Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa



4


In der Elizabeth Street herrschte das pure Chaos, als mein Kollege Milo Tucker und ich dort eintrafen. Die Einsatzfahrzeuge des New York Police Department, des Coroners und der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten verengten die Fahrbahn, sodass sich der Verkehr nur zähflüssig daran vorbei schleichen konnte.

Ich hatte den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York zur Verfügung stellte in einer Nebenstraße abgestellt und so mussten Milo und ich die letzten fünf Minuten zu Fuß durch den unangenehmen kalten Nieselregen laufen. Ein frischer Wind wehte aus Nordwesten und fegte damit ziemlich exakt durch die Häuserzeilen des wie ein Gitter angelegten Straßennetzes von Manhattan.

Ich schlug den Mantelkragen hoch. Aber als wir das Apartment in der Elizabeth Street erreichten, in dem sich der Tatort befand, klebten mir die Haare bereits feucht am Kopf.

Einem der uniformierten Kollegen, deren Aufgabe es war, Schaulustige auf Distanz zu halten und dafür zu sorgen, dass SRD und Gerichtsmediziner ihren Job machen konnten, zeigte ich meine ID-Card.

„FBI, Agent Jesse Trevellian“, stellte ich mich vor und deutete auf Milo. „Dies ist mein Kollege Agent Milo Tucker.“

„Nehmen Sie das Treppenhaus und gehen Sie in den vierten Stock“, sagte der Officer hilfsbereit. „Den Lift können Sie im Moment nicht benutzen, weil er noch nach Spuren untersucht wird.“

„Danke.“

Wir betraten das Haus und passierten den Flur.

Auf dem Weg zum Treppenhaus kamen wir am Lift vorbei.

Mit der Liftkabine beschäftigte sich ein Kollege von der SRD. Er trug einen weißen Einwegschutzoverall und hatte seine Tasche in die Lifttür gelegt, damit sie sich nicht schließen konnte.

„Vierter Stock, Apartment D 16“, sagte der SRD-Kollege.

Ich kannte ihn flüchtig. Er hieß Brett Sampran.

Im letzten Jahr hatten wir G-men der Reihe nach an einer Fortbildung teilnehmen müssen, in der es um Spurensicherung und die Vermeidung von Spurenvernichtung am Tatort gegangen war. Brett Sampran war der Dozent gewesen und hatte sich zwei Nachmittage lang über das ungeschickte Verhalten von Ermittlungsbeamten sämtlicher Polizeieinheiten am Tatort beschwert.

„Danke“, sagte Milo.

Wir erreichten das Treppenhaus.

Zwei Leichensäcke wurden an uns vorbei getragen. Wir sahen zu, dass wir in den vierten Stock kamen. In dem Apartment, wo sich die Tat abgespielt hatte, fanden wir den Einsatzleiter, der sich gerade die knappen Ausführungen des Gerichtsmediziners anhörte.

„Die Toten sind vor mindestens sechs Stunden erschossen worden“, sagte Dr. Brent Claus, der im Auftrag des Coroners am Tatort war und den wir bereits von anderen Einsätzen her ganz gut kannten.

Wir stellten uns kurz vor.

„Captain William Mongas, Homicide Squad III, 21. Revier“, stellte sich der Einsatzleiter vor. Er war ein schlaksiger Mann, Mitte dreißig, mit gelocktem, welligem und etwas ungepflegt wirkendem Haar. Unter dem zerschlissenen Army-Parka trug er allerdings einen grauen, dreiteiligen Anzug.

„Homicide Squad III?“, echote ich, „Sie haben also drei Mordkommissionen in Ihrem Revier?“

„Richtig. Wir wurden erst letzte Woche zusammengestellt. Die meisten von uns kommen aus anderen Bereichen.“

Normal waren ein bis zwei Homicide Squads pro Revier.

„Ich dachte, die Mordrate sinkt in New York.“

„Bei uns aber leider nicht“, sagte Mongas. „Auf diese Weise habe ich meine eigene Abteilung bekommen.“

„Na, so hat eben alles sein Gutes“, kommentierte Dr. Brent Claus die letzte Bemerkung unseres Kollegen – aber niemand von uns konnte darüber wirklich lachen.

„Ich nehme an, alles weitere erfahren wir erst im Obduktionsbericht“, meinte Milo.

„Ja“, bestätigte Dr. Claus. „Rechnen Sie nicht zu schnell damit, bei uns ist im Moment der Teufel los und außerdem sind zwei Pathologen wegen Grippe ausgefallen. Da kann es schon mal ein paar Tage länger dauern.“ Er drehte sich zu den Markierungen um, die kennzeichnete, wo die Toten gelegen hatten. „Einer der beiden Männer trug einen Anzug, der in der Lage war, Kugeln aufzufangen. Ich nehme an, dass die chemische Analyse ergeben wird, dass er aus einem dem Kevlar verwandten Material gefertigt war. Es gibt einige wenige Hersteller, die auf diesem Gebiet experimentieren. Der Täter traf den Mann direkt über dem Herzen, aber die Kugel konnte nicht eindringen. Dafür gab es zwei gebrochene Rippen. Erst ein Kopftreffer hat ihn getötet.“

„Danke“, sagte ich.

„Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.“

Dr. Claus nahm seine Arztasche und verließ den Raum.

„Ich habe von diesen neuen Kevlar ähnlichen Materialien gehört“, sagte Milo. „Die sollen ein Vermögen kosten.“

„Und es gibt wahrscheinlich nur wenige Schneider, die an den Stoff herankommen und außerdem noch wissen, wie man ihn verarbeitet!“, stellte Captain Mongas fest. „Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen. Sie können sich hier übrigens frei bewegen, die SRD-Kollegen sind bereits fertig mit diesem Raum. Der Grund dafür, dass wir zu diesem Mordfall das FBI hinzugezogen haben ist zunächst mal ganz formaler Natur. Eines der Opfer – Brandon Carter – ist laut seinem Führerschein in Paterson ansässig und damit Bürger des Staates New Jersey.“

„Ja, das hat unser Chef bereits am Telefon gesagt, als er uns hier beordert hat“, bestätigte ich.

Immer dann, wenn bei einem Verbrechen mehrere Bundesstaaten betroffen waren, fiel der Fall grundsätzlich in die Zuständigkeit des FBI, wobei es aber je nach Sachlage auch sein konnte, dass die Ermittlungen den lokalen Behörden überlassen wurden, wenn das der Staatsanwaltschaft sinnvoll erschien.

In diesem Fall war die Rechtslage sehr eindeutig. Ein Bürger von New Jersey war auf dem Gebiet des Staates New York ermordet worden – und daher waren wir vom FBI zuständig.

„Inzwischen ist noch ein weiteres Moment hinzugekommen, dass den Fall noch eindeutiger in Ihren Zuständigkeitsbereich verlagert, Agent Trevellian.“ Mongas deutete auf einen in Cellophan eingewickelten Führerschein. Er war blutverschmiert. „Sehen Sie sich das genau an!“

„Das ist ja ein richtig antikes Stück!“, stellte Milo fest.

„Gut achtunddreißig Jahre alt“, sagte Mongas. „Der Führerschein wurde auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt, geboren in Cleveland Ohio, aufgewachsen in der Brooklyn – und zwar zu einer Zeit, als dieser Stadtteil noch italienisch geprägt war. Als wir zu dem Namen eine Abfrage über NYSIS gestellt haben, bekamen wir ein dickes Dossier auf den Rechner.“

„Der Jack Fabiano?“, fragte ich.

Ich konnte es kaum glauben. Jack Fabiano war eine Legende. Von zwanzig Auftragsmorden glaubten wir zu wissen, dass sie auf sein Konto gingen. Aber im Laufe der Jahre war er immer geschickter geworden und hatte es verstanden, vollkommen unterzutauchen. Manche hielten ihn für ein Phantom, mit dem Gangsterbosse sich gegenseitig Angst machten.

„Es besteht kaum ein Zweifel“, sagte Mongas.

„Die Frage ist, weshalb Jack Fabiano einen Führerschein bei sich hatte, der längst nicht mehr gültig ist und außerdem seine wahre Identität verriet?“

„Ich habe das über mein Laptop überprüft“, erklärte Mongas. „Dieses Dokument ist der einzige Führerschein, der jemals auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt wurde. Noch vor Ablauf der Gültigkeit ist er offenbar untergetaucht und hat andere Identitäten angenommen. Diese Wohnung zum Beispiel besaß er unter dem Namen Jay Edgar Fabian.“

„Der Mann hatte Humor“, stellte ich fest.




5


Dadurch, dass es sich bei einem der Opfer um einen der erfolgreichsten Lohnkiller aller Zeiten handelte, der Dutzendweise Menschen im Auftrag der Syndikate oder jedes anderen Auftraggebers, der bereit war, dafür entsprechend zu zahlen, umgebracht hatte, ließ einen deutlichen Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen erkennen, was wiederum eindeutig in das Aufgabengebiet des FBI fiel.

 

Ob Fabiano in den letzten Jahren überhaupt noch aktiv gewesen war, entzog sich bisher unserer Kenntnis. Möglicherweise ließen sich durch unsere Ermittlungen ein paar alte, bislang ungeklärte Fälle endlich lösen.

Aber das Ganze hatte natürlich auch eine beunruhigende Komponente.

Wir konnten nur hoffen, dass nicht irgendeine Fehde unter den Syndikaten den Hintergrund für den Tod Fabianos bildete und wir am Anfang eines Gangsterkriegs standen.

Dass Fabiano sich mit einem Mann wie Brandon Carter getroffen hatte, dem selbsternannten Insider, der in Fernsehshows die schmutzigen Geheimnisse Prominenter enthüllte und anschließend mit den dazugehörigen Begleitbüchern Millionen verdiente, passte irgendwie aber nicht so recht in dieses Szenario. Mir war eine seiner Sendungen noch im Gedächtnis. Er hatte Latexhandschuhe getragen, sie in die Kamera gehalten und zum Fernsehpublikum gesagt: „Nichts ist zu schmutzig für Brandon Carter!“

„Carter hat übrigens auch ein paar Stories über das organisierte Verbrechen gemacht!“, stellte Mongas fest. „Über Näheres werden Sie sich wohl bei seinem Verlag oder seinem Management unterhalten müssen. Sehen Sie sich einfach seine Homepage an, da steht alles drauf, was für Sie wichtig sein könnte. Ich hatte lediglich Zeit genug, um sie zu überfliegen.“

Zusammen mit Captain William Mongas rekonstruierten wir den vermutlichen Ablauf des Geschehens.

Die Toten waren am Morgen von dem Bewohner des Nachbarapartments bemerkt worden, weil die Tür einen Spalt breit offen gestanden hatte.

Von den Schüssen war nichts zu hören gewesen.

Offenbar hatten die Täter Schalldämpfer benutzt.

Dass es zwei verschiedene Täter gewesen sein mussten, ergab sich aus der Rekonstruktion der Schussbahnen. Brandon Carter war offenbar gleichzeitig aus zwei Richtungen unter Feuer genommen worden.

Wie die Verteilung der Blutspritzer unter Zuhilfenahme von Luminol zeigte, waren die beiden Opfer nach ihrem Tod nicht bewegt worden. Außerdem gab es keinerlei Hinweise darauf, dass die Täter irgendetwas aus der Wohnung entwendet hatten.

Wir sprachen mit Donovan McGregor, dem Mann von nebenan, der die Toten gefunden hatte.

McGregor war ein ehemaliger Angestellter der Hafenverwaltung, 73 Jahre alt, allein stehend und lebte jetzt von einer spärlichen Pension aus dem Pensionsfond für Angestellte der Stadt New York. Da ihm das nicht reichte, verdiente er sich außerdem etwas mit dem Verteilen von Zeitungen und Prospekten dazu.

„Darum bin ich auch immer so früh aus den Federn!“, erklärte er. „Außerdem hält es fit, wenn man viel zu Fuß läuft. Ich bin 73, aber ich habe mehr Mumm in den Knochen als so mancher, der halb so alt ist wie ich!“

„Das glaube ich Ihnen gerne“, sagte ich.

„Glauben Sie, wir hätten die Kommunisten ansonsten damals in Korea aufhalten können, wenn wir eine so laxe Einstellung gehabt hätten? Wie sieht es heute aus? Am liebsten nur Geld verdienen und nichts dafür tun! Das ist es doch, worauf es hinausläuft! Keiner will mehr den Buckel krumm machen! Stattdessen wollen die jungen Leute lieber in einer Game-Show gewinnen oder als Koks-Dealer den schnellen Dollar machen.“

Er redete noch eine ganze Weile so weiter. Über alte Zeiten und darüber, dass angeblich alles den Bach hinunterging bis hin zu den Problemen, die es mit dem Pensionsfond für städtische Angestellte gab.

Wir ließen ihn erstmal etwas gewähren.

Es schien lange her zu sein, dass sich jemand mit Donovan McGregor ausführlich unterhalten hatte. Seine Wohnung war völlig überladen. Die Wände waren bis unter die Decke mit Regalen voll gestellt. Zahllose Bücher befanden sich dort. Viele handelten vom Korea-Krieg. Es gab mehrere Fotos, die offenbar McGregor mit seiner Einheit zeigten.

Außerdem war da ein Hochzeitsbild.

Ich deutete darauf und fragte: „Sie haben uns doch gesagt, dass Sie alleinstehend sind.“

„Ich bin verwitwet, um genau zu sein. Meine Frau starb vor zwanzig Jahren durch einen Verkehrsunfall. Das war nur eine Ecke weiter. Irgend so ein Spinner hat die rote Ampel nicht beachtet und Clarissa voll erfasst.“ Er atmete tief durch. „Ich nehme an, Sie wollen mir eher ein paar Fragen über meinen Nachbarn stellen.“

„Das ist richtig“, bestätigte ich.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel über ihn. An seiner Tür steht Fabian, aber ich hatte eigentlich oft den Eindruck, dass überhaupt niemand zu Hause ist. Ich weiß weder, was Mister Fabian beruflich gemacht hat, noch wo er die ganze Zeit über steckte, als seine Wohnung offensichtlich verwaist war. Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, dass jemals ein Brief in seinem Postkasten gelandet wäre. Jedenfalls schaute keiner aus dem Schlitz raus.“ McGregor zuckte die Schultern. „Ich fürchte, ich bin Ihnen keine große Hilfe.“

„Sie sagten gegenüber unseren Kollegen vom NYPD, dass Sie heute Nacht keine Schüsse gehört hätten.“

„Das ist richtig. Und glauben Sie mir, ich habe einen leichten Schlaf! Ich hätte das gehört!“ Er kniff die Augen zusammen. „Schalldämpfer, was?“

„Vermutlich“, meinte ich.

Milo zeigte ihm Polaroids der beiden Toten, die die Kollegen vom NYPD am Tatort gemacht hatten. „Außer Ihrem Nachbarn Mister Fabian ist noch jemand getötet worden. Sie kennen Ihn vielleicht vom Fernsehen. Er heißt Brandon Carter.“

„Das Gesicht kommt mir zumindest bekannt vor.“ Er schüttelte den Kopf. „Meine Güte, ist der zugerichtet worden! Als ob eine Kugel nicht genügt hätte! In Korea, da hatten wir damals einen Kompaniekoch, der auch das Pech hatte...“

„Haben Sie Brandon Carter schon einmal gesehen“, unterbrach ich ihn.

„Ist das nicht der Typ mit den Latexhandschuhen, den man im Kabelprogramm sehen kann?“

„Richtig.“

„Komisch...“, murmelte McGregor. Er schaute gar nicht mehr auf das Foto, sondern wandte sich ab. Dann kratzte er sich am Kinn. Der Blick war nach innen gerichtet, so als würde er intensiv über etwas nachdenken.

„Was ist komisch, Mister McGregor?“, hakte Milo nach.

„Mir ist da gerade etwas eingefallen. Es hat aber nichts mit diesem Fernsehfuzzi zu tun.“

„Sondern?“

„Mit Mister Fabian.“

„Erzählen Sie!“, forderte ich.

Er sah uns nacheinander kurz an und atmete schließlich tief durch. „Sehen Sie, dieser Fabian war fast ein Jahr lang nicht in seiner Wohnung. Jedenfalls nicht, dass ich davon etwas mitbekommen hätte. Aber jetzt hat er sich innerhalb weniger Wochen zweimal mit jemandem hier getroffen. Erst mit so einem grauhaarigen feinen Pinkel. Das war vor zwei Wochen. Ich war gerade auf dem Flur, als die beiden mit dem Lift herauf gefahren sind. Sie haben sich ziemlich gestritten und gar nicht weiter auf mich geachtet.“

„Würden Sie den Mann wieder erkennen?“

„Sicher. Er hatte eine Rolex am Handgelenk. Das ist mir gleich aufgefallen! Ich schätze ihn auf Mitte fünfzig, schlank, graues Haar, das ziemlich kurz geschnitten war.“

„Größe?“

„Einen Kopf kleiner als Mister Fabian.“

„Dann muss er ungefähr 1,70 m gewesen sein“, meinte Milo.

McGregor nickte. „Das kommt hin, Agent Tucker.“

„Haben Sie mitbekommen, worum es in dem Streit ging?“

„An einen Satz kann ich mich erinnern: Wenn wir die Nerven behalten, können wir alle viel Geld verdienen!, hat der Typ gesagt. Mister Fabian meinte, er wollte aussteigen und hätte andere Pläne. Was immer das auch heißen mag. Die beiden sind dann in Fabians Wohnung verschwunden, wo es ziemlich lautstark weiter ging.“

„Sie sind ein guter Beobachter“, sagte ich und gab McGregor meine Karte. „Es könnte ja sein, dass Ihnen noch was einfällt. Melden Sie sich dann bitte unter den angegebenen Rufnummern. Ansonsten werden Sie heute noch Besuch von unserem Kollegen Agent Prewitt bekommen.“

Er runzelte die Stirn. „Jetzt sagen Sie nicht, dass ich dem das Ganze noch mal erzählen muss!“

„Nein, er wird mit Ihrer Hilfe ein Phantombild von dem Kerl anfertigen, den Sie gesehen haben.“

„Denken Sie, dass er was mit den Morden zu tun hat?“

„Zumindest könnte er uns ein paar weitergehende Auskünfte über den Mann geben, den Sie als Mister Fabiano kennen“, erwiderte ich.




6


Unter den Gegenständen, die man bei den Toten gefunden hatte, war neben Handys und Führerscheinen bei Jack Fabiano auch ein kleines Päckchen mit Zucker, wie man es zum Cappuccino bekommt. Es trug den Aufdruck DOLCE VITA BAR, New York. Die entsprechende Bar lag ein paar Häuser weiter, wie uns Captain Mongas berichtete.

„Fabiano muss dort gewesen sein und diesen Zucker an sich genommen haben“, meinte ich. „Wahrscheinlich sogar kurz bevor er mit Carter seine Wohnung aufsuchte.“

„Wieso nimmt jemand Zucker mit?“, fragte Milo.

„Manche Leute sind so, Milo. Du bestellst einen Cappuccino oder irgendetwas anderes, wo Zucker hineingehört, bekommst zwei Päckchen, brauchst aber nur eins und denkst dir: bezahlt ist bezahlt!“

„Meinst du, Fabiano war pleite?“

„Das ist eine Angewohnheit, Milo! So etwas legt man nicht ab, nur weil man plötzlich vermögend ist!“

„Mache ich übrigens auch so“, bestand Captain Mongas. „Allerdings trinkt kein Italiener nach elf Uhr morgens noch Cappuccino!“

„Daran muss er sich nicht gehalten haben. Vielleicht hat er den Zucker auch für was anderes benutzt. Aber wenn sie mich fragen, dann haben Carter und Fabiano sich im Dolce Vita zuerst getroffen. Es dürfte sich also lohnen, mal mit einem Angestellten zu sprechen.“

„Müssen wir wohl verschieben“, meinte Milo. „Aber vorher können wir ja mal nach Paterson, New Jersey hinausfahren und uns die Wohnung von Brandon Carter vornehmen.“




7


Wir fuhren über den Lincoln-Tunnel nach New Jersey. Brandon Carter bewohnte einen luxuriösen Bungalow am Rande der Kleinstadt Paterson. Zeitgleich machten sich auch Dave Ontario, ein Computerspezialist der Scientific Research Division sowie unsere FBI-eigenen Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster auf den Weg nach Paterson. Es war schließlich mehr als wahrscheinlich, dass der Doppelmord an Carter und Fabiano in irgendeiner Weise mit Carters Arbeit im Zusammenhang stand. Daher mussten wir wissen, an welchen brisanten Themen der Skandalreporter gearbeitet hatte. Eine Hausdurchsuchung war im Übrigen bei Mordopfern Routine.

Es regnete in Strömen, als wir in der Betterfield Road ankamen.

In der Einfahrt standen ein Pajero und ein Porsche. Beide Wagen waren auf den Namen Brandon Carter zugelassen. Außerdem hatten die Kollegen von der City Police in einem Parkhaus an der Elizabeth Street noch einen BMW gefunden, mit dem Carter offensichtlich zu seinem Treffen mit Fabiano gefahren war. Carter schien es alles andere als schlecht zu gehen.

 

Ich parkte den Sportwagen am Straßenrand.

Wir stiegen aus und sahen zu, dass wir durch den Regen kamen.

Es brannte Licht im Haus.

Eine weibliche Stimme meldete sich auf unser Klingeln.

„Ja?“

„Jesse Trevellian, FBI. Mit wem spreche ich bitte?“

Zunächst war die einzige Antwort, die ich erhielt ein Knacken in der Leitung.

Dann meldete sich die weibliche Stimme noch einmal. „Ich bin gleich da!“

Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Eine Frau von Ende zwanzig trat uns entgegen. Ihr blondes, bis weit über die Schultern herabfallendes Haar hatte einen deutlichen Rotstich. Ihre dunklen Augen starrten nacheinander auf unsere Ausweise. Dann hob sie die Augenbrauen.

„Es geht um Mister Brandon Carter“, sagte ich.

„Brandon ist nicht hier. Er ist gestern Abend noch nach New York gefahren und hat mir gesagt, dass es spät werden könnte.“ Sie zuckte die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dass es so spät werden würde, hatte ich allerdings nicht gedacht...“ Sie schluckte. „Oh, entschuldigen Sie. Mein Name ist Tasha Grath.“

„Sie wohnen hier?“, fragte ich.

„Ja.“

„In welchem Verhältnis standen Sie zu Mister Carter?“

„Ich bin seine Lebensgefährtin. Aber... Sie sprechen von Brandon in der Vergangenheit. Ist etwas passiert?“

„Vielleicht können wir das drinnen besprechen. Es ist ziemlich nass hier draußen“, sagte Milo.

„Natürlich.“

Sie ging voran. Wir folgten ihr. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss. Sie führte uns durch einen großzügig angelegten, mit Antiquitäten ausgestatteten Empfangsraum. Wenig später erreichten wir das Wohnzimmer.

Ein Mann in einem braunen Kaschmir-Jackett, Mitte dreißig und ohne ein einziges Haar auf dem Kopf hatte dort an dem niedrigen Tisch Platz genommen. Er erhob sich.

„Das ist Mister James Resnick, Brandons Agent und Manager. Und außerdem ein Freund des Hauses.“

„Miss Grath, wir haben Ihnen leider die traurige Mitteilung zu machen, dass Brandon Carter ermordet wurde“, sagte ich.

Tasha Graths Gesicht gefror zu einer Maske. Sie wandte sich ab und bedeckte das Gesicht mit den Händen. James Resnick trat zu ihr und nahm sie in den Arm.

„Es muss ein Schock für Sie sein“, sagt Milo. „Aber wir sind leider gezwungen, Ihnen ein paar Fragen zu stellen und eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Unsere Kollegen sind bereits unterwegs.“

Tasha Grath hatte sich nach kurzer Zeit wieder gefasst. Sie schluckte und wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen. Im ersten Moment redete ich mir ein, dass es an den Lichtverhältnissen lag, aber ich konnte keinerlei Tränen erkennen.

Ihre Stimme klang überraschend hart, als sie schließlich sagte: „Irgendwann musste es ja mal soweit kommen.“

„Wovon sprechen Sie, Miss Grath?“, hake ich nach.

„Na davon, dass Brandon jemandem so gewaltig auf die Füße tritt, dass derjenige sich dafür rächt.“ Sie atmete tief durch und sah mich an. Ein taxierender, sehr bestimmter Blick. Das waren nicht die Augen einer Frau, der man gerade den Boden unter den Füßen weggezogen hatte und die deswegen völlig aus der Fassung geraten war. Sie schien viel mehr ganz kühl die Lage abzuschätzen.

„Vielleicht sollten Sie Tasha jetzt erst einmal eine Pause gönnen!“, schlug James Resnick vor. „Sie sehen doch wie sehr das Ganze Sie mitgenommen hat!“

„Es geht schon, James!“, widersprach Tasha. Sie hob das Kinn und fuhr fort: „Was ist geschehen, Agent Trevellian? Ich will es ganz genau wissen. Sie brauchen nicht zu denken, dass Sie mich irgendwie schonen müssen!“

In knappen Worten fasste ich ihr zusammen, was sich unseren bisherigen Erkenntnissen nach zugetragen hatte. „Der Mann, mit dem sich Ihr Lebensgefährte getroffen hat, war Jack Fabiano. Sagt Ihnen dieser Name etwas?“, fragte ich.

Sie runzelte die Stirn und schüttelte dann energisch den Kopf.

„Nie gehört.“

„Wissen Sie, woran Brandon Carter zuletzt gearbeitet hat?“

„Brandon hat mich nie in seine Arbeit einbezogen“, gestand Tasha. Sie strich sich das Haar zurück. Das eng anliegende blaue Kleid schmiegte sich perfekt an ihren Körper. „Er meinte, es wäre besser, wenn ich nichts darüber wüsste. Seine Sendungen, aber vor allen Dingen die Prominenten-Biographien, die er geschrieben hat, haben nicht jedem gefallen. Es hat immer wieder spektakuläre Prozesse gegeben, wenn sich jemand von Brandon ungerechtfertigt an den Pranger gestellt fühlte.“

„Er hat mit Ihnen nicht über Jack Fabiano gesprochen?“, vergewisserte ich mich.

„Nein. Er hat mir nur gesagt, dass er nach New York fahren wollte. Meine Güte, ich bin seine Freundin, nicht sein Kindermädchen gewesen! Und außerdem war Brandon kein Mann, den man so einfach an die Kette legen konnte!“

Milo wandte sich an James Resnick. „Sie müssten doch eigentlich gewusst haben, woran Carter gerade arbeitete!“

Resnick lächelt dünn. „Brandon hat ein ganzes Team von Detektiven, Rechercheuren und Laufburschen für alles Mögliche beschäftigt. Nicht zu vergessen die Anwälte, die alles daraufhin abklopften, ob vielleicht mit immensen Schadensersatzforderungen zu rechnen war. Fragen Sie die! Ich gebe Ihnen eine Liste der Leute, die mir bekannt sind, aber ich bezweifle, dass die vollständig sein wird. Ich bin zwar sein Manager und Agent gewesen, und habe dafür gesorgt, dass seine Bücher zu guten Verlagen gekommen sind und seine Show in die großen Networks. Aber im Grunde war Brandon immer ein Einzelkämpfer. Die Sachen, die wirklich brisant waren, hat er nur mit sich ausgemacht.“