut das mit seinen ausgeleierten Sehnen eben möglich war. Sora hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Er mochte ja zu dumm zum Sterben sein, aber selbst er hatte seine Talente. Selbst ohne seine Nase. Und auch wenn er niemals eine gute Person sein würde, konnte er diese doch zumindest beschützen.

»Du hast Recht. Ich kann etwas. Ich mache einen Unterschied. Ich bin jemand!«

Ohne Rücksicht auf seine kleinen Mitbewohner zu nehmen, klatschte er beide Hände auf die Tischplatte und stemmte sich in einer für ihn geradezu unerhörten Geschwindigkeit hoch.

»Ich bin Fitz McGintleroy und wenn ich nicht sterben kann, dann werde ich eben leben!«

Er griff sich das Glas mit dem FiftyNiner, das er jetzt seit guten zwei Stunden angestarrt hatte, und leerte es in einem Zug.

Drei Dinge geschahen gleichzeitig.

Die geheime Zutat Nummer 16 brannte genug totes Gewebe weg, um Fitz zum ersten Mal in seinem Untod etwas schmecken zu lassen. Er hatte ganz vergessen, dass Dinge einen Geschmack hatten und das Erlebnis kam einer göttlichen Offenbarung gleich.

Zutat Nummer 38 verursachte den Maden in Fitz’ Magen üble Blähungen, was nicht weiter schlimm war, in einer von ihnen aber den Wunsch weckte, Stand-Up Comedian zu werden und Witze voller Fäkalhumor zu erzählen.

Geheimzutat 3 und 22 verursachten mit einer ungewöhnlichen Substanz, die in dieser Form nur in Fitz’ Körper vorkam, eine chemische Reaktion, die den Kopfgeldjäger zu faulig riechendem Schleim zerfallen ließ. Er war in diesem Moment noch so mit dem Geschmackserlebnis des FiftyNiner beschäftigt, dass er es gar nicht merkte. Die zähe Masse stieß gelbliche Dampfwolken ab, während die insektoiden Freunde des endlich Verstorbenen sich aus dem Glibber heraus kämpften.

Bis auf die alten Männer, die noch immer vollauf mit ihrem Trinkspiel beschäftigt waren, starrten alle Gäste des Waypoint FiftyNine auf den Haufen der sich langsam weiter verflüssigte und sich dabei auf dem Boden ausbreitete. Sora hatte sich noch nicht von dem Anblick erholt, als Mora ihr grinsend einen Wischmopp in die Hand drückte. »Ich habe unter dem Magierplenum aufgewischt. Du bist dran, Schwesterchen.«