Tax Compliance

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b) Risikofaktoren

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Sehr viele Anzeigen kommen von Insidern mit einer besonderen Nähe zur angezeigten Person, sowohl aus dem familiären wie auch dem geschäftlichen Umfeld. Insbesondere nach Wochenenden und größeren Familienfesten steigen die Anzeigen aus dem familiären Umfeld, während bei Anzeigen von Geschäftspartnern oder Mitarbeitern eine solche Massierung nicht festzustellen ist. Die Anzeigen kommen (aber nicht nur) von …


Ehefrauen, Geliebten, sich benachteiligt fühlende Miterben;
Nachbarn und anderem sozialen Umfeld, die jedoch häufig die steuerliche Relevanz ihrer Mitteilungen überschätzen;
Geschäftspartnern wie Lieferanten, Abnehmern, Konkurrenten oder Subunternehmern bzw. deren Mitarbeiter;
Arbeitnehmern, die ein Ventil für schlechtes Betriebsklima suchen. Die Erfahrung zeigt, dass in solchen Fällen die Mitarbeiter anfangen Aufzeichnungen zu führen und belastende Unterlagen kopieren oder für eine spätere Verwendung (sicherheitshalber) zur Seite bringen: „Wenn ich gekündigt werde, habe ich ein Druckmittel!“ Das lässt das besondere Risiko von Mitwissern bei Steuerhinterziehungen des Arbeitgebers erkennen.

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Kein Unterschied wird gemacht zwischen anonymen Anzeigen und Anzeigen unter Klarnamen. Es kommt auf den Inhalt der Anzeige an und welche Möglichkeiten zur Verifikation sich daraus ergeben. Jede Anzeige ist zunächst einmal eine Behauptung, die neben ihrer steuerlichen Relevanz auch auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Richtigkeit überprüft werden muss. Können einzelne Bestandteile der Behauptung aus anderen Quellen (Steuerakten, interne oder externe Datenbanken, eigene Erkenntnisse) bestätigt werden, steigt die Bedeutung der Anzeige und damit die Möglichkeit, dass es zu einem weiterführenden Ermittlungsverfahren kommt.

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Bei Hinweisen und Fallmeldungen von anderen Behörden gilt grundsätzlich nichts anderes, da man in anderen (nichtsteuerlichen) Dienststellen häufig die steuerliche Relevanz der Meldung nicht einschätzen kann. Kaum Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die Mitteilungspflicht nach § 116 AO, nach der Gerichte und Behörden dienstlich erfahrene Tatsachen, die auf eine Steuerhinterziehung schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) oder den örtlichen Finanzbehörden mitzuteilen haben. Die Vorschrift erzeugt nicht übermäßig viele Meldungen, die zudem erfahrungsgemäß nur eine geringere Relevanz haben.

Einzelne Indikatoren für die Prüfung der steuerstrafrechtlichen Relevanz könnten sein:


(anonyme) Anzeige von einigem inhaltlichen Gehalt, die ersichtlich aus dem näheren Umfeld des Angezeigten herrührt;
Anzeige von Schwarzzahlungen (z.B. Schwarzlöhnen) oder schwarz vereinnahmten Geldern;
große Kalkulationsdifferenzen, die auf Einnahmeverkürzungen hinweisen;
andere Kalkulationen, durch die Schwarzzahlung von Arbeitslohn indiziert werden kann (z.B. Vergleich der gemeldeten Arbeitnehmer und der Arbeitszeiten mit dem insgesamt gebuchten Lohnaufwand);
ungeklärte Geldzuflüsse oder wirtschaftlich wenig sinnvolle Geldabflüsse, häufig vom oder ins Ausland (aus Meldungen der Betriebsprüfung: Verdacht auf Scheinrechnungen mit Kick-Back zur Schaffung von schwarzen Kassen);
Aufbau komplizierter, gekünstelt wirkender Firmenkonstrukte, durch die steuerliche Risiken entstehen können (z.B. durch die erschwerte Nachverfolgbarkeit der Abläufe, Firmen in „Oasenstaaten“);
Geschäftsbeziehungen mit amtsbekannten Geschäftspartnern, die für ihre steuerliche „Risikofreudigkeit“ bekannt sind (insbesondere Thema bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung);
Tätigkeit in bestimmten Branchen (ebenfalls bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung: Handel mit Mobiltelefonen, elektronischen Bauteilen außerhalb der Reverse-Charge-Regelung des § 13b UStG, Handel mit Kupfer- und Nickelkathoden, Fullerenen etc.);
generell haben viele Auslandssachverhalte erhöhte steuerliche Relevanz und Aufmerksamkeit (das mag ein Relikt aus früheren Zeiten sein, als diese noch weit seltener waren);
Anzeige von Zahlungen und Vorwürfe im Korruptionsbereich (sowohl mit Beamten wie mit Angestellten, künftig verstärkt auch im medizinischen Bereich, §§ 299 f. StGB;„Wer schmieren will braucht Schwarzgeld!“);
Informationen aus Geldwäscheverdachtsanzeigen;
Informationen aus Bargeldkontrollen des Zolls nach § 12a ZollVG.

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Anzeigen mit erkennbar außersteuerlicher Relevanz (z.B. Urkundsdelikte, Korruptionsdelikte, Betrug, Untreue etc.) müssen über die Staatsanwaltschaft an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben werden.

c) Reichweite der Steuerfahndungs – Ermittlungen

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Ergibt sich ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht, ist das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das geschieht nach § 397 Abs. 1 AO durch jede Maßnahme, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat zu ermitteln. Eines schriftlichen Vermerks bedarf es dazu nicht. Gleichwohl ist dieser üblich und notwendig, denn dadurch wird die Reichweite des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestimmt. Während bei einer Betriebsprüfung die Reichweite der steuerlichen Ermittlungen durch die Prüfungsanordnung bestimmt wird und die darin genannten Steuerarten und Jahre umfasst (und zwar insgesamt), definiert der Einleitungsvermerk der Steuerfahndung die Reichweite der Steuerfahndungsermittlungen sowie das Ermittlungsthema (Tathandlung, modus operandi).

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Der Einleitungsvermerk muss daher neben Tag und Uhrzeit der Verfahrenseinleitung auch die Straftat (§ 397 Abs. 3 AO) angeben, weswegen ermittelt wird sowie die Handlung und der Zeitpunkt, durch die sie verwirklicht sein sollen. Steuerstrafrechtlich wird die einzelne Straftat durch Steuerart und -jahr sowie durch die Person des Täters definiert. Die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen sind anzugeben.[26] Das Strafverfahren wird daher für die gesamte Besteuerung einer Steuerart und eines Veranlagungszeitraums eines bestimmten Täters eingeleitet.

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Steuerlich ist jedoch der Unterschied in der Reichweite der Ermittlungen von Betriebsprüfung und Steuerfahndung von großer Bedeutung. Dies folgt u.a. aus den unterschiedlichen Formulierungen der Ablaufhemmung der steuerlichen Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) für Betriebsprüfung und Steuerfahndungsprüfung.


a) Die Ablaufhemmung durch eine Betriebsprüfung (§ 171 Abs. 4 AO) beginnt mit der tatsächlichen Aufnahme der Prüfungshandlungen und endet nicht vor der Bestandskraft der aufgrund der Prüfung ergangenen Steuerbescheide. Sie ist eine vollständige Ablaufhemmung, bezogen auf die Steuerarten und -jahre, die in der Prüfungsanordnung genannt sind.
b)

Beispiel:

Das Verfahren wird eingeleitet und es wird durchsucht wegen nicht erklärter Kapitaleinkünfte. Aus den mitgenommenen Unterlagen erkennt der Prüfer, dass auch die Mieteinnahmen nicht vollständig erklärt wurden. Dem Steuerpflichtigen teilt er die Erweiterung seines Ermittlungsgegenstandes nicht mit, weil er ja bereits alle erforderlichen Unterlagen für seine weitere Prüfung hat. Der Prüfer nimmt die verschwiegenen Mieteinnahmen in seinen Bericht auf, den der Veranlagungsbezirk auswertet.

 

Nach erfolglosem Einspruch stellt das Finanzgericht fest, dass die Einkommensteuer bezüglich der hinterzogenen Mieteinnahmen festsetzungsverjährt war, weil mangels Prüfung beim Steuerpflichtigen insoweit keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO eingetreten ist, denn die Durchsuchung war nicht wegen des Vorwurfs der Verkürzung der Mieteinnahmen erfolgt. Der Prüfer hätte die Ausdehnung des Ermittlungsgegenstandes vor Eintritt der Festsetzungsverjährung dem Beschuldigten mitteilen müssen.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 8. Kapitel Ermittlungsmethoden und -kompetenzen von Steuerfahndung und Betriebsprüfung und daraus resultierende Risiken › III. Erkenntnisquellen der Steuerfahndung

III. Erkenntnisquellen der Steuerfahndung

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Sowohl bei der Bewertung des Anzeigeneingangs wie auch bei der steuerlichen oder strafrechtlichen Prüfung der einzelnen Fälle ist die Steuerfahndung auf eine Vielzahl von Informationsquellen angewiesen. Daher haben die Steuerfahnder im Auffinden und in der Auswertung der ihnen zugänglichen Quellen eine gewisse Virtuosität entwickelt, die notwendig ist um ihrer mit krimineller Energie agierenden „Kundschaft“ auf Augenhöhe begegnen zu können.

1. Nationale Erkenntnisquellen

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Die nationalen Erkenntnisquellen liegen sehr häufig noch in Papier vor und sind daher nur regional verfügbar, was den Zugriff erschwert und zum Teil aufwendige Dienstreisen erforderlich macht. Behörden verschicken ihre Akten nur höchst ungern.

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Zunehmend liegen jedoch Akteninhalte auch elektronisch vor, was den Zugriff theoretisch bundesweit erlauben würde. Leider fällt dem Inhaber der Daten bei Ersuchen um Informationsübermittlung oftmals der Datenschutz ein (manchmal zu Recht, aber nicht immer), was in der Praxis die Ermittlungsarbeit beträchtlich erschwert. Dies gilt selbst dann, wenn die Weitergabe gesetzlich vorgesehen ist, aber formale Ausführungsbestimmungen und andere niederrangige Verwaltungsanweisungen fehlen. Die weitergegebenen Daten werden schließlich dadurch nicht schutzlos, sondern unterliegen dem Steuergeheimnis des § 30 AO als dem ältesten deutschen Datenschutzgesetz.[28] So werden der Steuerfahndung selbst Daten vorenthalten, die sie zur Erledigung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigt.

Beispiel:

Die Steuerfahndung hat keinen Zugriff auf die Daten der deutschen Rentenversicherer, die notwendig wären zur Ermittlung der Schwarzarbeit in der Form der Beschäftigung nicht angemeldeter Arbeitnehmer. Den Zugriff hat nur der Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)), der aber von ihm bei der DRV erhobene Daten nicht an die Steuerfahndung weitergeben darf. Ein eigenes Zugriffsrecht der Steuerfahndung wurde von den Rentenversicherern wiederholt abgelehnt.

a) Ermittlungen im Besteuerungsverfahren

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Hauptquelle von Informationen im Besteuerungsverfahren sind die internen Akten der Finanzverwaltung in Papier oder – zunehmend – in elektronischer Form, die ihrerseits überwiegend gespeist werden durch die Erklärungen des Steuerpflichtigen, zu denen er im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (§ 90 AO und viele weitere mehr) verpflichtet ist. Das gilt sowohl für regelmäßig (jährlich, quartalsweise, monatlich) wiederkehrende Erklärungen und Anmeldungen wie für sporadisch und anlassbezogen abzugebende Erklärungen und Anzeigen (z.B. bei einem Erb- oder Schenkungsfall).

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Daneben schaffen die Steuergesetze eine Reihe von Informationspflichten für Dritte, die als sog. Kontrollmitteilung ebenfalls zur steuerlichen Informationsgewinnung beitragen.

aa) Erklärungen zur Veranlagung

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Bei bestimmten Steuerarten muss die Steuer in einem Veranlagungsverfahren durch Steuerbescheid (§ 155 AO) festgesetzt werden. Das betrifft überwiegend die Ertragsteuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer (beim Finanzamt als Gewerbesteuermessbescheid). Diese Veranlagungsverfahren werden gespeist durch die Informationen des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung, die teils exklusiv, teils aber auch beim Finanzamt schon aus anderen Quellen (elektronisch) vorhanden sind.[29] Dies dient der Beschleunigung des Veranlagungsverfahrens, aber auch dem Abgleich mit den vom Steuerpflichtigen gegebenen Informationen. Bei Differenzen kann der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (z.B. § 93 Abs. 1 AO) zur Aufklärung aufgefordert werden. Im Zweifel wird das Finanzamt aber auf die von dritter Seite elektronisch übermittelten Informationen zurückgreifen, weil die als valide gelten.

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Der Umfang der in der Steuererklärungen zu liefernden Informationen, die wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind (§ 150 Abs. 2 AO), ist erheblich, weil die Angaben auf den verschiedensten amtlichen Vordrucken mit konkret gestellten Fragen (insbesondere dem sog. Mantelbogen mit einer Vielzahl von Anlagen) zu machen sind. Der Erklärung sind zusätzlich weitere Unterlagen beizufügen wie Anlagenverzeichnis, Einnahme-Überschuss-Rechnung, Verzeichnis der geringwertigen Wirtschaftsgüter (GWG) und viele weitere.

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Die Nichtabgabe einer abzugebenden Steuererklärung[30] auch noch nach dem gesetzlich bestimmten Abgabetermin (grundsätzlich der 31.5. des Folgejahres) kann einerseits steuerliche Sanktionen auslösen wie z.B. einen Verspätungszuschlag zur festgesetzten Steuer in Höhe von maximal 10 % (und maximal 25 000 EUR). Andererseits kann dadurch aber auch das Versuchsstadium einer Steuerhinterziehung beginnen, wenn tatsächlich ein Steuerbetrag festzusetzen ist, der aufgrund der ausstehenden Erklärung nicht festgesetzt wird. Steuerhinterziehung ist auch die Verkürzung auf Zeit, § 370 Abs. 4 S. 1 AO. Dieser Versuch wird zur vollendeten Steuerhinterziehung, wenn die Steuer nicht bis zum 30.9. des übernächsten Jahres festgesetzt werden kann. Das ist der Zeitpunkt, zu dem die überwiegende Mehrzahl aller Steuerfälle (also auch der säumige Nichterklärer) nach dem gewöhnlichen Ablauf veranlagt sein würden.

bb) Erklärungen für Anmeldesteuern

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Anmeldesteuern wie die Umsatzsteuer, die Lohnsteuer oder die Kapitalertragsteuer werden nicht veranlagt, sondern durch die Anmeldung des Steuerpflichtigen unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt, § 168 S. 1 AO. Der Steuerpflichtige erstellt somit seinen eigenen Steuerbescheid. Sollte sich aus der Anmeldung eine Erstattung oder Vergütung ergeben, gilt dies erst, wenn das Finanzamt formlos zustimmt, § 168 S. 2 AO.

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Der Umfang der in den Anmeldungen zu übermittelnden Informationen ist deutlich geringer als bei den Veranlagungssteuern. Zwar bestehen erhebliche Aufzeichnungspflichten für viele weitere Informationen, die jedoch von der Finanzverwaltung erst im Rahmen einer Prüfung oder Nachschau abgefragt werden können. Andererseits sind die Zeitpunkte für die Abgabe von Anmeldungen sehr viel zeitnäher und häufiger (monatlich, quartalsweise) als bei den Veranlagungssteuern.

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In den Anmeldeverfahren werden den Steuerpflichtigen erheblich mehr Pflichten und mehr Verantwortung aufgebürdet als im Veranlagungsverfahren. Strafrechtlich äußert sich das u.a. dadurch, dass durch das bloße Verstreichen lassen der gesetzlichen Anmeldepflicht eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt, wenn Steuer mit einer positiven Zahllast anzumelden gewesen wäre.

cc) Weitere Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen

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Aus den Einzelsteuergesetzen ergeben sich an vielen Stellen weitere Anzeige- und Meldepflichten des Steuerpflichtigen, aus denen die Finanzverwaltung Informationen schöpfen kann und deren Verletzung häufig bußgeldbewehrt (§ 379 AO) ist.

Im Einzelnen: (und nicht abschließend):


Anzeigepflicht über Gründung und Erwerb von ausländischen Betrieben und Betriebsstätten sowie die Beteiligung an ausländischen Personen- und Kapitalgesellschaften, § 138 Abs. 2 AO. Die Verletzung dieser Pflicht ist ausdrücklich bußgeldbewehrt, § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO;
Anzeige einer land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Erwerbstätigkeit, § 138 Abs. 1 AO;
Anzeige der Betriebseröffnung, wenn in dem Betrieb verbrauchssteuerpflichtige Waren gewonnen, hergestellt oder verbraucht werden sollen, § 139 AO;
Übermittlung der wegen einer geplanten Investition gebildeten Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG.
weitere siehe Einzelsteuergesetze.

dd) Informationsgewinnung durch Prüfung und Nachschau

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Weit über die Erklärungspflichten hinaus geht der Umfang der aufzeichnungspflichtigen Vorgänge, die der Steuerpflichtige in seiner Buchhaltung oder anderen Aufzeichnungen festhalten muss und die Gegenstand von steuerlichen Prüfungen und Nachschauen sein können.

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Die steuerliche Informationsgewinnung folgt der Überlegung, dass eine Aufzeichnungspflicht stets auch eine Aufbewahrungspflicht begründet, weil sie sonst sinnlos wäre. Alles was aufzubewahren ist, unterliegt auch der Vorlagepflicht, weil sonst die Aufbewahrung keinen Sinn machen würde. Dies gilt mit den Einschränkungen, dass entweder die ursprüngliche Aufzeichnungspflicht gesetzlich vorgeschrieben ist (daraus folgen dann die beiden anderen Pflichten) oder – bei freiwilligen Aufzeichnungen – diese zum Verständnis der steuerlich vorzulegenden Unterlagen notwendig und deswegen vorzulegen sind.

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Die Aufzeichnungspflichten können aus den verschiedensten Gesetzen herrühren und sind auch für Zwecke der Besteuerung vorzulegen, wenn sie steuerliche Relevanz haben, § 140 AO. Im Mittelpunkt steht die handelsrechtliche Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB. Weitere Aufzeichnungspflichten ergeben sich aber beispielsweise aus der Gewerbeordnung, dem Apothekengesetz, dem Waffengesetz, der Betriebsordnung für Kraftfahrzeuge (im Taxi-Bereich), dem Geldwäschegesetz und weiteren Einzelgesetzen. Der Betriebsprüfer kann und wird danach fragen, wenn er eine steuerliche Relevanz sieht. Die Verweigerung dieser Unterlagen kann im Einzelfall die Anwendung von Zwangsmitteln der AO (§§ 328 ff. AO) nach sich ziehen oder im Rechtsbehelfsverfahren bis zur Klage führen.

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Besondere Bedeutung erlangt die Herausgabe von elektronischen Aufzeichnungen nach § 147 Abs. 6 AO, weil diese ganz neue Auswertemöglichkeiten mit Hilfe spezieller Prüfungsprogramme erlauben. Alle Aufzeichnungen mit steuerlicher Relevanz, die der Steuerpflichtige elektronisch aufzeichnet, hat er auch elektronisch aufzubewahren und auf Verlangen in elektronisch auswertbarer Form vorzulegen. Es gelten im Grunde dieselben Regeln wie bei der Aufbewahrung von Papier. Der Unterschied besteht darin, dass Papier ohne weiteres zehn Jahre lang (§ 147 Abs. 3 AO) lesbar bleibt, während bei elektronischen Aufzeichnungen dies nicht sicher ist. Es stellt in der Praxis einen deutlich höheren Aufwand dar, die entsprechenden Datenträger zu konservieren, umzukopieren auf neue Speichermedien oder die entsprechende „alte“ EDV-Anlage vorzuhalten, mit der die alten Dateien noch lesbar gemacht werden können.

 

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Unter dem Stichwort „DAVOS“[31] versucht die Finanzverwaltung zunehmend auf Begleitsysteme neben der eigentlichen Buchhaltung zuzugreifen und will Einblick in die Daten von Warenwirtschaftssystemen, elektronischen Registrierkassen, Taxametern, Lohnkonten etc. nehmen. Der Streitpunkt, was steuerlich von Belang ist, beschäftigt mittlerweile die Gerichte und es gibt dazu bereits viele einschlägige Entscheidungen, aus denen aber keine einheitliche Linie erkennbar ist. Zu sehr vom Einzelfall geprägt sind die Verfahren, als dass man eine allgemeingültige Aussage machen könnte. In den GoBD[32] finden sich die einschlägigen Vorstellungen der Finanzverwaltung, was und in welcher Form vorgehalten bzw. vorgelegt werden. Diese Verwaltungsanweisung fasst zwar überwiegend die auch schon bisher geltende Rechtslage in der Interpretation der Gerichte zusammen, enthält aber auch einige neue Regelungen, die von der Finanzgerichtsbarkeit bisher noch nicht beurteilt wurden. Entsprechend streitanfällig dürfte der Themenkomplex in naher Zukunft sein.

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Wenig streitanfällig (weil gerichtlich bereits entschieden[33]) ist die Verpflichtung der Unternehmer zu einer Datenorganisation und -trennung, die es erlaubt, nur die steuerlich relevanten Daten herauszugeben. Bei einer vermischten Ablage von vorlagepflichtigen relevanten und nicht relevanten (nicht vorlagepflichtigen) Daten sind alle Daten herauszugeben, wenn eine einfache Trennung nicht möglich ist. Diese Datenorganisation ist keine Aufgabe für die IT-Organisation, sondern für den Steuerberater (also Vorbehaltsaufgabe nach dem Steuerberatungsgesetz), weil nur dieser die steuerliche Relevanz erkennen kann.

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Ebenfalls unstreitig ist allerdings auch die Verpflichtung der Finanzverwaltung, nach Abschluss der Prüfung die elektronischen Daten zu löschen. Abschluss der Prüfung in diesem Sinne bedeutet Bestandskraft der nach der Prüfung ergangenen Steuerbescheide, weil der Betriebsprüfer in einem eventuellen Rechtsbehelfsverfahren für seine Stellungnahme auf die Daten der Prüfung zugreifen können muss.[34] Es können also durch die Betriebsprüfungen keine umfangreichen Datensammlungen und Archive angelegt werden, auf die die Steuerfahndung zurückgreifen könnte.