Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis

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Tasha Grath rief am Nachmittag noch einmal an.

Den Hintergrundgeräuschen nach benutzte sie wieder eine Telefonzelle. Diesmal fasste sie sich sehr kurz.

„Ich möchte ein Angebot des Staatsanwalts bekommen“, sagte sie. „Und zwar eines, bei dem ich nicht ins Gefängnis muss.“

„Dazu müsste der Staatsanwalt erst einmal wissen, was Sie zu bieten haben, Miss Grath“, sagte ich. „Im Übrigen sollten Sie dieses Spiel nicht mehr allzu lange fortsetzen. Man wird sie finden.“

„Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Agent Trevellian.“

„Haben Sie das auch zu Doreen gesagt?“, fragte ich hart zurück.

Sie antwortete nicht.

„Doreens Mörder hat seine Strafe bekommen“, sagte sie schließlich.

„Wären Sie gleich zu uns gekommen, anstatt zu Doreen, dann wäre sie jetzt noch am Leben.“

Offenbar hatte ich bei ihr einen Nerv getroffen. Sie atmete tief durch. Im Hintergrund war eine Verkehrsstraße zu hören. Stimmen. Die Glocke einer Kirche.

„Ich rufe wieder an“, sagte sie. „Aber die Hintermänner werden Sie ohne meine Hilfe niemals bekommen. Vielleicht die Handlanger...“

„Sagen Sie mir, wem die russische E-Mailadresse gehört, an die Sie den Mann, von dem Sie mal behauptet haben, ihn zu lieben, verraten haben.“

Sie legte auf.

Diesmal hatte sie von der DeKalb Street in Brooklyn aus angerufen. Kollegen der City Police machen sich sofort auf den Weg dorthin und überprüften die in Frage kommenden Telefonzellen. Fahndungsfotos, die wir per E-Mail schicken konnten, hatten wir genug. Auf Brandon Carters Rechner waren ein paar Ordner mit Bildern von ihr gewesen, die mit einer Digitalkamera geschossen worden waren und sie ziemlich gut trafen.

Von Tasha Grath gab es natürlich längst keine Spur mehr, als die Kollegen eintrafen.

Aber ich war überzeugt davon, dass sie sich wieder melden würde.




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Wir fuhren nach Alphabet City, wie man die Gegend um die Avenue A,B,C und D nennt. Gerade die Avenue A hat sich in den letzten Jahren zu einer Straße mit vielen Clubs und Discotheken gemausert, die als angesagt gelten. Ein Laden nach dem anderen eröffnete hier und das zog natürlich auch das organisierte Verbrechen an. Insbesondere Schutzgelderpresser und Geldwäscher. Aber es profitierten auch andere von dem Boom, der sich hier schon geraume Zeit abzeichnete. Kleine Coffee Shops und Restaurants zum Beispiel oder die HOT & SPICY Filiale, in der Monty Ribesco erschossen worden war.

Um uns in den Clubs nach Tasha Grath zu erkundigen, ihr Foto herumzuzeigen und nach jemandem zu suchen, der sie kannte und uns vielleicht einen Tipp geben konnte, wo sie sich gegenwärtig versteckt hielt, war es noch etwas früh. Keiner der Clubs hatte schon geöffnet und es brachte uns wenig, wenn wir nur mit Raumpflegerinnen und Lieferanten sprechen konnten.

So suchten wir die Filiale von HOT & SPICY auf, um mit den Angestellten über die Ermordung von Monty Ribesco zu sprechen. Sie alle waren natürlich von der City Police befragt worden, aber ihnen war es eher um den Hergang der Tat gegangen. Der war recht gut rekonstruiert worden.

Uns interessierte, was Ribesco überhaupt in der Avenue A gesucht hatte.

Vielleicht ließ sich ein Zusammenhang mit Tasha Grath herstellen.

Wir zeigten unsere Ausweise in der HOT & SPICY Filiale herum. Der Filialleiter hieß Jaime Mendez. Erst gab er vor kein Englisch zu sprechen, aber als ich ihn mit der Tatsache konfrontierte, dass er unseren NYPD-Kollegen durchaus Auskunft hatte geben können, änderte sich das plötzlich.

„Bueno, ich weiß nicht, was das alles soll! Wir haben doch schon gesagt, was zu sagen war und wieso interessiert sich das FBI für das, was hier geschehen ist?“

Ich zeigte ihm ein Foto von Ribesco.

„Versuchen Sie sich trotzdem noch einmal an alles zu erinnern“, sagte ich. „Vielleicht werden Sie sogar noch einmal alles wiederholen müssen – vor Gericht nämlich!“, ergänzte Milo.

Er fluchte auf Spanisch vor sich hin.

Ich überließ ihn Milo und wandte mich stattdessen einer der jungen Frauen zu, die hier hinter dem Tresen standen und gefüllte Ciabata-Brote, Tortillas oder Chili im Akkord einpackten. Man konnte das gesamte Sortiment von HOT & SPICY natürlich auch mitnehmen.

Die junge Frau, an die ich mich zuerst wandte, war wasserstoffblond und bestimmt keine Mexikanerin.

Dachte ich.

Wie sich herausstellte war ihr Name Teresa Ordonez und sie stammte tatsächlich zumindest zu einem Viertel aus Mexiko, wie sie sagte. Als ich ihr das Foto von Ribesco zeigte, wandte sie sofort den Kopf zur Seite.

„Wissen Sie, dass ich von dem Kerl noch träume?“, meinte sie. „Ich war auf dem Weg zum Getränkewagen und habe mitgekriegt, wie da hinten am Hintereingang geschossen wurde. Glauben Sie mir, um ein Haar hätte ich eine Kugel abgekriegt!“

Ich zeigte ihr ein Foto von Tasha.

„Kennen Sie die?“

„Keine Ahnung, hier gehen so viele Leute ein und aus. Wie soll ich mir die alle merken.“

„Sie sehen gar nicht richtig hin.“

Sie seufzte und betrachtete das Bild noch einmal eingehender.

„Ist die auch tot, so wie der andere Typ, den Sie mir gezeigt haben?“

„Noch nicht. Und wenn Sie mir einen Hinweis geben, der dazu führt, dass ich sie vor ihren Mördern finde, retten Sie vielleicht sogar ihr Leben.“

„Sind das dieselben Leute, die auch hinter dem Mann her waren, der vorher bei uns Chili gegessen hat?“

Ich lächelte nachsichtig. „Das nehmen wir an. Aber sagen Sie, wer stellt hier eigentlich die Fragen? Sie oder ich?“

„Verzeihen Sie, Sir.“

„Nennen Sie mich Jesse.“

„Jesse!“

„Die junge Frau hat hier in einem der Clubs gearbeitet oder war zumindest häufig dort. Es könnte gut sein, dass sie auch mal hier gegessen hat. Bitte versuchen Sie sich zu erinnern.“

„Ich weiß nicht... Vielleicht mit einer anderen Haarfarbe. Ja, das könnte hinkommen. Ich glaube, ich habe sie mal in einer Clique von Leuten hier gesehen. Die haben viel herumgealbert und einen Teller mit Chili con Carne auf den Boden geworfen.“

Ich zeigte ihr ein paar weitere Fotos.

Bei Mace Collins setzte ihre Erinnerung ein. „Der war dabei!“, meinte sie. „Ganz bestimmt!“

In diesem Augenblick hatte ein übergewichtiger Mann in weiter Cargo Hose und einer lustigen Thermojacke das HOT & SPICY betreten. Er stellte sich an einer der Kassen an und gab seine Bestellung auf.

Die Bedienung nannte den Mann Paco.

Offenbar kam er öfter hier her und war eine Art Stammgast.

Ich hatte schon bemerkt, dass meine Gesprächspartnerin regelrecht zusammengezuckt war, als er das HOT & SPICY betreten hatte.

Als Paco mit seinem Tablett davon gezogen war und sich einen Platz gesucht hatte, beugte sich die junge Frau zu mir herüber. „Der Typ war dabei!“, sagte sie.

„Er gehörte zur Clique um Tasha Grath!“

„Nein, ich meine, er war auch hier, als der Typ erschossen wurde. Paco kommt jeden Tag hierher. Immer zur selben Zeit. Aber an dem Tag, an dem die Schießerei war, kam er viel früher und hat auch nicht gegessen. Ich hatte den Eindruck, dass die beiden Miteinander verabredet waren.“

„Haben Sie mitbekommen, worum es ging?“

„Nein. Ich habe nur gesehen, dass der Typ, der später erschossen wurde, Paco einen Umschlag gegeben hat!“

„Warum haben Sie das nicht schon der City Police gesagt?“

„Es hat mich niemand gefragt... Jesse!“




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Wir setzten uns zu Paco und legten unsere Ausweise vor ihm auf den Tisch.

 

„Milo Tucker, FBI“, sagte Milo. „Mein Kollege Agent Trevellian und ich haben ein paar Fragen an Sie.“

„An mich?“

Er hatte sich mehr auf sein Tablett geladen, als andere Leute in einer ganzen Woche essen. Aber jetzt schien ihm sein Chili buchstäblich im Halse zu stecken.

„Ich habe nichts verbrochen.“

„Wie heißen Sie?“, fragte ich.

„Robert Pakonyovsky!“, sagte er.

„Ich dachte, Sie heißen Paco.“

„Wer hat Ihnen das gesagt, eine der Schlampen, die hier hinter dem Tresen stehen?“ Er wollte aufstehen und gehen, aber Milo, der neben ihm saß, legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte ihn wieder hinunter.

„Ganz ruhig“, sagte er.

Er atmete tief durch und zeigte uns einen Führerschein auf den Namen Pakonyovsky.

„Dann werden Sie nur Paco genannt?“

„Glauben Sie doch, was Sie wollen!“, maulte er.

„Gut, Milo, dann nehmen wir ihn einfach mit ins Bundesgebäude an der Federal Plaza. Da kann er sich ja in einer Gewahrsamszellen überlegen, ob er mit uns reden will!“

„Hören Sie, ich habe Rechte! Und jetzt lassen Sie mich bitte gehen!“

Ich deutete auf Ribescos Foto. „Dieser Mann hatte auch Rechte, selbst wenn er ein Krimineller war. Aber kurz nachdem er sich mit Ihnen getroffen hatte, war er tot. Haben Sie irgendeine Ahnung, was da gespielt wurde?“

Er schaute mich an.

„Ich kannte Monty. Was mit ihm geschehen ist, tut mir leid. Ich habe davon gehört.“

„Sie hätten sich bei der Polizei als Zeuge melden können!“, gab ich zu bedenken. „Schließlich waren Sie vermutlich einer, wenn nicht der letzte Mensch, der mit ihm gesprochen hat, als er noch lebte!“

„Ich habe nicht geglaubt, irgendetwas zur Aufklärung dieses Verbrechens beitragen zu können, G-man! Andernfalls hätte ich mich selbstverständlich gemeldet!“

Mir fiel auf, dass dieser „Paco“ stark das ‚R’ rollte, wenn er aufgeregt war.

„Was war in dem Umschlag, den Ribesco Ihnen gegeben hat!“

„Keine Ahnung. Ich wüsste auch nicht, was Sie das angeht!“

„Sie wohnen hier in der Nähe?“, fragte ich.

„Ja“, bestätigte er, nachdem ich mir im Führerschein noch einmal die Adresse angesehen hatte. 221 Avenue A stand dort. Das war wirklich ganz in der Nähe. Fünf Minuten zu Fuß, so schätzte ich.

„Wir werden jetzt gemeinsam zu Ihrer Wohnung gehen, damit wir uns da mal nach diesem Umschlag umsehen können!“, bestimmte ich.




28


Zusammen mit Pakonyovsky verließen wir die HOT AND SPICY Filiale.

„Bin ich jetzt verhaftet oder was?", fragte er.

„Das hängt von dem Inhalt des Umschlags ab, denke ich", meinte Milo.

Und ich setzte hinzu: „Warum sagen Sie uns nicht einfach, woher Sie Ribesco kannten und was Sie mit Ihm zu tun hatten? Er wurde erschossen. Wollen Sie etwa nicht, dass sein Mörder gefasst wird?"

„Es tut mir leid, dass jemand erschossen wurde, Mister..."

„Agent bitte!", unterbrach ich ihn.

„...aber ich habe damit nichts zu tun!"

„Wir drehen uns im Kreis. Wahrscheinlich ist es das Beste, wir sehen uns erstmal in Ihrer Wohnung um!"

„Ohne Durchsuchungsbeschluss dürfen Sie das überhaupt nicht! Ich kenne meine Rechte!", zeterte Pakonyovsky.

Ich widersprach ihm. „Da irren Sie sich. Bei Gefahr im Verzug oder wenn die Gefahr besteht, dass Beweismittel vernichtet werden, können wir durchaus auch ohne Durchsuchungsbefehl in eine Wohnung eindringen!"

Per Handy nahm Milo unterdessen Kontakt mit dem Field Office auf, um eine Personenabfrage über NYSIS zu starten.

Unter dem Namen Pakonyovsky war diese allerdings ergebnislos.

Wir erreichten schließlich das Gebäude, in dem sich Pakonyovskys Wohnung befand.

Es handelte sich um ein zehnstöckiges Gebäude, in dessen Erdgeschoss eine Latino-Diskothek, ein Friseursalon und eine Bar untergebracht waren. In der ersten Etage fanden sich Büros von Rechtsanwälten und eine Arztpraxis. Darüber waren Wohnungen. Zumeist kleine Apartments.

Als wir den Eingang erreichten, blieb Pakonyovsky plötzlich stehen. „Hören Sie, was verdient so ein G-man im Monat eigentlich?“

„Was interessiert Sie das? Wollen Sie sich etwa bei uns bewerben?“, fragte ich. „Dann ist es sicherlich kein Pluspunkt für die Aufnahme in Quantico, wenn man vorher die Justiz behindert hat!“

„Ich behindere doch nicht die Justiz!“

„Genau das tun sie!“, widersprach ich.

„Ich gebe Ihnen beiden jeweils das Doppelte Ihres Monatsgehalts, wenn Sie die Sache einfach auf sich beruhen lassen, comprende?“

Das letzte Wort war ihm einfach so über die Lippen gerutscht.

„Sie heißen niemals Pakonyovsky, sondern wahrscheinlich doch Paco“, stellte ich fest.

„Wir sollten uns seinen Führerschein noch mal ganz genau ansehen!“, schlug Milo vor.

„Hey, was ist mit meinem Angebot? Ist das nicht genug? Dann sagen Sie, wie viel Sie wollen und wir vergessen die Sache einfach, okay? Wir haben uns nie gesehen und jeder geht seiner Wege, ohne dem anderen das Leben zur Hölle zu machen.“

„Was für Schweinereien erwarten uns den in Ihren vier Wänden, dass Sie so dahinter her sind, dass wir nicht Ihre Wohnung betreten?“, fragte ich mit eisigem Unterton.

„Bueno, ein paar kleine Geschäfte. Nichts mit Drogen, nichts von den Dingen, für die sich das FBI interessiert! Und was Monty angeht, wir waren befreundet. Wir sind in derselben Straße aufgewachsen und wenn ich etwas dafür tun könnte, dass sein Mörder geschnappt wird, dann würde ich Ihnen helfen! Madre de Dios! Meinen rechten Arm würde ich dafür geben!“

Ich hörte ihm gar nicht mehr zu.

Er trug viel zu dick auf, um noch glaubwürdig zu wirken. Immerhin hatten wir jetzt sogar einen Grund, ihn notfalls festzunehmen, denn Bestechung von Bundesbeamten ist strafbar. Auch der Versuch.

In diesem Augenblick fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Monty Ribesco hatte sich mit einem Passfälscher getroffen!

Das waren wahrscheinlich die „kleinen Geschäfte“, von denen der Mann, der sich uns gegenüber Pakonyovsky genannt hatte, gesprochen hatte und natürlich wollte er deswegen auch auf keinen Fall, dass wir seine Wohnung betraten, die wahrscheinlich eine einzige Fälscherwerkstatt war.

Monty Ribesco hatte also durchaus gewusst, in welcher prekären Lage er sich befand, als er die HOT & SPICY Filiale betrat. Er hatte deswegen untertauchen wollen, aber es war zu spät gewesen. Die Hintermänner jenes Netzes, in dem er sich verfangen hatte und dessen Mitwisser er offenbar war, waren schneller gewesen und hatten ihn niedergestreckt.

Meine Gedanken rasten nur so.

Wo waren diese Hintermänner zu suchen? Hinter einer geheimnisvollen Firmenadresse auf den Cayman-Islands, die nur zur Tarnung einer weiteren Briefkastenfirma in Liechtenstein diente und über die ein Aktienfond betrieben wurde, der nur der Verschleierung von Insider-Deals diente? Oder hinter der russischen E-Mail-Adresse, die Tasha Grath angeschrieben und darüber informiert hatte, dass Brandon Carter sich mit der Killer-Legende Jack Fabiano zu treffen gedachte?

Vielleicht konnte uns Tasha Grath mehr darüber sagen. Vorausgesetzt, wir fanden sie noch rechtzeitig.

„Paco“ Pakonyovsky vollführte plötzlich eine Seitwärtsbewegung.

Im ersten Moment hatte ich den Eindruck, dass er davonrennen wollte.

Für jemanden mit einer so wenig durchtrainierten Figur war das natürlich aussichtslos.

Aber dann sah ich, wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Er zuckte regelrecht zusammen. Auf seiner Stirn bildete sich ein roter Punkt. Blut rann aus dem Einschussloch heraus die Nase hinunter. Ein weiterer Treffer erwischte ihn im Oberkörper. Einen letzten taumelnden Schritt machte er noch, dann fiel er zu Boden und blieb regungslos liegen.

Milo beugte sich über ihn und riss dabei die Dienstwaffe aus dem Gürtelholster.

Ich hatte ebenfalls in der nächsten Sekunde die Waffe in der Hand. Auf der anderen Straßenseite scherte in diesem Augenblick ein Van aus der Reihe am Bordstein parkender Fahrzeuge. Mit durchdrehenden Reifen beschleunigte der Wagen, dessen Scheiben dunkel getönt waren, sodass es unmöglich war, etwas von den Insassen zu sehen. Aus einem der hinteren Fenster ragte noch ein dunkles Metallrohr hervor.

Der Lauf einer Waffe.

Ich stürmte vorwärts, zielte mit meiner Dienstwaffe auf die Reifen des flüchtenden Fahrzeugs.

Ein Schuss zischte mir dicht an den Ohren vorbei und kratzte an der Brownstonewand ein paar Yards hinter mir. Ein weiterer Schuss, der ebenfalls für mich bestimmt war, ließ eine Fensterscheibe zerspringen.

Ich verstärkte den Druck auf den Abzug meiner P226, ließ die Pistole aber dann doch sinken.

Ein brauner Ford fuhr mir ins Schussfeld. Das Risiko, Unbeteiligte zu treffen war einfach zu groß. Ich merkte mir gerade noch das Kennzeichen des Van ehe dieser hinter der nächsten Ecke verschwand.

Dann wandte ich mich in Milos Richtung um und sah, dass sich ein halbes Dutzend Passanten hinter parkenden Fahrzeugen verschanzt hatten. Andere waren in Türnischen gesprungen oder hatten sich einfach flach auf den Boden gelegt.

„Er ist tot!“, stellte Milo mit Blick auf „Paco“ fest. Wir würden sicher bald feststellen, wie sein wirklicher Name lautete.

„Die Gefahr ist vorbei!“, sagte ich an die Passanten gerichtet und zog meinen Dienstausweis hervor. „Ich bin vom FBI! Sie haben nichts mehr zu befürchten!“

Nur zögernd nahmen die verschreckten Passanten zur Kenntnis, dass die Gefahr tatsächlich vorüber war. Der Schock saß bei manchen von ihnen gewiss tief.

Der Killer hatte auf der anderen Straßenseite in seinem Van gelauert und abgewartet, bis Paco auftauchte. Offenbar wusste auch dieser seltsame und reichlich zwielichtige Typ mehr, als man zunächst hätte annehmen können. Jedenfalls war es irgendwem sehr wichtig gewesen, ihn auszuschalten, bevor er sich allzu lange mit uns unterhalten konnte.

Ich griff zum Handy, telefonierte mit Mister McKee und forderte den Erkennungsdienst an. In diesem Fall würden unsere eigenen Erkennungsdienstler Agent Sam Folder und Agent Mell Horster den Job übernehmen. Sie konnten von ihren Labors im Bundesgebäude an der Federal Plaza einfach wesentlich schneller am Ort des Geschehens sein, als die Kollegen der Scientific Research Division, die erst den weiten Weg von der Bronx zum East Village hinter sich bringen mussten, zu dem Alphabet City gehörte.

Und in diesem Fall schien Zeit ein immer wichtiger werdender Faktor zu werden.




29


Es dauerte nicht lange, da wimmelte es in der Avenue von Einsatzfahrzeugen. Kollegen der City Police sorgten dafür, dass Schaulustige ferngehalten wurden.

 

Während Milo zunächst bis zum Eintreffen der Kollegen bei dem Toten blieb, nahm ich mir dessen Wohnungsschlüssel und sah mich in den vier Wänden dieses Mannes um, an dessen Wohnungsschild der Name Paco Montoya stand. Er schien aber auch noch ein paar andere Namen zu benutzen. Pakonyovsky war einer davon. Ein anderer lautete John Smith, von dem es einen vollständigen Dokumentensatz mit den Lichtbildern des Toten gab. Angefangen von einem britischen, einem amerikanischen und einem südafrikanischen Reisepass auf diesen Namen gab es auch noch eine Sozialversicherungskarte sowie mehrere Kreditkarten.

Paco schien sich auf das Fälschen von Dokumenten aller Art spezialisiert zu haben und machte damit offenbar gute Geschäfte. Ich zog mir Latexhandschuhe an, um so wenig Spuren wie möglich zu zerstören. Ganz war das nicht auszuschließen, aber da die Wohnung selbst ja nicht der Tatort eines Verbrechens war, an dem möglicherweise haarkleine Faseruntersuchungen am Ende einen Prozess entscheiden konnten, glaubte ich das verantworten zu können.

Dass ich dafür am Ende einen Rüffel der Kollegen einstecken musste, war wohl unvermeidlich.

Ich nahm es in Kauf.

Paco hatte auch eine ziemlich aufwendige Computeranlage. Ich fuhr den Rechner hoch. Der Rechnerzugang an sich war nicht gesichert. Paco hatte die Passwortfunktion auf Werkseinstellung gelassen. Ich aktivierte sein Emailprogramm.

Weder im Ausgangs- noch im Eingangskorb oder in der Ablage waren irgendwelche Mails gespeichert. Offenbar löschte Paco seine gesamte E-Post sofort nach Erhalt, was für jemanden wie ihn sicherlich sinnvoll war. So sah ich mir das Adressverzeichnis an. Eine dieser Adressen gehörte zu einem russischen Server. Ich tippte die Nummer der Scientific Research Division in der Bronx in mein Handy und ließ mir Dave Ontario geben.

Nach ein paar Augenblicken hatten wir die die Adresse verglichen. Es war dieselbe, an die Tasha Grath ihre verräterische Nachricht geschickt hatte, mit der sie die Mörder von Fabiano und Carter über deren Treffen informierte.

„Bingo!“, sagte ich. „Das nenn’ ich eine heiße Spur. Ich schlage vor, dass du mal kurz zu uns ins East Village fährst und dir den Rest selbst ansieht, Dave!“, schlug ich dem Kollegen vor.

Dave lachte heiser auf.

„Mal kurz – du bist gut, Jesse! Das ist bei den Verkehrsverhältnissen um diese Zeit leicht gesagt!“

„Paco Montoya, Pakonyovsky, Smith oder wie immer er sich auch sonst nennen mag – ich glaube nicht, dass er der Letzte in dieser Reihe von Morden ist!“, gab ich zu bedenken.

„Ich mach mich auf den Weg, Jesse!“, versprach Dave Ontario. „Oder vielleicht sollte einer von euren Leuten den Rechner einfach mitnehmen und hier abgeben!“

„Nein, das ist keine gute Idee“, widersprach ich. „Ich brauche nämlich unbedingt einen Zugang zu Montoyas Konten, die er über eine Online-Bank führte wie ich am Menue sehen kann. Unser Kollege Nat Norton wird auch hier sein, um die Kontobewegungen zu analysieren.“

„Bin unterwegs!“, versicherte Ontario und legte auf.

Ich wählte als nächstes die Nummer unseres Field Office in der Hoffnung, dass Nat überhaupt noch in seinem Büro saß.