Der Malaiische Archipel

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SIEBTES KAPITEL
JAVA

Ich verbrachte drei und einen halben Monat auf Java, vom 18. Juli bis zum 31. Oktober 1861, und will meine eigenen Reisen und meine Beobachtungen über das Volk und die Naturgeschichte des Landes kurz beschreiben. Allen jenen, welche zu wissen wünschen, wie die Holländer jetzt Java regieren und wie es möglich ist, dass sie ein großes jährliches Einkommen herausziehen, während die Bevölkerung sich vermehrt und die Einwohner zufrieden sind, empfehle ich das Studium des vortrefflichen und interessanten Werkes des Herrn Money, »How to Manage a Colony«. Den hauptsächlichen Tatsachen und Schlüssen dieses Werkes muss ich aufrichtig beistimmen, und ich glaube, dass das holländische System das Beste ist, welches angenommen werden kann, wenn eine europäische Nation ein Land, welches von einem betriebsamen, aber halb barbarischen Volk bewohnt wird, erobert oder sonst erwirbt. Bei meiner Schilderung von Nord-Celebes werde ich zeigen, wie erfolgreich dasselbe System bei einem Volk von einem ganz anderen Zivilisationsgrad als derjenige, der Javanern in Anwendung gekommen ist; und jetzt will ich in möglichster Kürze eine Darstellung dieses Systems geben.

Die jetzt auf Java angenommene Art zu regieren ist die, dass man die ganze Reihe der eingeborenen Herrscher beibehält, von dem Dorfhäuptling hinauf bis zu den Fürsten, welche unter dem Namen von Regenten die Häupter der Distrikte von der Größe einer kleinen englischen Grafschaft sind. An der Seite jedes Regenten steht ein holländischer Resident oder Assistentresident, den man als den »älteren Bruder« ansieht und dessen »Befehle« die Form von »Ratschlägen« haben, denen jedoch stets und unbedingt Folge geleistet wird. Neben jedem Assistentresidenten steht ein Kontrolleur, eine Art von Inspektor all der niedrigeren eingeborenen Herrscher, welcher periodisch jedes Dorf im Distrikt besucht, das Verfahren der inländischen Gerichtshöfe prüft, Klagen gegen die Häuptlinge oder andere eingeborene Große anhört und die Regierungs-Plantagen beaufsichtigt. Das führt uns auf das »Kultursystem«, welches die Quelle des ganzen Reichtums ist, den die Holländer aus Java ziehen und welches der Gegenstand vielen Missbrauchs in diesem Land wurde, da es die Kehrseite des »Freihandels« ist. Um seinen Nutzen und seine wohltätigen Wirkungen zu verstehen, ist es notwendig, die gewöhnlichen Resultate des freien europäischen Handels mit unzivilisierten Völkern zu skizzieren.

Eingeborene der Tropen haben wenig Bedürfnisse, und wenn diese befriedigt sind, so sind sie, wenigstens ohne starken Anreiz dazu, abgeneigt, um mehr als das Notwendigste zu arbeiten. Bei solchen Völkern kann man unmöglich eine neue oder systematische Kultur einführen außer durch die despotischen Befehle der Häuptlinge, denen sie zu gehorchen gewohnt sind wie Kinder ihren Eltern. Die freie Konkurrenz von europäischen Händlern aber führt zwei mächtige Beweggründe zur Arbeit ein. Spirituosen und Opium sind eine zu starke Versuchung für fast alle Wilden, um zu widerstehen, und um sie zu erlangen, verkauft er, was er hat, und arbeitet, um mehr zu bekommen. Eine andere Versuchung, der er nicht widerstehen kann, ist der Kredit auf Waren. Der Händler bietet ihm bunte Gewänder an, Messer, Gongs, Kanonen und Pulver und will sich bezahlt machen mit der Ernte, die vielleicht noch nicht gesät ist, oder mit Produkten, die jetzt noch im Wald stehen. Der Wilde hat nicht genügende Voraussicht, um nur eine mäßige Quantität zu nehmen, und nicht genug Energie, um früh und spät zu arbeiten, damit er schuldenfrei werde; und die Folge davon ist, dass er Schulden auf Schulden häuft und oft Jahre lang, ja sein Leben lang ein Schuldner und fast ein Sklave bleibt. Das ist der Zustand der Dinge, wie er sich sehr ausgesprochen in jedem Teil der Welt, in welchem Menschen einer höheren Rasse frei mit Menschen einer niederen handeln, ausgebildet hat. Allerdings wird der Handel dadurch zeitweilig ausgedehnt, aber er demoralisiert die Eingeborenen, hemmt wahre Zivilisation und führt nicht zu einer stetigen Vermehrung des Reichtums des Landes; sodass die europäische Regierung eines solchen Landes schließlich einen Verlust erleiden muss.

Das von den Holländern eingeführte System beabsichtigte, das Volk durch seine Führer dazu zu veranlassen, dass es einen Teil seiner Zeit auf die Kulturen von Kaffee, Zucker und anderen wertvollen Produkten verwendete. Ein bestimmter Tagelohn – zwar niedrig, aber ungefähr dem gleich, der allerorten bezahlt wird, wo europäische Konkurrenz ihn nicht künstlich gesteigert hat – wurde den Arbeitern ausgesetzt für das Urbarmachen des Bodens und für den Anbau von Plantagen unter der Oberaufsicht der Regierung. Die Erträgnisse werden der Regierung zu einem niedrigen bestimmten Preise verkauft. Von dem Nettogewinn erhalten die Häuptlinge einen gewissen Prozentsatz, und der Rest wird unter die Arbeiter verteilt. Dieser Überschuss ist in guten Jahren ziemlich bedeutend. Im Allgemeinen ist das Volk wohlgenährt und anständig gekleidet; es hat sich an eine regelmäßige Industrie gewöhnt und betreibt einen rationellen Landbau, der in Zukunft seinen Nutzen bringen wird. Man muss nicht vergessen, dass die Regierung jahrelang Kapitalien hergegeben hat, ehe sie irgendetwas zurückerhielt; und wenn sie jetzt große Revenuen bezieht, so geschieht es in einer Weise, die dem Volk weit weniger lästig und ihm viel wohltätiger ist als irgendeine andere Steuer.

Aber wenn dieses System auch gut sein mag und ebenso wohl geeignet zur Entwicklung von Kunst und Industrie bei einem halbzivilisierten Volk, als es auch vorteilhaft ist für das regierende Land selbst, so kann man doch nicht verlangen, dass es praktisch überall durchgeführt werde. Die Neigung zum Herrschen und zum Dienen, die vielleicht schon seit tausend Jahren Beziehungen zwischen den Häuptlingen und dem Volk geknüpft hat, kann nicht auf einmal unterdrückt werden; und aus diesen Beziehungen müssen Nachteile hervorgehen, bis die Verbreitung der Erziehung und der allmähliche Einfluss des europäischen Blutes sie auf natürlichen Wegen und unmerklich verschwinden lassen. Man sagt, dass die Residenten, von dem Wunsch beseelt, ein starkes Wachsen der Produktion in ihrem Distrikt aufzuweisen, oft das Volk zu so ununterbrochener Arbeit in den Plantagen gezwungen haben, dass ihre Reisernten wesentlich kleiner wurden und Hungersnot daraus entstand. Wenn das vorgekommen ist, so ist es sicherlich nicht die Regel, und man muss es einem Missbrauch des Systems zuschreiben, hervorgegangen aus einem Mangel an Verständnis oder einem Mangel an Humanität bei dem Residenten.

Kürzlich ist in Holland eine Geschichte erzählt und auch ins Englische übersetzt worden unter dem Titel: »Max Hawelaar oder die Kaffee-Auktionen der holländischen Handels-Gesellschaft«, und mit unserer gewöhnlichen Einseitigkeit bei allem, was das holländische Kolonialsystem betrifft, wurde dieses Werk in hohem Maß gerühmt sowohl seines eigenen Wertes wegen als auch wegen seiner vermeintlichen vernichtenden Bloßstellung der Ungerechtigkeiten der holländischen Regierung auf Java. Aber zu meinem großen Erstaunen fand ich, dass diese Geschichte sehr langweilig, lang ausgesponnen und voll von Abschweifungen ist; dass ihr einziger Zweck der ist zu zeigen, wie die holländischen Residenten und Assistentresidenten zu den Erpressungen der eingeborenen Fürsten ein Auge zudrücken; und wie in einigen Distrikten die Eingeborenen ohne Bezahlung arbeiten und sich ihr Eigentum ohne Entgelt wegnehmen lassen müssen. Jede Tatsache dieser Art ist reichlich mit Kursivschrift und mit fetten Buchstaben verbrämt; aber da alle Namen fingiert sind und weder Daten, noch Personen, noch Einzelheiten angegeben werden, so ist es unmöglich, sie zu verifizieren oder ihnen zu antworten. Und selbst wenn die Tatsachen nicht übertrieben wären, so sind sie nicht annähernd so gravierend wie jene, die infolge der Unterdrückung durch freihändlerische Indigo-Pflanzer und infolge der Quälereien der eingeborenen Steuereinnehmer unter britischer Regierung in Indien ans Tageslicht kamen, Tatsachen, mit denen die Leser englischer Zeitungen vor einigen Jahren sehr vertraut waren. Eine solche Bedrückung aber ist in keinem dieser Fälle der besonderen Regierungsform in die Schuhe zu schieben, sondern sie ist vielmehr eine Folge der Mangelhaftigkeit der menschlichen Natur überhaupt und eine Folge der Unmöglichkeit, mit einem Schlag jede Spur wegzuwischen des Jahrhunderte alten Despotismus auf der einen Seite und des sklavischen Gehorsams gegen die Häupter auf der anderen.

Man darf nicht vergessen, dass die unbestrittene Herrschaft der Holländer in Java viel jüngeren Datums ist als die unsere in Indien, und dass die Regierung und die Methode des Bezuges von Einkünften mehrere Male gewechselt wurde. Die Einwohner haben so lange Zeit unter der Herrschaft der eingeborenen Fürsten gestanden, dass es nicht leicht ist, auf einmal die außerordentliche Verehrung zu verwischen, welche sie für ihre alten Herren hegen, oder die drückenden Erpressungen zu vermindern, welche die Letzteren stets gewohnt waren zu betreiben. Es gibt jedoch ein ins Gewicht fallendes Zeugnis für das Gedeihen, ja für das bestehende Glück einer Gemeinschaft, das wir hier beibringen können – das Wachstums-Verhältnis der Bevölkerung.

Man nimmt allgemein an, dass wenn die Bevölkerung eines Landes rapide zunimmt, diese nicht sehr bedrückt und schlecht regiert sein kann. Das gegenwärtige System, durch den Anbau von Kaffee und Zucker, die zu einem bestimmten Preis der Regierung verkauft werden, ein Einkommen zu erzielen, begann 1832. Gerade vorher im Jahre 1826 betrug die Bevölkerungszahl nach einem Zensus 5 500 000, während sie zu Beginn des Jahrhunderts auf 3 500 000 geschätzt wurde. 1850, als das Kultursystem achtzehn Jahre lang betrieben worden war, betrug die Bevölkerung nach einem Zensus über 9 500 000, also in vierundzwanzig Jahren ein Anwachsen von dreiundsiebzig Prozent. Bei der letzten Zählung 1865 war sie auf 14 168 416 gestiegen, ein Wachsen von fast fünfzig Prozent in fünfzehn Jahren – ein Verhältnis, nach welchem die Bevölkerung in ungefähr sechsundzwanzig Jahren sich verdoppeln würde. Da Java (mit Madura) ungefähr 38 500 geographische Quadratmeilen fasst, so macht das durchschnittlich 368 Personen auf die Quadratmeile, gerade das Doppelte von der bevölkerten und fruchtbaren Präsidentschaft Bengalen, wie es in Torntons Gazetteer of India angegeben ist, und voll ein Drittel mehr als die Bevölkerungszahl von Großbritannien und Irland nach dem letzten Zensus. Wenn, wie ich glaube, diese bedeutende Bevölkerung im Großen und Ganzen zufrieden und glücklich ist, so sollte sich die holländische Regierung wohl vorher bedenken, ehe sie plötzlich ein System aufgibt, das zu so bedeutenden Resultaten geführt hat.

 

Als Ganzes genommen und von allen Seiten betrachtet ist Java vielleicht die schönste und interessanteste tropische Insel der Erde. Sie steht hinsichtlich ihrer Größe nicht in erster Linie, aber sie ist mehr als sechshundert Meilen lang und sechzig bis hundertundzwanzig Meilen breit, und ihr Flächenraum ist fast so groß wie der von England; zweifellos aber ist sie die fruchtbarste, die produktivste und die bevölkertste Insel der Tropen. Über ihre ganze Oberfläche hin bietet sie eine herrliche Abwechslung an Berg- und Waldansichten. Sie besitzt achtunddreißig Vulkane, von denen manche bis zu zehn- oder zwölftausend Fuß ansteigen. Einige sind in beständiger Tätigkeit und sie bieten – der eine oder der andere – fast ein jedes Phänomen dar, das durch die Tätigkeit unterirdischen Feuers hervorgebracht werden kann, regelmäßige Lavaströme ausgenommen, welche nie auf Java vorkommen. Die übermäßige Feuchtigkeit und die tropische Hitze des Klimas bekleidet diese Berge oft bis zu ihren Gipfeln mit üppigem Pflanzenwuchs, während Wälder und Plantagen ihre niedrigeren Abhänge bedecken. Die Tierwelt, hauptsächlich Vögel und Insekten, ist schön und mannigfaltig und enthält viele eigenartige Formen, die nirgendwo anders auf der Erde gefunden werden. Der Boden auf der ganzen Insel ist äußerst fruchtbar, und alle Produkte der Tropen, neben vielen der gemäßigten Zonen, können leicht gezogen werden. Java besitzt ferner eine Zivilisation, eine Geschichte und Altertümer von großem Interesse. Die Religion der Brahminen blühte dort seit einer Zeit, die sich nicht bestimmen lässt, bis ungefähr ums Jahr 1478, als die mohammedanische an ihre Stelle trat. Die frühere Religion war von einer Zivilisation begleitet gewesen, die von den Eroberern nicht vernichtet werden konnte; denn durch das Land hin verstreut, hauptsächlich im Osten, findet man in hohen Wäldern vergraben Tempel, Gräber und Statuen von großer Schönheit und bedeutendem Umfang; ferner Reste ausgedehnter Städte an Stellen, wo heute der Tiger, das Rhinozeros und der wilde Ochse ungestört ihr Wesen treiben. Eine moderne Zivilisation anderer Art breitet sich jetzt über das Land aus. Gute Straßen ziehen durch die Insel von einem Ende zum anderen; die europäischen und inländischen Herrscher arbeiten Hand in Hand; und Leben und Eigentum sind so sicher wie in den bestregierten Staaten Europas. Ich glaube daher, dass Java wohl den Anspruch erheben darf, das schönste tropische Eiland der Erde zu sein und in gleichem Maße interessant für den Reisenden, der neue und schöne Eindrücke sucht, als auch für den Naturforscher, welcher die Mannigfaltigkeit und Schönheit der tropischen Natur kennenzulernen wünscht, als endlich für den Moralisten und den Politiker, welche das Problem lösen wollen, wie die Menschen unter neuen und veränderten Bedingungen am besten regiert werden können.

Der holländische Postdampfer brachte mich von Ternate nach Surabaja, der größten Stadt und dem bedeutendsten Hafen des östlichen Teils von Java, und nachdem ich vierzehn Tage damit zu tun gehabt hatte, meine letzten Sammlungen zu verpacken und fortzuschicken, machte ich mich auf eine kurze Reise ins Innere auf. In Java zu reisen, ist eine sehr bequeme, aber sehr teure Sache; die einzige Art ist die, dass man einen Wagen mietet oder leiht und dann eine halbe Krone die Meile für Postpferde zahlt, die alle sechs Meilen regelmäßig gewechselt werden und mit einer Schnelligkeit von zehn Meilen die Stunde von einem Ende der Insel zum anderen laufen. Ochsenkarren oder Kulis werden dazu gebraucht, alles Extra-Gepäck zu transportieren. Da diese Art zu reisen meinen Mitteln nicht entsprach, so beschloss ich, nur eine kurze Tour in den Distrikt am Fuß des Berges Arjuna zu machen, wo es ausgedehnte Wälder geben sollte und wo ich einige gute Sammlungen zu machen hoffen konnte. Das Land meilenweit hinter Surabaja ist vollkommen flach und überall bebaut; es ist ein Delta oder eine angeschwemmte Ebene, die durch viele verästelte Ströme getränkt wird. Dicht um die Stadt waren die handgreiflichen Zeichen des Reichtums und einer fleißigen Bevölkerung sehr wohltuend; aber beim Weiterreisen wurden die beständig sich folgenden offenen Felder von Bambusreihen besetzt, mit hier und da weißen Gebäuden und hohen Schornsteinen von Zuckermühlen, monoton. Die Straßen laufen meilenweit in gerader Linie und sind von Reihen staubiger Tamarinden beschattet. Jede Meile steht ein kleines Wächterhaus, wo ein Polizist stationiert ist; und mittels einer hölzernen Handtrommel (Gong) können sie sich mit großer Schnelligkeit über das ganze Land in Verbindung setzen und Signale geben. Ungefähr alle sechs oder sieben Meilen kommt ein Posthaus, wo die Pferde gewechselt werden, ebenso schnell wie die der Post in der guten alten Zeit der Kutschen in England.

Ich blieb in Modjo-karta, einer kleinen Stadt ungefähr vierzig Meilen südlich von Surabaja und der nächste Ort an der Hauptstraße des Distriktes, den ich zu besuchen beabsichtigte. Ich hatte ein Einführungsschreiben an Herrn Ball, einen Engländer, der schon seit Langem in Java wohnte und mit einer Holländerin verheiratet war, und dieser lud mich freundlichst ein, bei ihm zu bleiben, bis ich einen passenden Aufenthalt gefunden hätte. Hier lebt sowohl ein holländischer Assistentresident als auch ein Regent oder inländischer javanischer Fürst. Die Stadt ist nett und hatte einen hübschen offenen Platz wie einen Dorfanger, auf welchem ein prächtiger Feigenbaum stand (verwandt mit der indischen Banane, aber höher), unter dessen Schatten eine Art von Markt beständig abgehalten wird und wo die Einwohner zusammenkommen, um zu faulenzen und zu plaudern. Den Tag nach meiner Ankunft fuhr ich mit Herrn Ball nach einem Dorf namens Modjo-agong, wo er ein Haus mit Nebengebäuden aufführte zum Tabakhandel, der hier nach einem ähnlichen System des Bebauens durch Eingeborene und des Vorausverkaufs betrieben wird, wie der Indigohandel in Britisch-Indien. Auf dem Wege hielten wir bei einem Bruchstück der Ruinen der alten Stadt Modjopahit an, anscheinend den aus zwei hohen Backsteinmauern bestehenden Seiten eines Torweges. Die äußerste Vollendung und Schönheit der Backsteinarbeit setzte mich in Erstaunen. Die Backsteine sind außerordentlich fein und hart mit scharfen Kanten und geraden Oberflächen. Sie sind mit großer Genauigkeit aufeinandergelegt, ohne dass man Mörtel oder Zement entdeckt, und doch so fest zusammengehalten, dass die Stellen, wo sie zusammenstoßen, schwer zu finden sind, und manchmal fließen die zwei Oberflächen ganz unmerklich ineinander. Eine so bewundernswerte Backsteinarbeit habe ich weder vorher noch nachher je gesehen. Es war keine Skulptur daran, aber eine Menge kühner Vorsprünge und ein schön gearbeitetes Gesims. Spuren von Gebäuden kommen meilenweit nach jeder Richtung hin vor, und fast jede Straße und jeder Fußweg hat eine Grundlage von Backsteinen – die gepflasterten Straßen der alten Stadt. In dem Haus des Waidono oder Distrikt-Häuptlings in Modjo-agong sah ich eine schöne Figur in Basrelief aus einem Lavablock, die unter der Erde nahe dem Dorf gefunden worden war. Auf meinen Wunsch etwas Ähnliches zu haben, bat Herr C. den Häuptling darum, und zu meiner Verwunderung gab er es mir sofort. Es stellte die Hindu-Gottheit Durga dar, auf Java Lora Jonggrang (die erhabene Jungfrau) genannt. Sie hat acht Arme und steht auf dem Rücken eines knienden Ochsen. Ihre niedrigste rechte Hand hält den Schwanz des Ochsen, während die korrespondierende linke in das Haar eines Gefangenen fasst, Dewth Mahikusor, die Personifikation des Lasters, der versucht hat, ihren Ochsen zu erschlagen. Er hat einen Strick um seinen Leib und liegt um Gnade bittend zu ihren Füßen. Die anderen Hände der Gottheit halten rechts einen Doppelhaken oder kleinen Anker, ein breites gerades Schwert und eine Schlinge von dickem Tau; links einen Gürtel oder ein Armband von großen Perlen oder Muscheln, einen ungespannten Bogen und eine Standarte oder Kriegsfahne. Diese Göttin war eine besonders beliebte bei den alten Javanern, und man findet ihr Bild oft in den Tempelräumen des östlichen Teils der Insel.

Das Exemplar, welches ich erhielt, war nur klein, etwa zwei Fuß hoch und vielleicht einen Zentner schwer; am anderen Tag brachten wir es nach Modjo-karta, von wo ich es nach Surabaja mit zurücknehmen wollte. Da ich beschlossen hatte, mich einige Zeit in Wonosalem aufzuhalten, auf den niedrigeren Abhängen des Arjima-Berges, wo ich Wald und viel Wild finden sollte, so musste ich erst eine Empfehlung vom Assistentresidenten an den Regenten und dann einen Befehl vom Regenten an den Waidono haben; als ich endlich nach einer Woche Verzögerung mit meinem Gepäck und meinen Leuten in Modjo-agong ankam, fand ich dort alles mitten in einem fünf Tage währenden Fest, da die Beschneidung des jüngeren Bruders und Vetters des Waidono gefeiert wurde, und bekam nur ein kleines Zimmer in einem Nebenhaus. Der Hofraum und die große offene Empfangshalle waren voll von Eingeborenen, die kamen und gingen und die Vorbereitungen zu einem Fest trafen, das um Mitternacht stattfinden sollte, zu dem ich auch eingeladen wurde: Aber ich zog es vor, zu Bett zu gehen. Ein inländisches Orchester, oder Gamelang, spielte fast den ganzen Abend, und ich hatte gute Gelegenheit, die Instrumente und Musikanten kennenzulernen. Erstere sind meist Gongs von verschiedenen Größen in Reihen von acht bis zwölf auf niedrige Holzrahmen gesetzt. Jeder Satz wird von einem Musikanten mit einem oder zwei Trommelstöcken gespielt. Es sind auch einige sehr große Gongs dabei, die einzeln oder paarweise geschlagen werden und die Stelle unserer Trommeln und Pauken einnehmen. Andere Instrumente sind aus breiten metallenen Stäben gemacht, die an zwischen Rahmen ausgespannten Stricken aufgehängt werden; noch andere aus Bambusstreifen sind ähnlich angeordnet, um die höchsten Töne hervorzubringen. Ferner noch eine Flöte und eine seltsame zweisaitige Violine; alles in allem Instrumente für vierundzwanzig Musikanten. Ein Kapellmeister leitete es und taktierte, und jeder Musikant fiel dann und wann mit ein paar Takten ein, sodass es ein harmonisches Zusammenspiel gab. Die Stücke waren lang und verwickelt, und einige der Spieler waren noch Knaben, sie führten aber ihre Partie mit großer Präzision durch. Die allgemeine Wirkung war sehr angenehm, da jedoch die meisten Instrumente sich sehr ähnelten, so glich es mehr einer riesigen Spieluhr als unseren musikalischen Aufführungen; und um es ganz zu genießen, muss man die große Zahl der Ausübenden, die dabei beschäftigt sind, beobachten. Am anderen Morgen, als ich auf die Leute und die Pferde für mich und mein Gepäck wartete, wurden die beiden Knaben, die ungefähr vierzehn Jahre alt waren, herausgebracht, bekleidet mit einem Sarong über den Leib, und den ganzen Körper mit einem gelben Pulver und mit weißen Blumengewinden, Halsbändern und Armspangen bedeckt, auf den ersten Anblick ganz wie Bräute von Wilden aussehend. Sie wurden von zwei Priestern an eine Bank vor dem Haus unter freien Himmel geleitet, und die Zeremonie der Beschneidung wurde dann vor der versammelten Menge vollführt.


Altes Basrelief (nach einem im Besitz des Autors befindlichen Stück; Baines)

Die Straße nach Wonosalem ging durch einen prächtigen Wald, in dessen Gründen wir bei einer schönen Ruine vorbeikamen, die ein königliches Grabmal oder Mausoleum gewesen zu sein schien. Es ist ganz aus Stein gemacht und sorgsam ausgehauen. Nahe der Basis ist eine Lage kühn hervorspringender Blöcke mit Skulpturen in Hochrelief, einer Reihe von Szenen, welche wahrscheinlich Vorfälle aus dem Leben des Toten darstellen. Diese sind alle sehr schön ausgeführt, besonders einige Tierfiguren sind leicht zu erkennen und sehr genau. Der allgemeine Plan, soweit der zerfallene Zustand des oberen Teils einen Schluss erlaubt, ist sehr gut, und durch sehr viele und mannigfaltig geformte hervor- oder einspringende Lagen von viereckigen Gesimssteinen wird ein wirksamer Effekt hervorgebracht. Die Größe dieses Gebäudes ist etwa dreißig Quadratfuß bei zwanzig Fuß Höhe, und da es dem Reisenden plötzlich in die Augen springt auf einer kleinen Erhöhung neben der Straße, überschattet von riesigen Bäumen, bewachsen mit Sträuchern und Schlingpflanzen und gehoben durch den düsteren Wald im Hintergrund, so erstaunt er über den Ernst und die pittoreske Schönheit des Anblicks und fühlt sich angeregt über das seltsame Gesetz des Fortschritts (welcher einem Rückschritt so ähnlich sieht) nachzusinnen, ein Gesetz, welches in so sehr voneinander entfernten Teilen der Erde hoch künstlerische und erfinderische Rassen untergehen ließ, um anderen Platz zu machen, welche, soweit wir urteilen können, sehr hinter jenen zurückstehen.

 

Wenige Engländer wissen um die Zahl und Schönheit der architektonischen Überreste Javas. Sie sind nie in populären Werken abgebildet und beschrieben worden, und es wird daher die meisten Menschen überraschen zu erfahren, dass sie bei Weitem jene von Zentralamerika übertreffen, vielleicht selbst die von Indien. Um eine Idee von diesen Ruinen zu geben und vielleicht reiche Liebhaber dazu anzuregen, dass sie dieselben durchforschen und uns, ehe es zu spät ist, ihre schönen Skulpturen durch die Photographie anschaulich machen, will ich die wichtigsten nach der kurzen Beschreibung von Sir Stamford Raffles’ »History of Java« aufzählen.

Brambanam – Nahe dem Zentrum von Java, zwischen den Hauptstädten der Eingeborenen, Djokjokarta und Surakarta, liegt das Dorf Brambanam, nahe welchem sehr viele Ruinen gefunden werden, von denen die wichtigsten die Tempel von Loro-fongran und Chaudi Sewa sind. In Loro-fongran waren zwanzig getrennte Gebäude, sechs große und vierzehn kleine Tempel. Sie sind jetzt zu einer Masse von Ruinen zusammengefallen, aber die größten Tempel sollen neunzig Fuß hoch gewesen sein. Sie waren alle von solidem Stein aufgebaut, überall mit Verzierungen und Basreliefs und mit zahllosen Statuen, von denen noch viele unversehrt sind, geschmückt. In Chaudi Sewa oder den »Tausend Tempeln« sind viele schöne Kolossalfiguren. Hauptmann Baker, der diese Ruinen beaufsichtigt, sagte, er habe nie in seinem Leben »so erstaunliche und vollendete Proben der menschlichen Arbeit, der Wissenschaft und des Geschmacks längst vergessener Zeiten auf einem so kleinen Raum wie hier zusammengedrängt« gesehen. Sie bedecken einen Raum von fast sechshundert Quadratfuß und bestehen aus einer äußeren Reihe von vierundachtzig kleinen Tempeln, einer zweiten Reihe von sechsundsiebzig, einer dritten von vierundsechzig, einer vierten von vierundvierzig und die fünfte bildet ein inneres Parallelogramm von achtundzwanzig, alles in allem 296 kleine Tempel, in fünf regelmäßigen Parallelogrammen angeordnet. Im Mittelpunkt steht ein großer kreuzförmiger Tempel, umgeben von hohen Treppenreihen, reich mit Skulptur geschmückt und in viele einzelne Abteilungen geteilt. Die tropische Vegetation hat die meisten der kleineren Tempel zugrunde gerichtet, aber einige sind ziemlich erhalten geblieben, nach denen man sich die Wirkung des Ganzen vergegenwärtigen mag.

Ungefähr eine halbe Meile davon ist ein anderer Tempel, Chaudi Kali Bening genannt, zweiundsiebzig Fuß im Quadrat und 60 Fuß hoch, sehr schön erhalten und mit Skulpturen aus der Hindu-Mythologie bedeckt, schöner als irgendeiner in Indien. Andere Ruinen von Palästen, Hallen und Tempeln mit einer Fülle von Götterstatuen werden in der Nachbarschaft gefunden.

Borobodo – Etwa achtzig Meilen westlich in der Provinz Kedu befindet sich der große Tempel von Borobodo. Er ist auf einem kleinen Hügel erbaut und besteht aus einer Zentralkuppel in sieben Reihen terrassenförmiger Mauern, welche den Abhang des Hügels bedecken und offene, durch Stufen und Torwege miteinander verbundene übereinanderliegende Galerien bilden. Der Dom in der Mitte ist fünfzig Fuß im Durchmesser; um ihn herum ist ein dreifacher Kreis von zweiundsiebzig Türmen, und das ganze Gebäude hält 620 Fuß im Quadrat und ist etwa hundert Fuß hoch. In den Terrassenmauern sind Nischen angebracht, in denen Kolossalfiguren mit gekreuzten Beinen stehen, etwa vierhundert an Zahl, und beide Seiten aller Terrassenmauern sind bedeckt von Basreliefs, lauter aus hartem Stein gehauene Figuren; diese Mauern haben also eine Länge von fast drei Meilen! Das Aufgebot menschlicher Arbeit und Geschicklichkeit, das verschwendet wurde, um die große Pyramide in Ägypten aufzurichten, sinkt bis zur Bedeutungslosigkeit herab, wenn man es mit der Anstrengung vergleicht, die nötig war, um diesen prachtvollen Hügel tempel im Inneren von Java zu vollenden.

Gunong Prau – Ungefähr vierzig Meilen südwestlich von Samarang auf einem Berg namens Gunong Prau ist ein ausgedehntes Plateau mit Ruinen bedeckt. Um diese Tempel zu erreichen, sind von entgegengesetzten Seiten aus vier Fluchten steinerner Treppen den Berg hinauf gelegt; jede Reihe besteht aus mehr als tausend Stufen. Es sind hier Spuren von fast vierhundert Tempeln gefunden worden, und viele (vielleicht alle) waren mit reichen und zart gearbeiteten Skulpturen verziert. Das ganze Land von hier bis Brambanam, eine Entfernung von sechzig Meilen, ist voll von Ruinen, sodass man schön gemeißelte Bildwerke in Gräben liegen sieht und dass sie zu Umzäunungsmauern verbaut werden.

Im östlichen Teil von Java, in Kediri und Malang, sind ebenfalls zahlreiche Spuren von Altertümern, aber die Gebäude selbst sind meist zerstört. Steinerne Bildwerke jedoch kommen vielfach vor, und überall findet man Überreste von Festungen, Palästen, Bädern, Wasserleitungen und Tempeln. Es ist durchaus dem Plan dieses Buches entgegen, etwas zu beschreiben, was ich nicht selbst gesehen habe; aber da ich gelegentlich ihrer erwähnte, so fühlte ich mich verpflichtet, etwas dazu beizutragen, dass diesen wunderbaren Kunstwerken einige Aufmerksamkeit geschenkt werde. Man fühlt sich überwältigt bei der Betrachtung dieser zahllosen Skulpturen, die mit Zartheit und künstlerischem Gefühl aus einem harten und schwer zu behandelnden Trachyt gearbeitet sind und die alle auf einer tropischen Insel gefunden werden. Wie der Zustand der Gesellschaft beschaffen sein konnte, wie die Höhe der Bevölkerung, wie die Subsistenzmittel, welche so gigantische Werke möglich machten, das wird vielleicht für immer ein Rätsel bleiben; und es ist ein wunderbares Beispiel von der Macht religiöser Ideen im sozialen Leben, dass in demselben Land, in welchem fünfhundert Jahre früher diese großen Bauten viele Jahre hindurch ausgeführt wurden, die Einwohner jetzt nur rohe Häuser aus Bambus mit Strohdächern errichten und auf diese Überbleibsel ihrer Voreltern mit unwissender Verwunderung blicken als auf unbezweifelte Produkte von Riesen oder Dämonen. Es ist sehr zu bedauern, dass die holländische Regierung nicht energische Schritte ergreift, um diese Ruinen dem zerstörenden Einfluss der tropischen Vegetation zu entziehen und um die schönen Skulpturen, die überall hin über das Land zerstreut sind, zu sammeln.

Wonosalem liegt ungefähr tausend Fuß über dem Meer, aber unglücklicherweise ist es von dem Wald etwas entfernt und umgeben von Kaffeeplantagen, Bambusdickicht und groben Gräsern. Es war zu weit, um täglich nach dem Wald zurückzugehen, und in anderen Richtungen konnte ich keine Gründe, die sich dem Insektensammeln ergiebig erwiesen, auffinden. Aber der Ort war wegen seiner Pfaue berühmt, und mein Bursche schoss bald mehrere dieser prachtvollen Vögel, deren Fleisch wir zart, weiß und delikat, ähnlich dem des Truthahns fanden. Der javanische Pfau ist eine von der indischen verschiedenen Art; der Nacken ist mit schuppenartigen grünen Federn bedeckt und der Kamm anders geformt; aber der äugige Schweif ist ebenso groß und ebenso schön. Es ist eine sonderbare Tatsache in Beziehung auf die geographische Verbreitung, dass der Pfau nicht auf Sumatra und Borneo gefunden wird, während der prächtige Argus-Fasan, die Fasanen mit feuerrotem Rücken und die augenfleckigen Fasane dieser Inseln ebenso unbekannt auf Java sind. Genau parallel damit geht die Tatsache, dass auf Ceylon und im südlichen Indien, wo der Pfau reichlich vorkommt, die herrlichen Lophophori und andere prächtige Fasane, welche Nordindien bewohnen, nicht gefunden werden. Es könnte so scheinen, als litte der Pfau keine Rivalen in seiner Domäne. Wären diese Vögel selten in ihrem Vaterland und lebend unbekannt in Europa, so würden sie sicherlich als die wahren Fürsten des Federgeschlechts angesehen werden und, was Stattlichkeit und Schönheit anbetrifft, ihnen niemand den Rang streitig machen. Wie die Sache aber liegt, so glaube ich, dass kaum jemand, den man aufforderte, den schönsten Vogel der Erde zu nennen, den Pfau nennen würde, ebenso wenig wie der Papua-Wilde oder der Bugi-Händler den Paradiesvogel dieser Ehre teilhaftig werden ließe.