Arbeitsrecht in der Umstrukturierung

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2. Gestaltungsinstrumente im Überblick

a) Privatisierung durch Gesetz

140

Den weitesten Gestaltungsspielraum bieten Privatisierungen durch Gesetz. Sie ermöglicht einerseits Erleichterungen für den übertragenden Rechtsträger.

141

Beispiel:

Auf die formalen Vorgaben des UmwG (insbesondere die Pflichtangaben nach § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG und die Zuleitung gemäß § 126 Abs. 3 UmwG) kann z.B. verzichtet werden.[26]

142

Keine Erleichterung dürfte – jedenfalls angesichts der Rechtsprechung des BVerfG[27] – im Kern aber mit Blick auf das Erfordernis eines Widerspruchsrechts analog § 613a Abs. 6 BGB bestehen[28] (auf einen Übergang kraft Landesgesetzes ist § 613a BGB nicht anwendbar, soweit das Gesetz selbst kein Rechtsgeschäft vorsieht)[29], wobei den Landesgesetzgebern aber „Regelungsalternativen“ zugestanden werden. Im Kern dürften aber auch hier den Beschäftigten die oben für Arbeitnehmer skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten zustehen (vgl. Rn. 99).

b) Umwandlungsrechtliche Maßnahmen

143

Häufig zur Privatisierung genutzt werden vor allem umwandlungsrechtliche Maßnahmen.[30]


Denkbar ist hier zunächst ein Formwechsel i.S.d. §§ 190 ff. UmwG von Körperschaften bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts in eine privatrechtliche Rechtsform. § 302 Satz 1 UmwG sieht insoweit allerdings einen Vorrang des Landesrechts, den § 302 Satz 2 UmwG mit Blick auf die Anteilseigner ergänzt, vor, sodass viele Umwandlungen auf landesgesetzlicher Grundlage erfolgen. Hierbei ergeben sich dann die vorstehend skizzierten Gestaltungsspielräume (vgl. Rn. 140 ff.).
Ebenfalls in Betracht kommt eine Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG, die nach § 168 UmwG allerdings unter dem Vorbehalt abweichender bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen steht und für welche die §§ 169 ff. UmwG weitere Sondervorgaben enthalten. Eine gesamtschuldnerische Nachhaftung zwischen der ausgliedernden Körperschaft und dem privaten Rechtsträger sehen §§ 172 f., 157 UmwG für den Fall vor, dass Verbindlichkeiten im Spaltungsplan (§ 136 UmwG) dem aufnehmenden privaten Rechtsträger zugeordnet worden sind.

144

Aufgrund der Anwendbarkeit von § 324 UmwG finden hier die – umwandlungsrechtlich modifizierten – Rechtsfolgen des § 613a BGB (soweit diese Norm tatbestandlich im Übrigen eingreift) unzweifelhaft Anwendung.[31]

c) Share Deal

145

Ohne die Rechtsfolgen des § 613a BGB auszulösen, kann eine (materielle) Privatisierung auf der Grundlage eines Share Deal erfolgen, indem die öffentliche Hand die Gesellschaftsanteile, die sie an einer privatrechtlich verfassten Eigengesellschaft hält, an einen privaten Dritten auf der Grundlage eines entsprechenden Anteilskaufvertrags (Share Purchase Agreement) überträgt.

d) Asset Deal

146

Ein Asset Deal, der insbesondere in Form von Kauf-, Pacht- oder Betriebsführungsverträgen denkbar ist, löst die Rechtsfolgen des § 613a BGB dann aus, wenn entsprechende organisatorische (wirtschaftliche) Einheiten identitätswahrend übertragen werden. Grundlage für einen derartigen Übertragungsvorgang kann auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sein.[32]

147

Das Betriebsführungsmodell[33] kommt insbesondere bei sog. „Teilprivatisierungen“ bzw. „funktionalen Privatisierungen“ zum Tragen, bei denen die öffentliche Aufgabe (zumeist eine kommunale Pflichtaufgabe, die nicht auf einen Privaten übertragen werden kann)[34] als solche bei dem Hoheitsträger bleibt, der sie künftig jedoch gemeinsam mit einem Privaten (Investor) wahrnimmt.[35] Bei derartigen Modellen bleiben die öffentlich-rechtliche Verantwortung und die gebührenrechtliche Abrechnung ebenso wie das Eigentum an den Anlagen bei dem Hoheitsträger, während der private Dritte die Anlage als Dienstleister betreibt und dabei dem Kontroll-, Informations- und Weisungsrecht des Hoheitsträgers untersteht.[36]

148

Beispiel: Beispiele finden sich u.a. im Krankenhauswesen.[37]

149

Im Unterschied hierzu wird beim sog. Betreibermodell ein privates Unternehmen mit Bau, Finanzierung und Betrieb einer kommunalen Anlage zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe betraut. Lediglich die öffentlich-rechtliche Außenverantwortung verbleibt bei der Kommune, die sich vertraglich bestimmte Eingriffs- und Kontrollrechte vorbehält.[38]

150

Beispiel: Beispiele finden sich vor allem bei der kommunalen Wasserversorgung, Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung.[39]

3. Typischerweise wichtige Gesichtspunkte

a) Betriebliche Altersversorgung

151

Schwierige Fragen ergeben sich bei Privatisierungen typischerweise im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, da es für private Unternehmen zumeist nur mit großen Schwierigkeiten möglich ist, die Versorgungssysteme des öffentlichen Dienstes fortzuführen.[40]

b) Betriebliche Mitbestimmung

152

Materielle Privatisierungen führen gemäß § 130 BetrVG zu einem Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich der Personalvertretungsgesetze und zur Anwendbarkeit des BetrVG. Eine Regelung der Auswirkungen dieses Systemwechsels auf das Amt der vor der Privatisierung gebildeten betrieblichen Arbeitnehmervertretungen sowie die (Fort-)Geltung von Dienstvereinbarungen enthält allerdings weder das BetrVG, noch enthalten sie die Personalvertretungsgesetze.

153

Entgegen einer im gewerkschaftsnahen Schrifttum vertretenen Auffassung[41] wird man aber in Übereinstimmung mit der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung[42] eine Analogie zu § 21a BetrVG ablehnen müssen, sodass dem Personalrat kein Übergangsmandat zusteht.[43] Dadurch ergeben sich bei Privatisierungen Spielräume für eine mitbestimmungsfreie Gestaltung von Arbeitsbedingungen, die im Geltungsbereich des BetrVG infolge der Geltung des § 21a BetrVG nicht bestehen.

154

Praxistipp:

Soweit Tarifverträge oder Dienstvereinbarungen ein Übergangsmandat konstituieren sollen, ist dies rechtlich unwirksam,[44] denn selbst § 3 BetrVG bildet hierfür keine Grundlage.[45]

155

Ein Übergangsmandat wird man vielmehr nur annehmen können, wenn es sich bei einer Privatisierung durch Gesetz aus dem jeweiligen Bundes- oder Landesgesetz ergibt.[46]

In einem derartigen Landesgesetz kann dann auch eine Fortgeltung von vor der Privatisierung geregelten Dienstvereinbarungen als Betriebsvereinbarungen geregelt werden.[47] Ist dies nicht der Fall, scheitert eine kollektivrechtliche Fortgeltung aus den vorstehend für das Nichtbestehen eines Übergangsmandats genannten Gründen.[48]

156

Praxistipp:

Soweit dies gewünscht wird, können selbstverständlich nach der Neukonstituierung des Betriebsrats die vorhergehenden Dienstvereinbarungen erneut als Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Dies ist – außerhalb einer gesetzlichen Regelung – der sicherste Weg.[49]

Anmerkungen

[1]

Ausführlich hierzu Kap. 5; vgl. im Übrigen vor allem Blanke/Fedder; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13.

[2]

Vgl. Kap. 5 Rn. 6 ff.; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 3 f.

[3]

Vgl. Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 5.

[4]

Vgl. Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 5; zur Terminologie Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 291 f.

[5]

Vgl. dazu ausführlich z.B. Groeger und Conze/Karb/Wölk.

[6]

WHSS/Willemsen Rn. B 86.

[7]

Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 12 ff.; WHSS/Willemsen Rn. B 86.

[8]

Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 12; Übersicht zu landesgesetzlichen Beteiligungsrechten bei Privatisierungen bei Blanke/Fedder/Baden Teil 5 Rn. 14.

[9]

 

Vgl. Kap. 3 Rn. 11 ff.

[10]

Arens/Düwell/Wichert/Düwell/Wichert § 11 Rn. 23; WHSS/Willemsen Rn. B 86a.

[11]

BAG NZA 2012, 1161; ErfK/Preis BGB § 613a Rn. 15.

[12]

Kap. 5 Rn. 207; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 59 ff.; WHSS/Willemsen Rn. B 86b; Blanke/Fedder/Baden Teil 5 Rn. 259 m.w.N.

[13]

Zu dieser Qualifikation vgl. Kap. 3 Rn. 120 ff.

[14]

Kap. 5 Rn. 206; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 59 ff.; WHSS/Willemsen Rn. B 86b; Blanke/Fedder/Baden Teil 5 Rn. 259.

[15]

Kap. 5 Rn. 145 ff.; WHSS/Willemsen Rn. B 86b; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 53 ff. m.w.N.

[16]

Kap. 5 Rn. 147; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 53 m.w.N.

[17]

Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 2 ff.

[18]

Vgl. auch WHSS/Willemsen Rn. B 85.

[19]

WHSS/Willemsen Rn. B 87.

[20]

Kap. 5 Rn. 171 ff.; WHSS/Willemsen Rn. B 87; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 155.

[21]

Vgl. Kap. 5 Rn. 171 ff.; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 144 ff.

[22]

WHSS/Willemsen Rn. B 85.

[23]

Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 7; WHSS/Willemsen Rn. B 85c m.w.N.

[24]

Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 9.

[25]

WHSS/Willemsen Rn. B 85.

[26]

WHSS/Willemsen Rn. B 85a.

[27]

BVerfG NZA 2011, 400.

[28]

Kap. 5 Rn. 230; WHSS/Willemsen Rn. B 85b; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 155.

[29]

Vgl. BAG NZA 2001, 840.

[30]

Vgl. zum Folgenden Kap. 5 Rn. 194 ff. und WHSS/Willemsen Rn. B 85; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 151 ff.

[31]

Zur den Rechtsfolgen von Umwandlungen vgl. Kap. 4 Rn. 36 ff.; zur spezifischen Umwandlung öffentlich-rechtlicher Unternehmen vgl. Kap. 5 Rn. 191 ff.

[32]

BAG NZA 1996, 424; WHSS/Willemsen Rn. B 85e m.w.N.

[33]

Vgl. dazu und zur Abgrenzung vom „Betreibermodell“ Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 305 ff.

[34]

Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 305.

[35]

WHSS/Willemsen Rn. B 85f.

[36]

WHSS/Willemsen Rn. B 85f.; Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 307.

[37]

Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 305.

[38]

Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 306; WHSS/Willemsen Rn. B 85f.

[39]

Blanke/Fedder/Sterzel Teil 2 Rn. 305; WHSS/Willemsen Rn. B 85f; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 150.

[40]

WHSS/Willemsen Rn. B 87; WHSS/Schnitker Rn. J 630 ff.; Groeger/Betz-Rehm Teil 12 Rn. 100 ff.

[41]

Blanke/Fedder/Baden Teil 5 Rn. 241.

[42]

LAG Köln NZA-RR 2001, 423; LAG Köln NZA-RR 2001, 87.

[43]

Besgen/Langner NZA 2003, 1239 ff.; BeckOK ArbR/Besgen BetrVG § 21a Rn. 10 m.w.N.

[44]

Besgen/Langner NZA 2003, 1239, 1242 f.; vgl. auch WHSS/Willemsen Rn. B 87d; a.A. Blanke/Fedder/Baden Teil 5 Rn. 242 ff.

[45]

WHSS/Willemsen Rn. B 87d; Kast/Freihube DB 2004, 2530, 2533; Besgen/Langner NZA 2003, 1239, 1242 f.

[46]

WHSS/Willemsen Rn. B 87c.

[47]

BAG NZA 2005, 833; WHSS/Willemsen Rn. B 87c; Groeger/Steffek/Dietzel Teil 13 Rn. A 178.

[48]

WHSS/Willemsen Rn. B 87d.

[49]

WHSS/Willemsen Rn. B 87d.

2. Kapitel Umstrukturierung durch Betriebsänderungen

I.Einführung1 – 9

II.Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG10 – 280

1.Allgemeine Voraussetzungen einer Betriebsänderung11 – 42

a)Größe des Unternehmens11 – 24

b)Wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer25 – 27

c)Belegschaft oder erheblicher Teil der Belegschaft28 – 35

d)Bestehen eines Betriebsrats36 – 41

e)Tendenzbetriebe42

2.Tatbestände des § 111 Satz 3 Nrn. 1 bis 5 BetrVG43 – 107

a)Betriebsstilllegung47 – 53

b)Stilllegung wesentlicher Betriebsteile54 – 58

c)Einschränkung des Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils59

d)Betriebseinschränkung durch bloßen Personalabbau60 – 69

e)Betriebsverlegung70 – 72

f)Zusammenschluss und Spaltung von Betrieben73 – 85

aa)Zusammenschluss73 – 76

bb)Spaltung77 – 85

g)Grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen86 – 100

h)Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren101 – 103

i)Sonderfall: Betriebsübergang und Betriebsänderung104 – 107

3.Beteiligung des Betriebsrates gemäß §§ 111 ff. BetrVG108 – 266

a)Unterrichtung108 – 129

aa)Zeitpunkt110 – 122

bb)Inhalt, Form und Umfang der Unterrichtung123 – 129

b)Beratung130, 131

c)Zuständiger Verhandlungspartner132 – 138

d)Hinzuziehung eines Beraters139 – 145

e)Interessenausgleichsverfahren146 – 164

aa)Gegenstand, Inhalt und Form des Interessenausgleichs146 – 159

bb)Die Einigungsstelle160 – 164

f)Sozialplan165 – 253

aa)Gegenstand, Erzwingbarkeit, Form165 – 179

bb)Inhalt180 – 202

cc)Transferregelungen203 – 217

 

dd)Der Sozialplan in der Einigungsstelle218 – 253

(1)Gegebenheiten des Einzelfalles223 – 227

(2)Aussichten auf dem Arbeitsmarkt228 – 239

(3)Förderungsmöglichkeiten240 – 242

(4)Bemessung des Gesamtvolumens243 – 253

g)Einigungsstellenverfahren254 – 260

h)Änderung und Kündigung von Sozialplänen261 – 266

4.Durchsetzbarkeit der Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG267 – 280

a)Unterlassungsanspruch271, 272

b)Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG273 – 280

III.Sonstige Beteiligungsrechte des Betriebsrates281 – 326

1.Weitere umstrukturierungsrelevante Beteiligungsrechte nach dem BetrVG281 – 289

a)Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG281, 282

b)Zustimmung zu Versetzungen und Einstellungen283, 284

c)Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG285 – 289

2.Beteiligungsrechte bei Massenentlassungen (§ 17 KSchG)290 – 326

a)Anzeigepflichtige Entlassungen291 – 304

b)Konsultationsverfahren305 – 322

aa)Unterrichtung des Betriebsrates nach § 17 Abs. 2 KSchG306 – 313

bb)Beratung314, 315

cc)Stellungnahme des Betriebsrats316 – 322

c)Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Beteiligungsrechte aus § 17 KSchG323 – 326

IV.Beteiligungsrechte weiterer Organe der Betriebsverfassung327 – 348

1.Beteiligungsrechte des Wirtschaftsausschusses327 – 334

a)Inhalt des Beteiligungsrechts328 – 330

b)Zeitpunkt331, 332

c)Streitigkeiten333, 334

2.Beteiligungsrechte des Sprecherausschusses335 – 340

3.Beteiligungsrechte des Europäischen Betriebsrates341 – 348

V.Konsequenzen einer Betriebsänderung für den Fortbestand des Betriebsrates349 – 379

1.Abgrenzung zu bloßen Veränderungen auf Unternehmensebene349, 350

2.Zusammenschluss von Betrieben351 – 356

3.Spaltung bestehender Betriebe357 – 379

a)Folgen für bestehende Betriebsräte360 – 369

aa)Abspaltung360 – 364

bb)Aufspaltung365 – 369

b)Besonderheiten bei Gemeinschaftsbetrieben370 – 376

aa)Spaltung und Fortführung als gemeinsamer Betrieb370 – 375

bb)Spaltung eines Gemeinschaftsbetriebs376

c)Stilllegung377 – 379

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG

III. Sonstige Beteiligungsrechte des Betriebsrates

IV. Beteiligungsrechte weiterer Organe der Betriebsverfassung

V. Konsequenzen einer Betriebsänderung für den Fortbestand des Betriebsrates

Literatur

Kommentare und Handbücher

Gagel, Alexander SGB II/SGB III – Grundsicherung und Arbeitsförderung, Kommentar, Loseblatt; Fitting, Karl (Begr.) Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 28. Aufl. 2015; Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid (Hrsg.) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016; Richardi, Reinhard (Hrsg.) Betriebsverfassungsgesetz, 15. Aufl. 2016; Schaub, Günter (Begr.) Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015; Wiese, Günther/Kreutz, Peter/Oetker, Hartmut et al. Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 10. Aufl. 2014; Willemsen, Heinz Josef/Hohenstatt, Klaus S./Schweibert, Ulrike/Seibt, Christoph H. (Hrsg.) Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen – arbeitsrechtliches Handbuch, 4. Aufl. 2011.

Aufsätze

Annuß, Georg Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des BetrVG, NZA 2001, 367; Bauer, Jobst-Hubertus/Göpfert, Burkard Beschleunigtes Interessenausgleichsverfahren, DB 1997, 1464; Berenz, Claus Aktuelle Probleme im Sozialplanrecht – Die Regelung des § 112 Abs. 5 BetrVG, NZA 1993, 538; Forst, Gerrit GmbH-Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts, EuZW 2015, 664; Fuhlrott, Michael Die Reichweite des Sozialplanprivilegs gemäß § 112a BetrVG, ArbR Aktuell 2011, 109; ders. Anmerkung zum Urteil des BAG vom 26.2.2015, Az. 2 AZR 955/13 – Zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen, EWiR 2015, 423; Gaul, Björn Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG bei der Spaltung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen, NZA 2003, 695; Gaul, Björn/Bonanni, Andrea/Otto, Björn Hartz III – Veränderte Rahmenbedingungen für Kurzarbeit, Sozialplanzuschüsse und Transfermaßnahmen, DB 2003, 2386; Grau, Timon/Sittard, Ulrich Neues zum Verfahren bei Massenentlassungen? BB 2011, 1845; Heider, Nicole/Schimmelpfennig, Hans-Christoph Sozialplanverhandlungen bei unternehmensübergreifenden Umstrukturierungen, KSzW, 2014, 244; Hidalgo, Martina/Kobler, Michael Die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen des Widerspruchs bei einem Betriebsübergang, NZA 2014, 290; Kreßel, Eckhard Arbeitsrechtliche Aspekte des neuen Umwandlungsbereinigungsgesetzes, BB 1995, 912; Krieger, Steffen/Ludwig, Gero Das Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen – Praktischer Umgang mit einem weitgehend unbekannten Wesen, NZA 2010, 919; Löwisch, Manfred Änderungen der Betriebsverfassung durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz, BB 2001, 1790; Rieble,Volker Der CGM-Beschluss des ArbG Stuttgart: Tariffähigkeit und Tarifzensur, NZA 2004, 1025; Schramm, Nils/Kuhnke, Michael Das Zusammenspiel von Interessenausgleichs- und Massenentlassungsanzeigeverfahren, NZA 2011, 1071.

2. Kapitel Umstrukturierung durch Betriebsänderungen › I. Einführung

I. Einführung

1

Bei der praktischen Umsetzung von Umstrukturierungen spielt die Beteiligung des Betriebsrats aus arbeitsrechtlicher Sicht regelmäßig eine zentrale Rolle. Das gilt sowohl mit Blick auf die strategische Ausgestaltung der geplanten Maßnahmen als auch mit Blick auf die zeitlichen Verzögerungen, die durch eine Beteiligung des Betriebsrates eintreten können. Allerdings stellt nicht jede Umstrukturierung im Konzern oder Unternehmen eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar, die Beteiligungsrechte der Betriebsverfassungsorgane auslöst (vgl. dazu Rn. 108). Damit lässt sich ein reiner Wechsel des Rechtsinhabers (Share Deal, Verschmelzung), aber auch ein reiner Betriebsübergang (etwa aufgrund eines Asset Deals oder infolge des Übergangs des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals) entgegen der in der Praxis nicht selten bestehenden Befürchtung der Unternehmen oft ganz ohne oder zumindest ohne langwierige Verhandlungen über Interessenausgleichsvereinbarungen und Sozialpläne durchführen.

2

Ob dies so ist und sich die neuen Strukturen damit schnell und mit kleinem Aufwand umsetzen lassen, gilt es rechtzeitig, d.h. in der Analyse- und Planungsphase herauszufinden, um etwaige Alternativen auch unter diesem arbeitsrechtlichen Aspekt sinnvoll miteinander vergleichen zu können. Zudem gilt es in der Praxis, durch eine rechtzeitige Analyse und Vorbereitung die richtigen „Stellhebel“ für eine schnelle und effektive Umsetzung der unternehmerischen Ziele zu identifizieren und die hier bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Auch etwaige im Unternehmen bzw. Konzern des neuen Arbeitgebers erforderliche Integrationsmaßnahmen müssen rechtzeitig identifiziert werden, um die Integration arbeitsrechtlich so reibungslos wie möglich zu gestalten. Das gilt sowohl bei einem Unternehmenskauf in Form eines Asset Deals als auch bei Anteilkäufen (sog. Share Deals). Hier kommt der rechtzeitigen Vorbereitung etwaiger Integrationsmaßnahmen für die Zeit nach dem Erwerb des Unternehmens in der Praxis (sog. „Post Merger Integration“) des zu erwerbenden Unternehmens (Zielunternehmen) zunehmend eine wichtige praktische Bedeutung zu. Der Prozess der wird im Idealfall bereits im Rahmen des Erwerbsprozesses und der hierbei durchgeführten Due Diligence kritisch reflektiert und berücksichtigt, ob die im Zielunternehmen bestehenden tariflichen und betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen und Vereinbarungen (u.a. in Bezug auf betriebliche Altersversorgung) die erhoffte zeitnahe und kostengünstige Integration in den Konzern des Erwerbers ermöglichen.

3

Handelt es sich bei den geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen um eine Betriebsänderung i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG und besteht ein Betriebsrat, bestehen gegenüber den Organen der Betriebsverfassung (insbesondere Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss) regelmäßig Unterrichtungspflichten, die „rechtzeitig“ zu wahren sind (vgl. § 106 BetrVG), d.h. vor Umsetzung der angedachten Maßnahmen (vgl. Rn. 110). Bei der Planung des Entscheidungs- und Kommunikationsprozesses ist daher regelmäßig Sorge dafür zu tragen, dass die zuständigen Arbeitnehmervertretungen vor einer abschließenden Entscheidung und Umsetzung einzubinden sind (vgl. Rn. 110).

4

Umstrukturierungen in Form von Betriebsänderungen führen zugleich zu der Verpflichtung, einen Interessenausgleich zumindest zu versuchen sowie einen Sozialplan abzuschließen (§ 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 BetrVG). Während der Interessenausgleich (anders als seine Bezeichnung nahe legt) das Ob, Wann und Wie der geplanten Maßnahmen zum Gegenstand hat, dient der Sozialplan dem Ausgleich und der Abmilderung der mit der Betriebsänderung einhergehenden Nachteile. Kommt über ihn keine Einigung mit dem Betriebsrat zustande, entscheidet die Einigungsstelle mit bindender Wirkung (§ 112 Abs. 4 BetrVG), soweit nicht ein Fall des § 112a BetrVG vorliegt (Privilegierung von reinen Personalabbaumaßnahmen unterhalb einer bestimmten Schwelle bzw. von Betriebsänderungen in neu gegründeten Unternehmen). Gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG hat die Einigungsstelle dabei sowohl die sozialen Belange der Arbeitnehmer als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Entscheidung für das Unternehmen zu beachten, für beides enthalten die Regelungen in § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG Kriterien (vgl. dazu Rn 165 ff.).

5

Die Rechtsprechung des BAG verlangt zur Ausschöpfung des Interessenausgleichsverfahrens die Anrufung der Einigungsstelle, um den Nachteilsausgleichsanspruch des § 113 BetrVG vermeiden zu können. Auch ein Abweichen vom Interessenausgleich kann zur Folge haben, dass der betroffene Arbeitnehmer einen individualrechtlichen Nachteilsausgleichsanspruch erhält, wenn für die Abweichung kein zwingender Grund vorliegt (§ 113 Abs. 1 BetrVG).

6

Sofern die Schwellenwerte des § 17 KSchG überschritten werden, hat der Arbeitgeber vor dem Ausspruch von Kündigungen den Betriebsrat nach § 17 KSchG zu informieren und mit ihm über die Vermeidung von Entlassungen sowie die Milderung der mit ihnen verbundenen Nachteile zu beraten (Konsultationsverfahren, vgl. dazu Rn. 305). Nach Abschluss der Beratungen, zu der auch die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 KSchG gehört, ist die Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam (vgl. dazu Rn. 323).

7

Bei sämtlichen Umstrukturierungen im Konzern bzw. Unternehmen ist stets auch zu prüfen, welche Auswirkungen die Maßnahmen für die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen der betroffenen Unternehmen haben. So kann es als Folge der Umstrukturierungen zur Beendigung des Betriebsratsamtes kommen und es können Rest- oder Übergangsmandate ausgelöst werden, die zu einer vorübergehenden Zuständigkeit für andere Betriebe führen können. Hier eröffnen sich zugleich weitere Gestaltungsmöglichkeiten, denn durch arbeitsrechtliche Umstrukturierungen und die damit einhergehenden Strukturveränderungen im Konzern bzw. den betreffenden Unternehmen kann die Zuständigkeit von betriebsverfassungsrechtlichen Organen herbeigeführt, aber auch beendet werden. Entsprechendes gilt für die Bildung von Gesamt- oder Konzernbetriebsräten. Hinsichtlich des bestehenden Betriebsrates ist insoweit das Kriterium der Betriebsidentität maßgeblich. Bleibt diese erhalten, bleibt der bisherige Betriebsrat auch bei einem Betriebsinhaberwechsel im Amt. Entsprechendes gilt bei der Verlagerung von Betrieben; führt die Verlagerung letztlich auch aufgrund der weiten räumlichen Entfernung zu einer Stilllegung und zum Verlust der bisherigen Betriebsidentität, endet das Amt des Betriebsrates (vgl. dazu ausführlich Rn. 349 ff.).

8

Besonderheiten gelten auch mit Blick auf durch bzw. aufgrund des § 3 BetrVG geschaffene abweichende Betriebsstrukturen wie einen gemeinsamen Betrieb sowie in Tendenzunternehmen i.S.d. § 118 BetrVG (vgl. dazu ausführlich Rn. 42).

9

Gemäß § 130 BetrVG finden die Regelungen des BetrVG einschließlich der §§ 111 ff BetrVG keine Anwendung auf Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder und der sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Hier gelten die Sonderregelungen des Bundes- bzw. Landespersonalvertretungsrechts (s. hierzu Kap. 5 Rn. 40 ff.).