Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane

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Commander Willard Reilly lag wach in seiner Kabine, obwohl er besser geschlafen hätte, wenn er nicht die nächste Wachperiode vollkommen übermüdet beginnen wollte.

Aber da war etwas, das ihm den Schlaf raubte und verhinderte, dass er zur Ruhe kam. Er betrachtete das Metallrelief, das auf seine Veranlassung hin angebracht worden war.

Es stellte ein Wikingerschiff dar.

Was hätte einer dieser Nordmänner seinerzeit gesagt, wenn sein Vater von ihm verlangt hätte, immer dieselbe Linie zu fahren – von einem Ende des Heimatfjords zum anderen? Wahrscheinlich hätte sich das keiner diese kühnen Seefahrer jemals gefallen lassen!

Commander Reilly erhob sich schließlich von seinem Bett und verließ die Einzelkabine, die ihm als Captain der STERNENKRIEGER zustand. Angesichts der räumlichen Enge, die an Bord des zylinderförmigen Raumschiffs bestand, war dieses Privileg nicht hoch genug zu schätzen, wie Reilly sehr gut wusste.

Der Captain der STERNENKRIEGER suchte einen der Aufenthaltsräume auf und zog sich einen Syntho-Drink.

Bruder Patrik saß an einem der Tische und aß einen Salat. Daneben lag ein Handheld-Computer auf dem Tisch, dessen Display aktiviert war.

Ihm gegenüber hatte Fähnrich White Platz genommen. Die junge Technikerin aus Morton Gorescus Maschinenraum-Crew hatte ein beinahe entrückt wirkendes Gesicht während sie den Wort reichen Ausführungen des Olvanorers lauschte. Padraig sprach ausführlich über einige Spekulationen, die ihm in Bezug auf das Volk der Xabo durch den Kopf gingen. Bruder Padraig bezog sich dabei allerdings vor allem auf die Veränderungen in Weltanschauung und Religion. Seiner Ansicht nach musste sich ein traumatisches Fluchterlebnis, wie es die Xabo in Bezug auf die Qriid zweifellos hinter sich hatten, auf die gesellschaftliche Ordnung ihrer neuen Heimat auswirken.

„Was Sie alles wissen, Bruder Padraig!“, hauchte Catherine White. „Beeindruckend!“

„Das meiste sind nur Vermutungen“, erwiderte Padraig. „Vermutungen, bei denen ich mir im Übrigen noch nicht einmal wirklich wünschen kann, dass ich damit Recht behalte!“

Catherine White blickte auf das Chronometer an ihrem Handgelenk, das Teil des persönlichen Armbandkommunikators war, den jedes Besatzungsmitglied der STERNENKRIEGER während seines Dienstes an Bord tragen musste. „Ich hatte ganz vergessen, dass ich eine Extra-Schicht übernommen hatte und jetzt augenblicklich in den Maschinenraum gehen muss.“

„Sie vertreten den L.I., nicht wahr?“, fragte Bruder Padraig.

Catherine White war völlig perplex. Sie sah den Olvanorer-Mönch erstaunt an. „Woher wissen Sie das?“

„Ich beobachte vieles. Unter anderem meine Gesprächspartner.“

„Und das können Sie dadurch sehen?“

„Ich bin kein Hellseher oder dergleichen, sondern ziehe nur meine Schlüsse aus dem, was mein Bewusstsein an Informationen intuitiv aufnimmt. Das ist alles. Bei Ihnen ist mir aufgefallen, dass Sie offenbar ein weiches Herz haben. Sie können Gorescu nichts abschlagen – und das hängt mit seiner familiären Situation zusammen.“

„Wie auch immer, Bruder Padraig. Wir können unsere Unterhaltung gerne in Kürze fortsetzen, aber ich habe mich nun mal in den Dienstplan eingetragen und das bedeutet für einen Raumsoldaten des Space Army Corps auch, dass er pünktlich ist und man sich auf ihn verlassen kann!“

„Sicher. Aber gestatten Sie mir dennoch eine Frage, Fähnrich!“

„Ganz bestimmt nicht jetzt, Bruder Padraig. Ich muss jetzt los!“

White bemerkte den Captain und nahm Haltung an.

„Wegtreten und rühren, Fähnrich“, sagte Willard Reilly.

Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie den Raum verlassen.

Dann wandte sich Reilly an Bruder Padraig. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

„Natürlich.“

„Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die mich im Moment tief bewegt.“

„Nur zu! Ich bin Ihr Berater und damit Ihr erster Ansprechpartner.“

„Trotzdem ist es nicht ganz einfach für mich, diese Sache anzusprechen“, erklärte Commander Reilly.

„Dann handelt es sich um ein privates Problem?“

„Ja, Bruder Padraig.“

„Sofern ich helfen kann, tue ich das gern.“

Commander Reilly nippte an seinem Syntho-Drink und beugte sich dann etwas vor, um nicht so laut sprechen zu müssen. „Stimmt es, dass der Orden seine Mitglieder nach bestimmten Kriterien aussucht und sie bereits lange zuvor daraufhin beobachtet, in wie fern sie für den Orden geeignet sind?“

„Würden Sie nicht auch jeden Gast erst eingehend prüfen, bevor Sie ihn in Ihre Wohnung lassen?“

„Das ist keine Antwort auf meine Frage!“

„Entschuldigen Sie. Es war nicht meine Absicht, Ihnen auszuweichen, Captain!“

Was denn sonst?, fragte sich Reilly unwillkürlich. Diese Kunst habt ihr Olvanorer doch perfektioniert. Ihr nennt das dann Diplomatie.

Reilly erklärte: „Meine Frage ist nun, nach welchen Kriterien Ihre Ordensmitglieder den Nachwuchs auswählen?“

„Das ist nicht wirklich die Frage, die Sie mir stellen wollen. Sie dient nur dazu, eine andere Frage zu verdecken!“, erwiderte Bruder Padraig.

„Was meinen Sie damit?“

„Ihr Bruder ist Mitglied unseres Ordens, nicht wahr?“

„Ja“, nickte Reilly.

„Sie haben Schwierigkeiten damit, dass nicht Sie es waren, den unsere Scouts beobachtet und erwählt haben. Sie können nicht akzeptieren, dass an Ihrem Bruder etwas sein soll, das Ihnen zu fehlen scheint.“

„Nein. Sie missverstehen mich.“

Bruder Padraig lächelte nachsichtig.

„Sie wollen wissen, was es ist, das Ihren Bruder zu einem Olvanorer macht. Ich hingegen versuche Ihnen klar zu machen, dass es darauf nicht ankommt. Jeder Mensch hat seinen Wert aus sich selbst heraus und nur ein Narr sucht sein Maßstab bei einem anderen Individuum.“

„Sie wollen mir die Kriterien nicht nennen, nach denen Olvanorer erwählt werden!“, stellte Commander Reilly fest. „Es scheint sich also um eine Art Ordensgeheimnis zu handeln, habe ich recht?“

„Es spielt für Sie keine Rolle, Captain. Schließlich sind Sie ja kein Olvanorer und obgleich Sie viel Zeit damit vergeudet haben mögen, darüber zu rätseln, was Ihr Bruder Ihnen voraushaben mag, so hatten Sie doch im Inneren Ihrer Seele niemals vor einer zu werden.“

„Das mag sein“, gab Reilly zu.

„Sie haben Ihren Platz gefunden, Commander Reilly. Sie genau so wie Ihr Bruder. Und damit sollten Sie es bewenden lassen.“

Vielleicht hat er recht!, dachte Willard Reilly schließlich. Wahrscheinlich ist es sehr viel einfacher, einen Pudding an die Wand zu nageln als von einem Olvanorer eine Information zu entlocken, die dieser nicht preisgeben will!

Kapitel 4: Ein Eissegler namens STURMTROTZER

Magoon stand zusammen mit den anderen Männern am Ruder des gewaltigen Eisseglers. Die Aufbauten bestanden aus mehreren Gebäuden. Aus den Schloten quoll dunkler Rauch, den der unbarmherzige Wind zerstob, der eisig über die endlose Ebenen pfiff.

Nur mit vereinten Kräften konnten die Männer das Ruder herumreißen. Es knarrte. Die aus sehr harten Karbonfasern bestehenden, halmartigen und innen hohlen Stämme, die den Zusammenhalt des gesamten Gefährts sicherten, ächzten. Manchmal verzogen sie sich auch, aber man konnte eigentlich immer sicher sein, dass sie den Belastungen standhielten, die das Klima von Arakor – wie die einheimischen Humanoiden ihre Welt nannten – bereithielt.

Langsam begann der wie ein surrealer Koloss über das Eis dahin gleitende Segler mit der optimistischen Bezeichnung STURMTROTZER die Richtung zu ändern. Die Segel bewegten sich und schlugen schließlich unruhig hin und her, als Wind von vorn kam. Die, aus Algen, geflochtenen Taue verloren die Spannung und wurden hin und her geschlagen.

Die Ankerwerfer standen am Bug an den Seiten vor der Reling des Eisseglers, bereit ihre an dicken geflochtenen Algenseilen befestigten Metallhaken zu schleudern. Das Metall stammte aus Erzknollen, mit denen der Grund des Meeres übersäet war, das sich unter dem Eispanzer befand. Die Ankerhaken waren zuvor in der Feuerkabine rot glühend gemacht worden, sodass sie schneller in das Eis einsanken und sich dort verkanteten. Der Eissegler hatte trotz der Tatsache, dass er jetzt gegen den Wind gewendet hatte, eine erhebliche Geschwindigkeit drauf. Der Wind hatte an Kraft zugenommen und es war bei den derzeitigen Wetterverhältnissen einfach unmöglich, den Eissegler allein durch das Lenken in den Wind schnell genug zu stoppen.

Davon abgesehen beabsichtigte Magoon ein Lager zu errichten. Sturm kündigte sich an. Es gab gute Wetterpropheten unter dem Volk von Arakor, aber im Augenblick waren die Zeichen des Himmels so deutlich, dass jeder einfache Ankerwerfer ebenso gut eine zutreffende Vorhersage liefern könnte.

Magoon, der Kapitän des Eisseglers STRURMTROTZER, gab das Zeichen.

Er löste den Griff um das Ruder.

Ein halbes Dutzend andere starke Männer hatte ihre Arme um den Holm gelegt, mit dem die Ruderkufen bewegt wurden. Normalerweise war die Bedienung des Ruders nicht so schwer und lief über ein System von Flaschenzügen, die dafür sorgten, dass während der Fahrt die Steuerkufen mit einem minimalen Kraftaufwand über ein mit Greifholmen bestücktes Rad bedient werden konnten. Aber während der Fahrt war einer dieser aus karbonhaltigem Flechtwerk bestehenden Riemen gerissen, was zur Folge gehabt hatte, dass der STURMTROTZER beinahe mit einem anderen Eissegler gleicher Größe kollidiert wäre. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Männer an Bord des STURMTROTZERS die Lage mit Hilfe purer Körperkraft letztlich doch wieder einigermaßen unter Kontrolle gebracht hatten.

 

Ein Dauerzustand war das natürlich nicht.

Daher stand die Reparatur des Steuers auch ganz oben auf Magoons Prioritätenliste.

Der Kapitän des STURMTROTZERS gab den Ankerwerfern den Befehl zum Auswurf, indem er eine sehr schrille Pfeife in den Mund nahm. Der Laut, der aus dem etwas daumengroßen Instrument hervorkam, war so schrill, dass er problemlos alle anderen Umgebungsgeräusche übertönte.

Gefertigt war diese Pfeife aus einer Muschelart, deren Heimatgefilde sich in lebendigem Zustand einige hundert Meter unter der Eisdecke befanden.

Ein Ruck ging durch den Eissegler.

Die Männer mussten sich so gut es ging festhalten. Die glühenden Ankerhaken pflügten zischend durch das Eis und der Koloss kam schließlich zum stehen.

Sofort machten sich die Segelmannschaften daran, die einzelnen Segel zu bergen, die jetzt schlaff von den Gaffeln der drei Masten hingen.

Je schneller diese Segel eingeholt wurden, desto weniger bestand die Gefahr, dass der Wind vielleicht plötzlich etwas drehte und doch noch eine unberechenbare Böe den Segler mit sich nahm.

Der STURMTROTZER kam nun endlich zum Stehen.

„Bei der SEELE ALLER! Der Sturm hat noch nicht einmal richtig begonnen, und wir können die Segler schon kaum noch bändigen!“, stieß einer der anderen Männer hervor. Er hieß Bendas und war Magoons Stellvertreter im Kapitänsamt des STURMTROTZERS.

„Ja, wir werden den STURMTROTZER gut befestigen müssen! Und vor allem werden die kleineren Segler sich an die größeren sicher anbinden oder davon geweht werden!“

Außer dem STURMTROTZER hatten auch die etwa zwei Dutzend weiteren Eissegler unterschiedlichster Größe, die zum Verbund gehörten, gestoppt. Die Aktion hatte synchron durchgeführt werden müssen, damit die einzelnen Segler des Verbundes sich nicht zu weit voneinander entfernten. Wenn der Sturm noch heftiger wurde und sie vielleicht Tage oder Wochen hier fest saßen, dann waren die Besatzungen gegenseitig aufeinander angewiesen.

Mit fieberhafter Eile wurden die Befestigungsarbeiten durchgeführt. Am Horizont türmte sich derweil eine dunkle Säule gen Himmel empor.

Das Schlimmste haben wir noch vor uns!, dachte Magoon. Wir können nur hoffen, dass die SEELE ALLER uns beschützt. Das einzige, was ihm im Moment ein Trost war, war der Umstand, dass auch die vogelartigen Außenweltler von dem Sturm betroffen sein würden.

Aber wahrscheinlich wird ihnen der Sturm nicht so viel ausmachen!, dachte er. Sie haben schließlich einen Segler, der nicht nur die Kälte des Eises, sondern selbst die Kälte des Weltraums zu überwinden vermochte!

Die J’arakor – wie sich alle diejenigen, die sich zum Volk von Arakor zählten selbst zu nennen pflegten – waren der Überlieferung nach ebenfalls vor unvorstellbar langer Zeit mit derartigen Sternenschiffen zu ihrer jetzigen Heimat gelangt. Ihre Vorfahren waren Raumfahrer, die einem gewaltigen Sternenreich gedient hatten, das plötzlich unerwartet zerfallen war.

Ein furchtbarer Feind war über die Welten jenes geheimnisvollen Sternenreiches hergefallen.

Aber Arakor hatte sich die Freiheit bewahrt – und das über mehr als zweieinhalb Sonnenumläufen!

Kein Außenweltler hatte es trotz unzweifelhafter technischer Überlegenheit geschafft, hier Fuß zu fassen, geschweige denn die freiheitsliebende J’arakor zu unterwerfen.

Die SEELE ALLER möge uns weiterhin die innere Kraft und Stärke geben, den Feinden zu widerstehen!, dachte Magoon voller Inbrunst.

Aber zunächst einmal galt es den Mächten der Natur zu trotzen, an die sich die J’arakor nahezu perfekt angepasst hatten. Ihre Heimat war eine Welt, auf der nichts wuchs und die unter ihrem massiven Eispanzer vor sich hin schlummerte. Und doch hatten die J’arakor es geschafft, hier zu überleben. Die Epen der Alten berichteten darüber, wie plötzlich jedwede Technik nicht mehr funktioniert hatte, wie Maschinen auf die die Bewohner dieser extrem klimatisierten Welt dringend angewiesen gewesen waren, plötzlich ihren Dienst verweigerten und viele Archive zerstört wurden, sodass man heute über diese Zeit nur noch wenig wusste.

Aber trotz dieser Unbilden hatten sich die J’arakor behauptet. Die SEELE ALLER war auf ihrer Seite gewesen und so hatte es keiner der Feinde überlebt, die es gewagt hatten, auf der eisigen Oberfläche Arakors zu landen. Tod und Gericht denen, die von der Gier und dem Machtdurst nach Arakor verschlagen werden!, erinnerte sich Magoon an eine sehr tröstliche Verszeile aus der Überlieferung der Verfahren. Ein Teil der Außenweltler hat bereits die Aussichtslosigkeit ihres Unternehmens erkennen müssen. Wahrscheinlich werden wir gar nichts weiter tun müssen, um auch die Schnabeltiere von hier zu verjagen!

Die Ankerhakenwerfer warfen nun inzwischen Strickleiter aus, um seitlich am STURMTROTZER hinab zu steigen. Ihre Aufgabe war es nun, am Boden weitere Befestigungsarbeiten durchzuführen. So gut es in der Kürze der Zeit ging, wurden zusätzliche Verankerungen gegen den Boden gerammt. Die dumpfen Hammerschläge waren wie ein fernes, verhaltenes Klopfen zu hören. Der Wind verschluckte die meisten Geräusche.

Immer heftiger wurde er.

Alle zur Verfügung stehenden Hände mussten jetzt mit anfassen.

Nur einer stand vollkommen untätig an Deck des Eisseglers und sah sich die gesamte Szenerie zwar interessiert, aber letztlich passiv an. Er gab noch nicht einmal irgendwelche Befehle.

Er war ungefähr ein Meter achtzig groß, trug einen dünnen, sorgfältig ausrasierten Oberlippenbart und wirkte in sich gekehrt. Die Kapuze seines aus Tierhäuten gefertigten Anoraks war auf Grund der Kälte tief ins Gesicht gezogen, sodass von der oberen Kopfhälfte ohnehin nichts zu sehen war.

„Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, wäre es in diesem Fall mit Sicherheit eine Alternative gewesen, wir hätten uns mit der Besatzung des gesamten Verbundes eingegraben.“

„Die Situation ist jetzt nun einmal so, wie sie ist, Gabaloon!“, erwiderte Magoon ziemlich direkt.

Arroganter J’ssour-Treiber!, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf. Andererseits bedeutete die Fähigkeit, die auf Arakor sehr verbreiteten ellipsoiden Vielbeiner unter Kontrolle halten zu können etwas, das für den gesamten Verbund nämlich sehr wichtig war. Das war auch der tiefere Grund dafür, weswegen einem talentierten J’ssour-Treiber nach traditioneller Ansicht so etwas wie Narrenfreiheit zustand.

1

Nirat-Son fühlte sich wie ein welkes Blatt im Wind, auch wenn es so etwas nur in seiner Heimat auf Qriidia gab und ganz gewiss nicht hier in dieser eisigen Einöde. Die Koordinaten, an denen Re-Lim und seine Gruppe zuletzt geortet worden waren, hatte er längst erreicht. Während die mörderischen Winde dieses Eisplaneten ihn hin und her schaukelten, versuchte der Tanjaj-Rekrut die Umgebung mit Hilfe eines Ortungsgeräts zu erfassen.

Schneefall hatte eingesetzt. Der Himmel war vollkommen grau geworden. Das Antigrav-Pak auf Nirat-Sons Rücken war kaum noch dazu in der Lage, ihn zu stabilisieren. Der Qriid schwebte zu Boden.

Sein Tanjaj-Nom hatte ihm den Befehl gegeben, die letzte Position von Re-Lims Gruppe aufzusuchen, während er selbst mit dem Rest seiner Tanjaj den Rückweg zu Beiboot angetreten hatte. Nirat-Son war sehr wohl bewusst, dass die Aufgabe, die sein Vorgesetzter ihm übertragen hatte, alles andere als ungefährlich war. Aber es entsprach der Tradition der Qriid, notfalls den Jüngsten zu opfern, um die anderen zu retten. In so fern wäre ihm auch niemals eingefallen, sich etwa mit einem Hinweis auf seine geringe Erfahrung gegen diesen Befehl zu wenden oder deswegen auch nur einen ärgerlichen Gedanken zuzulassen.

Er war ein Tanjaj-Rekrut und das bedeutete letztlich, dass er viel leichter zu ersetzen war als ein Tanjaj-Nom oder ein noch höherer Offizier. Schließlich ging es niemals in erster Linie um die Interessen des Individuums, sondern um die Errichtung der Göttlichen Ordnung im Universum. Der Wille Gottes, verkündet durch dessen Stellvertreter auf dem Thron in Qatlanor auf Qriidia, zählte und sonst gar nichts. Milliarden qriidischer Eierlegerinnen waren schließlich unablässig mit der Reproduktion neuer Tanjaj beschäftigt, die den Blutzoll, den der Heilige Krieg und die permanente Expansion kosteten, ausgleichen konnten.

Die in Thermostiefeln steckenden Krallenfüße des Tanjaj sanken einen halben Zentimeter in den frisch gefallenen Schnee ein, der sich unter der Last seines eigenen Gewichts nach und nach zu Eis verdichten würde, das dem Panzer, der diese Welt umgab, eine weitere Schicht hinzufügte.

Der Temperaturanzeiger zeigte Nirat-Son, dass es innerhalb der letzten Qriidia-Stunde noch wesentlich kälter geworden war. In dem Display seiner Schutzbrille blinkte ein Warnsignal auf, das ihn darauf hinwies, dass es unerlässlich war, die Heizfunktion seines Thermoanzugs an die Gegebenheiten anzupassen. Außerdem wurde ein Überblick über den Energiestatus des Anzugs eingeblendet.

Nirat-Son regulierte die Heizfunktion und konzentrierte sich anschließend wieder auf die Anzeigen seines Ortungsgerätes. Er hatte nach Signaturen der technischen Geräte gesucht, aber nichts gefunden. Weder von den Hand-Trasern noch von den Funkgeräten oder den Ortungsgeräten. Gerade bei letzteren war die Abschirmung in Bezug auf elektromagnetische Emissionen noch stark verbesserungsfähig, was andererseits aber auch die Ortung und vor allem die eindeutige Identifikation erheblich erleichterte. Aber nichts dergleichen zeigte sich bei den Anzeigen.

Nirat-Son musste sich gegen eine besonders heftige Windböe stemmen, die ihn beinahe zu Boden gerissen hatte. Der Sturm würde in Kürze vielleicht eine Intensität erreichen, die einen Aufenthalt im Freien zu einer ziemlich gefährlichen Angelegenheit machten. Aber Nirat-Son dachte nicht daran, jetzt aufzugeben und zum Beiboot zurückzukehren. Er hatte einen Auftrag bekommen. Einen Befehl. Und für einen Tanjaj war der Befehl eines Vorgesetzten mittelbar der Wille

Gottes. Etwas, das unbedingt erfüllt werden musste, denn der Aarriid war der Stellvertreter des Höchsten und seine Tanjaj-Offiziere und Priester wiederum waren die Stellvertreter des Stellvertreters.

Es war für Nirat-Son nahezu undenkbar, ohne die Erfüllung seines Auftrags zu seinem Tanjaj-Nom zurückzukehren, mochte er dabei auch gezwungen sein, ein hohes persönliches Risiko einzugehen.

Wenigstens die Signatur der Anzüge müsste zu orten sein – und wenn deren Energiestatus auf Null steht, müsste das Material sofort auffallen!, dachte Nirat-Son. Es sei denn, sie sind gar nicht mehr hier und jemand hat sie – gefangen genommen!

Dieser Planet barg ohne Zweifel unbekannte Gefahren, die offenbar auch der ersten qriidischen Expedition zum Verhängnis geworden waren.

Ob die schnabellosen Eingeborenen etwas damit zu tun hatten, war in Nirat-Sons Augen sehr unwahrscheinlich, da ihr technischer Standard nach allem, was man darüber wusste, von einem primitiven Niveau geprägt war.

Vielleicht suche ich einfach nach der falschen Sache!, ging des Nirat-Son durch den Kopf, während er die Einstellungen seines Ortungsgerätes veränderte.

Und dann wurde er fündig.

Er fand kalkhaltiges, organisches Material.

Der Schrecken fuhr dem Tanjaj in die Krallenarme.

Knochen!

Er ging ein paar Schritte, bis er einen Hügel erreichte. Eine kleine Schneeverwehung hatte sich gebildet.

Mit den in widerstandsfähigen Thermohandschuhen steckenden Pranken, die die kälteunempfindlichen Krallen freiließen, wenn man sie ausfuhr, begann der Qriid zu graben und wurde schnell fündig.

Es dauerte nicht lange und er hatte den ersten Knochen freigelegt.

Und die Analyse ließ nicht den Hauch eines Zweifels daran, dass es sich um Qriid-Knochen handelte. Mit Hilfe des Ortungsgerätes erfasste Nirat-Son den genetischen Code und verglich ihn mit der Gen-Datenbank seiner Einheit. Es konnte danach kein Zweifel mehr daran bestehen, dass er Re-Lims Knochen vor sich hatte.