Tax Compliance

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b) Durchsuchung und Beschlagnahme

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Das strafprozessuale Standardverfahren dürfte die Beantragung und der Vollzug von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen gegen den Beschuldigten (nach § 102 StPO) und gegen unverdächtige Dritte (Zeugen, nach § 103 StPO) sein. Antragsbefugt ist nicht die Steuerfahndung, sondern nur die Staatsanwaltschaft oder die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Finanzbehörde.

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Voraussetzung eines Durchsuchungsbeschlusses gegen einen Beschuldigten ist nach § 102 StPO der einfache Tatverdacht einer Steuerstraftat. Die Schwelle dafür ist niedrig: es muss die durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutung zu bejahen sein, dass der Tatbestand des § 370 AO verwirklicht ist. Tatsache in diesem Sinne kann auch die kriminalistische Erfahrung des Steuerfahnders sein. Trotz dieser niedrigen Schwelle wird im Normalfall das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht voreilig eingeleitet, denn die Steuerfahndungsstellen haben das oben beschriebene Kapazitätsproblem. Der Steuerfahnder kann den Fall zwar einleiten, aber er wird ihn nicht mehr ohne weiteres wieder los, weil er das Verfahren nicht einfach einstellen kann. Das kann nur die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft.

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Die erforderlichen Durchsuchungsbeschlüsse (§§ 102, 103 StPO) müssen beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts beantragt werden, in dessen Bezirk die Ermittlungsbehörde ihren Sitz hat, § 162 StPO. In einzelnen Ländern gibt es abweichende Zuständigkeitsregeln, die die Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafverfahren bestimmten zentralisierten Gerichten zuweist.

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Dem Antrag muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgeschaltet sein, ob weniger einschneidende Mittel zur Erlangung der gesuchten Beweismittel zur Verfügung stehen. In Betracht kommt hier das Auskunfts- und Herausgabeverlangen nach § 95 StPO. Kann das in gleicher Weise zur Sicherstellung des Beweismittels führen wie ein Durchsuchungsbeschluss, wäre letzterer rechtswidrig wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitgrundsatz.[91]

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Die Antragsbegründung muss die Tatsachen enthalten, die den Tatvorwurf begründen. Die Begründung, die regelmäßig zum größten Teil im Beschluss wiederholt wird, muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist.[92] Je nach den Umständen des Einzelfalls kann das auch eine sehr pauschale Begründung sein. Das ist zum einen dem Delikt geschuldet, dessen Tathandlung nun einmal immer im falschen Ausfüllen einer Steuererklärung (oder der Nichtabgabe derselben) besteht. Der der eigentlichen Tat vorangegangene modus operandi sollte ebenfalls beschrieben sein.

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Die zu suchenden Beweismittel müssen so genau beschrieben werden, wie es im Einzelfall nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen möglich ist.[93] Soweit eine genaue Bezeichnung der Beweismittel nicht möglich ist, sind diese annäherungsweise – ggf. in Form beispielhafter Angaben – zu beschreiben.[94]

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Hat der Ermittlungsrichter den Beschluss erlassen, beginnt für die Steuerfahndung die Frist zum Vollzug zu laufen, denn der Durchsuchungsbeschluss verbraucht sich zum einen durch Zeitablauf. Nach Ablauf eines halben Jahres verliert nach Auffassung des BVerfG[95] der Beschluss spätestens seine rechtfertigende Kraft. Zum anderen kann bereits vorher durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beschluss unwirksam werden. Das ist jeweils vor Vollzug des Beschlusses zu prüfen.

c) Datenforensik

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Zunehmende Bedeutung für die Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung hat die Sicherstellung elektronischer Daten. Nicht wenige Fälle sind mittlerweile nur aus den sichergestellten elektronischen Daten zu lösen. Während man in früheren Jahren davon ausgehen konnte, dass der typische Steuerhinterzieher alles Wichtige ausgedruckt hat, ist mittlerweile die Generation der Digital Natives nachgewachsen, die einen viel selbstverständlicheren Umfang mit den neuen Medien zeigt (s.o. Rn. 103 ff.).

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Die Finanzverwaltung musste sich dem zwangsläufig anpassen und hat seit vielen Jahren spezialisierte IT-Prüfer Teams aufgebaut, die sich mit der forensischen Datensicherung befassen. Während das noch vor nicht allzu langer Zeit Allrounder waren, haben sich die IT-Prüfer zwischenzeitlich weiter spezialisiert. So gibt es innerhalb der IT-Prüfung Spezialisten für Netzwerke, für Datenbanken, für Registrierkassen oder Mobilfunk, die mit der jeweils dazu notwendigen (entsprechend teuren) Hard- und Software aufgerüstet wurden. Die IT-Prüfung ist mittlerweile zu einem der wichtigsten Bereiche der Steuerfahndung geworden.

Rechtlich bietet die Datensicherung einige Probleme.

aa) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

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Bei der Sicherstellung der elektronischen Daten des Beschuldigten ist zunächst einmal der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, der in diesem Zusammenhang verbietet die EDV-Anlagen, auf denen sich die Daten befinden, einfach zu beschlagnahmen. Das wäre für viele Unternehmen gleichbedeutend mit einer erzwungenen (mindestens vorläufigen) Betriebseinstellung. Wenn es andere, weniger belastende Möglichkeiten zur Beweissicherung gibt, müssen diese ergriffen werden. Der Weg dazu geht über die Spiegelung der vorhandenen Festplatten, bei der alle Cluster des Datenspeichers physikalisch auf ein Sicherungsmedium der Steuerfahndung übertragen werden. Das hat den Vorteil, dass so auch gelöschte Dateien mitgesichert werden, die dann u.U. später im Labor der IT-Prüfung wieder lesbar gemacht werden können. Der Nachteil der Spiegelung ist, dass sie bei den heute üblichen großen Speicherplatten zeitaufwändig ist, so dass der IT-Prüfer regelmäßig als Letzter den Durchsuchungsort verlässt. Wichtig ist, dass die Daten nicht nur gespiegelt werden, sondern dass auch die Herkunft und die Unverändertheit der gesicherten Daten dokumentiert werden können. Das erledigen spezielle Programme für die forensische Datensicherung, welche bei allen Steuerfahndungsstellen im Einsatz sind.

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Bei einzelnen isolierten Speichermedien wie USB-Sticks und Memory-Cards kann auch die körperliche Sicherstellung in Betracht kommen, weil dies für den Beschuldigten regelmäßig keine so einschneidenden Folgen hat.

bb) Zugriff auf räumlich getrennte Speichermedien

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Den Besonderheiten der modernen Netzwerke trägt mittlerweile § 110 Abs. 3 StPO Rechnung, der auch den Zugriff auf räumlich getrennte Speichermedien erlaubt, die sich nicht im Durchsuchungsort befinden, für den der Durchsuchungsbeschluss gilt. Damit sind Daten im WLAN oder auch in der sog. Cloud umfasst, wenn auf diese Daten vom Durchsuchungsort aus zugegriffen werden kann. Immer wieder wird problematisiert, ob dadurch nicht ein Verstoß gegen den Territorialitätsgrundsatz vorliegt, denn möglicherweise verstoßen deutsche Ermittler durch ihren Datenzugriff gegen die Souveränität des Staates, in dem die Server tatsächlich stehen. Das ist aber regelmäßig nicht einmal dem Inhaber der Daten bekannt. Wer weiß schon, wo die Cloud liegt? Viel wahrscheinlich ist, dass Daten überhaupt keinen festen Ort haben. Sie sind ihrer Natur nach schon anders zu bewerten als Gegenstände, Räume oder Gebäude, die Gegenstand von Durchsuchungsbeschlüssen sind. Ohne einen „Ort der Daten“ kann auch nicht gegen staatliche Souveränitätsrechte verstoßen werden. Der Problembereich harrt noch der gerichtlichen und vielleicht völkerrechtlichen Klärung.

cc) Beweise aus der elektronischen Kommunikation

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Eine besondere Herausforderung für die IT – Prüfung ist die elektronische Kommunikation durch Mails oder etwa auch Skype, weil hier der besondere Grundrechtsschutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu beachten ist, der auch für E-Mails gilt.[96] Fraglich war aber, ob für die Sicherstellung des E-Mail-Verkehrs die strengen Anforderungen der §§ 100a StPO Gültigkeit haben. Das hat das BVerfG mit Beschluss vom 31.3.2009[97] abgelehnt, weil der Schutzzweck des Art. 10 GG nicht der rein technischen Begriffsbestimmung des TKKG folgen müsse. Nach Auffassung des BVerfG genügen die strafprozessualen Regeln in §§ 94, 98 StPO den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ermächtigung zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis. Ausdrücklich nimmt es das BVerfG in Kauf, dass die vorläufige Sicherstellung größerer Teile oder des gesamten Bestandes an E-Mails zulässig sein muss, weil eine sorgfältige Sichtung und Trennung der Mails nach Verfahrensrelevanz am Durchsuchungsort nicht immer möglich sei. Es müsse sich dann – wie bei Papierunterlagen auch – eine Sichtung nach § 110 StPO zur Feststellung der verfahrensrelevanten Beweismittel anschließen.

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Es sind drei Fallkonstellationen zu unterscheiden:


a) Der Mailverkehr ist auf dem Rechner des Beschuldigten vor Ort gespeichert: Die Daten können vor Ort gesichert werden, wenn sie im Beschluss enthalten sind. Darunter fällt auch der Fall, dass der Beschuldigte mit der Herausgabe seiner Mails einverstanden ist, etwa indem er dem Ermittler das Zugangs-Passwort zu seinem Mailprogramm gibt.
b) Die Mails sind auf einem Server des Providers gespeichert: es ist ein Beschluss nach § 103 StPO gegen den Provider zu erwirken auf Herausgabe des dort gespeicherten Mailverkehrs.
c)

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Wie Mails wird die schriftliche Skype–Kommunikation (Skype SMS) gesichert, die sich auf dem Rechner des Beschuldigten befindet. Der gesprochene Verkehr über Skype bedarf zu seiner Sicherung eines Beschlusses nach § 100a StPO und ist zudem technisch nur schwierig abzuhören.

d) Risiko von Untersuchungshaft

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In größeren Steuerstrafverfahren besteht durchaus das Risiko einer Untersuchungshaft, die durch das Gericht in den Fällen mit dringendem Tatverdacht und zusätzlicher Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angeordnet werden kann, § 112 StPO.

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Dringender Tatverdacht liegt vor bei einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat und dass alle Voraussetzungen einer Verurteilung vorliegen, insbesondere verwertbare Beweise gesichert werden können oder konnten, keine Verjährung droht etc.

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Verdunkelungsgefahr ist zu befürchten, wenn der Beschuldigte Einfluss auf die Zeugen nimmt (z.B. als Chef, als wichtiger Abnehmer) und versucht deren Aussagen zu beeinflussen. Werden den Behörden solche Kontakte bekannt, kann es gefährlich werden, insbesondere, wenn etwa auch solcherart beeinflusste Zeugen beginnen ihre Aussagen zu widerrufen.

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Fluchtgefahr wird einerseits durch die Prognose geprägt, wie belastend eine mögliche Bestrafung auf den Beschuldigten wirken kann (insbesondere drohende Freiheitsstrafe ohne Bewährung) und andererseits wie stark er im Inland verwurzelt ist (z.B. Lebensmittelpunkt, Familie, Stärke des sozialen Umfeldes) und ob er bereit ist, das alles aufzugeben. Die Prognose geht oft genug schief und dann ist der Beschuldigte weg.

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Nicht zu verkennen ist, dass bei Ausländern die Prognose einer Fluchtgefahr leichter fällt als bei Inländern. Dies ist aber im Zeitalter der Globalisierung nicht zwingend. Ausländische Geschäfts- und Privatadressen, vielfältige Geschäftskontakte im Ausland und die Möglichkeit, sein Geschäft von jedem Ort der Welt betreiben zu können kann auch für deutsche Staatsbürger zu einer Fluchtprognose führen.

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Gleichwohl ist selbst bei größeren Steuerfahndungsfällen der Haftbefehl die Ausnahme, weil den Steuerfahndern gerade bei größeren Verfahren der Preis zu hoch ist. Der Haftbefehl wird erkauft durch einen enormen Zeitdruck, unter dem das Verfahren ab dann zu führen ist. Spätestens nach sechs Monaten muss die erste Haftprüfung stattfinden (§ 121 StPO). Der Haftbefehl darf nur aufrecht erhalten werden bei besonderen Schwierigkeiten oder besonderem Umfang der Ermittlungen, wie sie allerdings in Steuerstrafverfahren üblich sind. Dauert die Untersuchungshaft ein Jahr an, ohne dass Anklage erhoben wurde, wird es für die Ermittlungsbehörde endgültig eng durch die weitere besondere Haftprüfung seitens des OLG, §§ 122 StPO. Diese gesetzlichen Fristen tragen der besonderen Schwere des Grundrechtseingriffs Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft Rechnung. Wer aber die Dauer von größeren Steuerstrafverfahren kennt, bei denen sich die Ermittlungen schon einmal über zwei und mehr Jahre hinziehen, um den Prozessstoff wenigstens einigermaßen bewältigen zu können, weiß, in welche zeitliche Not die Ermittlungsbehörde kommen kann. In vielen Fällen kann man dem nur durch radikale Beschränkung des Prozessstoffes begegnen. Es werden nicht mehr alle Jahre mit Steuerhinterziehung ermittelt, sondern nur das letzte Jahr. Teile der Vergehen werden eingestellt, obwohl sie unter anderen Umständen weiter verfolgt worden wären. Dem vorrangigen Ziel, der Staatsanwaltschaft spätestens binnen 9–10 Monaten ein Ermittlungsergebnis zu liefern, aus dem diese eine Anklage formulieren kann, wird alles untergeordnet. Entscheidend ist die Erhebung der Anklage spätestens nach einem Jahr. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird das OLG den Haftbefehl darüber hinaus aufrechterhalten.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 8. Kapitel Ermittlungsmethoden und -kompetenzen von Steuerfahndung und Betriebsprüfung und daraus resultierende Risiken › V. Fallabschluss

V. Fallabschluss

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Entsprechend der doppelten Aufgabenstellung der Steuerfahndung werden die Ermittlungen mit einem steuerlichen und einem strafrechtlichen Bericht abgeschlossen. Der Prüfer hat dabei die unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze für beide Verfahren zu beachten.

1. Fallabschluss auf der Ebene der Finanzverwaltung

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Dem Verfahrensabschluss auf der Ebene der Finanzverwaltung dient zunächst einmal der steuerliche Bericht durch die Steuerfahndung. Ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle Herr des Ermittlungsverfahrens entscheidet diese auch über den strafrechtlichen Bericht (auch strafrechtlicher Vermerk genannt).

a) Steuerlicher Abschlussbericht

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Im steuerlichen Prüfungsbericht der Steuerfahndung werden die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen entsprechend einem Betriebsprüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 AO) dargestellt. Da Adressat dieses Berichts vor allem der Innendienst des Veranlagungsfinanzamtes ist, liegt sein Schwergewicht auf Zahlendarstellungen, die der Bearbeiter zum Erlass der Änderungsbescheide benötigt. Darunter leidet gelegentlich – vor allem für steuerlich nicht bewanderte Leser – die Verständlichkeit der Darstellung. Ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen wird der steuerliche Bericht manchmal schwer verständlich sein.

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Wenn der Bericht Ausführungen zu Besteuerungsgrundlagen macht für regulär festsetzungsverjährte Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO), dann muss er zwingend die Gründe anführen, warum die Veranlagungsstelle eine fünfjährige (bei Steuer-Ordnungswidrigkeit) oder zehnjährige Festsetzungsverjährung (bei Steuerhinterziehung) anwenden soll, § 169 Abs. 2 S. 2 AO, da die reguläre Verjährungsfrist nur vier Jahre beträgt. Das Vorliegen einer Steuerordnungswidrigkeit oder Steuerhinterziehung ist Voraussetzung für die Verlängerung der steuerlichen Festsetzungsfrist und muss vom Finanzamt bewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH sind dem Finanzamt bei Ausdehnung seiner Festsetzungen über die reguläre Festsetzungsverjährung von vier Jahren hinaus selbst bei Verletzung von Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen keine Beweismaßerleichterungen zuzubilligen, sondern es ist der „in-dubio-Grundsatz“ anzuwenden.[99] Das wird in den Berichten der Steuerfahndung nicht immer beachtet und sollte vom Berater mit Bedacht geprüft werden.

254

Der Abschlussbericht wird dem Veranlagungsfinanzamt zur Auswertung übersandt und gehört dort in die Steuerakten. Beantragt der Beschuldigte die Übersendung einer Ausfertigung des Abschlussberichts auch an sich selbst, so ist dem nach § 202 Abs. 2 AO zu folgen. Der Beschuldigte kann so vor der Auswertung des Berichts seinerseits dazu Stellung nehmen.

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Werden die Ergebnisse der Steuerfahndungsprüfung vom Steuerpflichtigen angegriffen, ist es Sache des Innendienstes und der Rechtsbehelfsstelle des Finanzamtes die Steuerfahndungsergebnisse zu verteidigen. Selbstverständlich wird dazu die Expertise des Steuerfahndungsbeamten herangezogen, der argwöhnisch darüber wacht, dass „sein“ Mehrergebnis nicht durch eine übervorsichtige Rechtsbehelfsstelle, die vielleicht das Prozessrisiko fürchtet, im Rechtsbehelfsverfahren geopfert wird.

b) Tatsächliche Verständigung als „Deal“ im Ermittlungsverfahren

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In manchen Fällen lassen sich trotz erheblicher Bemühungen der Ermittler die Besteuerungsgrundlagen nicht sicher feststellen. Der BFH hat dafür das Rechtsinstrument der tatsächlichen Verständigung als sog. Richterrecht geschaffen,[100] das die Finanzverwaltung seither anwendet, obwohl das erläuternde BMF-Schreiben erst 24 Jahre später am 20.7.2008 veröffentlicht wurde.[101]

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Die tatsächliche Verständigung dient einerseits der Sicherung des Rechtsfriedens, indem sie dazu beiträgt, Verfahren einvernehmlich abzuschließen. Andererseits erspart sich die Ermittlungsbehörde den unproduktiven Einsatz von Ressourcen und fördert damit die Effektivität der Besteuerung.

aa) Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung (TV)

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Eine TV kommt in Betracht, wenn es sich um einen Fall mit erschwerter Sachverhaltsermittlung handelt: der Sachverhalt lässt sich nicht mehr oder nicht mit einem vertretbaren Zeitaufwand ermitteln, so dass das Verhältnis zwischen voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg nicht ausgewogen ist. Die bloße Kompliziertheit des Sachverhalts, der ansonsten durchaus aufklärbar ist, reicht noch nicht aus um eine TV zu rechtfertigen.

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Nur bei schon verwirklichten Sachverhalten kann die aufwändige Sachverhaltsermittlung durch eine TV ersetzt werden. Zur Herbeiführung einer Bindung für künftige Sachverhalte gibt es andere Instrumente.[102] Ausnahmsweise kann sich durch die TV eine Bindung für die Zukunft ergeben, wenn Festlegungen in der TV eine gewisse Dauerwirkung haben und sich der Wille der Beteiligten auch auf eine zukünftige Bindung erstreckt.

Beispiel:


Verständigung über die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes, das auch in Zukunft noch genutzt wird.
Verständigung über die Abgrenzung von Anschaffungskosten zu den Herstellungskosten.