Kubinke und die Leichen im Keller: Kriminalroman

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Ungefähr eine Stunde später befanden sich mein Kollege Kriminalinspektor Rudi Meier und ich auf dem Weg nach Frankfurt. Wir nahmen meinen Dienst-Porsche. Circa fünf Stunden fuhr man über die Bundesautobahn 9, vorausgesetzt, die Verkehrsverhältnisse waren einigermaßen normal, und es kam nicht zu den berüchtigten Staus vor der City von Frankfurt.

Aber bevor wir Frankfurt erreichen würde, hatten wir noch etwas anderes zu erledigen. Wir suchten die Strafanstalt auf, in der Valentin ‘Big Val’ Wachovsky einsaß. Da Wachovsky in diesem Fall bislang der einzige Ansatzpunkt für unsere Ermittlungen war, wollten wir ihm einen Besuch abstatten. Kriminaldirektor Hoch hatte das bereits für uns arrangiert. Und soweit wir informiert waren, schien Wachovsky es plötzlich kaum abwarten zu können, mit dem BKA zu sprechen.

„Glaubst du, dass Wachovsky bereits weiß, was geschehen ist?”, fragte Rudi während der Fahrt.

„Du meinst, weil er so bereitwillig mit uns reden will?”

„Er hat sich bisher immer geweigert, und es gibt in den Unterlagen eine Reihe von Protokollen, die, abgesehen von den Fragen des jeweiligen Verhörspezialisten, auf Seiten von Big Val nur ein einziges Wort verzeichnen: Schweigen.”

„Er kann sich gegen eine Befragung durch uns nicht wehren.”

„Früher hat er das aber. Er hat jeden Trick benutzt, Harry. Ärztliche Gutachten inklusive. Mal ist er damit durchgekommen und mal nicht, aber insgesamt hat er immer eine Art passiven Widerstand geleistet. Und jetzt lässt er durch seinen Anwalt mitteilen, dass er bereit ist, auf unsere Fragen zu antworten.”

„Die Tatsache, dass Jan Wachovsky unter den einbetonierten Toten im Horror-Haus von Frankfurt ist, wurde nicht veröffentlicht. Der Anwalt müsste schon Zugang zu geheimen Quellen haben.”

„Es reicht, wenn man gute Beziehungen zu irgendjemandem hat, der beispielsweise für ein Labor arbeitet, das von unseren Kollegen des wissenschaftlichen Forschungsteams für irgendwelche Spezialarbeiten in Anspruch genommen wurde. Und außerdem ist das Institut für allgemeinen Wohlstand zu seinen besten Zeiten ganz sicher eine Organisation gewesen, die mächtig genug war, um Maulwürfe bei den Ermittlungsbehörden zu haben oder Cyber-Angriffe zu initiieren, die ihnen möglicherweise Zugriff auf sensible Daten ermöglichen.”

„Warten wir ab”, meinte ich.

„Es könnte auch sein, dass Wachovsky von Anfang an mehr über das mysteriöse Verschwinden seines Sohnes gewusst hat und sich inzwischen einfach ein paar Dinge zusammenreimen kann, die wir vielleicht auch berücksichtigen sollten, Harry.“

Ich zuckte mit den Schultern.

In diesem Moment erreichte uns ein Anruf. Wir nahmen ihn über die Freisprechanlage entgegen.

„Hier Wildenbacher”, meldete sich der Gerichtsmediziner unseres wissenschaftlichen Forschungsteams. „Inzwischen konnten Förnheim und ich ein weiteres Opfer aus dem Horror-Haus in Frankfurt identifizieren. Es steht zwar streng genommen noch eine letzte Analyse aus, aber FGF meint, dass das eigentlich nur eine Formsache ist.”

„Wer ist der Tote?”

„Wir sind überzeugt davon, die sterblichen Überreste von Kriminalhauptkommissar Johannes Malert gefunden zu haben. Alles Weitere werden Sie sicherlich selbst herausfinden können. Zum Beispiel seit wann dieser Malert vermisst wird, an welchem Fall er gearbeitet hat und so weiter. Tatsache ist jedenfalls, dass es sich um den Kriminalhauptkommissar Johannes Malert aus Frankfurt handelt und nicht um einen Kommissar gleichen Namens auf Sylt. Der Zahnbefund ... Ach, die Einzelheiten werden Sie sicher langweilen. Der Gen-Test ist frühestens morgen da. Das liegt daran, weil das Vergleichsmaterial in einer Spezialklinik in München lagert, wo sich Malert vor ein paar Jahren einer Hautkrebs-Operation unterziehen musste. Die Fingerabdrücke, die ja auch in seiner Personalakte gespeichert sind, taugen leider nicht mehr zur Identifikation. Ist alles versteinert, wenn Sie versehen, was ich damit sagen will.”

„Wir haben uns mit den bisherigen Untersuchungsergebnissen einigermaßen vertraut gemacht”, sagte Rudi. „Insbesondere natürlich auch mit den zahlreichen Tatort-Fotos.”

„Wie auch immer. Sie bekommen natürlich noch einen vernünftigen Bericht, was die Identifikation von Malert angeht.”

„Gut”, sagte ich.

„Kann aber etwas dauern. Und ich dachte, Sie beide sollten so schnell wie möglich darüber informiert sein, dass unter den Opfern ein Kriminalkommissar ist.”

„Vielen Dank, Gerald”, gab ich zurück. „Wir wissen das sehr zu schätzen.”

„Je länger ich an diesem Ort arbeite, desto mehr steht mir deutlich vor Augen, was für ein Massaker hier stattgefunden haben muss. Das war ein geplantes Gemetzel. Wussten Sie, dass dieses Gebäude früher mal ein Tonstudio im Keller hatte?”

„Wir arbeiten noch nicht lange genug an diesem Fall, um schon alle Einzelheiten und Umstände zu kennen”, wich ich aus, denn ich wusste im Augenblick noch nicht, worauf Wildenbacher jetzt eigentlich hinaus wollte.

„Sehen Sie, die Sache ist doch ganz einfach: Bei einem Mord hat man immer das Problem, dass es Zeugen geben könnte. In einem Kellerraum ist das unwahrscheinlich. Aber da haben Sie normalerweise ein anderes Problem, wenn Sie mit einer Waffe herumballern.”

„Querschläger”, meinte Rudi. „In einem Keller herumzuballern kann lebensgefährlich sein.”

„Haben wir alles schon mitmachen müssen, Gerold”, ergänzte ich.

„Ja, aber in diesem Keller war das alles mörderisch elegant gelöst”, fuhr Wildenbacher fort. „Dieses ehemalige Tonstudio war wie geschaffen dafür. Erstens gab es eine Schalldämmung, die verhinderte, dass irgendjemand das Geknatter der Maschinenpistolen hören konnte und zweitens war die Isolierung an den Wänden ideal, um die ganzen Salven an Bleikugeln aufzufangen. Schließlich kann selbst auf diese kurze Entfernung zwischen Schützen und Opfern nicht jeder Schuss ein Treffer gewesen sein.”

„Grüßen Sie FGF von uns”, sagte ich zum Schluss.

„Werde ich ausrichten”, versprach Dr. Wildenbacher.

Die Vorgehensweise der Täter von dem „Horror-Haus“ in Frankfurt war äußerst brutal.

„Ich frage mich, ob die Opfer wussten, was mit ihnen geschieht, als sie in den Keller geführt wurden”, meinte Rudi.

„Ich will den Ergebnissen unserer Kollegen vor Ort ja nicht vorgreifen”, meinte ich. „Aber ich könnte mir vorstellen, dass Täter und Opfer sich sehr gut kannten und die armen Kerle einfach skrupellos in eine Falle gelockt wurden.”

„Um was zu erreichen?”, fragte Rudi. „Eine Säuberung innerhalb des Instituts?”

„So sieht es aus.”

„Wachovskys Sohn hatte eine Menge Schwarzgeld abgezweigt. Vielleicht war das der Grund, warum er dabei war.”

„Oder er war einfach im Weg, weil er der Sohn seines Vaters war”, wandte ich ein.

Rudi nickte.

„Big Val saß damals schon im Knast und ich nehme an, dass der Kampf um die Nachfolge im vollen Gange war.”




5


Wachovsky saß in einem Hochsicherheitstrakt. Er hatte aus Sicherheitsgründen keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen. In diesem Punkt deckte sich Wachovskys Wunsch mit der Einschätzung der Behörden, denn auch wenn Big Val niemals mit der Justiz zusammengearbeitet und noch nicht einmal bei der Bestätigung seiner Identität kooperiert hatte, so gab es doch gewiss genug Leute, die noch die eine oder andere Rechnung mit ihm offen hatten. Leute, die nur darauf warteten, dass sich eine Gelegenheit ergab, um diese Rechnungen blutig zu begleichen. Schließlich war Big Val während seiner Jahre an der Spitze des sogenannten Instituts für allgemeinen Wohlstand alles andere als zimperlich gewesen. Das galt für unbotmäßige Mitglieder der eigenen Organisation genauso wie für diejenigen, die den Geschäften des Instituts für allgemeinen Wohlstand in irgendeiner Weise in die Quere gekommen waren.

Das Passieren der Sicherheitsschleusen war auf Grund von Wachovskys besonderem Status ausgesprochen aufwändig. Als wir ihm dann in einem Verhörraum begegneten, erkannte ich ihn kaum wieder. Rudi und ich hatten die offiziellen Fotos von ihm gesehen, die bei seiner Verhaftung von ihm gemacht worden waren. Außerdem gab es natürlich noch jede Menge Bilder von ihm in den Medien, die über den Prozess berichtet hatten.

 

Wachovsky hatte erheblich zugenommen. Sein Gesicht wirkte aufgeschwemmt. Er hatte ein Doppelkinn und die früher scharf geschnittenen Konturen waren nur noch mit sehr viel Fantasie wiederzuerkennen.

„Es freut mich, dass Sie Zeit für mich hatten”, sagte Wachovsky, so als hätte er uns herbestellt. Er setzte sich ziemlich umständlich auf den bereitstehenden Stuhl.

Ein schmaler Mann mit Halbglatze und sehr kräftigen, schwarzen Augenbrauen, war in seiner Nähe.

„Frank Dachner”, stellte er sich vor. „Ich bin der Anwalt von Herr Wachovsky.”

„Kriminalinspektor Harry Kubinke”, gab ich zurück. „Und dies ist mein Kollege Kriminalinspektor Rudi Meier.”

„Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass mein Mandant die Möglichkeit bekommt, mit jemandem zu sprechen, der etwas hochrangiger ist als ein Kriminalinspektor.”

„Ohne in die Feinheiten der BKA-Hierarchie gehen zu wollen, aber so viel kommt da nicht mehr”, gab ich zu bedenken.

„Im Übrigen sind wir hier, um Ihren Mandanten zu sprechen und ihm etwas mitzuteilen - nicht umgekehrt”, stellte Rudi klar.

Wachovskys Gesicht wurde dunkelrot.

„Ist das wirklich so, ja?”, meinte er. Der Blick seiner grauen Augen hatte etwas Durchdringendes.

„Es geht um Ihren Sohn, Herr Wachovsky”, eröffnete ich.

Big Val ballte die Hände zu Fäusten.

„Ich nehme an, dass er tot ist”, sagte er. „Sonst wären Sie nicht hier. Und abgesehen davon, haben gewisse Gerüchte anscheinend die Runde gemacht. Die Tatsache, dass Sie mir jetzt gegenüber sitzen, bestätigt das alles nur.”

Ich wandte mich an Frank Dachner.

„Waren Sie der Überbringer dieser sogenannten Gerüchte?”

„Ich bitte Sie, bleiben Sie sachlich”, sagte Dachner. „Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.”

„Wie auch immer. Man hat eine Reihe von Leichen im Keller eines Hauses in Frankfurt gefunden”, fuhr ich fort. „Die Toten sind im Beton des Kellerbodens verborgen worden, nachdem man sie mit MPis abgeknallt hat.”

„Wer waren die anderen?”, fragte Big Val mit finsterer Miene.

„Unter den Opfern ist auch ein Kommissar. Alle anderen Opfer müssen noch identifiziert werden.”

Wir hatten uns inzwischen durch einen Anruf beim Chef des Polizeipräsidiums in Frankfurt darüber informiert, was Kommissar Malerts letzte Mission gewesen war, bevor er spurlos verschwand. Er hatte laut Auskunft des Dienststellenleiter monatelang verdeckt gegen das sogenannte Institut für allgemeinen Wohlstand ermittelt.

„Lassen Sie mir einen Augenblick, um die Nachricht zu verdauen, die Sie mir gerade überbracht haben”, sagte Big Val. Der große Ex-Chef sank förmlich in sich zusammen. Gleichzeitig wurde sein Gesicht zu einer Maske.

„Ich habe es nicht glauben wollen”, sagte er schließlich.

„Seit wann wissen Sie davon”?”, fragte ich. „Und von wem?”

„Das spielt keine Rolle.”

„Für uns schon.”

„Hören Sie, ich werde auspacken. Aber nicht sofort und nicht alles auf einmal.”

„Aber ...”

„Es gibt Menschen in meiner familiären Umgebung, die geschützt werden müssen. Deswegen muss ich jetzt sehr genau überlegen, was ich tue.”

„Es hieß zunächst, dass Ihr Sohn Jan verschwunden sei und dabei eine beträchtliche Menge an Schwarzgeld mitgehen ließ”, stellte ich fest.

Big Val verzog das Gesicht.

„Ja, es sah zunächst tatsächlich so aus. Ich habe diese Version ebenfalls bis vor kurzem geglaubt.”

„Wer oder was hat Ihren Glauben daran erschüttert?”, hakte ich nach. „Und wann genau ist das gewesen?”

„Ich sagte doch: Alles zu seiner Zeit. Und manche Einzelheiten gehören auch eigentlich gar nicht zur Sache. Verstehen Sie nicht? Solange ich in dem Glauben war, dass mein Sohn Jan sich irgendwo auf der Welt mit einem schönen Batzen Geld vergnügt, dass ihm nicht gehört, musste ich schweigen. Ich meine, er hat vielleicht etwas Unrechtes getan und Geld genommen, das ihm nicht gehörte. Aber deswegen würde ich ihn nicht ans Messer liefern.“

„Hat es eine Art Abkommen gegeben? Ihr Schweigen gegen das Leben Ihres Sohnes?”, fragte ich.

„Sie sollten jetzt besser nicht antworten, Herr Wachovsky”, fuhr Frank Dachner dazwischen. „Nicht bevor Sie Garantien auf Immunität für alle Verbrechen bekommen haben, die noch nicht verjährt sind und gegen die man eventuell noch gegen Sie ermitteln könnte. Außerdem verlangt mein Mandant ...”

Wachovsky hob die Hand und brachte Frank Dachner damit zum Schweigen.

„Hören Sie auf, Frank!”

„Ich mache nur meinen Job”, sagte dieser.

Er machte selbst für einen Anwalt in diesem Moment ein äußerst finsteres Gesicht. Ich fragte mich, wieso eigentlich. Was sollte seinem Mandanten noch passieren? Dass er jemals wieder auf freien Fuß kam, war ausgeschlossen. Dazu hatte er einfach schon zu viel auf dem Kerbholz.

„Sollte Ihr Mandant nicht gerade einen Mord erster Klasse gestehen, den er auch noch eigenhändig begangen hat und für den ein Staatsanwalt einen weiteren Prozess verlangen könnte, dann kann Ihrem Mandanten nichts mehr passieren”, sagte ich. „Er hat bereits die Höchststrafe und wird das Gefängnis auf gar keinen Fall noch einmal lebend verlassen.”

„Ach, haben Kriminalinspektoren jetzt neuerdings ein Jura-Studium hinter sich?“, erwiderte Dachner ätzend.

„Nein, aber sie lesen die Akten“, sagte ich.

„Herr Dachner neigt dazu, manchmal etwas übereifrig zu sein“, ergriff nun Big Val wieder das Wort. Er atmete tief durch. Er hob die zusammengeketteten Hände. „Können wir diesen Quatsch hier nicht sein lassen? Oder haben Sie Angst, dass ich hier im Raum einem von Ihnen an die Gurgel gehen könnte? Ich versichere Ihnen, ich habe noch nie jemanden mit meinen eigenen Händen getötet. Wenn, dann habe ich das andere machen lassen, wie Sie in den Prozessakten nachlesen können.”

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi.

„In Ordnung”, sagte ich und winkte einen der Wachleute herbei.

„Auf Ihre Verantwortung”, sagte dieser.

„Ich denke, das können wir riskieren”, sagte ich.

Anschließend atmete Big Val tief durch. Er schien mir gesundheitlich in keinem guten Zustand zu sein.

„Ich würde gerne mit meinem Mandanten ein paar Takte unter vier Augen reden”, sagte jetzt Frank Dachner. Aber Big Val schien davon nichts zu halten. Er winkte ab.

„Nicht nötig, Frank. Ich weiß sehr gut, was ich tue. Die Familie ist das Wichtigste. Würde Sie darin mit mir übereinstimmen, Kriminalinspektor Kubinke?”

„Wer könnte dem widersprechen?”, gab ich zurück.

„Bisher war es für mich das Wichtigste, meinen Sohn zu schützen. Aber jetzt hat es für mich die oberste Priorität, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die ihn auf dem Gewissen haben.” Er machte erneut eine Pause und rang nach Luft. „Mag ja sein, dass Jan seine Fehler hatte. Und es mag auch sein, dass er vielleicht nicht alle Hoffnungen, die ich und andere in ihn gesetzt haben, erfüllen konnte. Ja, ich würde sogar unterschreiben, wenn jemand behauptet, dass er in mancher Hinsicht eine große Enttäuschung für mich war.” Seine flache Hand knallte auf den Tisch. „Aber verdammt noch mal, dass gibt niemandem das Recht, mir meinen Sohn zu nehmen!”

„Herr Wachovsky, wir werden alles tun, um den oder die Schuldigen zu finden”, versprach ich.

Big Val verzog das Gesicht.

„Ist schon eine Ironie der Geschehnisse, dass ich auf Leute wie Sie anscheinend angewiesen bin, um so etwas zu erledigen”, meinte er. „Früher hätte ich nicht einmal etwas zu sagen brauchen. Es gab Leute, die mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben - wenn sie verstehen, was ich meine.”

„Ich denke schon.”

„Aber die Zeiten haben sich geändert. Für mich leider nicht zum Besseren.”

„Wer glauben Sie, steckt hinter dem Gemetzel in Frankfurt?”

„Das war ein Schlag, mit dem die mich treffen wollten. Mich und ein paar andere, die man wahrscheinlich unter den Leichen finden wird.”

„Können Sie da mal konkreter werden und ein paar Namen nennen?”

„Später. So weit sind wir noch nicht.”

„Außer Ihrem Sohn ist bislang nur ein weiteres Opfer identifiziert worden. Es handelt sich um einen Kommissar namens Johannes Malert, der sich unter dem Decknamen Rainer Kehler in die Organisation eingeschleust hatte.”

„Er hat gewusst, dass das ein gefährlicher Job ist, nehme ich an.”

Ich zeigte ihm ein Bild von Malert auf meinem Smartphone. Big Val warf nur einen kurzen Blick darauf und schüttelte dann den Kopf.

„Ich erinnere mich nicht an diesen Mann. Jedenfalls bin ich ihm nie persönlich begegnet.”

„Herr Wachovsky, wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und uns eigentlich vor, wenn Sie uns nicht das geringste Detail liefern?”, mischte sich jetzt Rudi ein. „Mein Kollege hat Ihnen jetzt schon mehrere goldene Brücken gebaut.”

„Hören Sie mir gut zu, Herr ...”

„Nein, jetzt hören Sie zur Abwechslung mir zu”, unterbrach ich ihn. „Als mein Kollege und ich hierhergekommen sind, taten wir das mit der Erwartung, dass es dem Vater eines Mordopfers wichtig ist, dass der Tod seines Sohnes restlos aufgeklärt wird. Sollte das ein Irrtum gewesen sein, dann ist es vielleicht besser, dass wir gehen und wir nicht länger davon abgehalten werden, unseren Job zu tun. Denn ganz gleich, was Ihr Sohn getan hat, wen er übers Ohr gehauen und wessen Schwarzgeld er an sich gebracht hat: Er ist für uns in erster Linie ein Mordopfer, dem Gerechtigkeit widerfahren sollte. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sein Vater dabei unser natürlicher Verbündeter sein müsste.”

„Das bin ich auch”, versicherte Wachovsky. „Aber Sie müssen mich auch verstehen.”

„Inwiefern?”

„Bevor ich Ihnen vertraue, muss ich wissen, wie ernst Sie es meinen.”

„Ich denke, dass Ihnen das jetzt klar sein sollte, Herr Wachovsky.”

„Außerdem hat für mich noch etwas anderes größere Priorität als die Sühne für den Tod meines Sohnes.”

„Und das wäre?”

„Die Sicherheit meiner Familie. Der Teil meiner Familie, der noch am Leben ist, um präzise zu sein. Außerdem sind da noch ein paar wenige Freunde und Menschen, die mir aus irgendeinem Grund wichtig sind. Ich muss dafür sorgen, dass sie in Sicherheit sind, wenn es losgeht.”

„Wenn was losgeht?”

„Die Jagd auf die Schweinehunde, Herr Kubinke. Die werden sich das nämlich nicht bieten lassen und grausam zurückschlagen. Dazu kenne ich diese Brüder nun wirklich gut genug.”

„Ihre Familie könnte ins Zeugenschutzprogramm”, schlug Rudi vor. „Wenn Ihre Aussagen wirklich Substanz haben ...”

Wachovsky machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr sich dann mit der Handinnenfläche über das Gesicht. Sein Blick wirkte müde, fast resigniert.

„Nein, das will ich nicht”, erklärte er. „Der Schutz des BKA ist nicht viel wert. Ich selbst habe ihn mehrfach ausschalten lassen, wenn es notwendig war. Daher weiß ich besser als jeder andere, dass man sich darauf nicht verlassen kann. Diese Dinge nimmt man besser selbst in die Hand.” Wachovsky machte eine Pause und lehnte sich etwas zurück. Ich fragte mich inzwischen, ob es nicht vielleicht doch Zeitverschwendung gewesen war, hierherzukommen, und sich die gleichermaßen großspurige wie martialische Rede von Big Val anzuhören. Ich fragte mich außerdem, ob unser Gegenüber uns am Ende nur zum Narren halten wollte und was der tiefere Sinn war, der hinter diesem Verhalten steckte. „Kommen Sie morgen wieder”, sagte Big Val schließlich. „Morgen Abend. Dann wird alles soweit geklärt sein, und ich werde Ihnen den Mann ans Messer liefern, der für die Morde in Frankfurt verantwortlich ist. Aber es gibt noch eine Bedingung.”

„Wir haben Ihnen bereits deutlich gemacht, wo die Grenzen unseres Spielraums in etwa sind”, hörte ich Rudi sagen. „Erwarten Sie nicht, dass wir darüber hinausgehen können. Das ist bereits das beste Angebot, das Sie bekommen können.”

„Das ist mir sehr wohl klar”, erwiderte Big Val. Für den Bruchteil eines Augenblicks spielte ein sehr kaltes Lächeln um seine Mundwinkel. „Ich möchte, dass Sie es unter allen Umständen vermeiden, Kontakt zu meiner Familie aufzunehmen. Dazu zählen meine Frau, meine Tochter, die in Hamburg die Hochschule besucht, sowie eine Liste von weiteren zwölf Personen, die entweder in verwandtschaftlichem Verhältnis zu mir stehen oder denen ich aus einem anderen Grund persönlich sehr nahe war. Ich habe eine Liste vorbereitet, auf der diese Personen zu finden sind. Sollten Sie, jemand anderes vom BKA, der lokalen Polizei oder der Staatsanwaltschaft diese Personen offiziell ansprechen, werde ich meine Bereitschaft zur Aussage sofort zurückziehen.”

 

„Eine harte Bedingung - wenn man bedenkt, dass Sie bis jetzt noch gar nichts geliefert haben”, sagte ich. „Genau genommen haben Sie uns noch nicht einmal plausibel gemacht, dass Sie überhaupt etwas liefern können.”

„Sie bekommen die Mörder von Frankfurt - und diejenigen, die jetzt das Institut für allgemeinen Wohlstand leiten. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Es wird am Ende keiner von ihnen übrig bleiben, so wahr ich Ihnen hier gegenüber sitze.”

„Dann geben Sie uns konkrete Informationen.”

„Bei unserem nächsten Treffen. Morgen Abend. Seien Sie pünktlich! Ich werde es auch sein. Ach ja, und noch etwas: Diese Zusage gilt nur für Sie persönlich, Herr Kubinke.”

„Wieso das?”

„Weil ich während unseres Gesprächs zu der Überzeugung gelangt bin, dass Sie es ernst meinen. Und das tue ich auch. Schicken Sie keine Stellvertreter und delegieren Sie die Sache nicht! Ich werde nur aussagen, wenn Sie dabei sind. Das ist die zweite Bedingung, die ich stelle.”

„Die zweite - von wie vielen?”, hakte ich nach.

„Es gibt nur die beiden, die ich Ihnen gerade gesagt habe. Sie sehen, ich will nichts für mich selbst. Über die Haftbedingungen kann ich mich nicht beschweren. Ich bin hier in Sicherheit - und das ist alles, was ich im Moment erwarte. Und die Gesetze kenne ich selbst inzwischen ganz gut und weiß, was für mich drin ist und was nicht.”

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