Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane

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5



Ich fuhr Richtung Frankfurt. Vielleicht schaffte ich es, mit einem Flieger wegzukommen, obwohl ich nicht so recht daran glaubte. Wie sich herausstellte, hatte ich auch allen Grund zur Skepsis, denn ich war kaum drei Stunden auf der Piste, da hörte ich im Autoradio bereits eine Fahndungsmeldung der Polizei.

Gesucht wurde ein Mann Ende zwanzig, der sich als Angehöriger der Kriminalpolizei ausgab und mit einem BMW unterwegs war. Sogar die ersten drei Buchstaben des Kennzeichens hatten sie. Und die Täterbeschreibung passte auf mich. Gute Arbeit. Ich konnte nur zähneknirschend gratulieren und mir überlegen, wie ich an einen anderen Wagen kam, der weniger verdächtig war.

Ich fuhr bei nächster Gelegenheit auf einen Parkplatz und tauschte die Nummernschilder des BMW gegen diejenigen aus, die ich von meinem Volvo entfernt hatte. Perfekt war das nicht, aber fürs erste würde es vielleicht reichen. Es wurde dunkel, was mir im Moment ganz recht war. Nicht mehr lange, und man würde von dem BMW nur noch vier Lichter sehen. Und von mir gar nichts mehr. Ich steckte bis zum Hals im Sumpf, das wurde mir mehr und mehr bewusst.

Wenn ich jetzt bei irgend einem Flughafen anrief, um mir einen Platz auf einer Maschine - egal wohin - reservieren zu lassen, konnte ich das unmöglich unter meinem derzeitigen Namen tun. Aber mir einen neuen - samt Papieren und dergleichen zuzulegen, das würde etwas Zeit brauchen. Anders ging es nicht. Egal, wohin ich mich auch verdrücken würde, nicht lange und die Interpol-Fahndung nach mir würde mich in nahezu der ganzen Welt zum Freiwild machen.

Nein, kopflose Flucht hatte keinen Sinn. Das führte mich nur geradewegs in eine Gefängniszelle. Und das vermutlich lebenslänglich, so wie ich die Lage einschätzte. Alles musste sorgfältig geplant werden.

Als erstes brauchte ich eine neue Identität. Nicht nur einen neuen Namen und einen Pass, mit dem ich durch die Kontrollen am Flughafen oder sonst irgendwo kam. Ich musste jemand anderes werden, mir eine Identität schaffen, die vielleicht sogar ein paar Jahre verwendbar blieb.

Zum Glück hatte ich auf diesem Gebiet etwas Erfahrung. Es war nicht der erste Identitätswechsel, den ich hinter mir hatte und ich hoffte, zumindest die Fehler, die ich das letzte Mal gemacht hatte, zu vermeiden.

Gegen Morgen stellte ich mich auf den Parkplatz einer Autobahnraststätte, klappte den Sitz zurück und schlief ein oder zwei Stunden. Besonders bequem war das nicht, aber unter diesen Umständen das Sicherste.

Es war kurz vor Sonnenaufgang, als ich in die rund um die Uhr geöffnete Cafeteria ging, um zu frühstücken. An der Registrierkasse saß eine Philippina, die wie ein stummer Fisch wirkte. Der Kaffee, der aus dem Automaten kam, war ziemlich dünn. Und die belegten Brötchen schon recht dröge. Frische gab es erst in zwei Stunden. Ich setzte mich ans Fenster und nippte an der braunen Instant-Brühe. Im Hintergrund dudelte das Radio. Um diese Zeit war hier kaum etwas los.

Gut fünf Minuten lang blieb ich sogar der einzige Gast, bis ein dickbäuchiger Trucker auftauchte.

Er versuchte mit dem stummen philippinischen Fisch ein Gespräch anzufangen, aber ohne viel Erfolg. Sie verstand offenbar nicht einmal zehn Prozent von dem, was er sagte und lächelte nur verlegen.

Unglücklicherweise versuchte er es danach bei mir.

"Hier ist doch noch frei, oder?"

Was sollte ich dazu sagen? Er saß schon mit einer Backe auf dem blanken Kunststoffsitz, der am Boden fixiert war, so dass man ihn nicht einen Zentimeter bewegen konnte. So etwas hat mir noch gefehlt, dachte ich. Der Kerl hatte Langweile und hoffte, dass ich sie ihm vertrieb. Ich gab mir einigermaßen Mühe.

"Ganz schön früh, was?", meinte er, während er an seiner Tasse nippte. Er trank keinen Kaffee, sondern Tee. Vielleicht war er öfter hier und wusste daher, wie dünn der Kaffee war. Ich nickte leicht, während ich mein dröges Brötchen herunterwürgte.

"Ja, ganz schön früh."

"Fährst du den Fünfzehntonner, den ich da draußen gesehen habe?"

"Nein."

Er zuckte die Schultern.

"Ich dachte..."

"Tut mir leid"

"Hätte ja sein können."

Ich wollte vermeiden, dass er mich auszufragen versuchte.

Also fragte ich ihn etwas.

"Was fährst du denn?", erkundigte ich mich.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Fahrräder", meinte er. "Ein ganzer Sattelschlepper voll."

"Klingt nicht sehr aufregend."

"Ist es auch nicht."

Und dann erzählte er mir von seinem Job. Es war wirklich nicht sehr interessant. Normalerweise hätte es mir nichts ausgemacht, seinem Gerede zuzuhören oder zumindest so zu tun, aber genau in diesem Moment kamen Nachrichten. Aber der Kerl, der mir gegenüber saß hatte leider ein ziemlich lautes Organ.

Ich verstand nichts.

Oder jedenfalls fast nichts. Die Fahndungsmeldung wurde noch einmal gebracht, aber es hätte mich in diesem Moment interessiert, ob sie vielleicht schon mehr wussten, als beim letzten Mal. Ein paar Minuten hörte ich noch dem Trucker-Geschwätz zu, dann trank ich meinen Kaffee leer - so dünn er auch war - und sah zu, dass ich wegkam.

Mit den ersten Pendlern kam ich nach Frankfurt.

Mein Weg führte mich auf direktem Weg ins Bahnhofsviertel.

Um diese Zeit fand ich sogar noch einen Parkplatz.

Gebührenpflichtig zwar, aber immerhin ein Parkplatz.

Ich wollte zu einem Mann namens Bernd Dietrich, der mir vor Jahren mal aus der Patsche geholfen hatte. Nicht aus Freundschaft, sondern für Geld. Aber das machte ihn in meinen Augen nicht weniger zuverlässig. Und im Moment war Geld kein Problem für mich. Deshalb und weil Dietrich hervorragende Connections hatte, was Dokumente jeglicher Art anging, schien er mir die richtige Adresse zu sein.

Ihm gehörte eine schmuddelige, aber gutbesuchte Bar, wo ich ihn aufsuchen wollte, sobald sich dort irgend etwas regte. Da der Betrieb dort aber erst vor kurzem zu Ende gegangen war, dauerte das noch etwas. Bis ich Dietrich sprechen konnte, würden also noch ein paar Stunden vergehen.

Mindestens. Doch die würde ich schon sinnvoll herumkriegen können. Seine Privatadresse kannte ich zwar nicht, aber ich hätte sie leicht herausfinden können. Allerdings wusste ich, dass er es nicht mochte, dort aufgesucht zu werden. Und ich hatte nicht vor, so dumm zu sein, jemanden zu verärgern, von dem ich noch etwas wollte. Und Tatsache war nun einmal, dass Dietrich auf mein Geld gut verzichten konnte, ich auf seine Hilfe aber nicht. An einem Kiosk kaufte ich mir einen Packen Zeitungen und setzte mich damit in den Wagen. In dreien fand ich mein Phantombild. Dazu eine wilde Sensationsstory, das meiste davon Spekulationen. Offenbar wusste die Polizei noch nicht sonderlich viel und die armen Schreiber mussten das irgendwie ausgleichen.

An einem Stehcafé nahm ich eine Tasse, damit ich nicht einschlief. Ich wartete ungeduldig bis es neun Uhr wurde.

Die Geschäfte machten auf. Ich fragte mich bis zu einem Laden mit Scherzartikeln durch und besorgte mir ein paar Utensilien, um mein Äußeres zu verändern. Spray, das die Haare färbte und leicht auswaschbar war. Grau und blond hatte ich genommen. Im Bahnhof gab es einen Passbild-Automaten. Ich setzte mich hinein und ließ einen Satz Bilder machen, die mich in meiner Original-Version zeigten.

Dann ging ich auf die Herren-Toilette, um aus mir einen Vorruheständler Ende fünfzig zu machen. Kein Problem. Es ging vor allem einigermaßen schnell. Ich ließ auch von dieser Version Bilder schießen. Zum Schluss machte ich aus mir noch einen Blondschopf. Ich kam mir vor wie ein Wikinger, als ich in der Passbild-Kabine saß und das Geld in den Schlitz steckte. Mit dem Ergebnis war ich einigermaßen zufrieden. Einzig und allein das Entfernen der Haarfarbe war nicht ganz so einfach, wie es auf der Packung behauptet wurde.







6



Es war schon fast Mittag, als ich Bernd Dietrichs Bar einen Besuch abstattete. Ich trug dabei mein neues Rentner-Kostüm. Glamour hieß der Laden und ich hatte mich schon bei meinem ersten Besuch hier gefragt, wie Dietrich auf einen so unpassenden Namen gekommen war.

 

Als ich die Tür passiert hatte, sah ich, dass Dietrich in den letzten Jahren eine Menge investiert haben musste. Der Laden schien zu laufen, denn die Laser-Lichter, die ich sah, waren sicher alles andere als billig. Im Moment war hier natürlich noch nichts los. Eine Putzkolonne wienerte gerade den Fußboden und Lieferanten gingen aus und ein. Ich hoffte nur, dass ich Dietrich hier auch antraf.

"Hey, Sie!"

Ich drehte mich um.

Der Kerl, der mich da von hinten anquatschte, war mindestens zwei Köpfe größer als ich und schien mir gut trainiert zu sein. Täglich zwei bis drei Stunden im Fitness-Raum, so schätzte ich. Sein Gehirn hatte er vermutlich wesentlich weniger Trainingseifer angedeihen lassen, sonst hätte er einen anderen Job gehabt.

Er war Rausschmeißer. Dafür hätte ich die Hälfte der hunderttausend verwettet, die auf meinem Züricher Nummernkonto lagen. Man konnte es ihm buchstäblich schon an der Nasenspitze ablesen. Ich schätzte, dass seine Nase mal gebrochen gewesen war, so wie sie aussah.

Er kam etwas näher.

"Was ist?", fragte ich.

Er atmete tief durch und blies sich dann auf wie ein Heißluftballon.

"Was machen Sie hier?", knurrte er mit wichtiger Miene. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Sie..."

Ich schnitt ihm einfach das Wort ab.

"Ich muss mit Dietrich sprechen."

Er verschränkte die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht. "Was wollen Sie von Dietrich?"

"Das werde ich ihm selbst sagen!"

Er schüttelte den Kopf und lachte heiser. "Es ist doch nicht zu fassen", meinte er. "Sie kommen einfach so daher und spielen hier den großen Mann." Er trat ganz dicht an mich heran und hatte seine Hand an meinem Jackettkragen.

"Ich sollte Sie achtkantig rausschmeißen!"

"Sie werden doch keinen alten Mann schlagen."

Er grinste breit.

"So alt sind Sie nun auch wieder nicht."

Ich registrierte, wie sich seine Muskeln und Sehnen anspannten. Vielleicht kam ich ihm als leicht zu verprügelnder Sparringpartner ganz recht. Allerdings wusste er weder etwas von der Automatik in meiner Jackentasche, noch davon, dass ich eine Nahkampf-Ausbildung hinter mir hatte.

"Was ist los?"

Eine klare, befehlsgewohnte Stimme zerschnitt die schlechte Luft im Glamour und rettete mich. Oder ihn.

"Ihr neuer Wachhund nimmt seine Aufgabe ein bisschen zu ernst", meinte ich und ging an dem Gorilla vorbei. Er versuchte nicht, mich aufzuhalten.

Dietrich war in den letzten Jahren ein wenig älter geworden, was ihm deutlich anzusehen war. Sein Haar war lichter geworden, die schwarze Farbe wohl nicht mehr echt.

Er sah mich mit gerunzelter Stirn an.

"Was wollen Sie?"

Dass er mich nicht erkannte, wunderte mich kaum.

"Papiere", sagte ich. Ich zog meinen Personalausweis aus der Tasche und hielt ihm das angeblich fälschungssichere Plastikding hin. "Sie haben das schon einmal für mich gemacht."

"Ich erinnere mich aber nicht an Sie."

"Es liegt Jahre zurück."

Dietrich nahm die Plastikkarte.

"Aber dies Ding hier kommt nicht von mir!"

"Nein, der Ausweis, den Sie mir damals vermittelt haben, lief ab und musste dann gegen diese neuen Karten eingetauscht werden."

Er grinste.

"So sind Sie doch noch an echte Dokumente gekommen."

"Ja."

"Warum wollen Sie dann neue?"

"Meine Sache."

Er zuckte die Achseln. "Sicher." Dietrich sah sich einen Augenblick lang das Lichtbild auf der Plastikkarte an. Dann sah er auf und grinste.

"Was soll ich mit ihm machen?", fragte der Muskelprotz in meinem Rücken.

Dietrich grinste mich an.

"Ich erinnere mich an Sie."

"Na, wunderbar."

"Sie sehen nicht gut aus."

"Man wird älter."

"Was haben Sie angestellt, dass Sie so eine Schmierenkomödie aufführen müssen?"

"Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? Dann kann ich ihnen sagen, was ich will und Sie sagen mir, was das kostet."

Dietrich musterte mich eine Weile mit seinen wachen hellbraunen Augen.

"Die Preise sind in den letzten Jahren gestiegen", meinte er.

"Ich erwarte nicht, dass Sie mir Geschenke machen", erwiderte ich kühl.

Dietrich lachte heiser.

"Das sollten Sie auch nicht", murmelte er dann.

"Also gehen wir."

"Und sollten Sie auf die Idee kommen, mir Geld anzudrehen, das irgendwie nicht ganz in Ordnung ist, dann..."

"Ich werde mich an die Spielregeln halten", versicherte ich ihm.

Er nickte, dann wies er mich an, ihm zu folgen. Es ging durch einen engen, halbdunklen Korridor. Dietrich hatte einen ziemlich schnellen Schritt drauf, während ich in meinem Rücken den Atem des Gorillas hörte.

Dann öffnete Dietrich eine Tür, offenbar zu seinem Büro und blieb stehen. Er nickte dem Gorilla knapp zu und ich begriff erst einen Sekundenbruchteil zu spät, was das bedeutete. Der Kerl packte mich, drehte mir den Arm nach hinten und drückte mich ziemlich roh gegen die Wand. Er brach mir fast den Arm, als er mich filzte. Nach wenigen Sekunden zog er triumphierend meine Automatik aus der Jackentasche und schleuderte mich zu Boden. Dietrich fing die Waffe auf und schüttelte mit dem Kopf.

"So etwas mag ich nicht", meinte er.

"Tut mir leid."

"Es gibt eine Menge Leute, die etwas gegen mich haben. Und da muss ich vorsichtig sein."

Er fingerte am Magazin der Automatik herum und ließ die Patronen in seine Hand rieseln.

Dann sagte er: "Stehen Sie auf."

Ich gehorchte.

Dietrich drückte mir die Automatik in die Rechte und steckte mir dann die Patronen in die obere Jackett-Tasche.

"So fühle ich mich entschieden sicherer", grinste er.

Wir gingen ins Büro. Auch der Gorilla.

"Nun legen Sie schon die Karten auf den Tisch", verlangte Dietrich.

"Unter vier Augen", gab ich zurück.

Dietrich seufzte.

"Wie viel können Sie zahlen?"

Eine Antwort auf diese Frage war nicht ganz ungefährlich.

Dietrich kannte sich in der Branche aus, er wusste, wie im Moment die Preise waren. Wenn ich Pech hatte, nahm er mich aus wie eine Weihnachtsgans. Ich nannte ihm einen Betrag, der deutlich höher war, als das, was ich ihm damals gezahlt hatte.

Er nickte.

"Haben Sie eine Bank ausgeraubt?", lachte er und machte dem dem Gorilla ein Zeichen, den Raum zu verlassen, was dieser nach einigem Zögern auch machte.

"Nein. Mein Geld ist in Ordnung. Es liegt auf der Bank."

"Seriös geworden?"

"In dieser Hinsicht ja. Außerdem bemühe ich mich, einen Fehler immer nur einmal zu machen."

Er deutete auf einen der Ledersessel, die bei ihm im Büro herumstanden.

"Setzen Sie sich."

Ich nahm Platz und sagte ihm, was ich wollte. Drei Dokumentensätze, Pass, Führerschein und so weiter. Einen Deutschen, einen Französischen und einen Kanadischen. Ich legte ihm die Fotos auf den Tisch, dazu alle Daten, die ich sorgfältig auf verschiedene Zettel geschrieben hatte.

"Hm", brummte Dietrich und lehnte sich zurück. "Sie sind gut vorbereitet."

"Ist es machbar?"

"Alles ist machbar. Wann brauchen Sie die Sachen?"

"Gestern."

Er lachte kurz auf.

"Sie stecken in der Scheiße und haben immer noch Humor. Das hat mir schon damals an Ihnen gefallen."

Für seine Blumen konnte ich mir nichts kaufen. Ich wollte wissen, was Sache war. "Wie lange wird es dauern?", fragte ich also sachlich.

Er hob die Schultern. "Wenn Sie alles wirklich wasserdicht haben wollen, dann können wir das nicht übers Knie brechen."

Er beugte sich vor. "Ich habe Verbindungen zu einem korrupten KGB-Offizier. Der KGB hat seinerzeit massenweise Original-Ausweise der Bundesrepublik Deutschland gehortet. Man braucht nur noch Name und alles andere eintragen. Die Stempel sind auch Originale."

"Diese grauen Heftchen sind doch alle bald abgelaufen und werden nicht mehr verlängert."

"Sie gehen zum Ordnungsamt und lassen sich eine Plastikkarte dafür geben. Sie geben einfach an, dass Sie umgezogen seien und ansonsten..."

"Nein", sagte ich. "Der zweite Teil dauert mir zu lange."

"Schade."

"Haben Sie eine andere Lösung?"

"Sie könnten sich gegen das abgelaufene graue Ding in jedem deutschen Konsulat einen vorläufigen Personalausweis geben lassen."

"Vergessen Sie's."

Dietrich seufzte.

"Es soll also schneller und besser sein, ja? Eine Plastikkarte?"

"Richtig."

"Dann wird es teurer. Das mit dem KGB-Offizier wäre ein Sonderangebot gewesen. Sommerschlussverkauf aus Geheimdienstbeständen sozusagen."

Ich zuckte die Achseln und winkte ab.

Aber Dietrich ließ nicht locker.

"Außerdem ist das Resultat bei weitem nicht vergleichbar. Wenn Sie meine Lösung akzeptieren würden, hätten sie einen echten Ausweis. Keine Fälschung."

"Es dauert leider zu lange."

Er machte eine bedauernde Geste und versuchte ein geschäftsmäßiges Lächeln.

"Na gut, wie Sie meinen. Ein bis zwei Wochen wird es trotzdem dauern. Sie wollen ja schließlich nicht bei der ersten Flughafenkontrolle, die Sie passieren, wie schlechtes Obst aussortiert werden."

"Ich schreibe ihnen einen Barscheck aus."

Er sah mich seltsam an.

"Also..."

"Wenn keine Deckung da ist, dann werden Sie es vor Ablauf einer Woche zweimal gemerkt haben."

Er schüttelte den Kopf.

"Lösen Sie Ihren Scheck selbst ein", meinte er. "Ich will Bargeld." Er gab mir eine Karte, die er ziemlich umständlich aus seiner Jackentasche herauspulte.

"Was soll ich damit?", fragte ich.

"Das ist meine Privatadresse. Werfen Sie das Geld einfach in den Briefkasten."

"Gut."

"Aber unterstehen Sie sich, mich mit einem Besuch zu belästigen."

"Kein Gedanke."

"Wo kann ich Sie erreichen, wenn es soweit ist?"

"Nirgends", erwiderte ich. "Ich werde mich bei Ihnen melden."

Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und zuckte die Achseln. "Meinetwegen", grunzte er, während er sie sich anzündete. "Sie trauen niemandem, was?"

"Damit hat das nichts zu tun", meinte ich. "Ich weiß schlicht und einfach noch nicht, wo und ob ich zu erreichen sein werde."

Er grinste.

"Ich würde zu gerne wissen, was Sie diesmal angestellt haben", murmelte er dann glucksend.

Ich musste auf ihn aufpassen. Er war neugierig. Und das Hemd war ihm mit Sicherheit näher als die Hose. Wenn er kalte Füße bekam oder jemand mit genügend großen Geldbündeln wedelte, würde er mich an jeden ausliefern, der mich haben wollte. Inklusive die Polizei.

Ich erhob mich und wandte mich zum Gehen.

Dietrich blieb sitzen.

Bevor ich hinausging, drehte ich mich noch einmal halb herum und fragte: "Sind Sie eigentlich immer noch im Drogengeschäft aktiv?"

Ich sah das nervöse Zucken in Dietrichs Gesicht. Das schien ein Punkt zu sein, auf den er nicht angesprochen werden wollte.

 

Er runzelte die Stirn.

"Was soll das?" knurrte er.

"Nur so. Als wir uns das letzte Mal sahen, waren sie noch drin in der Szene."

"Woher..."

"Spielt doch keine Rolle. Ich wusste es. Damals schon. Nennen wir es Gerüchte mit ziemlich hohem Wahrheitsgehalt. Aber darum geht es nicht."

"Worum dann?"

"Sagt Ihnen der Name Khalil etwas?"

"Klingt türkisch oder so."

"Mehr nach oder so. Michel Khalil, Libanese."

Er zog an seiner Zigarette und schien nachzudenken.

Ziemlich lange, wenn man bedachte, dass er nur entscheiden musste, ob er von Khalil gehört hatte oder nicht. Aber statt mir zu antworten, stellte er mir eine Gegenfrage.

"Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich etwas über diesen Khalil weiß?"

"Weil ich ihn zumindest als eine so große Nummer einschätze, dass er jemandem wie Ihnen ein Begriff sein könnte!"

Dietrich stand auf und trat nahe an mich heran. Er packte seine Zigarette mit zwei Fingern und blies mir den Rauch ins Gesicht.

"Tut mir leid", sagte er dann gedehnt. "Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr im Geschäft."

Er ließ die Zigarette zurück zwischen die Lippen gleiten und steckte seine Hände dann in die weiten Taschen seiner dunklen Hose.

"Was Sie nicht sagen", murmelte ich. Ich glaubte ihm kein Wort.

Er hob die Schultern und schien wohl auch zu finden, dass das nicht sehr überzeugend geklungen hatte. Also schob er noch etwas nach. "Zu gefährlich", meinte er. "Türkische Banden und die Kolumbianer haben hier viel an Terrain gewonnen. Glauben Sie, ich versuche, mich mit aller Gewalt dazwischen zu drängen? Ich bin ja nicht lebensmüde. Außerdem habe ich das auch nicht mehr nötig. Es gibt auch andere profitable Geschäfte."

Ich nickte leicht.

"Und den Namen Khalil haben Sie noch nie gehört?", fragte ich dann mit einer unüberhörbaren Spur Sarkasmus in der Stimme.

"So ist es", erwiderte er.