Genesis VI

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Z serii: Genesis #6
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VI

„Okay!“ Narrix sprach ruhig, während er auf Jorik zukam. „Die Schlampe, die meine Männer verraten hat, gehört also zu dir!“ Er nickte mit ausdruckslosem Gesicht.

Jorik stand in der Mitte des Raumes. Seine Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt und um seinen Hals lag wieder ein Strick, den der Kerl hinter ihm fest angezogen hatte, sodass er nach wie vor ziemlich hilflos war. Und nicht nur das: Er wusste nur zu genau, dass er sich in einer höchst gefährlichen, wenn nicht sogar tödlichen Gefahr befand. Narrix war ein Psychopath allererster Güte. Wie er jemals das Kommando eines Schiffes hatte erringen können, war Jorik absolut schleierhaft. Und Narrix war sauer. Stinksauer, zornig, Wut brauste in ihm auf: Mochte er sich äußerlich auch noch so gut im Griff haben, in seinen Augen konnte Jorik die Wahrheit erkennen. Er sah Wut und Hass.

Narrix wollte Rache. Für den Verlust seines Schiffes, für den Frevel, sich ihm überhaupt entgegengestellt zu haben und für die Schmach, ihm entkommen zu sein und ihn besiegt zu haben.

Und Jorik glaubte nicht, dass es ihm wirklich wichtig war, Marivar zu finden, um sie zu bestrafen. Auch glaubte er nicht, dass Narrix wirklich dachte, er könne Jorik dazu bewegen, ihren Namen preiszugeben. Deshalb rechnete er damit, hier und jetzt dafür büßen und sterben zu müssen. Er hatte furchtbare Angst, doch was immer auch geschehen mochte, er würde diesem geisteskranken Wichser niemals die Genugtuung geben, ihm diese Angst zu zeigen. Zumindest hoffte er, so stark sein zu können. „Ich weiß nichts von einem Verrat!“ sagte er daher, um sich von dem zunehmenden Zittern, das ihn befiel, abzulenken.

Ansatzlos verpasste ihm Narrix einen Faustschlag in den Magen. Jorik stöhnte auf und seine Beine knickten kurz ein, dann riss ihn der Kerl hinter ihm wieder in die Höhe. „Natürlich!“ Narrix hatte gewartet, bis Jorik ihn wieder ansah. „Sag mir, wer sie ist!“ Das war keine Bitte.

Jorik atmete einmal tief durch, dann erwiderte er den Blick seines Widersachers geradeheraus. „Niemals!“ Er musste stark bleiben.

Jorik erwartete einen neuerlichen Schlag, doch Narrix sah ihn nur durchdringend an, dann begann er zu lächeln. Für ganze zwei Sekunden, dann schlug er doch wieder zu. Ansatzlos, knallhart und dreimal hintereinander, wieder in den Bauch, immer auf dieselbe Stelle.

Jorik spürte Hitze in sich aufkommen. Der Blick vor seinen Augen verschwamm, ihm wurde schlagartig übel, er musste husten und würgen. Seine Beine gaben wieder nach, gleichzeitig kippte sein Oberkörper nach vorn. Der Kerl hinter ihm konnte das nicht verhindern. Jorik krachte auf die Knie und erbrach widerlichen Schleim. So war er abgelenkt und konnte nicht sehen, dass Narrix sich zu den Wachen an der Eingangstür umdrehte und ihnen zunickte, woraufhin eine von ihnen die Tür öffnete und zwei weitere Personen einließ. Die eine war noch ein Soldat, die andere war…Esha!

Wie auch Jorik war sie noch immer gefesselt. Während sie von dem Kerl hinter ihr rüde in das Zimmer gestoßen wurde, warf der seinem Captain das Seil, das sich um ihren Hals befunden hatte, zu, der es locker auffing.

„Ich habe wirklich kein Verständnis dafür, dass du deine kleine Lady schützen willst!“ begann Narrix wieder in einem fast freundlichen Ton und schaute Jorik an, der Mühe hatte, wieder zu sich zu kommen. „Soll ich glauben, dass das Liebe ist oder dass sie es wert ist?“ Er verzog die Mundwinkel. „Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich selbst habe noch nie eine Frau getroffen, die es wert war, für sie Schmerzen zu ertragen. Zum Ficken waren sie gut, aber sonst?“ Er lachte heiser auf. „Aber okay! Es ist deine Entscheidung!!“ Er trat direkt vor Jorik und zerrte ihn auf die Füße. „Und ich sehe es in deinen Augen. Du bist ein harter Bursche. Aus dir werde ich nichts herausbekommen!“ Wieder lächelte er süffisant. „Vielleicht aber, wenn nicht du für deinen Egoismus bestraft wirst, sondern deine Freundin hier!“ Er drehte sich herum und deutete auf Esha, die Narrix hasserfüllt anstarrte.

„Das können sie vergessen!“ zischte sie, doch konnte sie ihre Angst nicht komplett verbergen.

„Wir werden sehen, nicht wahr?“ Er trat vor Esha, nahm das lose Ende des Stricks, ließ es locker im Handgelenk baumeln, schaute dann zur Decke und warf es mit einem geschickten Schwung um eine natürliche Strebe aus Fels, die dort knapp unterhalb der Decke waagerecht verlief. Das Seil fiel auf der anderen Seite wieder herunter und Narrix fing es auf.

Jorik hatte ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen und plötzlich hatte er eine böse Vorahnung. „Was haben sie vor?“ fragte er und seine Stimme klang rau.

„Wenn du redest…!“ Er warf das lose Ende dem Mann hinter Esha zu, ließ die Schlinge am anderen Ende in seinen Fingern kreisen und schaute Jorik an. „…absolut gar nichts! Wenn du aber weiterhin auf stur stellst…!“ Er wirbelte herum und ließ die Schlinge über Eshas Kopf fallen. „…wird sie leiden müssen!“ Und mit diesen Worten nickte er dem Mann mit dem losen Ende zu, der daraufhin zu ziehen begann. Im nächsten Moment schrien Esha und Jorik gleichzeitig auf.

*

Lobos hatte die Gruppe vom Haupthangar weg zu einem breiten Treppenhaus geführt, durch das sie mittlerweile fünf Stockwerke höher gekommen waren.

Bisher bestanden die Wände aus Stahl, der mit dicken Streben durchzogen war und die Etagen, an denen sie vorbeigingen, anfangs aus langen schmalen Gängen, die wie Stahlröhren aussahen, dann aus Gängen, von denen unzählige Türen abgingen und daher wie Bürotrakte wirkten.

Jetzt aber änderte sich das Bild und die Stahlwände in den Treppenaufgängen wurden mehr und mehr durch dicke, immer größer werdende Glasscheiben ersetzt.

Dahinter war zunächst nur Dunkelheit zu erkennen, die aber zunehmend heller wurde und sich zu bewegen schien. Weitere drei Stockwerke höher durchstießen erste Lichtstrahlen die mittlerweile eher graue Masse hinter dem Glas und allmählich erkannte jeder, dass es sich hierbei um Wasser handelte, dass mit hoher Geschwindigkeit rechts und links am Treppenhaus vorbeischoss und für etliche Verwirbelungen sorgte. Je mehr Licht hineinfiel, desto mehr und besser waren auch Schwebstoffe zu erkennen, sowie kleine und größere Äste und aufgewirbelte Steine, die vorbeitrieben. Dann endete ihr Aufstieg unvermittelt und Lobos führte sie in einen großen, fast kreisrunden Raum, den Mavis, Vilo und die anderen militärisch versierten Männer sofort als die Kommandobrücke der Kamarulu erkannten. Wenn der Haupthangar das Herz des Schiffes war, dann war die Kommandobrücke das Gehirn gewesen. Überall gab es Kontrollkonsolen und Terminals, dazu drei riesige Bildschirme von mehreren zehn Quadratmetern Fläche. Einer von ihnen war jedoch komplett zerstört, ein zweiter wies lange Risse auf. Den gesamten Raum umgab ab etwa einemmeterfünfzig Raumhöhe eine Glasfront. Deutlich war zu erkennen, wie das Wasser auf der einen Seite auftraf, dann rechts und links an der Brücke vorbeifloss und sich schließlich auf der anderen Seite wieder entfernte.

Als Mavis direkt an die Scheiben trat, wo das Wasser auftraf, konnte er förmlich spüren, wie es unter dem immensen Druck leicht vibrierte. Gleichzeitig flutete so viel Licht in das Wasser, dass er etliche Meter in die Tiefe sehen und dort einen gewaltigen dunklen Schatten erkennen konnte. Er nahm an, dass es das Flugdeck der Kamarulu war. Um sicher zu gehen, drehte er sich um, ging zur anderen Seite und schaute dort aus dem Fenster. Hier gab es zwar nicht mehr Licht, dafür aber war das Wasser ruhiger und so konnte er besser in die Tiefe sehen und erkennen, dass er Recht hatte. Etwa fünfzehn Meter unter ihnen lag das Flugdeck. Er hatte damit gerechnet, keine Flugzeuge mehr darauf zu sehen, da das Wasser offensichtlich genug Kraft besaß, um das Deck vollkommen leer zu spülen, doch musste er feststellen, dass er sich getäuscht hatte. Neben etlichen Einschusslöchern, durch die das Wasser in das Innere des Schiffes stürzte, gab es dort tatsächlich auch das Wrack eines größeren Transportflugzeuges. Es war zur Hälfte in das Deck eingebrochen und musste sich dann verkantet haben, sodass es nicht wegrutschen konnte. Es ragte mit gebrochenen Flügeln in die Höhe und bot einen absolut gespenstischen Anblick, der dadurch noch grausamer wurde, dass Mavis einen undefinierbaren, dunklen Haufen Masse auf dem Pilotensitz erkennen konnte, der vielleicht einstmals ein Mensch gewesen war. Er fröstelte und er drehte sich weg. Dabei stellte er fest, dass Melia direkt neben ihm stand und ebenfalls hinabschaute. Plötzlich sog sie abrupt und hörbar die Luft ein und umfasste seinen linken Oberarm. Er wusste, sie hatte ebenfalls in die Kanzel des Wracks geschaut. Mavis suchte ihren Blick und legte seine rechte Hand auf ihre Hand. Melia sah ihn überrascht an und als er sie anlächelte, erschrak sie ein wenig und nahm ihre Hand weg. Bevor Mavis jedoch etwas sagen konnte, sprach Vilo.

„Das ist das verdammt Bekloppteste, das ich je gesehen habe!“ Er schüttelte mit verzogenen Mundwinkeln den Kopf. „Dieses riesige Schiff mitten in diesem Wasserfall…!“ Er lachte heiser auf und schüttelte erneut den Kopf. „Unfassbar!“

„Ja!“ Lobos nickte zustimmend. „Aber unsere Tage sind gezählt!“

„Was?“ fragte Cosco. „Wieso?“

Lobos antwortete nicht sofort, sondern trat an eines der Fenster, streckte seine rechte Hand in die Höhe und deutete mit dem Zeigefinger in den obersten Bereich, wo Fenster und Rahmen aufeinandertrafen.

„Die Dichtungen werden porös!“ meinte Tibak sofort und nickte.

Doch Lobos schüttelte den Kopf. „Nein, die sind noch intakt!“

„Was meinen sie dann?“ fragte Dek.

„Das Wasser!“ erwiderte Kaleena und als Vilo sie irritiert ansah, fügte sie hinzu. „Also, den Wasserstand!“

 

Lobos nickte. „Stimmt!“

„Was soll das heißen?“ fragte Mavis.

Der Admiral atmete einmal tief durch, bevor er erklärte. „Als die Triebwerke den oberen Wasserfall sprengten, rissen die Explosionen Unmengen an Erde und Gestein auf, die das Wasser weiter transportierte und die Kamarulu dadurch so gut wie darunter begraben wurde. Im Laufe der Jahre hat das Wasser all das wieder weggeschwemmt. Dennoch war es anfangs so, dass der Fluss genügend Wasser mit sich führte, dass er das Schiff weiterhin im Verborgenen hielt. Seit ein paar Monaten aber sinkt der Wasserspiegel!“ Wieder hob er den rechten Arm an und deutete auf die gleiche Stelle wie zuvor. „Sehen sie!“

Und plötzlich erkannten es alle: Einen schmalen Streifen von vielleicht einem Zentimeter Breite, wo der freie Himmel über dem Fluss zu sehen war. Der Streifen war nicht beständig da, weil das Wasser immer wieder durch die vorherrschenden Strömungen aufgewühlt wurde, aber wenn er da war, konnte man die dicken, dunklen Wolkenpakete über dem Bergmassiv erkennen.

„Wenn man von oben hier heruntersieht…!“ Lobos deutete in die Richtung, wo die Kitaja zerstört worden war. „...sah man bisher nur das aufschäumende Wasser. Jetzt aber kann man einen dunkeln Fleck an dieser Stelle darin erkennen!“

„Das Dach der Kommandobrücke!“ Cosco nickte erkennend.

Lobos tat es ihm gleich. „Und der Vorgang hält an und beschleunigt sich!“

„Wie lange noch?“ fragte Vilo.

Der Admiral sah ihn mit ernster Miene an. „Zwei, vielleicht drei Monate! Und wenn man uns erst entdeckt hat…!“ Lobos schaute unheilvoll in die Runde.

„…wird man sicher nachholen, was man damals versäumt hat!“ fügte Mavis mit einem Nicken hinzu und es wurde still auf der Brücke.

*

Esha spürte, wie sich der Strick um ihren Hals schnürte, als ihr Körper vom Boden abhob und ihr gesamtes Gewicht jetzt wie tonnenschwer darauf lastete, dass sie das Gefühl hatte, ihr Kopf würde gleich vom Rumpf gerissen werden. Ihre Hände zuckten mehrmals, erzitterten bei dem Versuch, sich an den Hals zu greifen, um den Druck von dort zu nehmen, doch sie konnte ihre Fesseln natürlich nicht lösen. Auch verursachte jede Bewegung zusätzliche Schmerzen, sodass sie bemüht war, ruhig zu hängen. Da sie geahnt hatte, was passieren würde, hatte sie versucht noch einmal tief Luft zu holen, doch das war ihr nur halbwegs gut gelungen. Der Druck auf ihren Kehlkopf wurde zunehmend schlimmer und schmerzhafter, wie in einem Schraubstock wurde er erbarmungslos zusammengedrückt, schon konnte sie hören, wie er zu zerquetschen drohte. Sie musste röcheln, alle Kraft wich aus ihrem Körper.

„Nein!“ Das war Jorik, der sich mit aller Macht gegen die Wache in seinem Rücken stemmte. Die Verzweiflung verschaffte ihm neue Kräfte, es gelang ihm, auf Esha und Narrix zuzugehen. „Hören sie auf!“

Narrix würdigte ihn keines Blickes, hatte ihm weiterhin den Rücken zugedreht. Dafür starrte er absolut fasziniert auf Esha und ihren immer deutlicher zuckenden Körper und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Warum?“ fragte er aber dennoch, während es in seinen Augen gierig blitzte.

„Ich sage es!“ brüllte Jorik, verzweifelt, mit Tränen in den Augen, während der Kerl in seinem Rücken wild an ihm riss und ihn schließlich zu Boden ziehen konnte.

Narrix Lächeln wurde zu einem Grinsen, während er weiterhin Esha anstarrte. Dann zuckten seine Augen kurz hinter sie und er nickte dem Wachmann, der das Seil angezogen hatte, mit einer knappen Geste zu, woraufhin er Esha wieder auf ihre Füße herabsenkte. Die junge Frau hustete, ihr Gesicht war mittlerweile rot angelaufen, sie spürte Hitze dort, ihr Schädel pochte, Schweiß rann über ihre Stirn. Außerdem wurden ihre Beine plötzlich wackelig und sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten.

„Ich sage es!“ wiederholte Jorik, dessen Gegenwehr verebbte, unter Tränen. Narrix wandte sich zu ihm um und sein Lächeln erstarb.

„Du…!“ stieß Esha plötzlich hervor. Sie hustete und ihre Stimme klang rau. „…sagst gar nichts!“

Narrix Kopf wirbelte zu ihr zurück und er starrte sie ausdruckslos, aber mit funkelnden Augen an.

Esha erwiderte seinen Blick geradeheraus. „Hörst du?“ sagte sie. „Du bleibst stumm!“ Ihre Stimme klang sehr fest, doch innerlich zitterte sie nur so vor Angst.

Narrix musterte sie und sein rechtes Auge verengte sich zu einem Schlitz. Doch dann erschien ein breites Lächeln auf seinen Lippen. Sein Blick zuckte kurz zu dem Wachmann mit dem Seil und er nickte ihm erneut zu. Als dieser daraufhin sofort wieder fest anziehen wollte, deutete der Captain ihm jedoch mit der linken Hand an, es dieses Mal gemächlich zu machen.

Esha spürte, wie sich der Strick langsam wieder in ihren Hals drückte, ihr Kehlkopf schmerzte augenblicklich wieder. Instinktiv drückte sie sich auf die Fußballen, konnte so den Druck vermindern. Doch nur einen Moment, dann erhöhte er sich wieder, weil der Kerl den Strick weiter anzog. Esha hatte nur noch die Möglichkeit, sich auch noch auf die Zehenspritzen zu drücken, doch nur wenig Hoffnung, sie könne es damit wirklich aufhalten. Wieder versuchte sie, tief Luft zu holen, erwartete den Augenblick, indem ihre Füße den Bodenkontakt endgültig verloren.

Im allerletzten Moment aber, bevor das geschah, gab Narrix der Wache ein kurzes, unbemerktes Zeichen mit der linken Hand, den Vorgang zu stoppen.

Esha konnte sich weiterhin gerade so auf den Zehenspritzen halten, musste sich aber sehr darauf konzentrieren, nicht die Balance zu verlieren, wodurch sich ihr Körper immer mal wieder versteifte und sie aufstöhnte. Ihre Hilflosigkeit ihrem Peiniger gegenüber wurde ihr jetzt deutlich bewusst.

Und Narrix genoss es. Seine Augen funkelten gierig und ein widerwärtiges Lächeln umspielte seine Lippen.

„Hören sie auf!“ rief Jorik und rappelte sich stöhnend und schwerfällig wieder auf.

Doch Narrix beachtete ihn gar nicht. Stattdessen machte er einen Schritt auf Esha zu und stand jetzt dicht vor ihr. Die junge Frau schien etwas überrascht und starrte ihm direkt in die Augen, wo sie bereits sehen konnte, was er im nächsten Moment tun würde. Schon hob er seinen rechten Arm an, legte seine rechte Hand auf ihre linke Brust und begann sie rüde zu kneten. Eshas Körper zuckte im ersten Moment, doch wusste sie, dass sie nicht die geringste Chance hatte, sich diesem widerlichen Griff zu entziehen und ihn gewähren lassen musste. Zu allem Überfluss waren ihre Brustwarzen aufgrund der körperlichen Penetration durch den Strick hervorgetreten und hart, sodass Narrix sie fühlen und bearbeiten konnte. Sie spürte den heißen Atem des Captains auf ihrer Wange und die aufsteigende Erregung in ihm.

„Lassen sie sie!“ brüllte Jorik aus dem Rückraum. Einen Augenblick später waren Faustschläge zu hören. „Hören sie auf!“ Doch Jorik hatte keine Chance gegen den Wachmann. Ein erstickter Schrei, wieder ein Faustschlag, dann sank er stöhnend zu Boden.

Narrix nahm keine sichtbare Notiz davon. Er knetete Eshas Brust und stöhnte dabei. Dann schob er sein Gesicht neben ihres. „Du bist eine verdammte Wildkatze!“ Er grinste. „Ich werde am Ende…!“ Er stöhnte heiser auf. „…sehr viel Spaß mit dir haben!“ Und schon im nächsten Moment küsste er sie auf die linke Wange, dann schob er seine Zunge über sie hinweg bis neben das Auge, wobei er erneut stöhnte und seinen Griff um ihre Brust nochmals intensivierte.

Esha war vollkommen hilflos, musste alles über sich ergehen lassen, die Schmerzen, die durch ihre Brust und die Brustwarze fuhren und den Ekel über seine Nähe. Und sie war sicher, dass er nicht aufhören würde. Fast rechnete sie damit, dass er sie hier und jetzt in dieser Position vergewaltigen würde.

Doch plötzlich zog er sich abrupt zurück und gab für Esha wieder unbemerkt ein Zeichen an den Wachmann, der daraufhin den Strick löste. Während sie zurück auf ihre Füße sackte, die sofort zitternd nachgaben, sodass sie keuchend und nach Atem ringend auf die Knie fiel, drehte sich Narrix um und schaute ausdruckslos auf den am Boden liegenden Jorik. „Also?“ zischte er.

„Marivar!“ stieß Jorik hervor und rollte sich auf die Knie. „Ihr Name ist Marivar!“ Als er ihren Namen sagte, stellten sich wieder Gewissensbisse ein, doch es war doch eigentlich vollkommen unwichtig, ob sein Gegenüber ihren Namen kannte.

„Deine Frau?“

Jorik zögerte, doch dann nickte er.

„Miststück!“ zischte Narrix erneut. „Wo ist sie?“

„Ich weiß es nicht!“ erwiderte Jorik sofort und das war ja auch keine Lüge. „Sie wurde bei eurem Angriff auf den Elay verletzt und war bewusstlos. Ich habe sie in eine Felsspalte geschoben, damit ihr sie nicht findet!“

Narrix sah ihn mit finsterer Miene an und schien zu überlegen. „Da wir wissen, dass sie mittlerweile wieder wach ist, wird sie sich sicherlich ein anderes Versteck gesucht haben!“ Er nickte. „Aber sie hat einen Kommunikator!?“

„Nein, hat sie nicht!“ erwiderte Jorik.

„Ach? Und wie sollte sie mit euren Freundin im Flugboot Kontakt aufgenommen haben?“ Sein Blick wurde säuerlich. „Gebärdensprache, Rauchzeichen, Gedankenübertragung?“

„Ich…!“ Jorik quälte sich zurück auf die Beine. „…weiß es nicht!“

Abrupt zuckte Narrix einen Schritt nach vorn und starrte dem überraschten Jorik direkt in die Augen. „Lüg…!“ Sein Blick wurde angewidert. „…mich nicht an!“

„Aber ich lüge nicht!“ rief Jorik.

„Dein Pech!“ Narrix Kopf wirbelte herum und er gab der Wache am Seil wieder ein Zeichen, woraufhin diese sofort reagierte. Mit einem unfassbar kräftigen Zug, riss sie Esha aus der Hocke heraus in die Höhe und ließ sie hilflos in der Luft baumeln. Die junge Frau schrie erstickt auf und war so erschrocken, dass ihr ganzer Körper erbärmlich zuckte. Augenblicklich spürte sie Hitze aufsteigen, ihr Puls hämmerte unter die Schädeldecke, sie rang panisch nach Luft, die sie aber nicht fand und hörte das bedrohliche Knirschen ihres Kehlkopfes.

„Halt, nein!“ Jorik war sichtlich entsetzt über Narrix Reaktion. „Warten sie!“ Doch es geschah nichts. Esha wurde vor seinen Augen weiter stranguliert. „So warten sie doch! Ich…habe mich geirrt! Verdammt, Narrix, verdammt!“ Er brüllte aus vollem Leib und zerrte wieder an seinen Fesseln.

Der Kopf des Captains zuckte zurück zu ihm und er starrte ihn scharf an. „Letzte Chance!“ zischte er.

„Ja, sie hat einen Kommunikator! Von mir!“ sagte Jorik sofort.

Narrix musterte ihn noch einen Moment, dann wandte er sich an die Wache und gab ihr das Zeichen, Esha wieder abzulassen. Die junge Frau sank sofort auf ihre Knie und röchelte wild nach Luft, hustete, spuckte Schleim aus. Schon im nächsten Moment verdrehte sie die Augen, fiel zur Seite und schlug bewusstlos zu Boden.

Jorik wollt instinktiv zu ihr, doch er wurde zurückgehalten.

„Ich will, dass du Kontakt mit ihr aufnimmst!“ Narrix trat wieder direkt vor Jorik.

Der schien im ersten Moment ablehnen zu wollen, doch dann nickte er.

Daraufhin drehte sich Narrix zu der Wache mit dem Seil. „Schafft sie raus und kümmert euch um sie!“ Während der Mann tat, was ihm befohlen wurde, wandte sich der Captain nochmals an Jorik. „Du tust es besser, sonst werde ich sie zurückholen und dann wird sie vor deinen Augen am Strick sterben!“

*

Leira, das monströse Bärenwesen, war bisher still gewesen und hatte sich mehr darauf konzentriert, dem Admiral zuzuhören und sich ansonsten um Jovis zu kümmern. Sie verstand so ziemlich alles, was Lobos erzählte, nur manchmal kam sie nicht mehr mit. Das machte sie ein wenig wehmütig, denn früher hätte sie eigentlich so gut wie nichts von dem begriffen, was besprochen wurde. Der Krieg hatte all dies geändert und sie zwangsläufig mit menschlichen Waffen, Flugbooten und tödlichen Gefechten in Verbindung gebracht. Sie war nicht stolz auf all ihr Wissen, da das meiste aus der Hölle direkt zu kommen schien. Und doch gab es auch positive Veränderungen, seit jenem Tag, an dem die Zeitrechnung auf Santara eine andere geworden war und dazu zählte ganz sicher die Bekanntschaft der Menschen hier in diesem Raum, von denen sie einige inzwischen sehr gute Freunde nennen konnte und für die sie tatsächlich Liebe empfand, in dem Wissen, dass es umgekehrt ebenso war.

Allerdings – und im Moment hatte sie das Gefühl, dass die anderen dies vergessen zu haben schienen – gab es auch noch andere Menschen, die ihre gemeinsamen Freunde waren und die dringend ihre Hilfe brauchten. Leira jedoch schien es, als würde sich gerade alles nur um die Kamarulu und ihre Zukunft drehen. Das aber konnte sie nicht mehr mit anhören und so machte sie sich mit den ihr eigenen Brumm-, Fauch- und Stöhnlauten bemerkbar.

 

Lobos Kopf zuckte sofort zu ihr herum und er sah sie in einer Mischung aus Überraschung und Furcht an, denn natürlich kannte er Leira noch nicht wirklich, auch wenn ihm die anderen allesamt versichert hatten, dass in ihr ein wahrer Engel steckte.

Vilo drehte sich ebenfalls zu ihr, doch er hörte einfach nur auf das, was sie sagte. Von allen Anwesenden konnte er das Bärenwesen wohl am besten verstehen, vielleicht sogar noch besser als seine Frau Kaleena, einmal von Jovis abgesehen, der Leira eher als große Schwester, denn als tierisches Wesen betrachtete. Während sie weiter brummte und fauchte und stöhnte, lauschte Vilo aufmerksam, zog dann die Augenbrauen in die Höhe und nickte. „Du hast Recht!“ rief er mit fester Stimme. „Wir dürfen sie nicht vergessen!“

Wen dürfen sie nicht vergessen?“ fragte Lobos und schaute Leira mit großen Augen an.

„Jorik, Shamos und all die anderen!“ Vilo drehte sich zur Gruppe und sah augenblicklich Zustimmung.

„Verdammt!“ raunte Mavis. „Das ist mir fast entfallen!“ Er schaute zu Captain Cosco.

Der Fliegerveteran nickte und sein Gesicht wurde traurig. „Was aber können wir tun?“

Für einen Augenblick war es still im Raum.

„Wir müssen zurück nach Kimuri!“ rief Kaleena mit besorgter Miene. „Wir müssen sie da rausholen!“

„Das dürfte schwer werden!“ meinte Lobos. „Keines der Flugzeuge hat den Absturz überlebt. Hier gibt es nichts mehr, was sich noch in die Lüfte erheben könnte!“

„Verdammt!“ Tibaks Miene wurde säuerlich. „Dann müssen wir sie wirklich in den Fängen dieser Psychopathen lassen?“ Er brummte missmutig.

„Nein!“ Mavis schüttelte den Kopf. „Nein, das kann nicht sein. Das darf nicht sein!“ Er schaute seine Freude an und Hoffnung, Sorge und Verzweiflung waren in seinem Blick zu erkennen. Niemand aber hatte eine zündende Idee. Mavis Blick schweifte weiter umher und plötzlich hielt er inne. Er starrte für einen Augenblick auf einen Terminal auf der linken Seite, dann kräuselten sich seine Augenbrauen, sein Blick wurde finster, er schien zu überlegen und mit einem Male erhellte sich sein Antlitz. „Und das muss es auch nicht!“ Ein kurzes Lächeln zuckte über seine Lippen, verschwand aber sofort wieder. „Wenn wir Glück haben!“

*

Jorik wurde rüde aus dem Raum gestoßen. Als er den Gang entlang blickte, konnte er sehen, dass man Esha zurück in ihre Zelle brachte. In dem Moment, da die Tür dort geöffnet wurde, war ein entsetzter Schrei zu hören. Jorik wusste nur zu genau, von wem er stammte und er spürte trotz aller Schmerzen in seinem Körper einen tiefen Stich im Herzen.

Im nächsten Moment bekam er einen herben Stoß in die rechte Seite und fand sich in der Kommunikationszentrale des Lagers wieder, wo man ihn zu einem Tisch auf der linken Seite führte, auf dem ein Funkgerät stand.

Jorik blieb vor dem Tisch stehen, doch bevor er Zeit bekam, zu überlegen, was er jetzt und vor allem, wie er es tun sollte, schlug ihm die Wache ihren Gewehrknauf zwischen die Schulterblätter und drückte ihn damit auf den Stuhl. Einen Augenblick später trat Narrix von der anderen Seite zu ihm. „Du hast genau…!“ Er wartete, bis Jorik ihn ansah. „…eine Chance, das Richtige zu tun!“ Seine Stimme klang sanft, aber dunkel. Jorik nickte ihm nach der Verzögerung einer Sekunde zu. Plötzlich zuckte ein Messer in Narrix rechter Hand hervor. Jorik erschrak, doch der Captain langte mit einem müden Lächeln in seinen Rücken und löste damit die Fesseln um seine Handgelenke.

Als seine Arme herabsanken, spürte Jorik wie seine Muskeln im Nacken und in den Schultern aufheulten und er musste stöhnen. Ebenso, als er die Arme anhob und schließlich auf den Tisch legte. Die Verspannung, verursacht durch die lange Zeit der unnatürlichen Haltung seiner Arme, brachte ihm augenblicklich Kopfschmerzen. Jorik schloss die Augen und atmete mehrmals langsam und tief durch.

„Hier!“ Narrix stellte ihm einen Becher mit Wasser vor die Nase. „Damit deine Stimme nicht zu rau klingt!“

Jorik wollte zunächst ablehnen, doch der Durst war einfach zu groß und so trank er einen großen Schluck, der das Glas zur Hälfte leerte. Im nächsten Moment schon musste er erbärmlich husten und sein Körper zuckte, doch am Ende tat das Wasser seine erfrischende Wirkung. Jorik nahm das Glas erneut und trank drei weitere, jedoch kleinere Schlucke.

„Fertig?“ fragte Narrix und ein wenig Ungeduld schwang in seiner Stimme mit.

Jorik sah ihn mit säuerlicher Miene an, doch nickte er.

Narrix betätigte einige Schalter an dem Funkgerät, es piepte einmal, dann war ein Rauschen zu hören, durch das es dann und wann knackte. Hiernach stellte er das Mikrofon vor Jorik. „Auf geht’s!“ sagte er, richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust.

*

„Haben sie es?“ fragte Mavis ungeduldig und schaute zu Lobos herüber.

Der Admiral stand drei Tische von ihm entfernt über einem Terminal gebeugt und hatte gerade einige Befehle in die Tastatur eingegeben. Jetzt schaute er gespannt auf den Bildschirm. Dort waren mehrere, kleine Quadrate abgebildet, sowie ein großes, senkrecht stehendes Rechteck auf der rechten Seite. Alles war durch feine Linien miteinander verbunden. Das Rechteck war grün, die meisten Quadrate rot, ebenso fast alle Linien. Nur wenige Quadrate waren ebenfalls grün und zu ihnen führten blaue Linien. Einen Augenblick später wurde eine der roten Linien jedoch ebenfalls blau und ein weiteres Quadrat in der linken oberen Ecke wechselte zu grün. Lobos brummte zufrieden. „Ja, alles okay!“

Jetzt war Mavis wiederum zufrieden und nickte dem Mann – einem von Lobos Leuten -, der vor ihm auf einem Stuhl vor einem weiteren, eingeschalteten Terminal saß, zu und reichte ihm den einzigen noch funktionierenden Kommunikator, den sie besaßen. Der Mann nahm ihn behutsam entgegen, öffnete ihn und steckte ihn dann in einen kleinen quadratischen Kasten, wodurch das Gerät mit dem Terminal verbunden war. Als auf dem Bildschirm einige Begriffe auftauchten, die er nicht sofort verstand, wurde Mavis etwas unsicher, doch der Mann vor ihm nickte. „Die Verbindung zur Antenne ist hergestellt und konstant!“ Er drehte sich herum und schaute dem Commander direkt an. „Sie können loslegen, sobald sie die Frequenz eingestellt haben!“ Er nickte in Richtung Kommunikator.

Mavis brummte zustimmend. Mit Verbindung zur Antenne war die Antenne auf dem Dach der Kommandozentrale gemeint, die als einzige überhaupt noch vorhanden, aber lange nicht mehr genutzt worden war. Offensichtlich aber hatte sie keinen nennenswerten Schaden genommen. Also konnte er sein Vorhaben starten, von dem er hoffte, dass es Sinn machte. Aus diesem Grunde schaute er nochmals etwas unsicher in die Runde, doch er erntete zumindest keinen Widerspruch, obwohl er den anderen noch nicht wirklich erklärt hatte, was er vorhatte. Zum Schluss sah er Melia an und als er in ihrem Blick erwartungsvolle Spannung und sogar den Hauch eines Lächelns erkennen konnte, fühlte er sich gestärkt und stellte mit einem Nicken die Frequenz ein, die ihn – hoffentlich – mit Marivars Kommunikator verbinden würde.

Wenn das geschafft war, würde er ihr erklären, wo sie waren – ohne allerdings etwas von Lobos und seinen Leuten oder der Kamarulu zu erzählen – und ihr sagen, was sie vorhatten – nämlich sich zu Fuß auf den Weg zur Küste zu machen, um dann irgendwie nach Kimuri überzusetzen und sie und ihre Freunde aus der Gewalt von Captain Narrix zu befreien. Er würde sich viel Zeit für seine Erklärungen lassen, Marivar nach ihrem Befinden befragen – jedoch nicht nach ihrem Versteck – und ihr dann lang und breit erklären, was genau sie zu tun gedachten.